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Wie im Falle der Bereitwilligkeit des Zentrmns,<ruf dieses Angebot einzugehen, die Dinge sich bei der Regie rungs- bildung praktisch gestalten werden, das ist heute noch nicht gut zu übersehen. Zwar ist die Stellung der Volksparteiler in der Frage des Zusammengel>ens mit der Sozialdemokratie in der Regierung durchaus nicht einheitlich: es gibt unter ihnen warme Befürworter und starke Gegner. Der Um- stand aber, daß gerade an den Spitzenstellen der volks- parteilichen Wahlvorschlagslisten, also dort, wo die Wahl- aussichten am günstigsten sind, schroffe Gegner der Sozial- demokratic stehen, Leute, wie der Freiburger Oberstaatsanwalt O b k i r ch e r, die in aller Form den Hinauswurf Remmeles aus dem Innenministerium be- treiben und sich in ihrer ganzen Einstellung von den Deutsch - nationalen nur wenig unterscheiden, dieser Umstand scheint dafür zu sprechen, daß es zu schweren Komplikationen kommeil würde, wenn das Zentrum nach dem 25. Oktober auf eine Neuordnung der Dinge in der Regie- rungsfrage drängen sollte. Die Arbeiterschaft unseres Landes ist sich dessen bewußt, daß die sicherste Gewähr für die Fortsetzung des streng republi- kanisch und entschieden sozial gerichteten Kurfes, den das offizielle Baden seit 1919 steuerte, �ne starte Sozial­demokratie ist, eine s o starke Sozialdemokratie, daß ohne sie an ein rcibungs- und rückschlaaloses Regieren, wie es die letzten sechs Jahre im Lande ermöglichten, nicht zu denken ist. Und wenn nicht alle Zeichen trügen, werden wir dieses Ziel am 25. Oktober auch erreichen. Ueber 34 Sitze verfügte in dem letzten Landtag das Zentrum, 21 gehörten der Sozial- demokratie, dazu die 7 Demokraten, das sind für die Wei- marer Koalition nicht weniger als S2 von insgesamt SS, also ziemlich genau eine Dreiviertelmehrheit. Rechts davon standen 5 Volksparteiler, 7 Deutschnationale, 8 Landbund- und Hausbesitzervertreter, und 4 Kommunisten. Es besteht die Aussicht, durch eine Vermehrung der sozialistischen Mandate um 2 bis 3 bei gleichzeitiger Schwächung der Zentrumsfraktion um dieselbe Zahl das Gewicht unseres moralischen Einflusses in der alten Koalition derart zu verstärken, daß gegen unseren Willen die Hereinnahme der Volkspartei in die Regierung vom Zentrum nicht forciert wird. Rein zahlenmäßig wird auch im neuen Landtag die Möglichkeit der Aufrecht- «rhaltung der Weimarer Koalition unter allen Umständen bestehen. Wir hoffen von den badischen Wahlen aber mehr: sie sollen zu einer derart deutlichen und eindrucks- vollen Bekundung des republikanischen Volks- willens und der Ablehnung des Berliner Rechtskurses werden, daß sie auch auf das, was künftig im Reiche geschieht, nicht ohne günstigen Einfluß bleiben.

Deutfthnationale Gewissensnöte. Völkischer Reichsausschuh" der Teutschuatiouale« gegeu die Parteiführung. Während die deutschnationale Reichstagsfraktion eine Entschließung faßt, die so aussieht, alsob ihre Verfasser das Werk von Locarno in Grund und Boden verdammen wollten, zieht der sogenannteVölkische Reichsausschuß der deutschnationalen Partei" ganz scharfe Register auf. Dieser Ausschuß, eingesetzt, um die Konkurrenz der Graefe-Hitler- Ludendorff einzudämmen und die deutschnationale Juden- feindschaft trotz Quaatz rein und unverfälscht zu erhalten dieser Ausschuß veröffentlicht über den Pakt von Lo- c a r n o eine umfangreiche Resolution, der wir diese Sätze ent- nehmen: 1. Der Widerruf der deutschen Schuld am Kriege ist von den �eindmächten nicht anerkannt worden. Die Antworten der Alliierten haben die Beschuldigung vielmehr ausdrücklich ausrecht erhallen. Die Abmachungen von Locarno nehmen außerdem mehrfach bezug auf den Vertrag von Versailles , der sich auf der Kriegsschuldlüge auf- baut. Somit ist die von der deutschen Regierung aufgestellte Vor- oussetzung für Deutschlands Eintritt in den Völkerbund nicht erfüllt.

Woran erkennt man ihn! Von Paul Gutmann. Mitunter ist einem zumute, als verstünde man die Welt nicht mehr. Das Grausen packt einen, wenn, wie Schopenhauer sich aus- drückt und wie es oft der Fall ist, der Satz vom zureichenden Grund eine scheinbare Ausnahme erfährt. So dieser Tage, als man in der Zestung las, daß ein polnischer Arbeiter für das gleiche Delikt: Totschlag an der Geliebten oder Ehestau, das einem akademisch ge- bildeten Mann drei und einhalb Jahre Gefängnis eingebracht hat, zu zehn und einhalb Iahren Zuchthaus oerurteilt worden ist. Der Arbeiter hatte die Tak reumütig bekannt, während der Doktor und ehemalige Offizier sein Opfer in kaltblütiger, raffinierter Weise mumi- fiziert und versteckt hatte. Die beiden Täter gehören nach den er- gangenen Gerichtsurteilen offenbar zwei verschiedenen Welten an und mußten demnach verschieden verurteilt werden. Als ich auf dem Wege durch die Stadt über dies« unbegreifliche Verschiedenheit noch kopsschüttelnd nachsann, fiel mein Blick auf das Schild eines Stiefelputzers:Am Schuhwerk erkennt man den Menschen." Im Märchen ereignet es sich bisweilen, daß die Stimme eines Geistes in tiefer Wirrnis eine plötzliche Erleuchtung bewirkt. Die Griechen der Verfallzeit hörten aus dem Nichts eine Stimme: Der große Pan ist tot", und nun wußten fi«, daß ihre antike Herrlich- keit zu Ende fei. Aehnlich wirkte dieses Schild auf mich. Alles, was ich bisher geglaubt hatte, war offenbar Unwissenheit gewesen. Wie hatte ich mich gemartert, um über das Problem des Menschtums Klarheit zu gewinnen. Wie einfach lagen doch in Wirklichkeit die Dinge! Kürzlich las ich an allen Ecken und Enden den Satz:Der Hut machts." Aber das erschien mir in meiner emgewurzellen Step- fis nicht richtig: denn ich hatte viele Ehrenmänner gekannt, unter deren hohen Hüten die niedrigsten Gedanken wohnten. Hier jedoch, aus dem Schild des einfachen Stiefelputzers, schien mir plötzlich jene Volksstimme zu reden, die bekanntlich Gottes Stimme ist. Am Schuhwerk erkennt man den Menschen." Woran sollte man ih« auch sonst erkennen? Die größten Lumpen heucheln Nächsten- liebe, wenn es um ihren Vorteil geht, die ärgsten Verräter täuschen Vaterlandslieb« vor, Lustspiele und Trauerspiele handeln fast von nichts anderem als von der Unmöglichkeit, feine Mitmenschen recht- zeitig zu erkennen. Hat man aber einmal den Faden gefunden, der einen im Labyrinth des Lebens zurechtweist, so ist alle Gedanken- qual überflüssig. Ein Blick auf die Fußbekleidung zeigt einem, woran man fft.Zeigen Sie Ihre Stiefel!" wird in Zukunft der Richter dem Angeklagten sagen mästen. Es wird sich ja dann zeigen, ob es die feinen Chevreaufchuhe sind, die ins Gefängnis oder gar zur Freiheit führen oder die ausgetretenen und verwahrlosten Rinds- tedernen, auf die Zuchthaus steht. Wir werden uns in Zukunft vor einem Menschen, der schiefe Absäge trägt, mehr hüten als vor einem. der wls belogen hat. Leute mit Lackschuhen untadeligster Form

2. Artikel 1 des Westpaktes garantiert den Statu, quo und die Unverlehlichkeit der Wesigrenzen gemäß dem Vertrag von Versailles . Eine K ü n d i g u n g ist für Deutschland nach der Fastung des Artikels 8 praktisch ausgeschlossen. Der Westpakt läuft also in seiner Auswirkung auf einen Verzicht auf deutsches Land aus. Es wird ein Spiel mit Worten getrieben, das über den Sinn hinwegtäuschen soll.... 3. Nach der Erklärung zum Artikel 16 der Bölkerbundssatzung bleibt die Entscheidung über die militärische Leistung Deutsch- lands im Fall von Verwicklungen und darüber, welchesMaß mit der militärischen Lage verträglich ist und einer geographischen Lage Rechnung trägt", nicht der deutschen Regierung in pflichtmäßigem Ermesten gegenüber dem deutschen Volke überlasten, sondern liegt bei den Alliierten. Die Gefährlichkeit des Artikels 16 ist sonach für Deutschland nicht beseitigt.... 4. Die hinsichtlich des Rheinlandes und des gesamten besetzten Gebietes von Deutschland aufgestellten Voraus- setzungen sind nicht erfüllt, sondern werden nur noch als zu erhoffendeRückwirkungen" bezeichnet. Nicht einmal die Räumung der Kölner Zone, auf die wir feit dem 16. Januar 1925 rechtlichen Anspruch haben, ist gesichert, geschweige denn, daß sie sofort erfolgt. Die deutsche Delegation hat sich wiederum in ein« Lage drängen lassen, in der sie genötigt war, die deutschen Leishxn- gen, nicht aber die Gegenleistungen der Entente festzusetzen. Ueber diese sind keine bindenden Abmachungen getroffen worden. Münd- liche Zusagen sind nach den Erfahrungen der letzten Jahre wertlos. 5. Die Schiedsverträge mit Polen und der Tschecho- slowakei sind nicht geeignet, über die Tatsachen hinwegzutäuschen, daß auch die Ostgrenzen garantiert werden sollen.... Der völkische Reichsausschuß sieht daher die von der Deutsch - nationalen Reichstagsfraktion aufgestellten Voraussetzungen nicht als erfüllt an. Das Ergebnis von Locarno raubt, wenn es Rechts- kraft erlangt, dem deutschen Volke die Möglichkeit selbständiger Außenpolitik und bedeutet völkische Selb st aufgab«. Der völkische Reichsausschuß fordert von Parteileitung und Reichstags- fraktion die sofortige Ablehnung der Verträge von Locarno im ganzen, da die ne vzrietur-jftausel Aenderungen ausschließt. Man kann, wenn man diese Entschließung gelesen hat, nicht mehr daran zweifeln, daß die Deutschnationalen die volle Tragweite des Vertrags von Locarno ken- nen. Sie wissen, daß das Inkrafttreten dieses Ver- träges eine völlige Wendung in der Be- ziehung der Staaten zu einander bedeuten werde. Sie wissen, daß nach Jnkraftreten dieses Vertrages ihr Säbelrasseln und ihre Revancheideen aufhören, daß sie Außen- Politik auf dem Boden völlig friedlicher Verständigung treiben müßten, daß über die Grenzen des gegenwärtigen Deutschlands hinaus gemeinsame Interessen der beteiligten Länder und damit Europas zu pflegen sind. Diese geschichtliche und zukunftsträchtige Bedeutung des Nie-wieder-Krieg-Vertrages von Locarno ist den Deutschnationalen in voller Tragweite bekannt. Es sind Beauftragte ihrer Regierung gewesen, die diesen Vertrag paraphiert" haben. Sie werden deshalb Mann für Mann für den Vertrag stimmen. Sie.werden nach Kanossa gehen, trotz ihres völkischen Reichsausschusses! Sie werden mit allen Mitteln suchen, an der Regierung zu bleiben! Diesem Zweck wird alles untergeordnet!

ßememorüe und Reichswehr . Ueber die Ermordung des Schützen Pnnnier berichtet die Korr«- spondenz BL. folgende weitere Einzelheiten: Pannier, der bekanntlich Schütze in der Maschinengewehr- abteilung des schwarzen Regiments v. Senden war, hatte aus dem Benehmen seiner Vorgesetzten und Kameraden den Verdacht geschöpft, daß man etwas mit"ihm vorhabe. Er beschaffte sich daher Zivil- Neider und verließ heimlich die Unterkunft der Formation in Döberitz, um sich in die elterliche Wohnung in Berlin zu begeben. Einige Tage später erschien dort ein Oberfeldwebel und ein Gefreiter des Regiments v. Senden mit dem angeblichen Auf- trag, Pannier wegen Verdachts des Landesverrats zu verhaften. Eingeschüchtert ging der junge Mann zunächst auch gutwillig mit.

werden wir mit verdienter Auszeichnung behandeln, während ein Individuum, sei es ein Dichter oder sonst ein Märtyrer, mit kotigen Tretern unserer Mißachtung sicher sein kann. Armut und Unbildung, die zu dem unästhetischen Anblick eines verwahrlosten Schuhwerks führen, sind naturgemäß schlimmere Vergehen als die raffiniertesten Laster eines elegant Beschuhten. Wir leben in einer Zeit, wo der gute Schein alles und das Wesen nichts ist. Putzen wir also unsere Schuhe auf Hochglanz und nehmen wir uns vor den Kotsprigern in Acht, die unserem sozialen Ansehen Schaden zufügen könnten.

Schlesiens zweite Großsiaöt. Eine neu« schlesische Großstadt ist im Werden begriffen, die im Grunde genommen jetzt schon vorhanden ist und nur noch der kom- munalen Zusammenfassung zu einer einzigen Gemeinde bedarf. Es ist die Kohlenstadt Waldenburg i. Schl. Der Mittelpunkt des Waldenburger und Niederschlesischen Steinkohlenreviers. Von An­beginn ist die Stadt Waldenburg der tonangebende Ort dieses stark bevölkerten Reviers gewesen. Unmittelbar anschließend entwickelten sich die großen Jndustriedörfer Ober-Waldenburg und Dittersbach. Altwasser und Sandberg, ein Stück nur entfernt von der Stadt die Jndustriedörfer Nieder- und Ober-Hermsdorf, Fellhammer, Nieder- und Ober-Salzbrunn und hierzu kommt noch die Kohlenstadt Gottes- berg mit dem benachbarten Grubenort Rothenbach, kommt ferner das weitbekannte Hals- und Kehltopfbad Salzbrunn. Alle diese Orte zusammen bilden das Waldenburger Revier, fast alle hängen unter- einander oder mit dem Zentralort Waldenburg zusammen und stehen in lebhafter Verbindung durch zwei lange, an denVierhäusern" in Waldenburg sich kreuzende Straßenbahnlinien, durch zwei Reichs- bahnlinien, die in großen Schleifen mit einer ganzen Anzahl von Bahnhöfen das Revier durchziehen und demnächst auch durch eine Autobuslinie. Waldenburg zählt jetzt mit den in feiner Rachbarschast gelegenen Orten, die als seine Vororte anzusehen sind, rund 150 000 Einwohner. Den Hauptteil dieser bedeutenden Bevölkerungsmasse stellt der Steinkohlenbergbau, der seine Belegschaften, mit Ein- schluh jener vom angrenzenden Neuroder Bezirk von 27 000 im Jahre 1913 auf 44 000 im Jahre 1922 vermehrte. Seitdem Ist dies« Zahl aber noch erheblich gewachsen, denn die Neuanlagen von Schächten schreitet dauernd fort: ebenso erweitern sich diese Werk« von Jahr zu Jahr durch Angliederung von Kokereien und anderen Anlagen zur Verwertung der Nebenprodukte der Steinkohle. Daneben besitzt dieser niederschlesische Industriebezirt auch noch eine umfangreiche Indu- strie: besonders stark vertreten ist die Porzellan-, Glas-, Textil-, Metall- und chemische Industrie, von denen besonders die erster« Weltruf besitzt. Diese Industrien beschäftigen allein im Kreis« Walden- bürg rund 20 000 Arbeitskräste. Es kommt noch hinzu, daß in größter Nähe Groß-Waldenburgs �ie Uhren- und Leinenindustriestadt Frei- bürg, sowie das industriereiche Bad Charlottenbrunn liegen, die durch- aus zum Groß-Waldenburger Wirtschaftsbereich gehören. Die neue Großstadt Waldenburg , die in absehbar naher Zeit auf den Plan treten wird, faktisch aber heute schon vorhanden ist, wird in Schlesien unmittelbar nach Breslau , also auch vor der bisher zweit- größten Stadt Schlesiens, vor Görlitz , rangiere«. Das Waldenburger

I rief dann ober beim Transport durch die Straßen Berlins einen Verkehrsschutzmann um Hilje an. Der Polizist hielt die beiden Soldaten mit ihremHäftling" an und transportierte alle drei trotz des heftigen Protestes des Oberfeldwebels zur Wache. hier stellte es sich heraus, daß der Oberfeldwebel und der Gefreite i.n Besitze ordnungsgemäßer Ausweise der 3. Division waren. Ge- mäß bestehender Vorschriften benachrichtigte daraufhin die Polizei- wache das Wehrkreiskommando III in der Kur» fürstenftraße und erhielt von dort die Weisung, die drei beim Wehrkreiskommando abzuliefern. Ein Schutzpolizist führte diesen Auftrag aus und übergab Pannier mit seinen Begleitern einem Offizier in dem betreffenden Kommando, an den man ihn gewiesen. hatte. Dieser Offizier war kein anderer als Oberleutnant Schulz, der sich bei der genannten Behörde als Leiter der Arbeits- kommandos betätigte. Schulz sorgte für schleunigen Abtransport Panniers nach Döberitz , und wenige Tage später war der Fememord an dem Schützen vollzogen." DieVossische Zeitung" veröffentlicht in dieser Angelegenheit übrigens die Zuschrift eines, ehemaligen Offiziers, der einer Abtei- lung Oberleutnants Schulz zugeteilt war. Dieser Ofsizier hat schon im Oktober 1923 das Wehrkreiskommando III vor der gefährlichen Person des Oberleutnants Schulz gewarnt. Ver- geblich l Man fertigte den Warner mit den Worten ab:Es liegt kein Grund zu Besorgnissen vor", und Schulz konnte seine Tätigkeit als Organisator von Fememorden und Putschen fortsetzen! Richtergeift. Ein Einspruch des Preustischen Richtervereins. Der Preußische Richterverein läßt zur Ernennung bei Genossen K r o n e r zum Oberverwaltuugsgerichtsrat eine längere Erklärung los, die mit folgenem Protest schließt: Die preußischen Richter erheben zur Wahrung der Rechts- pflege und des Rechts, im Interesse des Volksganzen und des Staatswohles gegen die Ernennung Kroners zum Oberverwallungsgerichtsrat ernsten Widerspruch. Die Erklärung kennzeichnet den Geist, der den Richtervcrein beherrscht. Wo blieb der Richterverein, als das skandalöse Urtell im Magdeburger Prozeß eine spontane Bewegung auslöste, der auch Reichsregisrung und Reichspräsidium Rechnung trugen, indem sie durch einen demonstrativen Besuch beim Reichspräsidenten Ebert zum Ausdruck brachten, daß sie sich mit dem Urteil nicht identifizieren? Wo blieb der Verein, als sich eines seiner Mitglieder, Herr B e i n e r t, die unglaublichsten Angriffe auf Staat und Regie- rung erlaubte, wo blieb er, als ein Hamburger Einzel- r i ch t e r ein Urteil fällte, das selbst vom Zentrum als Kulturkampf- justiz bezeichnet wurde, wo blieb er bei den zahlreichen Tendenz- urteilen gegen das republikanische Reichsbonner? Wenn dem Preußischen Richterverein wirklich dieWahrung der Rechtspflege und des Rechts im Interesse des Volksganzen und des Staatswohles" am Herzen läge, dann hätte er allen Anlaß, gegen die Voreingenommenheit einer ganzen Anzahl seiner Mit- glieder«inzuschreiten und dafür zu sorgen, daß die Gerichte und ihre Organe nicht in einem Sinne Recht sprechen, der nicht nur dem Geiste der Reichsoerfassung und der Republik Hohn spricht, sondern auch gegen die Grundbegriffe einer ob- jektiven Rechtsprechung verstößt. So lange sich der Preußische Richterverein mst dieser Art Rechtsprechung identifiziert, sehst ihm jede Berechtigung, im Namen des Volksganzen und oes Staatswohls zu sprechen und sein Protest zeigt nur, daß der Innen- minsster Recht daran hat, einen Mann zum Oberverwaltungsgerichts- rat zu ernennen, der sich mit Leidenschaft gegen eine Rechtsprechung wendet, die man nicht anders als schwarzweißroteK lassen- justiz bezeichnen kann. Alacdonald auf dem Wege nach Verlin. Bei seiner gestrigen Ankunft in Prag wurde Macdonald von dem Vertreter des Präfi, denten der Republik und verschiedenen anderen hohen Staats- beamten auf dem Bahnhofe empfa-'gen. Macdonald begab sick, nach einer Begrüßungsansprache sos/'»" zum Hradschin. Heute abend ist Macdonald Gast des englischen Gesandten. Sonnabend abend wird er nach Berlin Weiterreisen. Der polnische Aufslands- kriegerverein möchte gern auch in Deutsch -Oberschlesien verbreitet sein. Präsident C a l o n d e r hat aber jetzt entschieden, daß die deutsch -oberfchlesischen Behörden die Zuge- Hörigkeit zu diesem Verein mst Recht verbieten, somit auch ver- folgen können.

Revier weist bereits jetzt eine musterhafte Gcbirgsquellwasserver- sorgung eine ebenso großartige Elektrizitäts- und Gasversorgung auf. Waldenburg selbst besitzt umfangreiche, wohlgeplegt« Bergparkanla- gen, ein hervorragendes sinfonisches Orchester und wird sich demnächst für 1 Million Mark eine Stadthalle bauen. In weiterer Aussicht sind der Bau eines Stadttheaters und eines Krematoriums. Die Operelte des Aloskauer künstlerlhealers. Das Gossspiel der Moskauer im Berliner Theater brachte als dritte Gabe L e c o c q s oltbekanntc Operette dieTochter de r Madame A n g o t". Da sie in Berlin gleichzeitig im Metropol gegeben wird, lassen sich interessante Vergleiche ziehen. In Deutschland ist sie immer noch die Operette: Musik, Ausstattung, großer Chor sind die Haupt- sache. Das Künstlertheater legt das Hauptgewicht auf die schau- spielerische Darstellung. Es macht aus der Operette ein Schau- spiel mit Musik. Da es keine neue dramatische Kunst vorfindet und traditionell gebunden ist, will es die alte wenigstens in neuer Form geben. Aber da es mit der revolutionären Grundstimmung rechnen muß, modelt es den Text nach dieser Richtung. Der Straßensänger Ange Pitou wird zum Helden und nach ihm wird die Opererr» um- genannt. Die Verspottung des konterreooluttonären Direktoriums von 1797 wird zur politischen Lcitidee und aus dem heiteren Spiel wird eine ernste Affäre. Sei es! Die Operette verliert, obwohl die Musik geschont wird, ober die dramatische Ausgestaltung gewinnt, die Schürzung des Konflikts wird anschaulich gesteigert, aus den singenden Puppen werden Menschen. Vor allem wird der Chor individualisiert. Jede Figur sst herausgearbeitet, jede bedeutet etwas l>nd greift lebendig ein. Keine Massenwirkung, aber das Pariser Kleinbürgertum wird höchst lebendig. Der Regisseur N e m i r o- witsch. Dantschenko stellt Bühnenbilder hin, die im Gedächtnis haften und baut in den Aktschlüssen, wo alles zum lebenden Bild erstarrt, prachtvoll durchkomponierte Gnippen. Kupferstiche der Zeit haben ihn angeregt und getreulich schafft er sie nach. Die historische Treue in allem Anschaulichen ist gewahrt, ein konservatives Prinzip herrscht vor. Aber der Geist ist revolutioniert. Lohnt sich das bei einer Operette, deren spezifische Qualitäten dabei zu kurz kommen? Es liegt hier eine notwendige Anpassung an das neue Regime in Rußland vor, das die künstlerische Weiterarbeit ermöglichte. Poli- tische und selbst wirtschaftliche Revolutionen zeugen noch nicht alsbald eine neue Kunst, wenn sie auch die Sehnsucht danach erwecken. Aus der reizenden kleinen Blumenhändlerin machte die K e- m a r s k a i a eine ernste Tochter des Volkes, und I. W e l i k a n o f f kann als Straßensänger unseren Tenören zeigen, wie man diese Operettenrolle vermenschlichen kann. Ganz großes Format zeigte die B a k l a n o w a als Schauspielerin Lange. Prachtvoll ist die Einzelarbeit in der Herausarbeitung der Masken bei den Repräsen­tanten des Direktoriums(besonders des fuchsnasigen Polizisten Louchard)! Das Verdienst der Russen bleibt, altes Stagnierendes in neuen Fluß gebracht zu haben. r. Vorträge. Am Sonnabend, den 24. Oktober, 8 Uhr. spricht im Zentral- wstitut für Erziehung und Unterricht, Proseflor August Messer überDer ethische Idealismus" und eröffnet damit die ZZortragSreihe der ComeniuS-cSelellschaft. volkol ederabevd. Am 24.. abends 8 Uhr. werden im Meisierfaal, Kötbener Straffe. Milli Ziole.(ehemals Staatsopert und Maria Menoni, am Flügel begleitet von Edith Heller, altdeutsche Volksballade» sowie Stücke aus»Des Knabe« Wunderhorn" zum Bortrag bringen.