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Weg von der Futterkrippe!

Ein reaktionärer Anschlag auf das Berliner   Schulwesen abgewehrt!

Die Borgänge in der gestrigen Berliner   Stadtverord netenversammlung verdienen über die Grenzen Berlins   hin. aus Beachtung. Im vorigen Jahre haben die bürgerlichen Parteien im Berliner   Rathaus mit Ach und Krach und mit Hilfe der Kommu niften den Abbau des ihnen unangenehmen Sozialdemokraten Baulsen von dem Posten des Groß- Berliner Stabtschulrats durchgefekt. Seitdem war diese Stelle, deren Wiederbesegung felbst­verständlich auf die Dauer unumgänglich war, permaist und wurde von dem unbefoldeten volfsparteilichen Stadtrat Benete verwaltet. Seit einigen Wochen herrschte hinter den tuliffen der bürgerlichen Parteien och betrieb im Ruhhandel. Je näher die Wahlen für die neue Berliner Stadtverordnetenversamm­lung heranrüdten, um fo größer wurde die Ueberzeugung, daß die furze Herrlichkeit einer tnappen Bürgerblodmehrheit von fünf Stim men endgültig ausgespielt sein würde. Unter diesen Umständen galt es, mit allen Mitteln in letter Stunde den Bosten des Stadtschulrats unter Dach und Fach zu bringen.

Monate und mochenlang gingen die Berhandlungen hin und her, ohne daß die bürgerlichen Barteien sich einigen fonnten. Die Boltsparteiler, deren Halbierung bei der Neuwahl so gut mie sicher ist, versuchten unter allen Umständen, ihren Benete an den Mann zu bringen, die Deutschnationalen sefundierten in Ermangelung eines geeigneten Kandidaten und aus prattischen Grün­den. Das Zentrum schluckte offenbar den auch ihm unangenehmen Benete lieber als einen später mit fozialistischer Unterſtügung ge­wählten neuen Mann. Nur die Demokraten fonnten sich nicht entschließen. Die große Mehrheit ihrer Fraktion wußte offenbar zu genau, daß der aalglatte Boltsparteiler feine reattionären Krallen erst zeigen würde, wenn er fest in Eattel faß. Auch wollten die Demo. fraten bei der Gelegenheit eventuell durch Zweiteilung des Postens tischen Verhältnisse erschwerte wohl den Abschluß eines solchen Pattes mit den Rechtsparteien, ausgerechnet drei Wochen vor einer

Neuwahl!

Für die Freiheit der Kunst.

Aufruf an die breiteste Oeffentlichkeit.

Die wichtigsten Organisationen schaffender Geistes­arbeiter erlaffen einen Aufruf für die Freiheit der Kunst, der von den besten Namen des geistigen Deutschland   unterzeichnet ist. Der Gegenstand des Aufrufs foll am 11. Ottober in einer Riefenversamm Iung zu Berlin   öffentlich besprochen werden. Runst muß fret fein. Ganz gleich, in welcher Beltan. schauung, welcher Gesinnung fie murzelt. Nur dann wird sie ihre Sendung erfüllen tönnen: Die Menschen zum schöpferischen Mit. erlebnis großer Gefühle zu führen.

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Bieder einmal scheint diese Freiheit bedroht, schwerer Dielleicht als je. Denn nicht um tunstfeindliche Anschläge privater Gruppen handelt es sich heute, wie in den Kampftagen der Leg Heinze. Die Gefahr erwächst diesmal aus den bestehenden Gesezen oder doch aus einer um fich greifenden bedentlichen Auslegung dieser Gesetze. Nicht soll den Gejegen das Recht bestritten werden, die Verfassung des Staates vor gewaltsamen Angriffen zu schützen. Aber es fann nicht Aufgabe des Staates oder seiner Drgane fein, Gesinnungen zu verfolgen, ganz gleich, ob sie den Staat in seiner heutigen Ge. stalt bejahen oder verneinen, und auch nicht die Aeußerung irgend. einer Gesinnung, folange fie in künstlerischer Form geschieht und bes halb ,, revolutionierend" nur in jenem allgemeinen Sinne wir­ten fann, der den Gedanten einer bestimmten planmäßigen Aftion ausschließt.

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Die Fälle aber mehren sich, in denen staatsfeindliche Gesinnung auch im Kunstwerf gerichtlich verfolgt wird. Neben den Strafgeseh buchparagraphen über Hochverrat und Aufreizung zum Klassenhah wird vor allem auf Grund des Gesetzes zum Schutz der Republik vorgegangen. Und nicht nur untergeordnete Instanzen verfolgen das fünstlerische Schaffen: voran geht der Staatsgerichtshof zum Schuß

der Republik  " mit bedauerlichem Beispiel.

Aus diefem Hin und her und aus Mißverständnissen bei der Abstimmung fam es schließlich dazu, daß die Magistratsoorrische Bauerndrama Thomas Münzer". Antage murde erhoben lage auf Reubesezung der Stelle gestern abgelehnt wurde. Damit ist die Absicht der Rechtsparteien, noch vor den Wahlen an die Stelle Wilhelm Paulsens einen reaktionären Nach folger zu setzen, endgültig gescheitert. Es dürfte feine Möglichkeit mehr geben, in den noch verbleibenden zwei oder drei Sigungen mit neuen Mitteln das heiß ersehnte Ziel zu erreichen.

Die gestrige Abstimmung ist eine efíatante Schlappe des Bürgerblods und noch dazu eine wohlverdiente! Sie ist symptomatisch für die vollständige politische Unfruchtbarkeit dieser fünstlichen nur Dom Sozialistenhaß getragenen politischen Kombination, die zwar beim Abbau von Sozialdemo­fraten mit tommunistischer. Unterstügung Siege erringen fann, die aber unfähig ist, zu eigenen positiven Entscheidungen zu kommen. Diese Schlappe der Bürgerblödler ist ein guter moralischer Auftakt für die fommende Wahl, denn im Kampf gegen den Bürgerblod hat die Sozialdemokratie im Berliner   Rat haus in den lezten Jahren ihren Mann geftanden, und die Gegner selber haben ihr bezeugen müssen, daß sie ihr Ziel, die Bürgerblod­foalition zu sprengen, fast stets erreicht hat. Die gestrige Nieder lage der Rechtsparteien hat wieder bewiesen, daß nur mit der Sozialdemokratie und nicht gegen sie in Berlin  Politit gemacht werden tann.

Bisher haben die Berliner   Demofraten infolge ihrer flanbig nach rechts, neigenben Führung aus all biefen Tatsachen nicht die nötigen Konsequenzen zu ziehen gelernt. Auch in diesen Wahlkampf zichen sie wieder mit der lächerlichen Barole non der Gefahr einer sozialistisch- tommunistischen Mehrheit. Diese Gefahr besteht in Wirklichkeit nur in den Gehirnen der leider bei den Rathaus- Demofraten noch maßgebenden Führer, die sich immer noch nicht von dem Traum eines Bürgerblods gegen die Sozialdemokratie frei machen tönnen.

dieser Braris ein Ende zu machen. Sehen die verantwortlichen Stellen in dem geschilderten Borgehen die richtige Auslegung der Gesezze, so heißt es, diese selbst so rasch wie möglich umzugestalten!

An die breiteste Deffentlichkeit ergeht der Ruf, biefe Forderungen zu unterſtügen. Erhebt, die Ihr mit uns in der Freiheit der Kunst ein höchstes Gut seht, überall Eure Stimme! 3eigt geschlossen den Begnern des Staates, daß es des Volkes me ift: Freiheit allem

tünstlerischen Schaffen.!

Genoffenschaft Deutscher   Bühnen- Angehörigen: Ridelt. Ballauer. Goethe- Bund: Friß Engel. Dr. Ludwig Fulda  . Heinrich Eduard Jacob  . Schuhverband Deutscher   Schriftsteller: Dr. Monty Jacobs Berband Berlluer Theaterkritiker: Dr. Emil Faftor. Gemeinschaft für neue Theaterkultur: Bardach. Gewerkschaft Deutscher   Geiftesarbeiter: Prof. Carl Fries  . Welt- Jugendliga: Friz R. Schulz. Bolfsbühne e. B.: Springer. Reft. Berband der deutschen   Volksbühnenvereine: Staatssekretär Baafe. Dr. Neſtriepfe.

Berliner   Sezeffion: Eugen Spiro  . Charlotte Berend- Corinth.  kartell Eyrischer Autoren: Alfred Richard Mener, Geschäftsführer. Reichswirtschaftsverband bildender Künffler Deutschlands  : Otto Marcus.

Berband deutscher   Kunstkritiker: Dr. Mar Osborn. Bereinigung der Freunde von Religion und Bölferfrieden: Pfarrer August Bleier. Verband Deutscher Bühnenschriftsteller und Bühnenkomponisten e. V.: Dr. Goldbaum, Schriftführer. Dr. h. c.   Graf von Arco  . Rechtsanwalt Dr. Gustav Aßmann. Julius  

Bab. Hermann Bahr  . Intendant Paul Better. Chefredakteur Beschlagnahmt wurde ein Buch von Berta Last, das histo Georg Bernhard  . Professor Dr. Ostar Bie. Generalmusifdirettor Leo Blech  . Pfarrer Auguft Bleier. Walter Bloem  . Profeffor Dr. gegen den Dichter Johannes R. Becher   wegen verschiedener aus M. Bonn  . Dr. Paul Bourfeind  . M. Bonn  . Dr. Paul Bourfeind  . Mar Brod. Oberregierungsrat ihrem Zusammenhang gerissener, den Aufruhr verherrlichender Carl Bulce. Paul Caffierer. Mar Deri. Reichsminister a. D. Verse in einer Sammlung seiner Gedichte. Gegenüber dem jungen Dernburg. Dr. Alfred Döblin  . Käthe Dorsch  . Louise Dumont  . RI aeber verfügte ein Gerichtshof Einziehung seiner Stizzensamm Carl Ebert  . Profeffor Dr. Einstein. Herbert Eulenburg. Gertrud lung ,, Barrikaden an der Ruhr". Dazu tritt als vielleicht ergstes. Fischer. S. Fischer. Dr. jur. Josef Frant. Senatspräsident Ensoldt. Pastor Emil Felden  . Dr. Lion Feuchtwanger  . Dr. Hans die vom Staatsgerichtshof in Leipzig   erfolgte Berurteilung des A. Freymuth. Alexander Granach  . Chefredakteur Hellmut v. Ger  Schauspielers Rolf Gärtner zu der ungeheuerlichen Strafe von lach. Heinrich George  . John Glaefer. Alexander von Gleichen 1 Jahr 3 Monaten Gefängnis, obgleich dieser Schauspieler nichts Rußwurm. Dr. Ludwig Goldstein  . Senatspräsident Dr. Hermann anderes beging, als daß er bei einer erlaubten fommunistischen Großmann. Pfarrer Dietrich Graue, M. d. L. Dr. Ludwig Haas, Revolutionsfeier in Stuttgart   nicht tonfiszierte Gedichte revolutio M. d. R. Walter Hasenclever  . Intendant Carl Hagemann  . Dr. nären Inhalts vortrug und eine Sprechchoraufführung Teitete, in der Mar Halbe. Rechtsanwalt Dr. Hamburger. Intendant Ernst Hardt  . Gerhart Hauptmann  . Bürger­mit primitiven fünstlerischen Mitteln die Befreiung politischer Ge. Julius Hart  . Gustav Hartung. fangener dargestellt wurde. Erschüttert steht man vor der Tatsache rat a. D. Dr. Ludwig Herz. Eduard Heß. Hermann Heffe. Professor meister Dr. Heimerich. Georg Hermann- Borchardt  . Amtsgerichts. dieser fünf Bierteliahre Gefängnis für einen Menschen, der nichts Dr. Baul Hildebrandt. Dr. Kurt Hiller  . Staatsminister a. D. Baul tat, als jene durch Drud allgemein verbreiteten und nicht verbotenen Hirsch. Hugo v. Hofmannsthal  . Direktor Friz Holl. Felix Hol Berse au sprechen, einen Menschen, deffen ideale Gesinnung das Geländer. Landgerichtsrat Dr. jur. D. Holten. Oberpräsident D. Hör richt selbst anerfennt!

Aber es gilt hier feineswegs, Mitgefühl mit dem Unglüd eines einzelnen zu befunden. Ebensowenig: für die Ideen der mit ihm verfolgten Bartel zu ergreifen. Es gilt vielmehr, das fünftle rische Schaffen als solches von der Gefahr weiterer Beeinträchtigungen zu befreien! Was heute jenen ge, schah, die aus ihrer Gesinnung heraus fünstlerische Werte zu ge ftaften suchéen ganz gleich, ob man sie als gelungen betrachten mill, das fann morgen auch Andersgesinnten zustoßen. Mo fann die Grenze für das gezogen werden, was der Kunst in der Gestaltung politischer Gefimmung erlaubt sein soll? Zebt nicht in hundert Berten, und staatliche Einrichtungen? Wer bürgt uns heute dafür, daß nicht und zwar den beften, ein Geist der Auflehnung gegen gesellschaftliche einmal Staatsanwalt und Gerichte auch gegen Schillers Räuber"

vorgehen und gar jene ins Gefängnis werfen, die solchen Berten und Tell", gegen Büchners Danton" oder Hauptmanns Weber auf der Bühne Leben gaben?!

sing. Siegfried Jacobsohn  . Intendant Leopold Jeßner.   Herbert bering. Grete Ilm. Georg Kaiser  . Dr. Rudolf Kanier. General intendant Albert Kehm   Bernhard Kellermann  . Dr. Hermann Alaar. Klabund. Eugen Kloepfer  . Annette Kolb  . Profeffor Georg Reffer. Hermann Kienzl. Justizrat Kempner. Professor Dr. Alfred Solbe. Profeffor Käthe Rollwig. Regierungs- und Schulrat Christoph König, M. d. 2., Paul Kornfeld  , Direktor Dr. Alwin Kronacher. Landgerichtsdirektor Wilhelm Kroner. Intendant Ernſt Legal  . Rudolf Leonhard  . Professor Dr. h. c.   Mar Liebermann. Emil Lind  . Direttor Gustav Lindemann  . Reichstagspräsident Baul Läbe. Ostat Loerte. Direttor Theodor Boeme. Heinrich Mann  Thomas Mann  . 3. Meier- Graefe. Pfarrer Moering. Gerba Miller. hörigen. Dear Ballenberg. Dr. Alfons Baquet. Profeffor Dr. Mil­Dito Ruschke, M. b. 2. Profeffor Dr. Oppenheimer. Erich Duo, Mitglied des Präsidiums der Genossenschaft Deutscher Bühnenange helm Baters. Ben Beutert. Robert Brechtl. Reichsminister a. D. Ernst Rohwolt. Intendant Leopold Sachle, Felix Salten  , Direktor Brofeffor Dr. Guftan Rabbruch. Hans Jose Rehfilch. Erich Reiß  .

Die politische Bertretung der Arbeiterschaft, die Sozialdemo. Die politische Vertretung der Arbeiterschaft, die Sozialdemo. tratte, hat sich als dem Bürgerblod überlegen gezeigt. Ihre Einheitlichkeit und Geschlossenheit gegenüber der Bersplitterung, der Eigenbrötelei, der Interessenten und Cliquenbildung Organisationen völlig unpolitischen Charakters, Männer und in den bürgerlichen Reihen legt das Uebergewicht und die Führung Frauen jeglicher politischen Gesinnung, einig aber in der lleber zeugung, daß eine Fortentwidlung unserer Kultur unbedingt eines auf bie Dauer naturgemäß in ihre hand. Die arbeitende Be völkerung Berlins wird daraus den einzig richtigen politischen Schluß freien fünstlerischen Schaffens bedarf, erheben hiermit als Unter ziehen müssen und der Sozialdemokratie in der Industriestadt Großzeichner Proteft gegen die Berfolgung von Künstlern und Kunst Berlin   zu einer arbeits- und Leistungsfähigen Mehrheit verhelfen. merten. So darf es nicht weitergehen! Auch die Würde bes Staates ift in Gefahr! Ein Staat, der nicht die Autonomie der Kunst wie die der Religion und die Ausübung beider frei ge- eichert. Porfeffor Adolf Weißmann  . Baul Wiegler. Dr. Bruno währleistet, kann nicht verlangen, als Kulturstaat bewertet zu werden. Handelt es sich um eine falsche Anwendung der Gefeße, so haben die verantwortlichen Stellen die Pflicht, durch eindeutige Erklärungen

Reichsbanner vor Gericht. Bölkische Angreifer als Zeugen.

Der Reichsbannerprozeß von Grevesmühlen   wächst sich immer mehr zu einer Ratastrophe der Justiz aus. Schon die Ber lesung der Anklageschrift, die Bernehmung der schwarzrotgoldenen Angeklagten und der schwarzweißroten Zeugen gestaltete sich zu einem völligent Fiasto der Staatsanwaltschaft.

Das Mileu, in dem der Prozeß stattfindet, ist ein Stüd Medlen burg für sich. Ein winziges Zimmer in einem kleinen Amtsgericht, in dem nicht einmal das Dutzend deutscher Breffevertreter Tische zur Arbeit erhalten fonnte, wie das doch in den zivilifierten Ländern, im Zeichen der Deffentlichkeit der Rechtsprechung üblich ist. Mürrisch erklärt der Saaldienst: Beitungen? Das geht uns nichts an!" Den Borfiz führt Amisrichter Dr. 3uerents, der sich fichtlich bemüht, mit Ruhe und Objektivität diesen merkwürdigen Land­friedensbruch"-Prozeß zu einem guten" Ende zu führen. Die An flage   vertritt ein schneidiger Schweriner   Staatsanwalt, Berteidiger ist Rechtsanmalt Dr, Bäreniprung aus Magdeburg  .

Gin ganz mertmürdiges Licht auf das Gericht wirft ein Inter mezzo zu Beginn der Berhandlung. Einer der Attentäter" ist uni­gefallen und angesichts der drohenden Gerichtsverhandlung vom Reichsbanner" zu den Bölkischen überġejchwenkt. Er nahm sich einen eigenen völlischen Rechtsanwalt und nun erlebte das Gericht das wunderbare Schauspiel, daß sich der Vorsitzende und der Staats­anwalt a u B er st an be erflärten, gegen den Heberläufer mit seinen ehemaligen Kameraden zusammen zu verhandeln, deshalb den Fall ehemaligen Kameraden zusammen zu verhandeln, deshalb ben Fall abtrennten und einen eigenen Termin dafür anfeßten.

Die Bernehmung der Angeklagten,

die offen und ehrlich einräumten, daß sie mit dem Frontbann" in eine schwere Schlägerei verwidelt worden sind und daß sie in der Abwehr der völlischen Attaden den Angreifern anständige Brügel verabreicht haben, förderte ganz merkwrbige Dinge zutage. Troß der schweren Belaftung der Roßbacher, hinter denen offenbar sehr einflußreiche Personen stehen, trop des unmißverständlichen Berichts der Kriminalpolizei hat es die Staatsanwaltschaft nicht für angezeiat gehalten, gegen die Völlischen Anflage zu erheben. Berteidiger Bärensprung wies mit Recht darauf hin, daß diefes eigenartige Borgehen ber Antlagebehörde ben Mittelpunkt und den eigentlichen Kern des Prozesses darstelle, und daß hier über und vor allem über die Ungeheuerlichkeit, daß man die Roß­bacher noch als 3eugen" unter dem 3eugeneid vernehme, bas Urteil die Deffentlichte it fällen werde.

Im übrigen hat sich die Staatsanwaltschaft außerordentlich an­

geftrengt, die Anklage förmlich aus dem Nichts aufzubauen. Das ist nicht immer so einfach gewesen, nachdem die mit der Boruntersuchung betraute Landeskriminalpliget dem Justizministerium sehr ein deutig berichtet hatte, daß Schuld an dem Zusammenstoß der Frontbann und nicht das Reichsbanner war. So befundete der Bolizeikommissar von Grevesmühlen   an Gerichtsstelle, daß

die Roßbachleute in Uniform mit hochgefrempelten Rodärmeln, mit Schußwaffen, Seitengewehren und Dolchen die Reichsbanner­leute zunächst vor sich hergetrieben hatten. Auf sein Einschreiten hin sei er von den Frontbannfenten lediglich erhöhnt und bedroht morden. Das Reichsbanner hätte sich zum ersten Male gegen ben pölfischen Terror durch fein organisiertes Auftreten zur Wehr gefeßt und die Roßbachleute gründ lich verprügelt.

Bedeutungsvoll ist vor allem die Aussage der Polizeibeamten, daß die Roßbacher unter Leitung eines der Kriminalpolizei wohl befannten früheren Oberstleutnants non einer er mitt lungszentrale" eigens nach Grevesmühlen   geschafft worden find, daß fie in feften Berbänden auftraten, auf den Befehl ihres führers ausfchwärmten und von ihren Waffen Gebrauch machten. Einer dieser Roßbachpffaiere sei in der Nacht nach dem Zusammenstoß im Gefängnis erschienen und habe einen verhafteten Roßbacher, der freimütig geftanden hatte, daß er seinen Revolver von einem Kameraden erhalten hätte, solange au gefeht, bis er die Behauptung aufstellte, die Schugwaffe dem Reichsbanner abgenommen zu haben.

Die Anklagepunkte der Staatsanwaltschaft stehen im übrigen auf einem sehr unsicheren Grund. Die Rädelsführerin wurde auf die Anzeige, es jei eine kleine bide Frau" am Tatort gefeben worden, unter Antlage gestellt. Ein Schneidergefelle, der in der Arbeitsstube von dem Borfall berichtet hatte, wurde auf Grund wurde wegen eines Leberfleds auf der Bade als Erfennungszeichen dieser Erzählung angeflagt, ein anderer Reichsbannermanat feiner Täterschaft vor Gericht zitiert, obwohl der Vorsitzende feft ſtellen mußte, daß man dieses Erkennungszeichen bei Nacht mob1 taum bemerken würde; ein meiterer Reichsbannermann wurde an feinen D- Beinen identifiziert, ein anderer

vor Gericht gezogen, weil er von den Roßbachern einen Dolch­ffich in den Rüden erhalten hat.

Die Bernehmung des ersten Belastungszeugen", der bezeich. nender Weise in Bayern   beheimatet und seit Jahren im Dienst

Hermann

Heinz Saltenburg. Intendant Professor Dr. Mar von Schillings. Justizrat Dr. Ernst Schlesinger. Wilhelm Schmidtbonn  . Wilhelm von Scholz  . Brofeffor Franz Schreter. Brofeffor L. Schüding. Staatsfatretär Heinrich Schulz, M. d. R. Prof. Dr. Hugo Sing­heimer. Professor Mer Slepoat Hermann Stehr  . Agnes Straub  . Profeffor Dr. Fritz Strich  . Bibliotheksdirektor Dr. Eugen Sulz. Ernst Toller  . Ferdinand Tönnies  , Fris v. Unruh. Ballentin Clara Bicbig. Intendant Robert Bolfner. Arnim T Wegner. Dr. Hildegard Beafcheider,. b. 8. Intendant Richard Bille. Eduard v. Winterstein. Professor Dr. Philipp Wittop. Dr. Alfred Wolfenstein  . Chefredakteur Theodor Wolff  . Paul Bech. Di reftor Erich Riegel. Dr. Leopold Ziegler  . Brofeffor Heinrich 3ille. Stefan Zweig.  

der Hakenkreuzler tätig ist, beleuchtete so recht die Glaubwürdigkeit dieser Art Zeugen. Er erklärte sich bereit, zu beschwören, daß bie Roßbacher friedlich und ohne jebe Waffe hinter dem Reichs banner hergezogen feien, mußte sich aber dann unter dem erbrücken­den Beweismaterial des Berteidigers zu dem Geständnis bequemen, daß er selbst ein Seitengewehr unter dem Rod trug und daß seine Kameraden mit Hieb- und Schußmaffen ausgestattet waren. So wird dieser Reichsbannerprozeß von Grevesmühlen  , menn bie weiteren Verhandlungstage ähnliche Ergebnisse zeitigen, zu einer Blamage der medlenburgischen Juftig und nicht zur Berurteilung der Reichsbannerfeute führen.

Caillaux' Kampf in Washington  .

Wandlung in den Finanzverhältnissen.

Durch seine gefchidte Darlegung der franzöfifchen Staatsfinanzen erreichte Caillaur in den Vorverhandlungen mit dem amerikanischen  Schagsekretär Mellon ein verhältnismäßig günstiges Abkommen. Bor allem murde Frankreich   ein Sicherheitsventil zugesichert; für den Fall der Gefährdung der französischen   Währung sollte Frankreich  zur Beiterzahlung nicht ohne weiteres verpflichtet sein und beide Re­gierungen miteinander über einen Zahlungsaufschub oder über Zah. fungeerleichterungen verhandeln.

Wie Havas aus Washington   meldet, soll das zwischen der französischen   und amerikanischen   Delegation abgeschlossene vor. iäufige Uebereinkommen fünf Jahre in Straft bleiben. Nach dem Zusammentritt der Delegation habe Caillaug erklärt, daß er die legten amerikanischen Borschläge seiner Regierung vorlegen werde.

Verurteilung der Attentäterin Carniciu.

Nachdem das Wiener Schwurgericht mit acht gegen vier Stim men die bulgarische Attentäterin Mencia Carniciu für schul­dig erklärt und der Staatsanwalt um milde Bestrafung sowie Aufschub des Strafantritts ersuchte, fällte der Gerichtshof sein Urteil: Acht Jahre schweren Kerters und Landesverweisung. Die Frage der Ausfegung des Strafvollzugs wird erst entschieden, wenn die Berurteilte das Urteil angenommen haben wird.