Tit. 501 ♦ 42. Jahtg. Jimgabe A Nr. 255 Bezugspreis? Wöchenllick 70 Pfennig, monaMt 8,— Stidjsmatf ootous wSIbai. Unter flceiubanO für Semfdilaita. Damill. Saar , und Mcmelaediel. Oesterreich. Litauen . Luiemdurs «LO Zieichsmark. für das llbrise Llusland S.-0 Reichsmark uro Monat.
Der»Sortvarts� mit der Sonntag»» beilane.Boll und ZZeif mit»Sied» luna und Uleinaarten' sowie der ZZeilage �Interbaltuna und Bissen' und ssrauenbeilage»iZrauen stimme' erscheint wocheniSalich zweimal, Sonutaa» und Montag» einmal. Teleoramm-Adresse: »Sozieldemokrat Beel!»'
Morgenausgabe
Devlinev VolKsvlatt
�10 Pksnnis) Anzeigenpreise: Die einspaltige Nonpareille. «eile SS Pfennig. Reslamc»«Ue 8.— Reichsmark,„flleinc Rn«i«t»' da- fettgedruckte Wort 28 Pfennig auläfli« zwei fettgedruckte Worte!, jedes weitere Wort 12 Pfennig. Stellengesuche da» erste Wort 18 Pfennig. lede» weitere Wort 18 Pfennig. Worte über 15 Buch- Kaden güblen für groei Worte. Lrdeitsmarkt Seile 60 Pfennig. ffamilienangeigen fstr Abonnenten Seile 40 Pfennig. «ngefgen fstr die nüchste Nummer müssen bis 4tb Uf)t nachmittag» im Hauptgeschäft, Berlin EWOS.Linden. straste 8, abgegeben werden. Geöffnet »on»lb Udo früh bis 5 Uhr nachm.
Zcntralorga« der Sozialdemokrat! Pd�en parte! Deutfcblands
Redaktion und Verlag: Serlin Ew. HS, Linöenftraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292—297.
Freitag, den 2B» Oktober 1925
vorwärts-verlag G.m.b.H.» Serlin SW. 68, Linden ffr.Z Postscheckkonto: Berlin 87 öZ8— Bankkonto: Bank der Arbester, AngesteNten und Beamten, Wallftr. 85: Diskonto-Sesellschast, Dcposstenkasse Lindeuftr. 8.
Varls. 22- Oktober.(Eigener Drahtbericht.) Die sozialistisch« Kammergruppe hat beschlossen, eine Znlerpellallon über die Finanz- Politik einzureichen. Vincent Auriol und Cion Blum werden die Inlerpellaiion begründen. Die Gruppe wird s o s o r t i g e Er- örlerung vor der Abstimmung über irgendein Finanzprojekl fordern. In den schon sehr belebten Wandelgängen der Sammer ist das chaupttheina der Diskuffion die finanzielle Situation und die der Regierung zugeschriebenen Sanierungsprojekt«. Es' steht außer Zweifel, daß der Regierung angesichts der k r i t i s ch»n S i i u a. t i o n, infolge des Mißerfolges der Konsolidierungs- a n l« i h e keine andere Wahl bleiben wird, als zunächst ein« neue Erhöhung des Notenumlaufs zur„Einlösung" der in den nächsten Wochen fällig werdenden Milliarden. Selbst eine Kapi- talabgab« würde erst in Monaten die Mittel erbringen, deren man in den nächsten Tagen und Wochen bedarf. Für die Linksparteien ist die entscheidende Frag«, welche Garantien die Regierung dafür zu bieten in der Lage ist, daß diese neu« Inflation nicht nur wirklich die letzte ist, sondern auch durch entsprechende Heran- ziehungderBesitzenden voll kompensiert wird. Hier handelt es sich nicht nur um eine Frage des Programms, sondern zugleich um ein« Frage des persönsichen Vertrauens zu den für die Finanzgobarung Verantwortlichen, und es zeigt sich mehr und mehr, daß C a i l l a u x dieses Vertrauen auf der Linken nicht mehr besitzt. Das Gerücht, daß Eaillaux noch vor dem Zusammentritt des Parlaments zurücktreten werde, wird neuerdings von dessem persönlichen Freunde dementiert. Herr Eaillaux scheint demnach die Absicht zu haben, es auf eine Kraftprob« mit den Parteien der Linken ankommen zu lassen, deren Ausgang diesmal jedoch kaum zweiselhaft ist. Die Fukunst öcs Kartells. Nach dem Parteitag der Radikalen. ZluS Paris wird uns geschrieben: Der Parteitag der Radikalen in Nizza hat. wenn er auch nicht in dem erwarteten Umfang« zu einer restlosen Klärung der innenpolitischen Situation geführt hat, doch immerhin eine ausschlaggebend« Bedeutung über die künftige Orientierung der stärksten Fraktion der Linken gebracht. Sein Verlauf darf nicht nur als eine gewaltige Kundgebung zugunsten des Wiederzu» fammenschluffes des feit Sommer gesprengten Kartells, sondern auch gleichzeitig als eine offensicht'.ich« Verurteilung der (taillauxschen Finanzpolitik, die im Juli zur Spaltung der Linksparteien geführt hat, angesprochen werden. Di« Schoming, die der Parteitag der Person und der erprobten demokrtischen Ge-
sinnung des persönlich anwesenden Mi Nisterpräsidenten schuldig zu sein glaubte und die vor allem H e r r i o t und die anderen Führer der Partei dazu bestinimt hat, von direkten Angriffen auf das Kabinett abzusehen, darf auf der anderen Seite nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Resolutionen und Beschlüsse, die der Partei- tag zu den aktuellen Problemen der Innenpolitik angenommen hat, eine unzweideutige Absage an die von der gegenwärtigen Regierung eingeschlagene politische Richtung bedeuten, namentUch in der fest Monaten im Bordergrund des politischen Kampfes stehen- den Frage der Sanierung der französischn Finanzen. Gegen den Widerspruch Eaillaux' und seiner auf dem äußersten rechten Flügel der Partei stehenden Anhänger Hai sich der Partei- tag erfreulicher Entschiedenheit zugunsten der von dem Finanz» minister des Kabinetts Painleves im Bunde mit der Reaktion be- kämpften Besteuerung des Vermögens ausgesprochen Al» im Juli die Kammer sich über einen von den Sozialisten gestellten Antrag auf Einführung einer Kapitalsabgabe zu entscheiden hatte, hat bekanntlich etwa nur die Hälfte der radikalen und radikal- sozialen Abgeordneten für die von den Sozialisten verlangte Matz- »ahme gestimmt, und das war einer der Hauptgründe gewesen, der den Parteitag der Sozialistischen Partei dazu bestimmt hat, die Kariellpolitik zu kündigen und in die Opposition abzuschwenken. Nachdem die radikalsozial« Partei sich nunmehr die sozialistische Forderung pffiziell zu«igen gemacht hat. dürsten die Hindernisse aus dem Weg peräumt sein, auf die die Bemühungen, die Linksparteien erneut zusammenzuschließen, gestoßen sind. Wenn auch die Sozialistisch« Partei zu der dadurch geschaffenen neuen Situgtipn noch, nicht offiziell Stellung genommen hat, so ist doch heute schon saum mehr ein Zweifel darüber möglich, daß sie die Gelegenheit, die gespaltene Einheitsfront wieder zu- sammenzuschweißen, nicht von der Hand weisen wird. Die Folgen dieser politischen Neugruppierung für das Ministerium Painlev« liegen auf der Hand. Ob es zu einer formellen Ka b i- n« t t s k r i s« kommen wird, oder ob Herr Painleve versuchen wird, ihr durch eine Umbildung seines Kabinetts zuvor zu kommen, ist eine Frage, auf die wohl erst die nächsten Tag« eine Antwort bringen können. Als sicher gilt jedenfalls heute, daß zum mindesten Herr Eaillaux aus dem gegenwärtigen Ministerium ausscheiden müßte, wenn dieses erneut auf das Vertrauen der Linken Anspruch erheben will. In den politischen Kreisen wird verschiedent- lich bereits von einem KonzentratÄonskabinett der Linken gesprochen, dem Painlevö, Briand und Herriot angehören und in dem die Führung der Finanzpolitik Herrn L o u ch e u r zufallen soll; doch handelt es sich hier einstweilen um Kombinationen, die zum mindesten als verfrüht erscheinen müssen.
Vertrauensvotum für Severins. 229 gegen ISS!— Ter«bgeblitzte RechtSdlvck. Im Preußischen Landtag hat der mit großem Trara an- gekündigte Vorstoß der Rechtsparteien gegen den preußischen Innenminister mit einer Riesenblamage für sie geendet. Trotzdem sie fast den letzten Mann ihrer Frok- tionen zusammengetrommelt halten, wurden die volkspartei- lich-deutschnativnalen Mißtrauensanträge mit 220 gegen 158 Stimmen abgelehnt. 6 Zlbgeordnete— wahr- scheinlich Angehörige der Wirtschaftsportei— haben sich der Stimme enthalten, die Kommunisten gaben keine Stimmzettel ab, obwohl sie anwesend waren, beteiligten sich also überhaupt nicht._. Di« Regierungskoalition— Sozialdemckraten, Zentrum und Demokraten — stimmten geschloffen g e gen die De- monstrationsanträge und begkeiteten die Vertunoung ots Ab- stimmungsergebnisses mit stürnnschem Beisoll! Um die Blamage noch größer zu machen, beantragte nunmehr die Volk spartet gesonderte Abstimmung über das M i n i st e r g e h a l t. Wie erinnerlich, hotten die Kom° nnmisten erklärt, daß sie ihr Mißtrauen gegen das ganze System durch Verweigerung des Sehalts zum Ausdruck bringen würden. Daraus waren die Deutschnationalen sofort freudestrahlend aufgesprungen:„Machen wir, die Mißtrauens- obstimmung wird dadurch überflüssig, aber es ist doch schon, wenn wir mit den lieben Polschcwisten gemeinsam den Severing stürzen können, indem wir ihm sein(Bebalt sperren. Das Ganze war ein noch größerer Schwindel, als die Mißtrauenskomödie. Die Dcutschnationalen hatten ihren Mißtrauensantrag überhaupt erst eingebracht, nachdem sie mit den Kommunisten sich verständigt hotten, daß diese ihn an- nehmen Helsen würden. Um so enttäuschter waren sie dann. als ihnen Pieck die neueste Ekki-Weisheit auseinandersetzte, daß die revolutionären Dolschewisten mit der reaktionären Junker- Partei nur gemeinsam das Ministergehalt verweigern, nicht ober gemeinsam das Vertrauen für den Minister entziehen könnten. Immerhin blieb ja noch die Volkspartei Stresemanns in ihrer preußischen Abart. Die war ja sicher. Die hatte nicht
nur«inen eigenen Mißtrauenantrag eingebracht, sondern war ja nach Leidigs Erklärung auch sonst sehr geladen! Aber da ergab sich dos Resultat der Abstimmung: mit 82 Stimmen Mehrheit war der Mißtrauensantrag abgeg- schlagen. Prompt kommt der Antrag auf Sonderabstimmung über das Mimstergehalt. Und nun läßt sogar die Partei des Herrn Leidig, der plötzlich sehr wehleidig geworden war. ihren rechten Rachbarn im Stich. Bei dieser Abstimmung« n t» hieltsichdievolksparteiderStimme, weil, wie Campe erklärte, die politisch« Entscheidung ja schon ge- fallen sei und der neue Antrag nur noch ein« Geste darstelle! So blieben Deutsch nationale und Russisch nationale allein auf weiter Flur. Rur Herr Pinkerneil von der Leidig- Partei stimmte noch mit den Dolschewisten und den Junkern... Die Lage ist also diese: Deutschnationale. Volkspartei und
vermieden. In beiden Fällen bandelte es sich nur um eine „Geste". Das eine Mal verhinderten die Kommunisten, das andere Mal die Volkspartei ein« klare Entscheidung. Man kann nur annehmen, daß beiden gemeinsam die Angst oor Neuwahlen in den Gliedern steckt. Sie suchen noch außen den Schein zu wahren, als ob sie schärfste Opposition machten, in Wirklichkeit aber haben sie Furcht vor der eigenen Courage. Sie wissen wohl warum. Und der 25. Oktober wird ihnen in Berlin wie in Baden dieses Wissen noch verstärken!
Wähler von Groh-Berlin ! Am nächsten Sonntag werdet Zhr Gericht hallen über die deukschnationaken Volksbek rüger und ihre nalionalliberolea Helfershelfer! Wahltag sei Gerichtstag!
Nein!- Mo: Jal Die Minister find schon umgefallen, die andere« werde» folgen. In einem polltischen Kreis, der die Anhänger aller poli- tischen Parteien in sich vereinigte, fiel über den neuesten Be- schluß der deutschnationalen Reichstagsfraktion das witzige Wort:„Richtkenner könnten ihn bedenklich finden."„Wir aber sind alle Kenner!" tönte darauf die Antwort, von fröh- lichem Gelächter begleitet. In der Tat, wir sind alle Kenner! Wir erlebten es, wie Herr H e r g t am 28. August 1924 erklärte:„Hier stehe ich, ich kann nicht anders", und am 29. Slugust 1924 konnte er doch anders. Ja, an diesem 29. August selbst, bei der Ab- stimmung über die Dawes-Gesetze, hielten 51 dcutschnationale Abgeordnete die rote Neinkarte in der einen Hand, während sie mit der anderen die weiße Jakarte abgaben. Was kann es also bedeuten, wenn die Deutschnationalen in ihrer neuesten Erklärung die rote Neinkarte schwenken— was kann es anderes bedeuten, als daß die weiße Jakarte schon bereitliegt, mit der sie für den Vertrag von L o c a r wo stimmen werden! Was wir am Donnerstag, den 22. Oktober, erlebten, war nichts als eine Wiederholung des Spiels vom 29. August. Die Deutschnationalen werden nicht umfallen, sie sind es schon, allerdings nicht im Auswärtigen Ausschuß, sondern im Ka- binett. WTB. verkündete am Donnerstag:„Der Reichskanzler und der Reichsaußenminister werden in der Donnerstags- sitzung des Auswärtigen Ausschusses die Stellungnahme derReichsregierung vertreten." Was diese Er- klärung bedeutet, geht aus einem Vorkommnis im Aus- wärtigen Ausschuß hervor, das nicht mehr unter den Schuß des Geheimnisses fallen kann, nachdem die deutschnationale „Deutsche Tageszeitung" darüber, allerdings in entstellter Form berichtet hat. In Wirtlichkeit trug sich folgendes zu: Genosse B.r e i t s ch e i d stellte an Herrn Stresemann die Frage» in wessen Nomen er gesprochen habe, ob im Namen der Delegation für Locarno oder im Namen des gesamten Reichs» kabinetts. Er fragte weiter, ob Herr Schiele und die übrigen deutschnationalen Minister den Standpunkt Stresc- mann? teilten oder den ihm diametral entgegengesetzten des Grafen Westarp. Daraufhin gab der Reichskanzler Dr. Luther durch einen Zwischenruf wörtlich folgende Er- klärung ab: Der Herr Außenminister hat aus Grund eine» einstimmig«« kabioeltsbeschlusses berichtet. Herr Stresemann war also vom Kabinett e i n st i m m i g bevollmächtigt, die Erklärungen abzugeben, die er im Aus- wärtigen Ausschuß abgegeben hat. Dos Kabinett hat sich e i n st i m m i g— unter dem Vorsitz des Reichspräsidenten v. Hindenburg — zu den Vereinbarungen bekannt, die Luther und Stresemann in Locarno getroffen haben. Schiele, Schlieben, Neuhaus, Kanitz haben sich einmütig hinter Luther und Stresemann gestellt. Herr Schiele war bis zu seinem Eintritt in die Re- gierung Vorsitzender der deutschnationaien Reichstagsfraktion. Die drei anderen Minister sind Vertrauensmänner der Deutschnationalen Partei. Aus den Erklärungen der Rechts- presse selbst geht hervor, daß das Kabinett zu keinem Be- schluß über Locarno kommen konnte, weil es auf die Eni- icheidung der deutschnationalen Reichstagsfraktion wartete. Am Mittwoch abend tagte diese Fraktion, und am Donners- tag morgen billigten Schiele, Schlieben, Neuhaus, Kanitz einmütig die Abmachungen von Locarno , stellten sie sich einmütig hinter Luther und Stresemann . Zugleich hat die deutschnationale Reichstagsfraktion jene Erklärung be- schlössen, die für„Richtkenner" bedenklich aussieht, weil sie wie ein Derdammungsurteil über Locarno aussieht und dabei alle Hintertüren offenläßt. as ist geschehen? Es ist unter Anpassung an die ver- änderten Umstände genau dasselbe Taschenspielerstück aus- geführt worden wie am 29. August vorigen Jahres. Bis zu dem Augenblick der allerletzten Entscheidung schwingt man die rote Neinkarte, im letzten Bruchteil der Sekunde, der noch übrig bleibt, wechselt man die Farbe. Der Augendsick der Ab- stimmung im R e i ch s t a g ist ja noch nicht da. also kann die deutschnationale Fraktion noch den wilden Mann spielen. Im Kabinett war die Entscheidung nicht mehr aufzuhalten— da fielen die vier Deutschnationalen um wie ein Mann. Scheinbar ist nun die Situation so: Die deutschnatio- nalen Minister sind von ihrer Fraktion desavouiert. Minister und Abgeordnete stehen scheinbar in zwei verschiedenen Lagern. Die Minister sagen Ja, haben schon Ja gesagt, die Abgeordneten tun so,' als sagten sie Nein. Das ist Theater, schlechtes Theater! Das ist ein Stück, das schon einmal durch- gefallen ist. Die deutschnationale Fraktion„erklärt schon setzt, daß sie keinem Vertrag zustimmen wird, der den deutschen Lebens- Notwendigkeiten nicht gerecht wird und insbesondere einen Verzicht auf deutsches Land und Volk nicht ausschließt". Also ist der Vertrag, wie er in Locarno pera- phiert wurde, ein vertrag, der den Lebensnotwendigtelte«