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Nr. 10.

Erscheint täglich außer Montage. Abonnements Preis für Berlin : Vierteljährlich 3,30 Mart, monat­lich 1,10 Mart, wöchentlich 28 Pfg. frei in's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags- Nummer mit dem ,, Sonntags: Blatt" 10 Pfg. Boft- Abonnement: 3,30 Mart pro Quartal. Unter Kreuzband : Für Deutschland u.Desterreich- Ungarn 2 Mart, für das übrige Ausland 3 Mark pro Monat. Eingetragen in der Post- Zeitungs- Preisliste für 1891 unter Nr. 6469.

Vorwärts

8. Jahrg

Insertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pfg., für Vereins- und Versammlungs- Anzeigen 20 Pfg. Inferate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in der Erpedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochentagen bis 1 Uhr Mittags und von 3 bis 7 Uhr Nachmittags, an Sonn- und Festtagen bis 9 Uhr Vormittags geöffnet.

Fernsprecher: Ami 6, Nr. 4106.

Berliner Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: Beuth- Straße 2.

Dienstag, den 13. Januar 1891.

Expedition: Beuth- Straße 3.

An die Berliner Parteigenossen! der Spitze der Sozialreform marschire; wir werden ge- ein Vierteljahrhundert, es wurde überholt durch die deutsche

Wie wir aus dem Berichte in Nummer 8, 2. Beilage des Vorwärts" über eine Versammlung in Joel's Lokal ersehen, brachten dort mehrere Parteigenoffen Beschwerden über die Leitung

des Vorwärts" vor.

denken der Erlasse des deutschen Kaisers vom 4. Fe- Gewerbe- Ordnung vom Jahre 1869 und die Arbeiterschutz­bruar 1890 und werden erklären können, daß wir die Novelle vom Jahre 1878. Wir erwähnen dies haupt­einzige Partei im deutschen Reiche sind, welche durch die sächlich deshalb, weil Anfangs der 70er Jahre in dem minimalen Ergebnisse der lange Zeit fleißig arbeitenden Unternehmer- Organe, der Concordia" und in den Ver­Arbeiterschutz- Kommission nicht enttäuscht sind. sammlungen des Vereins für Sozialpolitik" seitens Ohne auf den Inhalt dieser Beschwerden hier weiter einzu- Wir werden konstatiren, daß ebenso wenig die Ver- sächsischer Unternehmer auf die österreichische Arbeiterschutz­gehen, wollen wir hervorheben, daß seit der Konstituirung des sprechungen des Kaisers im neuen Arbeiterschutz- Gesetze Gesetzgebung hingewiesen wurde, als die Ursache der Parteivorstandes bis zum heutigen Tage von keiner Seite erfüllt werden, als das Wort der Offiziösen, daß wir an mangelhaften Durchführung der deutschen Arbeiterschutz­auch nicht von den Beschwerde führenden Rednern der erwähnten der Spitze der Sozialreform marschiren. Als wir vor Bestimmungen in Sachsen . Damals verlangte man, daß Versammlung eine Klage oder Beschwerde über den Vor- zwei Wochen an der Hand des Buches vom Geheimrath Desterreich sich der deutschen Arbeiterschutz- Gesetzgebung Königs die Bedeutung der schweizerischen Fabrik Gesetz- akkomodire; heute aber, wo doch die Frage der inter­wärts" resp. das" Berliner Voltsblatt" an uns gelangte. In unserer in Halle beschlossenen Partei- Organisation ist nach gebung darlegten, wollten wir vergleichendes Material zur nationalen Arbeiterschutz- Gesetzgebung in einem ganz § 15 die Kontrole der Partei Organe ausdrücklich der Partei- Beurtheilung des Werthes unserer jetzigen und künftigen anderen Stadium steht, als im Jahre 1872, schweigen leitung übertragen. Daraus ergiebt sich von selbst, daß Beschwerden Arbeiterschutz- Gesetzgebung beschaffen. Der gleiche Zweck fich die sächsischen Fabrikanten vollständig darüber aus, der Parteigenossen über das offizielle Partei Organ zunächst bei leitet uns heute, wenn wir einen Ueberblick über die daß wir unsere Gesetzgebung der der Nachbarländer an­der Parteileitung( Vorstand und Kontroleuren) anzubringen sind. Arbeiterschutz- Gesetzgebung Desterreichs geben. bequemen. Sind die Beschwerdeführer durch die von jenen getroffenen Ent­scheidung nicht zufriedengestellt, so bleibt ihnen die Berufung an den Parteitag offen.

Das ist der Instanzenweg, den jeder Parteigenosse, der auf Disziplin hält und dem die Ehre der Partei am Herzen liegt, inne zu halten verpflichtet ist.

Es entspricht nicht den Gepflogenheiten der Partei, wenn seitens einzelner Parteigenossen unter Beiseitesehung des durch die Partei Organisation vorgeschriebenen Instanzenganges Anklagen und Beschwerden in öffentlichen Versammlungen erhoben und erörtert werden. Ein solches Verfahren ist doppelt zu verurtheilen, wenn, wie in dem vorliegenden Falle, die Versammlung zu ganz andern Zwecken einberufen wurde und man nicht einmal für nöthig hielt, die Angegriffenen von den beabsichtigten Anklagen zu unterrichten.

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Bevor wir aber auf diese näher eingehen, seien einige Wir grenzen heute nur an Länder mit Arbeiter­einleitende Worte verstattet. schutz- Gesetzen, dabei ist unsere Industrie entwickelter, als Desterreichs ökonomische Bedeutung steht weit hinter die unserer Nachbarn. Desterreich und die Schweiz haben der Deutschlands und der Schweiz zurück. Das Klein- uns in der Regelung des Arbeiterschutzes überholt, in gewerbe ist dort noch lange nicht so sehr durch die Groß- Frankreich ist eben ein weitgehendes Arbeiterschutz- Gesetz industrie geschwächt, wie in Deutschland , der Akkumulations- in Berathung, das wir nächstens besprechen werden, prozeß ist noch nicht so vorgeschritten, die Leistungsfähigkeit Belgien , Holland , Luxemburg , Dänemark und Rußland der Großindustrie ist nach jeder Richtung geringer wie werden uns bald erreicht haben, wenn unsere Arbeiter­in Deutschland . Während bei uns die Zahl der in der schutz- Politit sich weiter abwechselnd im Krebs- und Landwirthschaft Thätigen den in Gewerbe und Handel Schneckengange entwickelt. Thätigen gleichkommt, überwiegt in Desterreich noch die Gehen wir nun an die Betrachtung der österreichi­landwirthschaftliche Bevölkerung und trotzdem konnte man ſchen Arbeiterschutz- Gesetzgebung selbst. Die parlamen­schon vor fünf Jahren in Desterreich ein Arbeiterschutz- tarische Geschichte ihrer Entstehung, so hochinteressant sie Gesetz in Kraft treten lassen, das, wenn es auch keines- als Wiederholung ähnlicher Vorgänge in England ist, wegs das bietet, was wir von einem richtigen Arbeiter- müssen wir übergehen, uns kann heute nur der Inhalt schuß- Gesetz fordern müssen, doch weit mehr den Arbeitern derselben interessiren. entgegenkommt, als der Entwurf der deutschen Reichs­

Wir sprechen die Erwartung aus, und sind überzeugt, daß alle einfichtigen Genossen mit uns derselben Ansicht sind, daß ähnliche Vorgänge sich nicht wiederholen dürfen, und daß, wer regierung und die Vorschläge der Arbeiterschutz- Desterreichs, die sieben Jahre nach der schweizerischen in glaubt Beschwerden und Anklagen gegen die Organe der Partei vorbringen zu müssen, sich nach den Bestimmungen der Partei­Organisation richtet.

sodo Berlin , den 11. Januar 1891.

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Der Parteivorstand.

Kommission.

Charakteristisch an der Arbeiterschutz- Gesetzgebung Wirksamkeit trat, ist der Schutz der erwachsenen Arbeiter, Die Arbeiterschutz- Gesetzgebung Desterreichs gehört zu die Scheidung zwischen Handwerksgehilfen, Fabrikarbeitern den ältesten. Schon aus der Zeit Kaiser Joseph II. sind und Bergarbeitern. uns Kinderschutz Geseze überliefert und in den ersten Die Arbeiter der Hausindustrie entbehren in Dester­Jahren unseres Jahrhunderts gab es in Nieder- Oesterreich reich noch völlig jeden Schutzes. schon ein Fabriken- Inspektorat, das freilich nicht lange in Der Arbeiterschutz im Handwerke ist der ge­Wirksamkeit geblieben ist. Diese Geseze galten nicht für ringste, obgleich wir doch immer mehr zur Ueberzeugung Der Arbeiterschuh in das ganze Reich, sondern nur für die einzelnen Provinzen. kommen müssen, daß die Arbeiter in handwerksmäßigen Oesterreich. Die erste für die ganze Monarchie erlassene Gewerbe- Betrieben und in der Hausindustrie mindestens so sehr Ordnung", welche ähnlich wie in Deutschland auch die des Schutzes bedürftig sind, wie die der Großindustrie. In wenigen Tagen wird der Bericht der Arbeiter Arbeiterschutz- Gesetze enthielt, datirt vom Jahre 1859. Trotzdem hat man, und dies vornehmlich aus politischen schutz- Kommission des deutschen Reichstags vorliegen und Die Arbeiterschutz- Bestimmungen in derselben waren ganz Gründen, unterlassen, für diese Arbeiterkategorien ent­zu interessanten Reflexionen Anlaß geben. Wir werden unbedeutend und ihre Durchführung nicht sicher gestellt, sprechende Arbeiterschutz- Maßregeln zu dekretiren. Während Gelegenheit haben, uns an die bis zum Ueberdruß ge- da man unterlassen hatte, Organe zur Ueberwachung ihrer den Kindern unter 14 Jahren das Arbeiten in hörten Worte zu erinnern, daß das deutsche Reich an Durchführung zu Jestellen. Das Gesetz von 1859 galt Fabriken von der Staatsgewalt untersagt wird, dürfen die

Feuilleton.

Nachdruck verboten.]

Bei Mama.

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" 1

fand sie auch den Onkel Solum daheim. Fanny wurde hieße dies zu viel hungern", meinte Mama. Angenehm von Mama ungewöhnlich freundlich empfangen, und vom war es auch, daß Buchbinder Lundström nicht mehr so oft Dufel ebenso; sie erhielt Kaffee und Kuchen, wurde ge- kam; Mama war strenger gegen ihn, als sie sonst gewesen. waschen, wechselte die Kleider und war bald wieder in Und wenn er kami, war er auch gewöhnlich voll Demuth; Ordnung. Als Onkel Solum gegangen war, sprach Mama: doch konnte er auch, wenn er betrunken war, lästig fallen. Jetzt, hoffe ich, bekommen wir Lea und Tom bald wieder heim; wird das nicht hübsch, Fanny?" " Ja", sagte Fanny. Gleich darauf fügte sie bei: Onkel Solum ist lieb, Mama." Meinst Du?"

Ja."

Roman von Arne Garborg . Das wurden luftige Weihnachten. Allerlei gute Speisen gab es in Ueberfluß, und Mama war in solcher Laune, daß Fanny hinaus durfte und mit den Knaben Schnee­ballen werfen, so viel sie wollte. Besonders froh und " Ach ja", sagte Mama mit zufriedenem Lächeln; munter war Mama an jenem Abend, den Onkel Solum er ist einer von Papa's alten Freunden, verstehst Du; bei ihnen zubrachte. Und das war ganz natürlich; denn barum hilft er uns auch darin. Ja, er ist lieb, wie Du Onkel Solum war ungemein lieb. Fanny saß fast fagft!" den ganzen Abend auf seinem Knie und plauderte. Er Jedoch nach einiger Zeit bekam Mama ihre schlechte erzählte von den lustigen Dingen, die er in Kristiania Laune wieder. Sie weinte und hatte Kopfschmerzen und besaß; unter anderem hatte er eine ganze Menge kleiner war langweilig. Mädchen, und dann hatte er einen Knaben, welcher Jens hieß; das war ein merkwürdiger Junge, und genau im sagte sie zu Fanny. gleichen Alter mit Fanny. Diesen Jungen sollte sie haben, wenn sie einmal groß ward. Du magst ihn doch!"

"

Ja freilich, wenn er lieb ist, so mag ich ihn schon!" Aber Du hast ja schon einen Bräutigam?"

" Ja, der ist auch lieb; und denke Dir nur, Mama,

dann habe ich zwei Bräutigame!"

Ha- ha- ha, o Du Krauskopf, Du!"

Er bildete sich wirklich ein, er könne Mama zur Frau haben. Er lockte sie mit dem Versprechen, nach Kristiania zu ziehen; dort würde sie sich einen gemüthlichen Winkel" ein­richten und es gut haben," Französischbrot mit Butter und Käse essen und bayerisch Bier trinken." Jedoch Mama scheerte sich darum natürlich nicht. Manchmal that sie, als glaube sie, er habe Weib und Kind in Schweden ,,, wollen Sie noch welche, Lundström? Sind Sie denn ein Mor­mone?" Lundström legte die Hand auf's Herz und schwor auf Ehre; dann begann er aber zu fluchen und zu rasen und erbot sich schließlich, nach Schweden zu reisen und mit reinen Papieren" wiederzukehren. ,, Nehmen Sie mich dann, Frau Holmsen?" Aber Mama wollte ihn unter keinerlei Umständen nehmen. Sie beschäftigte sich mit Fanny's Erziehung, half ihr " D, schuld daran ist natürlich er, er, na, dieser bei den kleinen Katechismusaufgaben, erzählte ihr von Jesus , Dein Herr Papa!"- Und da weinte sie wieder. O, o! beantwortete ihre mannigfachen Fragen und suchte sie an Du mein Gott, daß man nichts erreichen kann!"

Du bekommst Deine Geschwister doch nicht nach Hause," Warum nicht, Mama?"

"

sich zu knüpfen. Fanny hatte Anfälle kindlicher Zärtlich­Jedoch nach und nach wurde es besser und Fanny war keit; die alte Kari konnte, wenn sie gegen Abend lärmend im Ganzen genommen mit Mama völlig zufrieden. Von hereinkam, Mutter und Tochter im traulichsten Einver­Wassergrüße zu Mittag oder von Erdäpfeln mit Salz ständniß vorfinden.

Es war einen Tag später; Fanny war bei den war niemals mehr die Rede; jedenfalls gab es nebenbei Wenn ich groß bin, Mama, kaufe ich Dir einen Knaben draußen gewesen und hatte Schneeballen geworfen Butterbrot; Brot mit Syrup war übrigens auch nicht Schaukelstuhl, Mama, so einen, wie ihn die Großmama und kam heulend nach Hause; sie war ganz mit Schnee schlecht. Ab und zu lebte man ganz nach Herrschaftsart Lehmann hat; und da sollst Du drinjizen und den überfäet und hatte einen Schneeball so fest und mitten von Braten, Bier und Süßigkeiten; sollten wir hungern, ganzen Tag Dich schaukein und kaffe trinken und Weizen­in's Gesicht gekriegt, daß sie aus der Nase blutete. Da wenn wir etwas haben und wenn wir nichts haben, so brot essen...."