Nr. 485 42. Jahrg. Ausgabe A nr. 247
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Mittwoch, den 14. Oftober 1925
Sicherheitspakt und besetztes Gebiet.
Besprechung der Rückwirkungen in Locarno .
Die Beratung der Rüdwirkungen des Sicherheitspattes V. Sch. Locarno, 13. Oktober. ( Eigener Drahtbericht.) hat in Loca.no gewiffe Fortschritte gemacht. Briand war nach Cocarno gefahren, in der Absicht, nur die offiziellen Punkte der Tagesordnung zu befprechen. Daß er fich inzwischen dennoch den ersten Erörterungen der Nebenfragen in feiner Weise wider
feht hat, ist ein Fortschritt. Die Voraussehung für eine ersprießliche Aussprache ist danach gegeben, hinzu kommt die Tatsache, daß Chamberlain mit allgemein anerkannter Aufrichtigkeit und Geschicklichkeit die Rolle des Vermittlers spielt und darin von Bandervelde vortrefflich sekundiert wird. Man glaubt, einen Weg gefunden zu haben, um bei Abschluß des Sicherheitspattes bekannt geben zu fönnen, daß die Räumung der Kölner zone eine befchloffene und bevor
stehende Tatsache ist.
Größer find die Widerstände gegen feffe Verabredungen hinfichtlich des künftigen Befagungsregimes der befezten Gebiete, der Abkürzung der Fristen, der Borlegung des Plebiszits im Saargebiet usw. Hier erklären nicht nur die Franzosen , fondern auch die Engländer, daß sie Bindungen nicht eingehen werden und sie fträuben sich sogar gegen Erklärungen nach Art derer, mit denen in London seinerzeit die Räumung der drei Rheinhäfen in Aussicht geftellt wurde.
Es heißt aber, daß Deutschland wenigstens wertvolle moraliiche Zusicherungen auf diesem Gebiet gemacht werden wurden. Es ist davon die Rede, daß die alliierten Minister verfprechen würden, nach der Unterzeichnung des Pattes bei der Begründung der Berträge vor den parlam nten dort Ertlärungen abzugeben, in denen die Rüdwirkungen diefes historischen Geschehens in Locarno auf das günstige Schidial der besetzten Gebiete als selbstverständliche Konsequenz bezeichnet würden.
V. Sch. Locarno, 13. Oftober.( Eig. Drahtber.) Je mehr sich die Stunde nähert, in der die deutschen Delegierten ihre Unterschrift unter die vorläufigen Abmachun gen werden sehen sollen, desto größer wird die Spannung. Ein Symptom diefer Spannung ist die bligartige Berbreitung eines Gerüchts, monach Briand von einer Krise der Konferenz" im Zusammenhang mit der von Luther und Stresemann vorgetragenen Wunschliste Deutschlands hinsichtlich der Entwaffnungsforderungen, der Räumung der Kölner Zone, der Milderung des Besatzungsregimes gesprochen hätte. Dieses Gerücht erwies sich als völlig unrichtig. Daß diese Konferenz feine Krise durchmacht, darf auch aus der Plenarsizung, die um 5 Uhr stattfand, geschlossen werden. Gewiß, es gibt Schwierigteiten. Tschechen und Polen wünschen obligatorische Bolen wünschen obligatorische Schiedsgerichtsverträge, Deutschland nur Berträge nach dem Muster derer, die es schon mit Finnland und der Schweiz abgeschlossen hat und die nur für juristische, aber nicht für politische Streitfragen die Gerichtsbarfeit mit allen Konsequenzen vorsehen, also lezten Endes die Möglichkeit von Gewaltanwendung, wenn auch nicht ausdrück
Schwere Strafen in Grevesmühlen .
Ein empörendes Tendenzurteil. Grevesmühlen , 13. Oktober. ( Eigener Drahtbericht.) Im Grevesmühlener Reichsbannerprozeß wurde am Dienstag nachmittag das Urteil verkündet. Sämtliche Angeklagte wurden für schuldig befunden und folgende Einzelstrafen verhängt: Kühn 1½ Jahre Gefängnis, Frau Schmedemann 1 Jahr Gefängnis, Hermann Arndt 9 Monate Gefängnis, Emil Arndt 4 Monate Gefängnis, Paffow 3 Monate Gefängnis, Bant 5 Monate Gefängnis, kraßmann 5 Monate Gefängnis, Gnaß 5 Monate Gefängnis, Hennig 8 Monate Gefängnis, Schulz 5 Monate Gefängnis, Darrmikel 4 Monate Gefängnis, Klenz 4 Monate Gefängnis, Roop 4 Monate Gefängnis, krufchle 1 Monat Gefängnis, Persen 4 Monate Gefängnis, Schütt 4 monate Gefängnis, insgesamt 7 Jahre 10 Monate Gefängnis. Gegen das Urteil ist sofort Berufung eingelegt worden.
Dieses Urteil wird fein ehrlicher Mensch in Deutschland objektiv nennen! 3wanzig bewaffnete Roßbach - Leute fallen über Arbeiter her, die aus einer Wahlversammlung nach Hause ziehen. Sie geben Schüsse ab, sie teilen Prügel aus. Die Staatsanwaltschaft flagt nicht die bewaffneten Roßbacher, fondern die Ueberfallenen des Landfriedensbruchs an!
Untersuchung und Prozeßführung waren der Anklage mürdig! Das Gericht hat die Angeklagten verurteilt zu hohen Freiheitsstrafen!
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Niemals ist eine Anklage leichtfertiger erhoben worden! Selten hat ein Gericht so unverhüllt aus politischem Haß gegen
- Zugeständnisse an Deutschland . Schwierigkeit liegt u. a. darin, daß Skrzynski und Benesch lich erwähnt, so mindestens stillschweigend offen lassen. Eine gleiche Berträge mit Deutschland abschließen möchten, während die psychologischen Boraussetzungen auf deutscher Seite gegen über beiden Staaten nicht ganz die gleichen sein dürfen. Man hofft jedoch durch ein Kompromiß die Schwierigkeiten über
brüden zu fönnen.
Die Nachmittagsfizung der Konferenz sollte den Beweis dafür erbringen, daß von einer Krise gar feine Rede sein tönne. Auch das offizielle Kommuniqué fagt, daß die Arbeit wesentliche Fortschritte zur Einigung gemacht hat. Es handelt sich eigentlich schon um eine britte Lesung, die die endgültige Zustimmung aller Beteiligten zu den meisten Punkten des Baktentwurfes ergab. Die deutsche Fassung des Kommuni qués fagt zwar, daß einige Punkte noch zurückgestellt wurden, die englische Fassung jedoch spricht von wenigen Punkten. Das gilt nur insofern für den Artikel 16, als die Delegierten über eine ausgearbeitete Kompromißformel einig sind, zu der aber noch die Zustimmung des Reichsfabinetts abgewartet werden muß. Vor allem aber bezieht sich die Wendung auf die Garantie für die Ostverträge, die noch von den Juristen bearbeitet werden und deren endgültige Gestalt aud) von einer vorläufigen Einigung zwischen den Delegationen von Deutschland , Polen und der Tschecho slowakei abhängig ist.
Zur Frage der Unterzeichnung erklärte nur der Jta Liener, mit legten Vollmachten versehen zu sein. Die andern wollen, bevor sie Endgültiges geben, mit ihren Gefamifabinetten und Barlamenten Fühlung nehmen. Um mehr als eine Formalität dürfte es sich dabei jedoch nicht handeln.
Augustaner - Feier und Paktkonferenz.
V. Sch. Locarno, 13. Oktober. ( Eigener Drahtbericht). Die Nachrichten aus Berlin über die monarchistische Kundgebung am Sonntag haben bei den alliierten Delegationen wenn auch nicht beunruhigend, so doch verftimmend gewirft. Sie tamen gerade in einem Augenblic, wo die Unterhaltungen über Entwaffnung und dergleichen ein befor deres Maß von gegenseitigem Bertrauen erforderlich gemacht hatten. Wieder einmal ist durch die Nationalisten unter Teilnahme des Reichspräfidenten und der Reichswehr an dem Rummel die Stellung der deutschen Delegation empfindlich erschwert.
Kempners Berichterstattung.
Staatssekretär Kempner ist zur Berichterstattung über das Ergebnis der Verbandlungen der Konferenz am Dienstag abend um 9 Uhr in Berlin eingetroffen. Gleich darauf fand eine Minister besprechung statt, in der Kempner seinen ersten Bericht erstattete. Mittwoch wird der Staatssekretär den Reichspräsidenten ins Bild feßen. Voraussichtlich wird der Staatssekretär auch den Führern der großen Parteien Kenntnis geben von dem, was die deutsche Delegation in Locarno erreicht hat.
Die Besprechung der Minister dauerte in später Abendstunde noch fort.
die Republik und ihre Anhänger ein so offenfundiges politisches Tendenzurteil gefällt. Dies Urteil ruft die gerechte Empörung aller rechtlich Denkenden hervor. Es ist eine Selbstentlarvung einer parteipolitisch eingestellten Justiz. Die Verhandlung in zweiter Instanz wird der Berteidigung Gelegenheit geben, die Methoden der mecklenburgischen Tendenzjustiz vor der ganzen Deffentlichkeit an den Pranger zu stellen. Es ist wahrlich kein Wunder, daß in einem Lande, in dem die Justiz wider Recht und Gerechtigkeit die Landfnechtsbanden der Roßbacher beschirmt und in ihrem Terror gegen die Bevölkerung fördert, diese Banden immer noch ihr Unwesen treiben fönnen.
Mecklenburg , daß von einer stodreaktionären Rechtsregie rung regiert wird, erfreute sich bisher des Rufes, das Land der Fememorde zu sein. Es muß jetzt noch den traurigen Ruhm hinzunehmen, eine politische Tendenzjustiz schlimmster Art zu befizen.
Der Kreis der Fememörder. Neue Verhaftungen. Korrespondena BS. meldet: Diplomingenieur Dr. Kurt Stantien wurde in feiner Wohnung in Dahlem von Beamten der Abteilung IA festgenommen. weil er der Mitwisserschaft an dem Fememord Bannier und der Begünstigung verdächtig ist. Stantien, der selbst einige zeitlang Angehöriger einer fchwarzen Fahrabteilung war, hatte nach der Auflösung aller diefer Formationen dem stedbrieflich verfolgten Oberleutnant Sula einige Beit Unterschlupf gewährt. Schulz wohnte dort unter dem Beudonym„ Dr. Schneider" und fonnte auf diese Weise lange versteckt gehalten werden.
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In der Industrie kriselt es nicht nur wirtschaftlich, auch der Fraktion und der Reichsregierung die Verarbeitungspolitisch. Deutschnationale Vereine orohen mit der Abkehr von ihrer Partei, weil die Zoll- und Handels politik industrien in ihrer Eristenz erschüttern. Der letzte Bericht des Bereins deutscher Maschinenbauanstalten, den wir gestern wiedergaben, ist nichts als ein Aufschrei der Empörung über die Unfähigkeit eines Kabinetts, dessen Träger die Industriewiedergaben, ist nichts als ein Aufschrei der Empörung über verbände sind. Eine Stimmung, die on Rebellion grenzt, herrscht in weiten Kreisen der industriellen Berarbeiter, auch wenn man mit öffentlichen Protesten noch vorsichtig ist. „ Herr Luther hat sich Deutschlands größten Kopf für seine Wirtschaftspolitit ausgesucht, aber nicht vorher nachgesehen, was drin ist" dieses Wort, das unter Industriellen kursiert, fennzeichnet geradezu die Stimmung derjenigen Kreise, die hofften, mit ihrer Zustimmung zur Polilit des Herrn Neuhaus ihrer Ware den Weg zum Weltmart zu öffnen, jest aber sehen, daß ein Staat nach dem anderen seine Grenzen gegen deutsche Fabrikate sperrt, weil die Führung der deutschen Handelspolitik versagt.
Tatsächlich ist der Wirrwarr, der in der deutschen Handelspolitik eingetreten ist, nicht mehr zu überbieten. Um ja schleunigst eine Grundlage für Handelsverträge" zu haben, wurde die Zollvorlage durchgepeitscht, wurde eine starke parlamentarische Minderheit ihres Rechts beraubt, eine sachliche Diskussion im Reichstagsplenum abgeschnitten. Zwei Monate nach diesem in der Geschichte einzig bastehenden Gefeßgebungsatt ist man beim Abschluß von Handelsverträgen nicht vormärts, sondern rückwärts geschritten. Bon Tarifverträgen ist einzig das deutsch - belgische Abkommen perfekt. Was der Vertrag mit Rußland der deutschen Wirtschaft von den erwarteten Borteilen wirklich bringen wird, ist bei der komplizierten Organisation des russischen Außenhandelsapparates nicht leicht vorauszusagen. Sunächst erfordert seine Ausführung die Bereitstellung von Krediten, die der deutschen Produktion an anderer Stelle fehlen werden. Aber abgesehen von den kleinen und in ihrer Wirkung noch durchaus nicht zweifelsfreien Fortschritten hat die deutsche Außenhandelspolitik nichts als Mißerfolge aufzuweisen, die uns in der Gestaltung unserer Handelsbeziehungen zurückgeworfen haben und unsere Exportindustrie mit schwerer unmittelbarer Gefahr bedrohen. Seit mehr als einem Jahr verhandelt man mit Frankreich . Das ganze Ergebnis ist bislang ein fauler Waffenstillstand, von dem man froh sein muß, daß er nicht zum offenen Handelsfrieg ausartet. Für die Berarbeitungsindustrien jedenfalls ist der französische Markt gesperrt durch die hohen franzöfifchen 3ölle. Die deutschen Unterhändler haben bisher ihre Herablegung nicht erwirten fönnen. Im offenen 3ollkrieg steht Deutschland mit Polen . Kein Mensch gibt sich darüber Illusionen hin, daß er trotz mehrmonatiger Dauer innerhalb furzer Zeit beigelegt werden könnte. Andere Länder nehmen bereits eine mehr oder minder drohende Haltung ein. Der Handels= frieg mit Spanien ist durch das schimpfliche Kom promiß, das das Kabinett Luther mit den Deutschnationalen abgeschloffen hat und das die Kündigung des deutschspanischen Vertrages zum 16. Oftober vorsicht, in greif bare Nähe gerückt.
Der vertragslose Zustand mit Spanien allein bedeutet die Anwendung dreimal so hoher 3ollfäße gegen die deutsche Ware als bisher. Der nächste, der nun mit einem Konflitt droht, ist vorläufig einmal für vierzehn Tage mit einer Beruhigungspille abgespeist worden. Man will ohne jede Rechtsgrundlage die ermäßigten 3olljäße des spa. nifchen Tarifs auf Italien anwenden, um den Zollfrieg mit diesem Land zu vermeiden. Ein anfechtbarer und denn er beseitigt nicht einmal sehr geistvoller Auswegnicht die neuen Sorgen, die dadurch entstehen, daß auch die Türkei und Portugal durch die Aufhebung des spa nischen Vertrags vor den Kopf gestoßen sind und jedenfalls eine Neuregelung ihrer Beziehungen zu Deutschland suchen werden, wobei man durchaus noch nicht weiß, ob die Regierung Luther dabei nicht wieder den türzeren ziehen wird.
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Alles in allem: Anstatt erwarteter Freiheit der Weltmärfte, Sperrung der wichtigsten Auslandsstaaten gegen deutsche Einfuhren. Das fann ben wildesten Reaktionär nervös machen. Der Schuß der nationalen Arbeit ist eine schöne Sache, wenn aber darüber der Erport völlig ertötet wird, so geht es an den Profit. Zugleich geht es jedoch auch gegen die Beschäftigungsmöglichkeit der Arbeiterschaft. Denn ohne Absatz raucht fein Schlot, und ganze Industrien sind vom Export abhängig. Das Tohuwabohu, das bei einer Fortdauer dieses Rampfes über die deutsche Wirtschaft hereinbrechen muß, ist nicht abzusehen.
Welches sind die Ursachen des Mißerfolges?- Bon rein schwerindustriellen Intereffen geleitet, hat der Reichswirt fchaftsminister Neuhaus schon die Zollpolitik vorwiegend auf die Wünsche der Roh- und Halbstoffindustrien eingestellt. Rücksicht auf die Eisenindustrie hat ihn daran ge