Unterhaltung unö �Dissen Jtz
Locarno.
Vanöervelöe
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Schubert
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Chamberlain
Theodor hosemann. (t IS. Oktober 1875.) Zur Erinnerung an den Chronisten Alt-verKns. Eine alte Familientradition besagt, daß Dosemann und Menzel ein« Zeitlang das Atelier geteilt hätten. Es spricht nichts dagegen: die Art ihrer Ansänge, ihre lithographischen Lehrlingsjahre, die vor» treffliche Gebrauchsgraphik beider, die bisweilen zum Verwechseln ähnlich ist, paart die fast Gleichaltrigen in den dreißiger Iahren wie Brüder.(Hosemann ist 1897 in Brandenburg a. d. H., Menzel 1815 in Breslau geboren.) Aber in späteren Iahren stieg Menzels Stern gewaltig hoch und hat schließlich das bescheidene Lämpchcn choscmanns fast bis zum Vergessenwerden oerdunkelt. Er war halt nur ein Illustrator und Cenremaler Berliner Kleinlcutelebens. Es gibt aber heute schon Leute, denen das großartige Wesen des Fridericusmalers und Distorienziseleurs Adolf von Menzel auf die Nerven geht, und diese finden, daß man chosemann sehr zu unrecht vernachlässigt hat. Eine Ehrenrettung war has schöne unkt sorgfältige Such Lothar Briegers(1920 im Delph noerlag). Der fünfzigste Todestag des Alt-Berliner Meisters kommt uns sehr ge> legen, die Bilanz seiner Taten und seiner Zeit zu ziehen. Nein: nicht mit Menzel, sondern mit Heinrich Zille wollen wir Hcsemann in Gedanken zusammenstellen. Vielleicht hat Zille der Knabe noch den'yüen Herrn in seinen letzten Lebensjahren mal gesehen. Sein geistiger Erbe ist er gewiß: nicht bloß, weil sie beide so bescheiden als Lehrlinge in lithographischen Anstalten angefangen haben, und weil sie ihre Lieblinge aus den untersten Voltsschichten meist in schlichten Illustrationen und Einzelblättern geschildert haben. Sondern weil sie beide aus innerster Hsrzensneigung und treu nach dem Leben die soziale» Chronisten ihrer Zell geworden sind. Aber da ergeben sich schon Differenzen� Sie liegen weniger im Wesen der Küns.ler, als ihrer Zeit. In Hosemanns Jugend und besten Jahren gab es noch keinen Sozialismus, gab es in Berlin überhaupt noch keinen eigentlichen Arbeiterstand. Was er vorfand und was ihm ans Herz gewachsen ist, der vierte Stand der Bieder- meierzeit(aus den dreißiger und vierz'ger Iahren des vorigen Jahr- Hunderts), das waren die unteren Schichten der Kleinbürger. Da gibt es Hausmeister und ihr« Tochter, Schusterjungen. Erdarbeiter (und was für Prachtfigurcn: die„Rehberger* mit ihrer unge, zähmten Kodderschnauze), Köchinnen und Straßenmusikanten. Man sieht, es ich mancherlei da, was auch unserm Meister Zill« beglückt. Aber eine» fohlt: Die sozial« Einstellung zu den Entrechteten. Und dies ist das Entscheidende und ein Unterschied zweier Jahr- Kundert «. Hosemann konnte noch nicht daran denken, seinen vierten Stand als Anklage gegen hie Gesellschaft hinzustellen, durch treue Wiedergabe seiner Existenz Bei ihm. der aus ärmlichen Verhält- nisten kam und sein Lebelang ums tägliche Brot schuften muß.e, war jeder Gedanke auch an die leiseste Lpposüion ausgeschlossen. Wlr sehen in manche seiner ergrelsenden Illustrationen die lautlose Klage der Kreatur hinein, vielleicht: bei Hosemaim gibt es aber nur Klein- bürgertum und kleinbürgerlichen Humor, mit dem das Leben dieser, och so unsagbar beengten und kärglichen Seelen umhüllt und bei- nahe„vergoldet"' wird. Soziales Pathos lag Hoseinann nicht nur deshalb fern, weil es seiner Zeit unbekannt war: er halle auch ein« viel zu skeptische Seele. um an der Gesellschaft Kritik zu üben. Seltsamer Widerspruch: aus Skepsis war er kritiklos. Aber dies lost sich ganz einfach: wo- gegen er eine sehr gegründete und tiefinnere Abneigung besaß, war ein ganz anderes Zeitübel: war d:e romantische Sentimentalität der zeitgenöjsischen Bourgeoisie. War das geschwollene Pathos jener Düsseldorfer Historienkunst, die wie eine Pest ganz Deutschland mit „gemalten Unglücksfällen" überschwemmte und mit Unwahchoftigkeit vergiftete. Von hier aus wird fein Verdienst klarer, seine Neuerung erst revolutionär. Es war schon viel, paß ein kleiner kecker Lithograph in Berlin es wagte, das Volk bei seiner Arbeir und seinem Pläsier zu schildern, daß er sich weigerte, die Großen der Gesellschaft und die Geschwollenen der Geschichte darzustellen, wie alle Maler, die es zu etwas bringen wollten. Vis an sein Lebensende blieb Hosemann der Zeichner und Maler der kleinen Leute. Er erlebte das Dalein aus der Perspektive des Kellerfenster» und der Berliner Destille,' und dos eint ihn letzten Endes doch immer wieder mit Z lle. Dies« Handwerks- burfchen und„sähigen Maurer", diese genügsamen Sonntagsspießer, Sonntagsjäger und Sonntogstänzer sind seine Welt, er war als Künstler einer der ihren: und am besten ist er immer da, wo er, mit einem ganz leisen Stich ins Ironische, das Beengte und Ber- lorene ihrer Existenz mitschwingen läßt. Er vermeidet durchaus, das Leiden des Proletariats fühlen zu lassen, wie es die größeren franzä- fischen Brüder, wie es Daumier und Gavarni vermochten. Ihm ist die biedermeierliche Ausfajsung«igen, die optimistisch gutheißt, was sie schildert, weil, nach Goethe, nun einmal,„wie es auch sei, bas Leben, es ist gut." Das ist Hosemanns Zeitbedingtste t. Dx,Paul F. Schmidt.
der östnör. 2) Von I a r o s l a v H u l k a. II. Dann kamen sie eines Tages vermittels ihrer Blindheit mit Nachbars Fronzl zusammen. Es war aus einer Bank im Park«. Sie sprach:„Ich heiße Anna Mrazek." Er sagte:„Ich heiße Anton Lexa, Kriegsblinder!" Es llang, als ob er einen Beruf mlttellen würde. Doch reichten sie einander nicht die Hände. Der Raum der Blindheit war ein unendlicher. Er fragte sie:„Ist Ihnen hier nicht traurig zumute?" Ei« antwortete:„0 nein!" Dann sagte sie zu Franzi:„Du kannst heimgehen, ich finde mich überall zurecht!" Und sie fuhr fort, während sich der Bursche entfernte:„Wissen Sie. manchmal wird mir's bange. Gewöhnlich, wenn ich auf der Zither spiel «. Ich erinnere mich all der schönen Ding«, die ich in Wien gekonnt Hab'. Ach, ich erkenne eine schöne Sache nach dem Klange. Ein« schöne Sache kann nicht häßlich klingen, nicht wahr? Im Prat«r war es sehr, sehr schön. Mütterchen pflegte mich zu fragen: Willst Du nicht mit dem Ringelspiel fahren? Und Ich sagte: Nein, ich möchte lieber der Musik zuhören. Dort gab'» soviel Musik. Und so einen schönen Lärm. Auch ein Lärm kann schön sein, nicht was»:?"
Er e,itgeg»ete:„Ich denke. Fräulein, nur ein durch Glück und Unterhaltung verursachter Lärm ist schön. Ich kenne einen Lärm aus dem Krankenhause. Er gleicht einem glühenden Drahte, der durch einen Körper gezogen wird. Und man wußte nie, wann er zu End« wäre.— Das war das Schrecklichste!" Sie sagte:„Auch im Lachen gibt es einen Unterschied. Warten Sie, Sie werden es erkennen. Man möchte sagen: Lachen Ist Glück. Aber Sie werden sehen, daß ein Lachen, aus dem ein unbefriedigter Gedanke liegt,«inen ganz anderen Klang hat. als ein glückliches Lachen. Es klingt nicht. Es schlägt!" Er unterbrach lie:„Ms ich im Kronkenhause lag, hörte ich. wie mein Nachbar lachte, wissen Sie, wie man zu lachen pslcgt: aus vollem Halse. Ich sprach zu ihm: Worüber, Mensch, wieherst Du so? Er gibt keine Antwort. Und lacht weiter. Aber die Kranken- schwester beugt sich zu meinem Ohr herab und slüstert mir zu: Er lacht nicht, er weint. Er hat erfahren, daß man ihm beide Füße abgenommen hat.— Sehen Sie, man unterscheidet nicht das Weinen vom Lachen!" Sie sagte:„Nur am Ansang ist es so. Sie werden schon sehen!" Und eine Weile nachsinnend, fuhr sie fort: „Ich weiß, es ist unmöglich, aber wenn jemand zu mir käme und spräche: Du wirst sehen, aber dafür taub sein, glauben Sie mir, ich wäre nicht einverstanden damit!" „Nein, ich wäre nicht einverstanden damit." Es war die Ueberzeugung eines Menschen, der etwas Be- kannte? nicht gegen etwas Unbekanntes eintauschen möchte, aus Furcht, sich zu betrügen. Und ihr Glaub« an die Schönheit des Klanges war so stark, daß er ihr Unglück zähmte. Es stach sie nicht mehr. Nur auf ihm lag es. wie ein schwerer und unbeweglicher Gegenstand in einem Schranke siegt, den wir nicht benötigen, ober an den wir von Zeit zu Zeit anstoßen, wenn wir notwendige Sachen herausnehmen. ni. Er sprach:„Ich weiß nicht, was ich anfangen soll. Ms H ich durch diese Blindheit gefesselt wäre, so daß ich von diesem Müßiggang fast krank bin." Sie antwortet«:„Das habe Ich nicht kennen gelernt. Niemols zat mir meine Blindheit die Lust zur Arbeit benommen. Ich weiß von jedem Töpfchen, sedem Möbelstücke in meinem Zimmer. Ich weiß von den Streichhölzern, vom Holz« und von der Kohle. Ich hakte ein Tüpfelchen in der Hand und gieße Wosier darüber. Ich erkenn« nach dem Gewichte, ob gemig Wasser darin ist oder Kaffee oder Suppe. Ich habe auch eine Zither, auf der ich spiele. Wissen
Sie. spielen und spielen ist ein Unterschied. Manchmal sitz' ich daheim und meine Finger gleiten über die Saiten. E» ist mir, als ob sie spazieren gehen würden. Ich weiß nicht einmal, daß ich es bin, die spiell. Ich höre zu. wie man den Vöglein zuhört. Und es unierhält mich. Manchmal spiele ich im Wirtshause. Da um- ringen sie mich mit Wünschen, da bin ich auf einmal notwendig! Spielen Sie! Als ob ich der Pfarrer wäre! Und da mühen sich meine Finger ab, sie sind müde wie ein Bote, der übers Land gehl und der sich weder um die Vöglsin noch um die Gegend schert, sondern bloß denk«: Noch eine Stunde Weges, noch eine halb« Stund «. Und das ist Arbeit. Und Sie werden arbeitenl Wenn schon für nichts anderes, so zu Ihrer Zerstreuung!" Er erkannte bald, daß sie sich nicht getauscht hatte. Tagtäglich spürt« er stärker die Last seiner Fäuste. Die untätigen Hände hingen ihm wie welke Zweige vom Körper herab. Er über- legte. Di« Blindheit ist keine Krankheit, die Blindheit ist ein Unglück. Der Kranke kann untätig sein, der Unglückliche keinesfalls. Dann bot er feine sehnsuchterfüllten Arme der Frau Meisterin an und sprach:„Ich werde Ihnen Ihr Holz hacken!" Sic erschrak beinahe und machte Ausflüchte. Er ließ sich aber nicht abfertigen, indem er all« ihr Gründe widerlegte. Endlich aber spielte er seinen höchsten Trumps aus:„Bis zum Tode kann ich doch nicht müßig gehen!" Sie sah es endlich ein und gab ihm den Schuppenschlüssel, wobei sie ihn zur Borsicht ermahnte. Er hackte das Holz. Zuerst langsam, indem er jede seiner Bewegungen überlegte. Es war Abfallholz vom Baue, das mit einigen Schlägen zersplitterte. Es gab da Latten, bei denen er dachten sie sind dünn, ich zerhacke sie mit einem Schlag«. Ms es ihm gelang, wuchs sein Mut. Er hockte rascher und vergaß die Bewe- gungen. Er dachte bei sich: Als wlr noch Buben waren, pflegten wir die linke Hand mit ausgestreckten Fingern auf den Tisch zu legen: wir schlössen die Augen und mit der rechten Hand trafen wir mit einem offenen Messer in den Raum zwischen den Fingern der linken Hand. Und so hackte er Holz. Und als ihm ein Stück Brett zwischen die Hände kam, erinnerte er sich wieder der Kinderspie'erei. Er konnte nicht widerstehen. Seine Linke spreizte er über das Brett aus. Und nun hackte er zu, sich an der Erinnerung mit seinem Fortschritt erfreuend. E» fiel glücklich aus. Cr streifte nicht einmal«inen Finger. Er wurde fröhlich gestimmt über seine Geschicklichkeit und rief in der Richtung gegen das Gebäude zu:„He. Frau Meisterin!" Sie lief bestürzt herbei, ob er sich vielleicht gehackt hätte. Er aber sagte zu ihr: