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fe. 453 42. Jahrg. Ausgabe A nr. 231

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292–297.

Freitag, den 25. September 1925

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An den Verhandlungstisch!

Die Entscheidung des Kabinettsrats.

erklärt worden wäre. Es liegt aber darin und in den Aus­wirkungen dieses Verzichts ein großer Vorteil für Deutschland : denn niemand kann es für möglich halten, daß nach dem Abschluß eines solchen Vertrags das System der Sanktionen und Offupationen, des Rheinlandregimes, der Ausdehnung der Besatzungsfristen, die Politik der offenen und versteckten französischen Aspirationen auf den deutsch geblie benen Teil des Rheins fortgesezt werden könnte. Die natur­notwendige Folge eines solchen Sicherheitsvertrags muß sein, daß die Besagung abgebaut wird und in gemessener Frist ganz verschwindet, daß dem Saarland sein Selbstbestimmungs­recht zurückgegeben wird und fortab jeder der Nachbarn frei auf seinem eigenen Boden waltet.

auch für selbstverständlich, daß daraufhin den Leiden der befegten Gebiete ein Ende gemacht wird, für die jüngst erst die Erklärung unserer rheinischen Delegierten auf dem Heidelberger Parteitag so beredt Zeugnis abgelegt hat. Damit ist nicht gesagt, daß auf der kommenden Konferenz alles, was mit diesen Fragen zusammenhängt, als Leistung und Gegen­leistung verhandelt und in Vertragsparagraphen formuliert werden muß. Die Form ist gewiß nicht wenig, aber der Geist ist alles!

Wie nicht anders zu erwarten war, hat der Kabinettsrat, I fundiert ist als einer, der von einer deutschen Lintsregierung| schaftlichen Absichten jede Garantie gibt; mir halten es aber der gestern unter dem Vorsiz Hindenburgs tagte, den Beschluß gefaßt, die Einladung zur Pattfonferenz anzu nehmen. Der Beschluß ist einmütig gefaßt worden und hat auch die Zustimmung des Reichspräsidenten gefunden. Damit ist eine vollendete Tatsache geschaffen, die man jetzt als eine Selbstverständlichkeit hinzustellen versucht. Man spekuliert damit auf das kurze Gedächtnis des Publitums. Denn so fehr die Annahme der Einladung eine Selbstverständlichkeit war für diejenigen, die politisch denken fönnen, so wenig war fie es für diejenigen Kreise gewesen, die den Deutsch nationalen ihre bedeutende Stärke im Reichstag ver­schafft hatten und die sich mit Recht rühmen, auch die Wahl Hindenburgs zum Reichspräsidenten bewirkt zu haben. Diese ,, Sieger" gehen aus der gestrigen Sigung des Reichskabinetts als die Besiegten hervor.

Die politische Bernunft hat sich durchgesetzt gegen die stärkste Regierungspartei".

Das Ziel der Pattkonferenz ist, die staatlichen Be­figverhältnisse im Westen auf Grundlage der Gegen­feitigkeit zu garantieren und durch ein wohlausgebautes System von Schiedsverfahren den Frieden zwischen den be= teiligten Mächten unbedingt sicherzustellen. Zu diesem Zweck ist auf der Londoner Juristentonferenz ein Ent wurf ausgearbeitet worden, der der geplanten zweiten Ron­ferenz zur Grundlage dienen soll. Eine dritte, die in Aussicht genommen ist, soll mehr formalen Charakter tragen und die gewonnenen Ergebnisse nach Zustimmung der Parlamente ratifizieren.

Es handelt sich dabei um ein Werk, dem die deutsche Sozialdemokratie und die gesamte Internatio. nale das beste Gelingen wünschen muß, denn es handelt sich um ein Wert, das von ihnen selbst in Angriff genommen worden ist. Es ist schon oft hervorgehoben worden, daß die Linie, die die deutsche Reichsregierung in der Richtung zum Batt einschlagen wird, nur eine Fortsetzung jener ist, die von den früheren Regierungen der Deutschen Republik verfolgt murde. Man fann aber noch weiter in die Bergangenheit zurückgreifen und daran erinnern, daß es die deutsche und die französische Sozialdemokratie war, die schon vor dem Welt­frieg einen ähnlichen Pakt zwischen Deutschland und Frank reich betrieb; man fann an die Berner Konferenz erinnern und an die Unvergeßlichen: Jean Jaurès , August Bebel und Ludwig Frant. Solite einmal dem deutsch­französischen Dauerfrieden ein Denkmal gesetzt werden, so müßten ihre Namen als die ersten auf ihm leuchten.

Indes ist es noch lange nicht so weit. Und gerade weil mir Sozialdemokraten das Gelingen des Wertes wünschen, müssen wir das wirken der bürgerlichen Regierungen an ihm mit wachsamem Mißtrauen verfolgen. Wir wissen, daß die Beweggründe und die Ziele diefer Regierungen in vielem andere sind als die unseren. Das gilt vor allem auch für die Regierung Luther Stresemann- Schiele, für diefe Rechtsregierung, die fich anschidt, so etwas wie fozia listisch- internationale Außenpolitik zu machen. Jedermann fühlt das Groteske diefer Situation und ertennt ihren inneren Widerspruch. Dieser Widerspruch kann an jedem Tag auf plagen und alles wieder zunichte machen.

Mit Recht sagt die Tägliche Rundschau", daß es sich bei der Annahme der Einladung zur Konferenz um ein Feft halten an der Politit" handle, die die deutsche Regierung feit dem Februar Memorandum in der Frage des Beftpatts verfolgt hat". Das Februar Memorandum war Februar- Memorandum jene Brivatarbeit des Außenministers", die in allen pater ländischen" Kreisen einen Sturm der Entrüstung erregte, wie er gegen Wirth oder Rathenau auch taum starfer gelobt hat. Das war jene Privatarbeit, von der Herr Schiele in seinem Brief an Herrn Brüninghaus ängstlich abrüdte: er fenne fie nicht, und er wisse nichts von ihr.

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Preisgabe deutschen Boltes und deutschen Landes!" Freiwilliges Versailles!"- so scholl es in der Runde. Und in der Tat, man fann es auch so sagen. Denn Elsaß Lothringen ist tatsächlich überwiegend von deutsch sprechenden Menschen bewohnt, und Deutschland will Frant reich den ruhigen Besitz dieses Landes garantieren. Frei williges Bersailles!" Allerdings, die Grenzen im Besten sind durch den Frieden von Bersailles neu gezogen worden, und Deutschland will diese Grenzen, die ihm damals aufgezwungen wurden, freiwillig anerkennen.

Darin liegt gewiß ein großer Borteil für Frankreich , ein um fo größerer, als ein Verzicht auf Elsaß- Lothringen , der von einer Rechts regierung ausgesprochen wird, noch fester

Wir wünschen, daß die deutsche Regierung aufrichtig und vorbehaltlos die vertragsmäßig gegebenen staatlichen Befiz­verhältnisse anerkennt, daß es für seine friedlichen und freund­

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Es ist eine Ironie des Schicksals, daß der Pattgedanke fein reif wird in einer Zeit, in der außer in Belgien Sozialist den beteiligten Regierungen angehört Wir verfennen feinen Augenblick, daß die bürgerlichen Regierungen, die sich in der Schweiz an einem runden Tisch zusammenfinden werden, daß die Luther und Strefe. mann, die als die Delegierten der deutschen Rechtsregierung

Die Grundlagen der Entscheidung.

An unterrichteter Stelle wird die jetzt beschlossene An-| würde, wenn ein einziger die ganze Arbeit und Berantwortung auf nahme der Einladung als eine Selbstverständlichkeit hin einer Konferenz tragen müßte, die so verschiedene und wichtige Pro­gestellt. Es wird erklärt, daß jede anders lautende Entscheidung bleme lösen soll. eine ganz dumme Politik gewesen wäre, die Deutschland in den Augen der ganzen Welt als Friedensstörer hätte erscheinen lassen. Diese Meinung ist hier in den letzten Wochen stets vertreten worden. Es ist indessen ganz nüßlich, unmittelbar nach dem einstimmigen Be­schluß des unter Borfiz von Hindenburg abgehaltenen Rabinettsrats aus berufenem Munde bestätigt zu hören, daß fast die ganze deutsch nationale Presse bis vor wenigen Stunden für eine ganz dumme Politit eingetreten ist.

Bestimmend für die Annahme der Einladung ist jedenfalls in erster Linie der Bericht von Ministerialdirektor Gaus gewesen, der den von ihm offiziell mit den juristischen Sachverständigen der Alliierten vereinbarten Entwurf eines Garantiepattes dem Kabinett erläutert hat. Da diese Arbeit von allen Seiten als streng vertraulich bis auf weiteres behandelt werden soll, fonimt eine Beröffentlichung des Entwurfes vor der Konferenz nicht in Frage. Indessen scheint man an zuständiger Stelle von dem in London er zielten Ergebnis verhältnismäßig befriedigt zu sein, vor allem, weil darin der Grundsatz der Gleichberechtigung und der Ge genseitigteit in weit höherem Maße gewahrt worden ist, als man ursprünglich nach gewissen französischen Aeußerungen annehmen durfte. Insbesondere dürfte England nicht nur die Sicherheit Frankreichs gegenüber einem deutschen Angriff, sondern auch die Sicherheit Deutschlands gegenüber einem französischen An­griff in unzweibeutiger Weise gewährleisten.

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Gegen die Wahl von Locarno als Konferenzort scheint die fchweizerische Regierung gewiffe Bedenken geltend gemacht zu haben, vermutlich, weil man dort unlicbfamen Bortommnissen vorbeugen wollte, die eine etwaige Anwesenheit Mussolinis auf Tessiner Boden zur Folge hätte haben können. Aus pressetechnischen Gründen ist dieses Fallenlaffen Locarnos nur zu begrüßen. Die endgültige Ent­scheidung über den Konferenzort steht bevor, vermutlich wird, ent­sprechend der deutschen Anregung, Luzern gewählt werden.

Die deutschnationale Presse stellt es so dar, als ob die Unter­händler nur mit fest umschriebenen Richtlinien, also fast mit gebundenen Händen am Konferenztisch erscheinen würden. Dem­gegenüber wird erklärt, daß zwar das Stabinett die allgemeine haltung der Delegation in den nächsten Tagen noch festlegen, aber selbstverständlich nur das deutsche Ziel und nicht alle Modalitäten bestimmen werden.

Die wichtigsten Fragen, die auf der Ronferenz geflärt werden müssen, stehen, ähnlich wie auf der Londoner Konferenz im August 1924, offiziell nicht auf der Tagesordnung. Damals war es das Problem der Ruhrräumung, das zwar formell nicht mit dem Sachverständigengutachten verquidi merden sollte, das aber zeitweise die gesamten Berhandlungen beherrschte. Aehnlich dürfte es diesmal mit den sogenannten Rüd wirkungen des Sicherheitspattes, vor allem hinsichtlich des beseßten Gebietes, fein. Allerdings ist kaum damit zu rechnen, daß diese Fragen der Räumungsfristen und des Befagungsregimes Aufnahme in dem geplanten Sicherheits­patt finden, die Hauptsache ist, daß sie in persönlichen Unter­redungen zur Sprache gebracht und in befriedigender Farm ge­regelt werden. Die auch von deutscher Seite anerkannte loyale Durchführung der Räumungsverpflichtungen, die die Alliierten im August 1924 übernommen hatten, berechtigt zu der Hoffnung, daß der deutsche Standpunkt gegenüber diesen Fragen in entgegentom­mender Weise berücksichtigt werden wird. Die einmütige Zustim mung des Heidelberger Parteitages zu der Erklärung unserer rheini­ichen Genoffen ist jedenfalls geeignet, die Stellung unserer Unter­händler zu stüßen und ihre Erfolgsaussichten zu steigern.

Die Reichsregierung scheint nicht gewillt zu sein, die For derungen der nationalistischen Berbände und sonstigen Kindsköpfe zu erfüllen, daß eine große Kriegsunschuldaktion der deutschen Teilnahme an der Konferenz vorangehen soll. Bielmehr dürfte man den vernünftigen Standpunkt vertreten, daß alles, was bisher geschehen konnte, um die Verwahrung des deutschen Volkes gegen ein nochmaliges Kriegsschuldbekenntnis zum Ausdruck zu bringen, tatsächlich erfolgt fei. Das gilt insbesondere für das im Herbst vorigen Jahres an die im Bölferbundsrat vertretenen Mächte abgesandte Memorandum; da feiner der Empfänger dieses Memorandums in seiner Antwort auf diesen Bunft eingegangen ist, Wahnsinn, wenn man die ganze Frage abermals aufrollen wollte. Daran scheint, wenigstens in der Wilhelmstraße, fein vernünftiger Mensch zu denken..

Die Tagesordnung der Konferenz steht noch nicht endgültig fest und muß noch zwischen den beteiligten Auswärtigen Aemtern vereinbart werden. Namentlich ist die Frage, ob und inwieweit Bertreter der polnischen und der tschechischen Regierung an der Konferenz teilnehmen werden, noch völlig ungeflärt. Auf der Londoner Borkonferenz der Juristen sind die Ostfragen jedenfalls nicht erörtert worden. Die Frage der Schiedsgerichtsperso dürfte der Fall endgültig erledigt sein. Es wäre in der Tat ein träge mit dem östlichen Nachbarn Deutschlands schwebt noch völlig in der Luft. Eine Bereitwilligkeit Bolens zum Abschluß eines folchen Vertrages ist bisher nicht erkennbar gewesen, jedenfalls würde es das deutsche Bolf einmütig ablehnen müssen, daß Frankreich , der Bundesgenosse Bolens, eine besondere Garantenstellung bei einem deutsch - polnischen Schiedsvertrag einnehme. Das hat z. B. auch Ge noffe Hilferding in seinem Referat in Marseille unter allseitiger Zu­ftimmung des Rongresses zum Ausdrud gebracht. Durch die An­regung der tschechischen Regierung vor wenigen Tagen ist jeden falls die Frage dieser Schiedsverträge ins Rollen gefommen und die Reichsregierung wird die Zeit bis zum Zusammentritt der Konferenz mit der Klärung dieses sehr komplizierten Problems durch diploma­tische Berhandlungen ausmüßen müssen.

Sind Hindenburg , Luther nnd Sdriele noch Deutsche ?

München , 24. September. ( BIB.) Der Vorstand der Deutschnationalen Volkspartei Bayerns hat heute in München getagt und ist dabei mitsamt den anwesenden Reichstags­abgeordneten einmütig zu dem Ergebnis gelangt, daß an der Linie der deutschen Außenpolitit, wie sie Graf Westarp in seiner Reichstagsrede vom 23. Juli gezeichnet habe, festgehalten werben muß. Der Parteivorstand faßte alle Folgerungen, die sich aus einem Abweichen der Reichspolitik von dieser Linie ergeben, flar Entsendung des Reichsfanzlers Luther neben ms Auge. Eine Politit, die es auch jetzt wieder unterließe, die Dr. Stresemann hat nicht nur politische, sondern auch praktische Kriegsschuldfrage aufzurollen, oder die auf deuffches Land frei­Gründe: es fann unmöglich einem einzigen Unterhändler die phywillig verzichtete, oder Deutschland neue Jeffeln anlegte, wäre fise Ueberlaug gugemutet werden, die ich daraus ergeben teine deutsche Politit mehr.

Die