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Sonnabenö 17. Gktober lgZS

Durste kostienkow heiraten! Von Max Barthel . Auch Hellmut folgte dem berühmten Zug der Zelt und schloß sich einer Gesellschaft guter Genossen an, die Rußland bereisten. Das war schon vor einigen Jahren gewesen, aber noch heute gibt Hellmut sehr gern von jener Reise Neine absonderliche Geschichten zum besten. Wir saßen wieder einmal zusammen Hellmut hatte da» Wort. Wir ließen ihm das Wort und drängten seinen Redestrom gelinde in die uns angenehme Richtung. Vor einigen Tagen waren deutsche Kameraden aus Rußland zurückgekommen, des Lobes voll und einige mit großen Zweifeln also: dos Thema unseres Ge- spröches war Moskau , und Hellmut erzählte davon. Endlich machte er Schluß mit den politischen Berichten und setzte sein uns wohl- bekanntes Gesicht auf, in dem sich Heiterkeit und Schwermut so schön mischten und sagte: Die Leute haben recht, wenn sie begeistert sind, sie kamen ja aus der täglichen Arbeit und erlebten da drüben einen einzigen Feiertag. In ihrem Lande sind sie Unterdrückte, da drüben aber Umjubelte. Sie sehen Fremdes und Unbekanntes, Sonderbares und eine märchenhafte Oberfläche: Asien und Europa . Ja, sie sehen nur. Sonst aber sind sie taub. Sie hören nicht die Sprache des Volkes. Hören nur das ihnen Zugedachte. Sind auch stumm, denn ihr« Worte und Reden klingen am Ohr des Volkes unverstanden vorbei. Wenn sie trotzdem begeistert sind, so sind sie's einfach aus Klassen­instinkt heraus. Sie stellen sich auf die Seite der Revolution. Ich war ja auch maßlos begeistert. Es war ein einziger Triumphzug, als wir durch die Ukraine fuhren.. Von dieser Fahrt müssen Sie erzählen,' sagte Beate,«in junges Mädchen, das unserm Kreise nahe stand. .Hab' ja schon viel von dieser Reise erzählt,' antwortete Hell- mut.Aber jetzt steigt vor mir ein Sommertag auf. schön und heiß wie die Sonne. Es war im Süden der Ukraine, ' fuhr er fort. .JDet große Bandit Machno wollte uns fangen. Riß mit seiner Garde Eisenbahnschienen auf. Einmal sprengten sie ein« Drücke. Wir fuhren aber sicher. Vor uns dampfte ein Panzerzug die Streck« ob. Auch hinter uns fuhr ein Panzerzug. So umpanzert und ge- schützt kamen wir nach Mirgorod.' Mirgorod?' siel Beate lebhaft ein und zelgte ihre literarisch« Belesenheit.Ist das nicht die Stadt, in der Gogol geboren wurde?' So ist es,' sagte Hellmut.An einem heißen Sommertag kamen wir nach der Stadt. Das ganze Land duftete nach Blumen und Brot. Den Bahnhof umwimmelten rote Soldaten, di« an die Front in den Krieg gegen die Polen zogen. Erst vor einigen Wochen war Kiew zurückerobert... Es gab an diesem Tag keinen grö- ßeren Kontrast als den strahlenden Himmel und die vielen Sol- baten, dei von den Schatten eines jähen Todes gestreift wurden... Stellt euch vor: eine klein« Etation, schon ganz südlich. Vor dem Bahngebäude schimmert das Denkmal des Dichters Gogol . Unweit davon kühlte ein kleiner Garten mit hohen Bäumen. Und dort in diesem Garten lag ein Soldat, der nicht mit in den Krieg ziehen wollt«. Er war tot. Da lag nun der junge Mensch, der Iwan»der Madimir, auf einer Bank. Das helle'Blut rieselte in dünnen Strömen Über das wachsbleiche Gesicht. Eine Handgranate hatte, als sie sich selbst entzündete, sein Licht ausgelöscht. Der jung« Mensch war sofort tot. Er war nicht verstümmelt. Nein... Ich sehe ihn vor mir liegen,' sagte Hellmut langsam und schloß die Augen.Sein Mund ist dünn und rosafarben. Die Stirn schimmert. Die Augen sind zu. Haare wehen im Wind, der durch den Garten streicht. Die Kameraden haben den Toten gewaschen. Die Uniform trieft von Wasser... Wasser oermischt sich mit Blut und Erde... Das Leben geht weiter. Auf einer andern Bank wird ein Hammel ge- schlachtet. Tierblut mischt sich mit Menschenblut und düngt den Staub... Und noch drei Schritt, dann stehst du im Sommerlicht. Drei Schritte vom toten Tier und vom toten Menschen lebt das schön erhitzte Leben. Bauernweiber oerkaufen Sonnenblumenkerne, Eier, Tomaten, Melonen, Milch. Und das alles, der tote Mensch, das tote Tier, die lebendigen Menschen, die grünen hohen in sich versunkenen Bäume, der goldne Atem der Steppe: und in all das leuchtet das Denkmal des Dichters Gogol ...' Das ist schön und traurig zu gleicher Zeit,' rief da« Mädchen Beate,ich sehe auch das weithinglänzende Land... Hier bei uns ist olles so wohlgeordnet, so nüchtern, so organisiert, so an- ständig! Wenn es doch wenigstens richtiggehende Räuber gäbe!' Richtige Räuber gibt es schon,' sagte darauf der Herr Lamp- recht.Aber wir sind ja ein Volk mit hoher Kultur. Da gehen auch die Banditen und Schufte mit der Zeit. Viele von ihnen tragen Frack und Binde. Manche haben eigene Autos und gehören zu den berühmten Stützen der Gesellschaft!" Ach,' seufzte Beate Hellmut an.sSie haben ja so viel erlebt. so schöne Dinge, so sonderbare Dinge.. Ja, so sonderbare Dinge," sagte darauf Hellmut.»Ein ab- seitiges Erlebnis will ich euch berichten," fuhr er fort und wandte sich an das MädchenDenken Sie sich eine kleine Stadt bei Kiew . In diese kleine Stadt schlug Lärm der Welt. Krieg mit Polen . Das wissen wir ja schon. Grischka Tschatjew war Vorsitzender der Partei. Auch er muhte an die Front. Sein Stellvertreter hieß Kossjenkow. Der blieb zurück in der Stadt. In der Zeit, als Grischka kämpfte, verliebte sich Kossjenkow. In ein Bürgermädchen. Sie hieß Nina. In drei Wochen hatten sie sich geheiratet. Die Hochzeit war ukrainisch, bunt und wild. In derselben Nacht, in der Kossjen- low bei seiner Nina lag, wurde Grischka vor Warschau verwundet. Nach drei Wochen kam er in seine Stadt zurück. Da sah er, daß in derselben Zeit und in derselben Nacht, als ihn die Kugel traf, sein Genosse ein bürgerliches Mädchen geheiratet hatte! Ein Mäd- chen aus derselben Klasse, die er. Grischka» mit der Waffe in der Hand, bis aufs Blut bekämpfte. Das konnte er nicht verstehen. Nein. Vor Warschau fielen die Genossen und Kossjenkow heiratet, freut sich und mischt sein proletarisches Blut mit der Oberflächlichkeit einer bürgerlichen Frau...' Aber konnte denn Nina dafür, daß sie ein Bürgermädchen war?" unterbrach Beate den Erzähler.Bestand denn nicht die Hoffnung, daß sie sich mit der Liebe auch die Wellanschauung ihres Mannes erobern konnte?" Weiß nicht." sagte Hellmut feindlich.Hab' nicht darüber nach­gedacht. Nur das weiß ich, daß ich damals für Grischka und gegen Kossjenkow war... Und nun kommt der Schluß: Tschatjew be> antragte, den Kossjenkow aus der Partei auszuschließen, weil er mitten im Bürgerkrieg die Grundsätze seiner Klasse verraten und ein Bürgermädchen geheiratet hatte..." Als ob es eine rote und eine weiße Liebe geben könne!" rief Beate eifernd aus.als ob die Liebe nicht klassenlos sei, überstaat- lich, Musik des Herzens, Stimme des Blutes!"

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Willkommen!

fihtt der soll üraußen bleiben!

Ja und denken Sie sich," wandte sich Hellmut weller ungerührt an das Mädchen und hatte uns ganz vergessen.Nach vielen Sitzungen wurde auch beschlossen, den Kossjenkow aus der Partei auszuschließen, weil er mllten im Bürgerkrieg die Grundsätze seiner Klasse verraten und ein Bürgermädchen geheiratet hatte...' Weil er geliebt hat, als die andern haßten und kämpften?" griff das Mädchen an und hatte ein ganz weißes Gesicht. Wir hörten ihr Herz schlagen. Hellmut fand darauf keine Antwort. Er zuckte hilflos mll der Schuller und war ärgerlich über sich selbst. Dann sah er das Mädchen Beate an. Wir beobachteten mit großem Vergnügen, wie sich sein Gesicht jünglingshaft rötet«, wie das Blut in di« Stirn schoß und auf Beate übersprang. Das ist eine echt russisch« Geschichte," sagt« bedächtig der Herr Lamprecht und rettete die Situatwn.Sie ist russisch und einmalig. Wer sie in einem andern Lande wiederholen will, verfälscht und entwertet sie...' Der Genosse Lobe zog aus dieser Schlußfolgerung noch allerlei politische Wurzeln, wir ließen ihn gelassen roden und lobten am Ende den tapferen Holzhacker. Noch lange saßen wir zusammen und besprachen die Frage: Durste Kosssenkow willen im Bürgerkrieg ein bürgerliches Mädchen heiraten? Mikas begrabene Städte. In der Kalahari-Wüste , die zwischen dem Orange- und Zambesi - Fluß liegt, hat Prosessor Schwarz, wie bereits berichtet wurde, neue Städte und Völker entdeckt. Diese überraschende Mitteilung erklärt sich dadurch, daß diese Wüste früher ein fruchtbares Land war, das gewaltige Seen enthielt. Heute ist- es ein« sandige Einöde, aus der in den trockenen Monaten des Jahres'!ein Oberflächenwasfer vor» honden ist, und der Sand hat die einstigen Städte, die hier blühten, begraben. In der mittleren Kalahari -Wüste sind zwei ausgedehnt« Senkungen, die nach den Seen, di« sie einst ausfüllten, Ngami und Makarikari genannt werden. Diese Seen zogen sich einst über Tausend« von Kilometern hin und standen mit dem Bolletle-Fluß in Verbindung: sie wurden auch mit Wasser von dem Okawango -, Kwando- und Zambesi -Fluß gespeist. Man vermutet, daß dies gewaltige Jnlandsmeer seine Ufer sprengte und seine Wasser über die Viktoriofälle ergoß. Livingstone, der 1830 Ngami entdeckte, war auch der erste, der das Vorhandensein früherer großer Seen fest- stellte. Noch bei seinem Eintreffen war der Ngami über einige Quadratkilometer hin mit Wasser gefüllt. Heute ist er eine trockene Fläche, und ebenso ist der Makarikari, in dem einst große Mengen von Flußpferden und Krokodllen lebten, sell vielen Iahren trocken. Wenn man diese weiten Gebiete durchstreift, so kann man noch die Spuren von großen Seen und zahlreiche parallel laufende alle Fluß- läuse erkennen. Die Kalahari -Wüste trocknet immer mehr ein und geht dem Schicksal einer zweiten Sahara entgegen. Da durch diese Aus- trocknung die benachbarten Länder Südafrikas in Mitleidenschast ge- zogen werden, so schlägt Schwarz vor, zwei der Flüsse, die früher die großen Seen mll Wasser versorgten, durch Staudämme wieder in die alten Bahnen zu leiten und dem Lande Feuchtigleit zuzuführen. In den Zeiten reicher Bewässerung haben hier natürlich An- siedelungen bestanden, und ganze Stadt« sind heute unter dem Sand und Gestrüpp begraoen» die das Land bedecken. Gewaltige steinerne Ruinen sind in Mozambique und Südrhodesicn gesunden worden, und man vermutet, daß es sich hier um Wohnstätten arabischer Stämme aus früherer Zeit oder vielleicht sogar von Phöniziern handelt, die hier nach dem Goldland Ophir suchten. Sie sind dann wohl auch nach der Kalahari vorgedrungen, und vielleicht gehen einzelne der neuaufgefundenen Städte auf sie zurück. Wahr- scheittlicher aber sst es, daß es sich um Dörfer von Stämmen handelt, die durch die Trockenheit vertrieben oder durch Fehden ausgerottet

wurden. Die Bevölkerung der Kalahari hat sehr abgenommen: sie betrug aber noch im Jahre 1921, wie in demGeographical Journal" ausgeführt wird. 17 00V Seelen, und in Ngamiland allein gab es noch gegen 130 000 Stück Vieh. Die Bevölkerung besteht Haupt- sächlich in einem Sklavenstamm, den Makubas, die von den Batawana beherrscht werden. Es sind Bantuneger. Nördlich von Naomiland lebt ein anderer Bantustamm, die Mambukuschu, deren Häuptling für einen großen Regenmacher gilt. Man sagt, daß er einen geheimnisvollenTopf zum Regenmachen" besitze und für seine Medizin" Kinderblut verwende. vom üeutfiheu Seist. Von Henri Barbusse . Sell jenen schon fernen Jahren, als ich Student der Philo- fophie war, habe ich niemals aufgehört, Kant als das moderne Fun- dament unseres Denkens zu betrachten. Kant scheint mir in dos Gebiet der Erkenntnis eine solche Wiedergeburt gebracht zu haben, daß die ganze zeitgenössische Philosophie von diesem Gedankentreis nicht abweichen kann und daß sie sich in ihrem produktiven Teil darauf beschränkt, die großen festgesetzten Richtlinien der tantischen Philosophie zu ergründen, zu erklären oder einfach zu wiederholen. Durch die Pracht des großen Vorbildes eines Goeche ange­zogen, habe ich in meiner bescheidenen Sphäre versucht, die mehr und mehr beschränkten formalistischen Grenzen des Romans zu er- weitern. Das ist der individuelle deutsche Geist, der mich beherrscht. Und nun kann ich nicht unterlassen, hinzuzufügen, wie sehr ich jenen universellen Geist bewundere und liebe, der die Massen des beut- schen Volkes beseelt, mit denen ich öfters die Freude hatte, in Ber- bindung zu kommen. Obgleich die gegenwärtigen Umstände die schöpferische und erneuernde Macht des Proletariats im Augenblick aufheben, denke ich, daß es im deutschen Volke tiefe Hilfsquellen gibt, dank seinem Willen, seiner Zähigkeit, und daß dieser Geist der Disziplin, welcher augenblicklich den Sieg eines Gedankens ver- zögert, ihn eines Tages um so harmonischer und beständiger machen wird. Aber, es bedrückt mich fast, vom deutschen Geist zu sprechen, zu einer Zeit der großen Sache organisierter Brüderlichkeit, der ich mich gewidmet habe. Seit so langer Zeit habe ich die Gewohnheit angenommen, die großen Proletariate der anderen Länder nicht mehr als Fremde zu betrachten. Und wenn ich mich unter einem von ihnen befände, würde ich nicht verstehen, wenn man mir sagte, daß dies« Menschen und ich nicht dasselbe Vaterland haben. Mit Geilrinnliwn« des tkrnst-Ztoivoblt-Veelag«« btt neuen WochenschriftDie literarische Welt "«ntnonnnen.

Die größte ZNeeresllese. Seit einem halben Jahrhundert glaubt man immer wieder, die größte Meerestiefe gefunden zu haben-und jedesmal stellt es sich als ein Irrtum heraus. Die 1874 gesundtne Tuscarora-Tiefe" bei den Kurilen galt mit ihren 3313 Metern lange als die tiefste der Welt. Erst 1893 wurden bei den Kermadek-Jnseln nördlich von Neuseeland gleich zwei verschiedene, ziemlich weit von- einander liegende Tiefen von 9412 und 9427 Metern entdeckt. 1K99 stieß das amerikanische VermessungsschiffNero" bei Auslotungen für die Verlegung des Pazifik -Kabels bei der Marianen -Insel Guam auf die sogenannte Nero-Tiefe von 9633 Meter, die 13 Jahre long den Tiefenrekord behauptete; 1912 wurde in den Gewässern där Philippinen eine noch größere Tiefe von 9780 Metern gefunden, die wiederum 13 Jahre den Rekord hielt. Nunmehr aber ist, wie Dr. Hennig in derLeipziger Illustrierten Zeitung" mitteilt, van dem japanischen KriegsschiffMandkjoe" nur 90 Kilometer von der japanischen Küste entfernt eine neue größte. Meerestiefe entdeckt worden. Noch bei 9800 Metern konnte man keinen Grund be­kommen, und die Lotung mußte abgebrochen werden, da man keine längere Senkleine chall«.