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Nr. 457 42. Jahrgang

Die zärtlichen Vettern.

2. Beilage des Vorwärts 27. September 1995

Die Regierung Nikolaus II. als Urheberin eines Attentats diretter Hinweis darauf ist in den Dokumenten nicht vor

gegen Wilhelm II.

Bon B. Nikolajewsti

In der letzten, vor furzem erschienenen Nummer der Mostauer Zeitschrift Krasny Archiv( Das rote Archiv") sind qußerordentlich interessante Dokumente veröffentlicht, aus denen hervorgeht, daß die Regierung Nifolaus II. in den Jahren 1915/16 einen Plan zur Ermordung Wil. helms II. verfolgte.

Laut den veröffentlichten Dokumenten ist ein gewisser J. M. Sosna im Jahre 1915 an die Regierung Nikolaus II. mit dem Vorschlag herangetreten, ein Attentat gegen Bil­helm II. zu organisieren. In seiner an die Regierung ge­richteten Denkschrift hob er besonders hervor, daß es außer der Ermordung fein anderes Mittel gebe, den Feind zu bestrafen, der die Welt mit dem Blut von Millionen Menschen über schwemmt und Millionen Menschen unglücklich gemacht habe und der ,, infolge seiner unersättlichen Habgier, bereit sei, noch größere Ströme von Blut zu vergießen und weitere Millionen Menschen unglücklich zu machen".

Sofna hatte felbft früher in Deutschland gelebt, beherrschte vollkommen die deutsche Sprache und besaß in Deutschland einen ausgebreiteten Verwandten- und Bekanntenkreis.( Wie er behauptete, war sein Bruder seit 18 Jahren in den Krupp­Werken angestellt, wo er einen höheren Posten bekleidete; unter den Verwandten der Frau seines Bruder befanden sich angeb lich hochgestellte Persönlichkeiten.) Sofna ersuchte den General­stab, ihm zwei entschlossene, tapfere Piloten zur Verfügung zu stellen, die dem Zaren und dem Vaterland treu ergeben, nötigenfalls bereit wären, ihr Leben zu opfern". Er würde fich dann zusammen mit ihnen, als freiwillige Flieger, nach Deutschland begeben, sich in der Nähe des deutschen Haupt­quartiers niederlassen und im gegebenen Augenblick Wilhelm II. mit Hilfe eines besonderen Geschosses( das Geheimnis dieses Geschosses wird in der Denkschrift nicht bekanntgegeben) er­morden. Die Attentäter würden dann versuchen, auf einem Aeroplan zu entkommen oder Selbstmord zu begehen.

Der Plan tonnte an sich schon nicht ernst genommen werden, da er viel zu leichtsinnig und phantastisch war. Auch die Persönlichkeit des Antragstelleres mußte das denkbar starfste Mißtrauen erwecken. Aus den Dokumenten ist zu ersehen, daß es sich um einen ganz gewöhnlichen Schwindler handelt, der bereits fe chsmal vorbestraft war und zur Zeit des Krieges eine zehnjährige Zuchthausstrafe im Mos fauer Gefängnis verbüßte. Es unterliegt teinem Zweifel, daß er diesen Plan nur ausheckte, um die Freiheit zu erlangen und der Ueberführung nach einem der sibirischen Zuchthäuser Würde es sich mur um die terroristischen Anwandlungen des Zuchthäuslers Sofna handeln, so brauchte man der ganzen Angelegenheit teine Aufmerksamkeit zu schenken. Sie gewinnen aber Intereffe angesichts des Verhaltens der Zarenregierung aber Interesse angesichts des Verhaltens der Zarenregierung zu diesem Abenteuer.

Bu entgehen

Aus den im Krasny Archiv" veröffentlichten Dokumenten geht nicht hervor, an welche Regierungsstelle sich Sofna ur­sprünglich gewandt hat. Allem Anschein nach an die Ge­heimpolizei; denn als erster erschien im Gefängnis zu einer Unterredung mit Sofna der Staatsrat Mollo m, der darüber an das Hauptquartier Bericht erstattete, deffen Ober­befehlshaber zu dieser Zeit der 3ar selbst war.

Die weiteren Unterredungen fanden gleichfalls im Mos­fauer Gefängnis statt. Das Hauptquartier mar über die Ver­gangenheit Sofnas und seine Straftaten genau informiert. Es feste trotzdem die Verhandlungen fort und übergab die Ange­legenheit zur weiteren Bearbeitung an das Polizei­departement, dem während des Krieges der größte Teil aller geheimen Spionageangelegenheiten unterstand.

Das Polizeideportement nahm sich der Angelegenheit mit dem größten Eifer an, allem Anschein nach auf Grund der aus dem Hauptquartier erhaltenen Weisungen. Zu den weiteren Berhandlungen mit Sofna wurde aus Petersburg ein höherer Beamter, das Mitglied des Kollegiums des Ministeriums für innere Angelegenheiten, issarjonow, nach Mostau entsandt.

frönten Monarchen" eines anderen Staates einzuwenden. Nicht aufgeflärt ist die Frage, welche Rolle Nikolaus II. felbft hierbei gespielt hat. Hat er von dem Mordplan gewußt? Ein handen, jedoch manche Tatsachen sprechen dafür, daß ihm diefer Plan nicht unbekannt bleiben konnte. Er war Oberbefehlshaber, als Mollow dem Hauptquartier Bericht über diese Angelegenheit erstattete. An ihn war auch das Gesuch um die Begnadigung des Zuchthäuslers Sofna ge­

1

Con

Sonntag, September 1925

richtet. Ueberdies interessierte sich Nikolaus II. lebhaft für alle Angelegenheiten des Polizeidepartements und Belezki sowie Wissarionow würden es nie gewagt haben, derartige Schritte ohne Wissen des Zaren zu unternehmen.

Es spricht also manches dafür, daß Nikolaus II. von dem Plane gewußt und die Auffassung seiner Minister geteilt hat. Das Bild ist wert, festgehalten zu werden: ein russischer Zar, der den Weg frei macht zur Ermordung seines geliebten Betters", feines teueren Willi" des Deutschen Kaisers!

Der Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung.

Die Perlen des neuen Gefeßentwurfs.

Der ganze Sinn und Zweck einer Versicherung für| feine Unterstügung erhalten! Mit welchem Recht den Fall der Arbeitslosigkeit kann nur der sein, die versicherten will man den Ausgesperrten, die an dem Lohnkonflikt nicht Arbeitnehmer vor den schlimmsten wirtschaftlichen Nachteilen unmittelbar beteiligt sind und nur aus der Presse davon der Arbeitslosigkeit zu schüßen durch Zahlung einer Unter- Kenntnis erhalten, die Unterstützung vorenthalten, auf die sie stügung, auf die sie sich durch ihre Beitragsleistungen einen durch Beiträge Anrecht erwarben? Anspruch erwerben. In der Krankenversicherung gilt längst der Grundsay, daß jedes Mitglied im Krankheitsfalle Anspruch auf Unterstügung hat. Der vorliegende Entwurf eines Ge­se es über Arbeitslosenversicherung müßte diesen Grundsatz als selbstverständlich für den Fall der Arbeits­losigkeit gelten lassen. Allein der§ 44 des Entwurfs macht den Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung nicht nur abhängig von der Tatsache der Arbeitslosigkeit, sondern außerdem von gewissen Kautschutbestimmungen. Er lautet: Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung hat, wer

Streifende erheben feinen Anspruch auf Arbeits­losenunterstützung. Wenn sie jedoch infolge des Streits aus= gesperrt werden, ihre Bapiere erhalten und von den Unter­nehmern auf die schwarze Liste gesetzt werden, erhalten sie so lange feine Unterstügung, als ihre Aussperrung währt. Das ist keine Arbeitslosenversicherung mehr, sondern geradezu eine Bestrafung für die durch Streit selbstverschuldete" Aussperrung.

Bon den notwendigen Maßnahmen gegen jeden Miß­brauch der Arbeitslosenunterstüßung abgesehen, sind diese Be­1. arbeitsfähig, arbeitswillig, also unfreiwillig ar- ftimmungen für eine Arbeitslosen versicherung einfach beitslos ist, unhaltbar. Die Unterstützungsfäße von 40 Broz. des zugrunde gelegten Einheitslohnes in jeder Lohnklasse sind nicht derart verlockend, als daß ein normaler Arbeitnehmer seine Beschäfti­gung deswegen im Stiche läßt.

2. die Anwartschaftszeit erfüllt hat,

3. den Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung noch nicht er­schöpft hat.

durch Unterstreichung hervorgehoben. Als arbeitsfähig Worauf es bei unserer Betrachtung ankommt, haben wir Arbeitsfähigkeit eingebüßt hat. Das ist auch der Fall, solange müßte jeder Versicherte gelten, der nicht durch Krankheit seine als arbeitsfähig, im Sinne des§ 44, wenn er er nicht arbeitslos ist. Der Arbeitslose aber gift mir

feiten entspricht und ihm unter billiger Berücksichtigung seiner Aus­imstande ist, durch eine Tätigkeit, die seinen Kräften und Fähig bildung und feines bisherigen Berufes zugemutet werden fann, wenigstens ein Drittel dessen zu erwerben, was geistig und körperlich gesunde Personen derselben Art mit ähnlicher Ausbildung in der selben Gegend durch Arbeit zu verdienen pflegen." und fann alten Arbeitern und Kriegsbeschä Diese Bestimmung nach§ 45 foll angewandt werden digten gefährlich werden. Sie ist um so fleinlicher, als erst nach 26wöchiger Beitragsleistung Unterstüßung gewährt wird, und zwar höchstens auf die Dauer von drei Monaten.

Wer als arbeitswillig" gilt, ist in dem Entwurf schrieben. Wer sich ohne berechtigten Grund meigert, eine nicht gesagt, sondern in den Paragraphen 47 bis 49 um Arbeit anzunehmen oder anzutreten, auch wenn sie außer halb seines Wohnortes zu verrichten ist( eine Grenze für die Entfernung außerhalb des Wohnorts ist nicht vorgesehen), erhält für die Dauer der auf die Weigerung folgenden vier Wochen keine Arbeitslosenunterstüßung. Wer fech s och en lang Unterstützung bezogen hat oder während einer berufs üblichen Arbeitslosigkeit"(!), fann die Annahme und den Antritt einer Arbeit nicht mehr aus dem Grunde verweigern, weil sie ihm nach seiner Vorbildung oder seiner früheren Tätigkeit nicht zugemutet werden könne, es sei denn, daß ihm die Ausübung erhebliche Nachteile für sein späteres Fortkommen bringen würde".

"

Nach§ 48 muß die Arbeitslosenunterstügung teilweise abgearbeitet werden.

Für Arbeitslose unter 21 Jahren und für langfristig(! über sechs Wochen?) Arbeitslose ist die Unterſtügung von einer Arbeits­leistung abhängig, soweit dazu Gelegenheit besteht." Nicht arbeitslos ist( nach§ 50) auch der Ehegatte oder der Abtömmling einer solchen Person, der den gemeinsamen Lebensunterhalt in der häuslichen Gemeinschaft mit ihr erwirbt oder erwerben fann.

Wer

Diese Verhandlungen wurden zuerst in Moskau und dann Auch wer als unfreiwillig arbeitslos" be in Petersburg geführt, wohin Sosna aus dem Gefängnis ge­schafft wurde. Wissarjonom übte an dem Plan Sofnas jachtrachtet wird, ist nicht direkt zum Ausdrud gekommen. Die liche Kribit: er erwog die Aussichten auf Erfolg, wies auf ein Paragraphen 51 und 52 sollen diesen Begriff erläutern: zelne Mängel des Planes hin usw. Sosna verteidigte seinen Arbeitsstelle jeine ohne wichtigen Plan unter dem Hinweis, daß er freilich nicht in der Lage sei, Grund aufgegeben( Was ist ein wichtiger Grund?) oder alle Einzelheiten im voraus zu bestimmen. Es sei vor allem durch ein Berhalten, das zur fristlosen Entlassung berechtigt, ver die grundsätzliche Bereitschaft der Regierung notwendig, die loren hat, erhält für die ersten vier Wochen der Arbeitslosigkeit, Einzelheiten dagegen würden an Ort und Stelle beschlossen die danach eintritt, feine Arbeitslosenunterſtügung. werden. Wissarjonom wollte jedoch nicht nachgeben. Er schrieb an den Direktor des Polizeidepartements, Bele ki, daß Sofnas Plan nach seiner Meinung aus technischen Gründen fchwer zu verwirklichen sei" und daß er beshalb feine hohen Ausgaben riskieren möchte"( Sofna hatte 50 000 Rubel ver­langt). Auch befürchtete er, daß im Falle des Mißerfolges", d. h. im Falle der Berhaftung der Attentäter durch die deut schen Behörden, ernsthafte Berwidlungen inter­nationalen Charatters" entstehen könnten. Es ist bezeichnend, daß die Zarenminister die Frage der Unzulässigkeit dieser Pläne vom prinzipiellen und moralischen Standpunkte aus überhaupt nicht berührten. Sie hielten die Anwendung der artiger Kampfmethoden für durchaus zulässig.

Der endgültige Ausgang dieser Angelegenheit ist vor­läufig noch nicht völlig aufgeklärt, da in dem Archiv der Zarenregierung feine weiteren Dokumente gefunden worden find. Es ist nur bekannt, daß Wisfarjonow die Absicht hatte, bie notwendigen Schritte zu unternehmen, um die Aller höchste Begnadigung für Sojna und feine ievereinführungin alle Rechte zu erwirken und ihm die Möglichkeit zu geben, die Ausführung feiner Pläne auf eigene Fauft zu betreiben, ohne ihm die erbetene hohe Unterstügung und Direktiven seitens der Regierung zukommen zu lassen".

Aus den Dokumenten ist nicht ersichtlich, welche Antwort darauf erfolgte. Man kann jedoch mit Sicherheit annehmen, daß das Gesuch seinen 3 med erreichte Der 3ar pflegte in der Regel nie derartige Gesuche des Polizeidepartements abzulehnen.

Das Verhalten der Barenminister in dieser Angelegenheit it ziemlich unzweideutig: die Minister des Nikolaus II. hatten grundsäßlich nichts gegen die Ermordung des ge­

Das ist die tollste Bestimmung, die sich der Entwurf leistet. Bis vor etwa 30 Jahren enthielten die Sagungen ge wisser Krankenkassen, insbesondere der Inmungskrankenkassen, die Bestimmung, daß die Kaffe teine Unterstützung leistet, wenn das erkrankte Mitglied feine Krankheit selbst ver fchuldet hat, sei es vorfäßlich oder leichtfertig, durch Trunken heit, Schlägerei, geschlechtliche Ausschweifungen und dergleichen. Inzwischen hat sich in der Krankenversicherung längst der Grundsatz durchgerungen: mer frant ist, muß unterstützt werden. In dem Entwurf der Arbeitslosenversicherung aber feiert der vorsintflutliche un soziale Borbehalt der früheren Krankenversicherungsgesetze seine Auferstehung. Nichts tennzeichnet mehr die Tendenz des Entwurfs als diese Be­ftimmung!

Eine freiwillige Versicherungseinrichtung mag derartige Borschriften machen. Niemand muß sich ihr unterwerfen. Bon einer 3 wangsversicherung gegen Arbeitslosigkeit ist grundfählich zu fordern, daß sie den Arbeits. Tofen als solchen nimmt und ihn unterstützt. Was dar über ist und das sind alle die Fallstricke des Entwurfs gegen die Arbeitslosen, das ist vom Uebel. Auch der§ 52 bewegt fich in dieser Richtung. Er befagt furz und bündig:

-

Arbeitslose, deren Arbeitslosigkeit durch Ausstand oder Aussperrung ganz oder überwiegend verursacht ist, erhalten während des Ausstandes oder der Aussperrung feine Arbeitslosenunterstützung."

An irgendeinem Orte, wie jetzt in Hohenlimburg , streifen 200 ober 300 metallarbeiter. Die Unternehmer sperren daraufhin sämtliche Metallarbeiter im ganzen Regierungs­bezirf aus. Die Aussperrung mag so lange dauern, wie es den Unternehmern paßt, die gegen Arbeitslosigkeit versicherten unfreiwillig arbeitslofen Ausgesperrten sollen

Die Angestellten und der Afa- Bund. Mit der Entwicklung der Technit, der Konzentration der Unter­nehmungen, der Verdrängung der Rohle durch andere Energie­quellen, der Erweiterung der staatlichen und kommunalen Aufgaben gewinnt jene Bevölkerungsschicht an Bedeutung, die wir als An­Im Augustheft der Gesellschaft" hat Wladimir Woytinski dar gestellte, als Gehaltsempfänger zu bezeichnen pflegen. über einige sehr lehrreiche Zahlen zusammengestellt. Die Ergebnisse der diesjährigen Bolts- und Berufszählung in Deutschland liegen noch nicht vor, aber schon die alten Zählungen, die bis zum Jahre verhältnismäßig schneller steigt als die der Industriearbeiter. So 1907 reichen, zeigen die Tendenz, daß die Zahl der Angestellten erhöhte sich von 1882 bis 1897 die Zahl der Industriearbeiter in Deutschland von 4 226 052 auf 10 268 568, also um 243 Broz., die der Angestellten von 205 061 auf 997 504, also um 486 Broz. Die gleiche Erscheinung sehen mir auch in den anderen 1923 in ber Sowjetunion auf 100 Arbeiter 81 Angestellte tommen, Industriestaaten. Daß nach einer städtischen Zählung vom März fönnen wir unberücksichtigt laffen, da das offenbar nicht ein Zeichen der fortgeschrittenen, sondern der zurückgebliebenen industriellen Technit ist. Besonders bemerkenswert ist aber die Entwicklung in den Bereinigten Staaten von Nordamerika . Hier stieg die Bahl der Lohnarbeiter von 1899 bis 1919 von 4712 763 auf 9 096 372, die der Angestellten von 364 120 auf 1 447 227. Bon 1909 bis 100 betrug der Zuwachs der Arbeiter 37,5 Broz, die Zu­nahme der Angestellten 83 Proz. Auf 100 Arbeiter tamen 1909 12 Angestellte, 1919 bereits 16 Angestellte.

Die gewerkschaftliche Erfassung der Angestellten hat früher be­Gerade diese Schicht der trächtliche Schwierigkeiten verursacht. geistigen Arbeiter neigt leicht fapitalistischen Gedankengängen zu, solange sie noch den Glauben hegen, in gehobene Stellungen auf­rücken oder zur Selbständigkeit gelangen zu können. Das Kapital sorgt aber dafür, daß dieser Glaube gründlich zerstört wird. Immer schneller nähert sich die materielle Lage der Angestellten der der Handarbeiter. Wir wissen das für Deutschland aus den Kämpfen, die in vielen Berufen um die Erhöhung der Gehälter geführt werden müssen. Für die Vereinigten Staaten liegen darüber statistische Es betrug das durchschnittliche Jahreseinkommen Nachweise vor, in Dollar:

1899

1904

1909

1914

1919

des Arbeiters des Angestellten 1045,9

426,1

477,4

1 105,5

518,1

1 187,6

579,7

1158,0

1 835,7 1.998,6

In Prozenten des Arbeiterlohns berechnet, ging das durch­schnittliche Einkommen eines amerikanischen Angestellten von 245 im Jahre 1899 auf 177 im Jahre 1919 zurück.

Es ist das Verdienst der AfA- Bewegung, den An­gestellten zum Bewußtsein gebracht zu haben, daß sie sich zur Ver­besserung ihrer Lebenslage der gewerkschaftlichen Mittel bedienen müssen. Der Gedanke follektiver Regelung der Gehalts- und Arbeitsverhältniffe, früher von der Maffe der Angestellten verlacht, ist heute Allgemeingut auch der Angestellten. Die Tätigkeit der AfA- Verbände hat in den Jahren der Inflation die Angestellten vor der Verelendung geschützt, sie hat die Grund­lage hergestellt, von der aus der soziale Aufstieg der Angestellten vor sich gehen wird.

Auch der Bericht des Bundesvorstandes des AfA­Bundes an den vor kurzem abgehaltenen 2. AfA- Gewerkschafts­tongreß zeugt für die wachsende Bedeutung der Angestellten und ihrer Organisationen für das wirtschaftliche und soziale Leben. Dieser Bericht ist mehr als eine trodene Aufzählung von Zahlen und Daten, er enthält eine umfassende Darstellung der Ereignisse im vergangenen Jahrfünft auf den Gebieten der Wirtschaft, der Sozialpolitik und der Gewerkschaftsbewegung. Es ist deshalb zu begrüßen, daß das Wert auch dem Buchhandel zugänglich gemacht wurde( Angestelltenbewegung 1921-1925, Berlag J. H. W. Diek Nachfolger, Berlin 1925.)

Den Aufstieg der AfA- Bewegung fennzeichnen folgende An­gaben: Die gewerkschaftlichen Angestelltenorganisationen hatten sich im Frühjahr 1914 in loser Form zur Arbeitsgemeinschaft für das einheitliche Angestelltenrecht zusammengeschlossen, aus der sich im Herbst 1917 als festeres Kartell die Arbeitsgemeinschaft freier Angestelltenverbände"( af) bildete. Damals hatte die Afa kaum 60 000 Mitglieder, während die antigewerkschaft­lichen Angestelltenvereine nahezu 700 000 Anhänger zählten. Ende 1924 hatte sich die Gesamtzahl der organisierten Angestellten auf rund 1 200 000 erhöht, von denen der AfA- Bund mit seinen 550.000 mitgliedern faft die Hälfte um seine Fahnen scharen konnte.