.rs?,. Unterhaltung unö AAissen
Der Saum. Von Hedwig Schwarz. Cigenilich pahte er schon längst nicht mehr in die Gegend, der alte mächtige Kastanienbaum mit der breit aufladenden Krone. Es hatte sich doch gar zuviel geändert, seitdem er ofei rankes junges Bäumchen mit jedem Lufthauch hingegebenem Wipfel und spiele- rischen Zweigen seinen schmalen Schatten auf die Landstraße warf, die der Häuserhaufe dort hinten zu den fernen Dörfchen in die Ebene hinaucschickte. Es war wirklich ein Glück, daß er schon ein großer stämmiger Bursche war, als der unheimliche grau« Koloß der Stadt sich auf ihn zuwülzte. Erst hotte der nur seine harinlosen, bescheidenen Borboten geschickt, gebrechliche Bretter- tauben, von winzigen Gärtchen umgeben, auk denen milde und kühlend der Schatten des breitäftigen Beschützers ruhte. Dann aber griff die graue Straßenzeile nach ihm und wollte sali sein lebendiges Grün ersticken. Steine drückten schwer auf seine saugen- den Wurzelarms, Stein« beengten die Krone, die sich so gern in Lust und Sonne dehnte. Dtun aber hieß es zeigen, daß man von gutem Stamme- war. Rechts und links kreischte die Säge; junge Linden, Ahorne und Akazien starben in dumpfem Fall. Di« stattliche Kastanie allein ließ man stehen, weil«in bebrillter Herr mit einer Aktentasche im letzten Augenblick hsrau-gefundeu hatte, daß sie»zur Hebung des Straßenbildes unbedingt zu erholten fei". Da stand sie nun zwischen toten, grauen Wänden,«in Fremd- ling und einziger Zeuge einer sagenhaften Vergangenheit, und deckte mit dem grünen Vorhang ihres Geästes die kleinen Schicksal« kleiner Leute in kleinen Zimmern vor den begierigen Blicken eines allzu nahen Gegenübers. Unendlich« Labsal war sie den Bewohnern des Hauses, vor dem sie stand.— oder richtiger- das zufällig hinter ihr zu stehen gekommen war. Stall auf die Häßlichkeit grauer Steinwüstenei durften sie den ganzen Sommer über in dämmer» grüne Wildnis blicken. Die Blällsrporen des Baumes, die dem spärlich einfallenden Licht verlangend geöffnet waren, atmeten nachts den Dust sommerlicher Wälder in ihr« armen, dumpfigen Stuben. Und dann die köstlichen Wochen der Blüte, die hohe Zell des Jahres für die Leute aus Rr. Z7i Die gelähmte alte Frau aus dem drillen Stock konnte dann wohl für eine halbe Stund« ihr Strickzeug sinken lassen und auf die weißen, licncnumsummten Kerzen starren. Ach, sie stammte ja noch aus der Zeit der Bretterlauben: und von den Blüten wehte ihr Dust der Erinnerung zu. Gretel, das Jüngste des Flickschusters im Keller,«rzählle stolz den anderen Kindern auf der Straße, was ihr die Mutter gesagt hatte..Wir haben zu Weihnachten keinen Tannenbaum, weil wir im Frühling«inen Baum mit lebendigen Kerzen vor der Tür haben.* Selbst in die heißen, tränenden Augen der Rähmamsell im zweiten Stock fiel ein froher Glanz von dem leuchtenden Frühlingswunder am Fenster. So erschien der Daum den freudlosen Menschen ringsum als ein immer gütiger Spender. Im Sommer gab er erquickenden Schatten gegen die Glut der auf riesige Steinflächen brennenden Soime: im Herbst schenkt« er den Kindern langersehnte glänzende braune Kugeln zum Spielen: und im Wimer bot er unter der Schneelast seiner Zweig« den seilsam zarten Umriß eines fremd» ciügen, phantastischen Gebildes. Eines Tages im Frühjahr— die Kastanie prangte gerade im vollen Schmuck der gelblich-weißen, rotgetupften Blüten, erschienen Männer in langen schmutzigen Killeln mit Eimern und Pinseln vor Nr. 27. Ein Brettergerüst kletterte an der Front empor: wo es an die Zweige der Kastanie stieß, wurden sie abgehauen. Das Rascheln und Knacken der abgeheckten Baumglicder tönt« den Haus- bewohnern wie ein schmerzliches Seufzen. Wo sie zuvor vom Fenster aus die ihnen vom Baum dargebotenen, wie Hände ge- gliederten Blätter ergreifen konnten, starrten ihnen jetzt von fern weiße Holzwunden entgegen. An der grauen Fassade aber begann ein rühriges Pinseln: vom Dachfirst bis zur Erde wurde sie in ein kalkiges Weiß getaucht. Dann glitt da» Holzgerüst wieder von ihr ab, die Männer in den Kitteln nahmen wieder ihre Eimer zur Hand und verschwanden in der Richlung, aus der sie gekommen waren. Grell und knollig stach nun das weiße Haus aus der endlosen Reihe der grauen Nachbarn. So wollte es der Spekulant, in dessen raffend« Hände das Haus vor wenigen Wochen übergegangen war und der es schnell und mit Borteil wieder loszuschlagen gedachte. Breitbeinig, die Hönde in den Hosentaschen, stand, er vor den-, voll- endeten Werk, das er wohlgt fällig betrachtet«. Wenn da nicht mindestens ein paar Mille sür ihn herauesprangenl Die Unkosten des Anstrichs sollien sich reichlich rentieren. Verdammt, das oll« Grünzeug verkorkste die ganze Fassade! Man sah viel zu wenig von der frischen Farbe. Er klopft« mit seinem Stock gegen den Stamm: es klang fest und voll.„Dos da muß weg,* erklärte er dem eben vor seine Tür tretenden Flickschuster. Roch am gleichen Abend wußte ganz Rr. 27 von der drohenden Gefahr. Der Dreher im ersten Stock, der von seinem Verband her wußte, wie man so was onfoht. trommelte die Aufgeregten zu einer Sitzung in seiner guten Stube zusammen..Unser Baum.* das war das Losungswort, unter dem das von Zufall und Schicksal zusammengewürfelt« Menjchenkonglomerat zu einer Gemeinschaft zusammenschmolz. Unter dem Vorsitz des erfahrenen Verbands» manne » wurde die Absendung eines Gesuches an den Magistrat beschlossen, dl« Genehmigung zur Fällung des Baumes, der öffent- liches Eigentum sei. zu versagen. Vis spät in die Nacht fiel Lichtschein au, dem Fenster des Drehers. Da saß der groß?, starkknochige Mann in Hemdsärmeln vor einem Bogen Papier , aus da» die schwere Hand mühselig Buch- stoben um Buchstaoc» kritzelten.Da derselbe die größte Freude Hr Einwohner von Nr. 27 darsitlll.* Erleichtert legte er die kratzig« Feder beiseite. Seine Frau besorgte am nächsten Tag da» weitere, indem sie von Tür zu Tür bereitwillig gegebene Unterjchrijten sammelte. Das Schreiben wurde abgesandt und kam in die Abteilung, wo der Hepr mit der Brille saß, der.sich erinnerte*. Das Dertangen des Hauswirtes wurde abgewiesen. Der Hochsommer kam und trieb eine unerhörte Glutwclle durch die verödeten Straßen. Schlafs und unbeweglich hingen die Zweig« der Kastanie, früh, allzu früh begannen die gezockten Ränder der Blätter bräunlich zu welken. Eines Abend», als die Straße in Siille und Dunkelheit lag, machte sich der Flickschuster neben dem Baum, auf dem kleinen Stückchen Erde , das rund um den Stamm von den Pflastersteinen ansgewssen war. mit Spaten und Eimer zu schaffen Am nächsten Morgen konnte man ein tiefes, zu den Wurzelfasern hinabreichendes Loch bemerken, in dem Wasser stand. Begeistert machte sich die zum Schutz de» Baumes entstandene kleine Organisation den Gedanken dieses Hilfswerkes zu«igen. Reihum ging der Wasseretmer in den sorgenden Händen: jeden Abend wurde der Baum unter Hoffnung und Bangen reichlich getränkt.
Die dörrende Hitze wich, aber der Daum siechte sterbend dahin. Lange vor der Zeit ließ er die verwelkten Blätter sinken. Er konnte ja den Menschen nicht klagen, daß eines Nachts ein kleines Loch ihm bis ans Mark gebohrt morden»nd ätzendes Schcidswasser den Kern seines Lebens zerfraß. Die fallende Axt traf nur noch«ine Leiche. Aus allen Fenstern der Straße gingen dem toten riesigen Freund« die tränenerfüllten Blicke der Frauen, die grübelnden der Viänner, die erstaunten der Kinder and die leeren der Greise nach. Einen Monat später wurde das Haus Nr. 27 mit erheblichem Gewinn verkauft.
Die große Absäge.
voltswlrtsihastliche Seöeutuag öer Mistel Bon Dr. W. Wächter. Ein Schmarotzer oder Parasit im biologischen Sinn« ist jeder Organismus, der auf oder in einem anderen lebt, seinem Wirt die Nahrung nimmt und ihn dadurch schädigt. Schon 1720 wurde der Name Parasit von Micheli sür alle Pflanzen, die sich von anderen ernähren, eingesührt. Das war zwar eine einfachere Definition, aber die fortschreitende Wissenschast kam mit dieser Erklärung nicht aus, da es sich zeigte, daß es auch Organismen gibt, die die Nahrung nur teilweise von der Wirtfchaftspflanze nehmen, die den Win dabei nicht schädigen oder die gar für den Wirt von Wichtigkell sein können. Man mußte darum die Begriffe Halbschmarogcr und Symbionten einführen, und es ist nicht immer leicht gewesen, sür eine Pflanz« die richtige Klasse ausfindig zu machen, zumal es auch solche Pflanzen gibt, die nur einen Teil ihres Lebens auf dos Schmarotzen ange» wiesen sind.— Der Begriff Schmarotzer in der Biologie ist natürlich dem gleichen Begriff in der menschlichen Gesellschaft entlehnt morde», und man versteht daruntre auch hier vielfach jeden, der aus Kosten anderer lebt. Betrachen wir aber die Sache bei Licht, so sinden wir, daß es auch hier keineswegs so einfach ist, zu sagen, wer denn nun «in wirklicher Parasit ist, zumal es ja hier noch auf die ethische Wertung ankommt:>öan will doch seine Verachtung ausdrücken, wenn man jemanden«inen Schmarotzer nennt. Aber es geht nicht an, jeden Landstreicher, Rentner. Krüppel oder ein Pumpgenie oder jeden Armenhäusler und Gefängnisinjassen einen Schmarotzer an der menschlichen Gesellschaft zu nennen, wie es so ost geschieht. Der Nachdruck muß auch hier darauf gelegt werden, ob die Gesellschaft oder ein Individuum geschädigt wird und ob nicht etwa eine Gegen- leistung aufzuweisen ist von einein„heterotrophen*. einem sich von andere» nährenden Menschen. Aber nehmen wir an, wir fänden bei cller Toleranz und unter Würdigung der psychopathischen Eigen- schaften solcher anti- oder asozialen Menschen wirtliche Parasiten in Menschengestalt, so würden wir ihnen kaum eine vnlkswirtschastlich« Bedeutung beimessen können, es sei denn, daß wir seine Leiche irgend- wie lukrativ verwerten. Nach der Berechnung eines Amerikaners soll der Mensch etwa 4,50 M. wert sein, wenn wir seine Bestandteile nach Art der Althändler bewerten— die Seele und was sonst un- sterblich am Menschen ist, hat besagter Amerikaner natürlich nicht in Geld umrechnen können. Mit der Mistel, die ein sogenannter Halbschmarotzer ist. da sie grüne Blätter hat und sich also zum Teil selbst ernähren kann, hat es nun eine eigene Bewandtnis in volkswirtschaftlicher Beziehung. Sie ist in der Tat der einzige Parasit in der ganzen Organismen- wclt, der einen Nutzen hat, dank der Stellung, die diese merkwürdige Pflanze sell dem Altertum, in der germanischen Sage und vor allem im religiösen Kultus der alten Kelten eingenommen hat. Der römische Schriftsteller Plinius berichtet ausführlich über die hohe Verehrung der Mistel durch die Gallier, deren Priester, die Druiden, wenn sie im weißen Kleide den heiligen Eichbaum bestiegen, mit einer goldenen Sichel die Mistel abschnitten. Sie wurde in einem weißen Mantel aufgefangen da sie den Bod-n nicht berübren durfte-, denn die Erde hebt die Zauberkraft der Mistel auf. Den Göttern opferten die Druiden bei ihren hohen Festen zwei weiße Stiere, und für die Menschen bereiteten sie den Misteltrank, der olle Krankheiten heilen und unfruchtbare Tiere fruchtbar machen sollte. Auch andere Völker, wie die alten Japaner, hielten viel von der Mistel, und so hat sich durch das ganze Mittelalter hindurch bis auf unsere Zeit der Glaube an die Wunderirost der Mistel in irgendeiner Form erhalten. Unter dem Einfluß der Engländer, die die Mistel mit ihren matt- weißen Perlenfrüchten zur Weihnachtspflanze machten, hat sich in den letzten Jahrzehnten fast in ganz Europa und Amerika die Sitte ein- gevürge'-t, zur Weibnachtszeit, gelegeistlicb auch zu Ostern und zu Allerheiligen, die frische wintergrüne Mistel auf den Markt zu bringen, und es hat sich«ine geradezu fabelhafte Mistelindustri« und ein ausgedebnter Handel mit frischen Misteln entwickelt. England erhält seine Misteln»um größten Teil au» Frankreich , und zwar sind es die Häfen St. Molo, Havr«, Granville und Honfleur , die in
Seklage ües Vorwärts
Körben von ungefähr 40 Kilogramm die Misteln ausführen. Pro» fessor von Tubeuf in München , dem wir eins vor kurzem erschienen« umfangreiche Mistelmonogrophie verdanken, hat nicht nur die inier- essante botanische Seite bearbeitet, sondern alles, was über die Mistel zu sagen ist, mit großer Gründlickkeil zusammengetragen und in vor» bildlicher Weise durch eigene Untersuchungen"in jahrzehntelanger Arbeit ergänzt. So hat er es sich auch nicht verdrießen lassen, den verschlungenen Wegen de» Handels nachzugehen, um statistisches Ma» terial zu gewinnen. Aus den genannten vier 5)äfen wurden 1906 z. B. über 12 000 der erwähnten Körbe, das sind über 500 000 Kilo- gramm, frischer Misteln nach England geschafft. Nun gibt ez in Frankreich wie auch anderswo Gesetze, die die Ausrottung der Mistel verlangen, da sie für den Obstbau und die Forstwirtschaft schädlich ist: infolgedessen müssen die Misteln eigens angebaut werden, wenn die wilden Pflanzen dem Handel nicht mehr genügen.— Ueber den Umfang des Handels in Deutschland war es unmöglich, sichere Zahlen zu gewinnen, aber es konnte festgestellt werden," daß fast in allen Ländern der Mistelhandel ebenso blüht wie der Handel mit Weih- nachtsbäumen, auch dort, wo die Mistel wild oder gar nicht vor- kommt, wie z. B. in Hamburg . Nach Rußland hat sich der Mistel- brauch noch nicht verbreitet, obwobl die Mistel dort, wenn auch nicht in allen Gegenden wächst. Die in Deutschland gehandelten Misteln stammen alle aus dem Lande selbst, und es werden besonders die Laubholzmisteln verwendet, die überall am häufigsten sind. Außer den Laubholzmisteln gibt es noch Tannen- und Kiefernmisteln, aber höchst selten kommt die Mistel auf Eichen vor, obwohl seit der Druidenzeit die Eiche und die Mistel stets in einem Atem genannt werden. Auf den Eichen schmarotzt eine Verwandte der Mistel, die Riemenblume, auf der die Mistel nun ihrerseits schmarotzend an- getroffen wird: die beste Strafe sür einen Schmarotzer,"wenn er wieder geschröpft wird. Die Riemenblume wirft im Winter aber ihre Blätter ab. während die Mistel immergrün ist: ein ungeübtes Auge hält nun natürlich die grün« Ricmenblumen-Mistel für ein« Eichenmistel. Daher erklären sich sicher viele Derwechslungcn der beiden Pflanzen, die durch die ganze Literatur gehen, da, besonders im Mittelalter, ein Autor immer gern vom anderen abgeschrieben hat. Durch den Kult, der mit der Mistel getrieben wird, hat sich nun weiter eine Kratulationskartenindustrie entwickelt, die nicht zu unter- schätzen ist. In England war es lange Sitte, auf Weihnachtstarten neben der Stechpalme Mistelzweige abzubilden, und in der Zeit zwischen 1900 und 1914 sehen wir in Deutschland , Oesterreich und Frankreich die Mistelneujahrskartcn weit verbreitet, was vielleicht darauf zurückzuführen ist, daß die meisten Weihnachtskorten für Eng. land in Deutschland von deutschen Steindruckern hergestellt wurden. Diese sind also wahrscheinlich schuld daran, daß die Mistelmode sich bei uns oerbreiten tonnte.— Die Verwendung der Mistel als Zierrrll beschränkt sich aber nicht auf die Gratulationskarten: die ganze Papier- und Äortonnagenindustri«, auch die Lederindustrie und vor allem die Metallwarenbranche haben sich da» Mistelmotio für kunst- gewerbliche Zwecke zunutze gemacht. Man �ieht die wunderbarsten Gold- und Silberorbeiten, in denen man Mistelzwsig«,-blätter und -früchte verwertet hat. Es gibt aber auch kaum eine zweite Pslanze. die an sich schon so dekorativ wirkt wie die Mistel. Im Mittelaller wurde«in offenbar ziemlich bedeutender Handel mll.Aichmistlin-Paternostern*. mit Rosenkränzen aus Mistelholz getrieben. So wurden im 15. Jahrhundert Mistelrosenkränze aus Oesterreich , Böhmen und Mähren gehandelt. Von einem Ulmer Kaufmann Otto Ruland existiert heute noch«in Handelsbuch aus den Jahren 1446— 1462, aus dem hervorgeht, daß er Rosenkränze aus Mistelholz an die.Paternusterer*. Rosentranzhändler, in Frank- furt o. M. liefert«. Noch 1794 wird von dem Notursorscher Böhme der Mistelrosenkranz erwähnt, aber dann scheinen diese wunderwir- kenden Kugeln von oer Bildfläche zu verschwinden. Tubcuf hat kein« .Misllinpaternoster* in den Museen oder sonstwo austreiben können. aber er hat mit ziemlicher Sicherheit nachweisen können, daß es sich in allen Fällen, m denen diese Rojenkränze beschrieben werden, gar nicht um Mistelholz, sondern um das Holz der Riemenblume ge» handelt hat.— Auch der Dogelleim. der seit den ältesten Zeiten angeblich aus Misteln gemacht wird, Ist wahrscheinlich aus der Riemenblume hergestellt. Es ist merkwürdig, daß auch heute noch angegeben wird, der Vogelleim, der im Handel zu haben ist, werde aus Misteln hergestellt, aber es ist absolut nicht gelungen, auch nur eine einzige' Firma oder einen einzigen Mann namhaft zu machen, der Vogelleim wirklich aus Misteln herstellt. Wir be- gegnen hier, wie überall im Handel, den größten Schwierigkeiten, wenn wir die Wahrheit erfahren wollen. Das sogenannte Fabrik- geheimnis wird offenbar als Freibrief auch für salschs Auskünfte betrachtet: mögen sich die Gelehrten nur ihre Köpfe zerbrechen, wenn sie etwas erfahren wollen: das ist ja ihr« Ausgabe. Schließlich hat die Mistel bis In unsere Zeit hinein noch eine wirtschaftliche Bedeutung als Arzneipflanze, obwohl auch hier wieder Verwechslungen mit der Riemenblume vorkommen. Da die Mistel eine„heilige* Pflanze war, hatte sie natürlich auch eine fabelhafte Heilkraft. Besondere gegen Epilepsie ist sie stets empsohlyr worden, aber auch äußerlich in Salben und Pflastern gegen Beinschäden, Bruchschäden. Krankheiten der Milz usw. soll st« angewandt werden können. Di« neuestc Wissenschaft hat entdeckt, daß das Mistelextratt, unter die Haut eingespritzt, den Blutdruck herabsetzt m,d infolgedessen gegen Arterienverkalkung verwendbar ist. Auch Soponln hat man in der Mistel gesunden, und die Saponindrogen spielen ja jetzt ein« große Rolle. Professor v. Tubeuf gibt eine Anweisung zur Kultur der Misteln auf kleinen Bäumchen in Töpfen. Wenn gclchäftstllchtige Gärtner sich darauf legten, um die Weihnachszeii sruästend« Misteln in Töpfen aus den Markt zu bringen, so würden diese wahrscheinlich „reihenden* Absatz finden— wenigstens so lange, wie die Mistel- mode anhält.
Der Komet Brook» wiedergefunden! Einer der merkwürdigsten unter den„Vagabunden des Himmels*, der Komet Brooks, der den Astronomen schon viel Arbeit gemacht ha», ist jed.t wieder aufge- taucht. Im Jahre 1889 entdeckte W. R. Brooks einen Kometen, der «ine bemerkenswerte Bahn aufwies. Di« Rechnung ergab, daß der Komet im Jahre 1885 sehr nahe an Jupiter vorbeigekommen war, dessen mächtige Anziehungskraft seine Bahn von einer llmlausszeit von 30 Jahren in«ine solche von 7 Jahren verkürzt halle. Aber diese Begegnung war auch in anderer Beziehung verhängnisvoll für den Schweifstern. Am 1. August 1889 kam der Komet— fast vor den Augen der Astronomen— mll nicht weniger als vier Milliaturkörperchen nieder, die dem Muttsrkometen in seiner Bahn folgten. Zwei von ihnen waren von Anfang an sehr schwach und gingen bald im Kampf ums Dasein unter. Die beiden größeren blieben länger am Leben. Einer von ihnen verschwand nach drei Wochen, der letzte war«in paar Monate hindurch sichtbar und zeit- weise lichtstärker als der ursprüngliche Komet.?lls der Komet 1895 wiedcrerschien, konnte man keine Spur ran seinen Begleitern mehr entdecken, und auch die Lichtstärke des ursprünglichen Kometen hatte stark abgenommen. Sieben Jahre später, 1905, konnte er nur mll den stärksten Fenirohren beobachtet werden. Auch 19l0 gelang es den Astronomen der Lick-Sternwart«, das schwach« Objekt aus- zufinden: aber bei der Wiederkehr 1917/1918 blieb er unsichtbar. Da der Komet vom September 1921 bis Mai 1922 wieder in der verderblichen Nähe Jupiters war, hatten die Astronomen diesmal recht gering« Hoffnung, daß er zur berechneten Zeit wiederkehren würde" Nach der Berechnung des russischen Astronomen Dubiago mußte der Komet um den 8. November dieses Jahres wieder in die Nähe der Sonne kommen, wenn er noch am Leben Ist. Wenn es gelingt, diesmal den Kometen genügend lange zu beobachten, so wird es möglich sein, die Mass« Jupiters mit bi-her v'ckt»leichter Genauigkeit zu berechnen.