Justizetat im Landtag.
Völkische Lügen unter dem Schuh der Immunität.
Bei Beginn der heutigen Sigung des Landtags benutzte der völkische Abg. Gieseler den Schuß der Immunität, um noch einmal seine Beschuldigungen gegen den Wohlfahrtsminister Hirtfiefer zu wiederholen, wonach der Minister in Wien in Gesellschaft von Freudenmädchen gesehen worden sei. Herr Gieseler behauptete, daß er seine Mitteilungen nicht von Spizeln, sondern von ehrenwerten und angesehenen Wiener Männern habe, die ihm ausdrücklich den Sachverhalt so bestätigt hätten, wie er ihn vorgetragen habe. Statt nun in der Deffentlichkeit seine Beschuldigungen gegen den Minister zu wiederholen, damit man auch die ehren werten Männer aus Wien " fennenlerne, verlangfe Herr Gieseler
allen Ernstes, der Minister solle die in der Abwehr auf die Beschuldigungen gefallenen, angeblich beleidigenden, Aeußerungen außerhalb des Hauses noch einmal machen, damit er den Minister gerichtlich belangen fönne! Ohne Aussprache wurde in einer Reihe von Fällen die Genehmigung zur Strafverfolgung von Abgeordneten versagt. Dem Ausschuß überwiesen wurde der Gesezentwurf über die Vereinigung der Landgemeinde Campe mit der Stadt Stade . Darauf wird die allgemeine Aussprache zum Justizhaushaft fortgesetzt. Abg. Menzel- Halle( Komm.) bringt eine Reihe von Beschwerden über die Behandlung von politischen Gefangenen vor und erklärt, daß die Zahl der unteren Beamten in den Gefängnissen nicht groß genug fei.
Staatsfefretär Frige erklärte, daß die Frage der politischen Straftat in dem neuen Strafgesehbuch eine neue Regelung finden werde. Das Justizministerium bemühe sich ernstlich, die Mängel im Strafvollzug zu beseitigen. Ein anderer Vertreter des Justizministeriums gab eine eingehende Darstellung des Falles Elsel in Hirschberg in Schlesien , dessen Begnadigung der Landtag empfohlen hatte. Das Ministerium fönne sich der Auffassung des Rechtsausschusses, daß eine Begnadigung notwendig sei, nicht anschließen.
Abg. Grzymef( Dem.) verlangt eine Aenderung in der Berfonalpolitik beim Untersuchungsverfahren. Es werden häufig junge Assessoren, die nicht die geringste Erfahrung besitzen, mit der Leitung der schwierigsten Unternehmungen beauftragt. Die Staatsanwalt schaft laffe vielfach in den Verhandlungen ganz andere Beamte auftreten, als die die Untersuchung geführt hatten. Die allerschlechtesten Staatsanwälte und Richter feien die sogenannten schneidigen Herren".
Die Beratung geht weiter. Der Landtag wird sich heute bis Mittwoch nächster Woche vertagen.
*
Eine neue Niederlage erlitten heute die Rechtsparteien im Verfassungsausschuß des Landtags. Es lag ein Antrag von Campe( Dopt.) vor, wonach der Art. 45, Saz 1 der preußischen Berfaffung dahin zu verstehen sei, daß nach jeder Neuwahl des Landtages auch eine Neuwahl des Ministerpräsidenten erforderlich fei. Nach längerer Aussprache wurde der Antrag gegen die Deutsche Bolkspartei und die Deutschnationalen abgelehnt.
"
In der Sizung des Verfassungsausschuffes gedachte der Borfizende Gräf Anflam des verstorbenen Mitglieds des Landtags Prof. Dr. Preuß. Er hob seine Berdienste als Universitätslehrer, dessen Schüler er selbst gewesen, als Parlamentarier, als Mitarbeiter im Verfassungsausschuß und besonders als Mensch und freundlicher Berater in allen wichtigen Angelegenheiten hervor.
Die revolutionäre Phrase.
Gewehre und Stimmzettel.
In der Roten Fahne" wird unter dem Namen von Thäl mann ein Aufsatz über„ Die Lehren des Hamburger Aufstands" veröffentlicht. Der Aufsatz ist eine Aneinanderreihung von revolutionären Phrasen.„ Revolutionäre Situation, zum Gemehr greifen, die Ehre ist gerettet durch die Hamburger Preisfechter der Arbeiterklasse, der Hamburger Aufstand war eine Probe auf die zweite Revolution, es lebee der neue Hamburger aufstand von ungleich größerem Ausmaß."
Die revolutionäre Phrase soll bei den gläubigen Kommunisten den Glauben hervorrufen, daß die befohlene neue Tattit unmittelbare Aufstandsvorbereitung sei. Je entschiedener die KBD. von Moskau auf die Tatsache eingestellt wird, daß die illusionären Hoffnungen auf boischewistischem Umsturz in Deutschland vorbei sind, um so fräftiger wird der Nebel der revolutionären Phrase angewandt die feiner ihrer Fabrikanten felbft glaubt, ausgenommen ihr Werk
-
zeug Thälmann , denn was der alles glaubt, ist erstaunlich. Die Lehren des Hamburger Aufstandes, die man in Mostau zieht, lauten nicht: das Gewehr ergreift! Ein Zufall ist es ein Zufall? hat sie bildlich zum Ausdruck gebracht. Auf der ersten Seite der Roten Fahne" liest man unter der Schlagzeile: Die Lehren des Hamburger Aufstandes: Deine Stimme gehört der KPD ."
-
Die kommunistischen Auguren lächeln: je fräftiger wir vom Gewehr reden, um so besser bleiben unsere Leute vielleicht beim Stimmzettel. Es lebe die revolutionäre Phrase vom Gewehr aber um Gottes willen keine Gewehre, sondern Stimmzettel!
-
Die Rückwirkungen von Locarno . Deutsche Note über die Entwaffnung.
Der deutsche Botschafter in Paris überreicht morgen der franzöfifchen Regierung eine Note, in der sie die letzte allierte Note über die Durchführung der Entwaffnung beantwortet. Die deutsche Note stellt nicht mehr als die geschäftliche Grundlage für die Befprechung mit Briand dar. Es besteht auch in amtlichen deutschen Kreifen fein Zweifel darüber, daß sich Briand für die großzügige Erledigung der noch bestehenden unwesentlichen Meinungsverfchiedenheiten einsetzen wird. Briand wird der Zusicherungen eingedent sein, die er der deutschen Delegation über die Erledigung der Entwaffnungsnote im Geifte Locarnos gemacht hat. Immerhin macht sich, wie auch aus den Pariser Pressestimmen hervorgeht, der Widerstand der Militärs bereits bemerkbar. Wenn die Deutschnationalen gegen ihre eigene Regierung weiterhin eine Oppofition treiben, die den Locarno- Bertrag in den Augen Frankreichs entwertet, dann werden sie im Verein mit den Militärs und den Nationaliffen Frankreichs die deutsch - französische Verständigung über die Entwaffnung und die Kölner Räumung erschweren.
Der Kriegsbegriff Alliierte" soll verschwinden!
Condon, 23. Oktober. ( WTB.) Unter der Ueberschrift ,, Ein neues Kapitel in der Diplomatie" veröffentlicht ,, Manchester Guardian" einen Artikel seines Sonderberichterstatters, in dem es heißt: Die Ansicht, daß die psychologische Wirkung der Verträge von Locarno von größerer Bedeutung ist, als die technischen Einzelheiten, breitet sich immer weiter aus, und zwar nicht nur bei den Teilnehmern an der Konferenz in Locarno , sondern auch sonst. Der beste Beweis hierfür, daß sich die diplomatischen Kreise bereits eine Woche nach der Paraphierung, und zwar vielleicht etwas verfrüht, fragen, wie lange es nun noch dauern werde, bis auch Rußland in den Völkerbund eintritt. , 211iterte" ist jetzt aus dem Wörterbuch der europäischen Nach friegsdiplomatie aus gemerzt worden und wird in den diplomatischen Noten nie wieder erscheinen,
Das Wort
Einberufung des Völkerbundsrates.
Wegen des griechisch- bulgarischen Konfliktes. Genf , 23. Oftober.( T11.) Heute um 9 Uhr vormittags lief im Völkerbundsekretariat eine telegraphische Note der bulgarischen Regierung ein, die um Intervention des Bölkerbundrats auf Grund der§§ 10 und 11 des Völkerbundpaktes
für den griechisch- bulgarischen Zwischenfall ersucht. Sir Eric Drum mond setzte sich sofort mit dem Vorsitzenden des Völkerbundrats Briand in Paris telephonisch in Verbindung. Es murde beschlossen, eine außerordentliche Ratssitzung für Montag, den 26. Ottober, 4 Uhr 30 nachmittags nach Paris einzuberufen und alle Ratsmitglieder hierzu unverzüglich einzuladen. Die bulgarische Note gibt eine eingehende Darstellung der am 19. Oktober um 3 Uhr nachmittags erfolgte Grenzverlegung bei Demir Kopu durch die Griechen. Als Beweis dafür, daß die Griechen die Schuld an dem Zwischenfall tragen, weist die Note darauf hin, daß der erste Tote auf bulgari schem Boden fiel.
vermied.
Athen , 23. Oktober. ( WTB.) Wie amtliche Kreise mitteilen, hat die griechische Regierung, sowohl durch ihre diplomatischen Vertreter im Auslande als in Besprechungen mit den Vertretern der Mächte in Athen ihre friedlichen Absichten betont, die sie übrigens dadurch bewies, daß sie ihren Schritten bei der bulgarischen Regierung den Charakter eines Ultimatums zu geben Sie ist nach wie vor dazu bereit, einer friedlichen Lösung zuzustimmen, unter der Bedingung, daß ihr Ansehen durch die verlangte Genugtuung und die Zahlung eines Schaden ersages, worauf sie zu bestehen entschlossen ist, gewährleistet werde. Derselbe Standpunkt wurde dem bulgarischen Geschäftsträger in Athen flargelegt, dem außerdem erklärt wurde, daß vor der Ausführung der in der griechischen Note enthaltenen Bedingungen und der Räumung des von den Bulgaren besetzten griechischen Postens jede Erörterung unnötig sei.(!)
Eine Eigenmächtigkeit des griechischen Militärs? Athen , 23. Oktober. ( WTB.) Der Oberbefehlshaber der griechischen Armee in Mazedonien telegraphierte: ,, Da die Bulgaren in der Gegend von Demir Hissar auf griechischem Gebiet standen, wurde ich, um die großen Verluste zu vermeiden, die ein Frontalangriff nach sich gezogen hätte, sowie aus anderen strategischen Gründen dazu gezwungen, meine Kräfte bis Petritsch und nördlich von Kula vorzuschieben, was die Bul garen nötigte, das griechische Gebiet zu räumen." Die griechische Re gierung erteilte darauf den strengen Befehl, den Vormarsch der Truppen einzustellen, falls die Bulgaren teinen neuen Angriff unternehmen.
Das Nürnberger Schöffengericht verurteilte einen Wacht. meister der Landespolizei, der die schwarzrotgoldene Reichsfahne von einem Schulhaufe, in dem Landespolizei unterge bracht war, herabriß und verbrannte, zu der lächerlichen Strafe von 200 Mart.
Die Wahlkundgebung der Frauenwelt".
Am Mittwochabend strömten Scharen von Besuchern zu der für die Leserinnen und Freunde der Frauenwelt" veranstalteten Abendfeier im Saalbau Friedrichshain. Der mit Fahnen und Bannern schön geschmückte Saal bot einen anheimelnden Anblid. Genossin Todenhagen wies einleitend auf den doppelten 3wed des Abends hin: Genuß und Beschäftigung mit dem Wichtigsten, das uns bevorstehe, der Stadtverordnetenwahl. Dann lauschte alles atemlos den weichen Celloflängen. Arnim Liebermann brachte, begleitet von Fräulein Elli Brandenburg, meisterhaft einige Stücke zum Vortrag.
Genoffin Stadträtin Weyl zeigte in ihrer Ansprache den großen Aufgabenfreis der Gemeindearbeit. Die Gemeinde vermag preisregulierend zu wirken. Ihr obliegt die Durchführung der Wohlfahrtsgefeze. Von ihrer Einstellung hängt es ab, ob Ünterftügung erst im letzten Augenblick gegeben wird, wenn es meist schon zu spät ist, oder ob vorbeugende Fürsorge getrieben wird. In ihrer Hand liegt es, ob Hilfe als Gna de bewertet wird oder ob ein Anspruch darauf besteht. An Beispielen wies Genoffin Weyl nach, wie unsere Genossen in vorbildlichem Sinne in der Gemeinde zu wirken versucht hätten und wie ihre Bemühungen teilweise von Erfolg gekrönt waren, teils an der Einsichtslosigkeit der Bürgerlichen scheiterten. Es gelang uns, verschiedene Vorteile für die Bevölkerung zu erreichen. Die Borauszahlung bei der Krankenhausaufnahme wurde abgeschafft. Die Wöchnerinnenbetten wurden vermehrt. Die ersten 14 Tage nach der Entbindung braucht die Mutter keine Verpflegungsfosten für den Säugling mehr zu zahlen. Die Säße für Kinder mit Geschlechtskrankheiten und Kinderfrankheiten sind ermäßigt. Dagegen gelang es nicht, ausreichende Mittel für Kindergärten und horte zu erlangen und des Wohnungselends Herr zu werden. Auch gelang es leider nicht, den mit Hilfe der Kommunisten durch geführten Abbau des sozialdemokratischen Schuldezernenten Baulsen zu verhindern. Gen. Weŋl mies dann noch empört die Wahllüge der Bürgerlichen zurück, die behaupten, die Genoffin Weyl schicke die Waisenkinder in Nachtcafés fammeln. Sie forderte die Frauen auf, daran zu denken, daß sie in erster Linie für ihre Kinder wählen, deren Zukunft sie durch jede Wahl bestimmen. Stürmischer Beifall antwortete den fesselnden Ausführungen.
Spielgemeinschaft der Jungsozialisten brachte dann 2 Szenen aus Tollers, Wandlung" zur Aufführung, die die Zuschauer so in Bann zwangen, daß die Grenzen zwischen Darstellern und Publikum schwanden und der ganze Saal zu einer Erlebensgemeinschaft verschmolz. In prachtvoller Stimmung schloß die Feier mit dem Gesang der Internationale.
Gräfin v. Bothmer im grünen Wagen.
Die Gräfin v. Both mer ist mun zum ersten Male aus dem Gefängnis in der Lindenstraße in Botsdam dem Untersuchungsrichter vorgeführt worden. Frau v. Bothmer bestieg in der Lindenstraße den Grünen Wagen und wurde von dort zum Land gericht nach der Kaiser- Wilhelm- Straße gebracht, um dem Richter vorgeführt zu werden. Der Rüdtransport geschah auf demselben Wege. Heute vormittag sollte die Untersuchungsgefangene ihre erste Freistunde auf dem Gefängnishof machen. Die Gräfin weigerte sich entrüftet, als ihr gesagt wurde, daß sie mit mehreren anderen weiblichen Gefangenen gehen müsse. Sie verblieb daher lieber in ihrer Zelle. Außer durch ihren Hausarzt ist die Gräfin durch den zuständigen Gerichtsarzt von Potsdam untersucht worden. Sie ist durchaus haftfähig.
Das ,, Seil des Todes".
ftellung ein schwerer Unfall der Artisten Kuri Salley und Im Zirkus Busch ereignete sich bei der gestrigen Abendvor Bertoem, die allabendlich in ihrem Sensationsatt„ Seil des odes" auftreten. Bei der Ausführung ihrer Todesfensation, die darin besteht, ein Geil zu durchschießen, damit die Brüde fällt, worüber sie mit ihren Fahrrädern in die Tiefe faufen, versagte die Zündung der Pistolen. Noch im Stürzen gelang es ihnen aber, das Seil zu durchschießen. Es war aber schon zu spät und beide Artisten stürzten ab. Sallen erlitt einen schweren Oberschentelbruch und Knieperlegungen. Er wurde durch einen Wagen des städtischen Rettungsamtes in die Universitätsklinik eingeliefert. Berto em tam mit leichteren Berlegungen bavon.
Die„ Vorstrafe".
Ein Kriegsabenteuer und feine Folgen.
Als deutscher Soldat machte P. den Feldzug gegen Rußland mit. Im Kriegsgetümmel wurde er von seinem Truppenteil getrennt. Er bemühte sich, ihn wieder aufzufinden. Aber weit und breit war weder Freund noch Feind zu sehen. Auf seinem einsamen Marsch fam P. hungrig und erschöpft in ein vom Kriegslärm verschontes litauisches Dorf. In einem Bauernhause fand er Aufnahme und Pflege. Die Tochter des Hauses, ein hübsches junges Mädchen, be mühte sich besonders um das Wohl des Gastes und so fam es, daß, sich zwischen den beiden jungen Leuten ein Liebesverhältnis entspann. Das Mädchen wollte nichts davon wissen, daß der Geliebte seinen In dem Kampf zwischen Liebe und Pflicht siegte schließlich, wie so oft Truppenteil aufsuche. Sie überredete ihn, im Dorfe zu bleiben.
im Leben, die Liebe.
das Vertrauen der Einwohner in so hohem Grade, daß sie ihn zum P. blieb im Dorfe. Er wurde dort bald heimisch und gewann Bojwoden( Ortsvorsteher) machten. Einundeinhalbes Jahr währte das litauische Dorfidyll ohne jede Störung. Dann zog ein deutscher Truppenteil durch das Dorf. P. wurde unter dem Berdacht der Spionage festgenommen. Bei dieser Gelegenheit machte er, uni seine Fahnenflucht zu verdecken, unwahre Angaben über seine Person, verwickelte sich aber dabei derart, daß ihm die Todesstrafe als Spion drohte. Um sein Leben zu retten, wählte er das fleinere Uebel. Cr gab sich zu erkennen und wurde nun wegen Fahnenflucht zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Als P. ein Biertel jahr feiner Etrafe abgesessen hatte, brach in Deutschland die Revo fution aus. Es tam der Erlaz der Boltsbeauftragten, der die Fahnenflüchtigen für straffrei erflärte. P. kehrte wieder in die Freiheit zurück und fand bald darauf eine Stellung als Gemeindearbeiter und Mitglied der freiwilligen Feuerwehr in Tempelhof . Nach der Schaffung der Einheitsgemeinde GroßBerlin wurde P. im Angestelltenverhältnis als Feuerwehrmann übernommen. Als ihm bei dieser Gelegenheit die Frage nach etwaigen Vorstrafen vorgelegt wurde, erklärte er, er sei nicht bestraft. Er handelte dabei in dem in Boltskreisen weitverbreiteten Glauben, daß eine durch Amnestie erlassene Strafe nicht mehr als Strafe gelte. Vor kurzem sollte nun B. als Feuerwehr mann in das Beamtenverhältnis übergeführt werden. Aus diesem Anlaß erkundigte sich die zuständige Stelle des Magistrats an amtlicher Stelle nach dem Vorleben des P. und nun wurde seine Ben Diese Strafe ftrafung wegen Fahnenflucht bekannt. und der Umstand, daß P. bei seiner Uebernahme in die Berliner Feuerwehr die Vorstrafe nicht angegeben, also unwahie Angaben über seine Person gemacht hatte, nahm der Magistrat zum Anlaß, die Stellung des P., der sich fast sieben Jahre im Gemeinde. dienst einwandfrei geführt hatte, zum 31. Dezem ber d. J. zu fündigen. Der Angestelltenrat erhob beim Gewerbegericht Einspruch gegen die Kündigung mit dem Erfolg, daß die Kammer 7 unter Borsiz des Magistratsrats Schulz den Magistrat verurteilte, B. als Feuerwehrmann weiter zu beschäf tigen, oder ihm eine Entschädigung von 1230 m. zu zahlen. Die Urteilsbegründung fagt: Die rein politischen Momente, die bei dieser Angelegenheit mitspielen, scheiden für das Gericht aus. Es handelt sich um die Frage, ob der Kläger die Beklagte absichtlich getäuscht hat. Diese Frage hat das Gericht verneint. Mindestens ist dem Kläger eine Absicht der Täuschung nicht nach zuweisen. Nachdem ihm durch den Eriaß der Boltsbeauftragten die Strafe erlassen war, fonnte er des guten Glaubens sein, er brauche auf eine Frage nach seinen Borstrafen diese Strafe nicht anzugeben. Wenn die Strafe unmittelbar nach der Einstellung des Klägers in die Feuerwehr der Verwaltung bekannt geworden wäre, dann hätte sich eine Entlassung vielleicht damit rechtfertigen lassen, daß man fagte, fein Vorleben beweise, daß er nicht die Nerven habe, um als Feuerwehrmann in Gefahr auszuhalten. Dieser Grund fönne aber nicht mehr geltend gemacht werden, nachdem sich der Kläger , der fast sieben Jahre im Dienst der Gemeinde steht, keine Verfehlung hat zufchulden kommen lassen, und durch seine Tätigkeit bewiesen hatid daß er die Nerven hat, um den Anforderungen, die an einen Feuer mehrmann gestellt werden, zu genügen.
Zum Selbstmord der Pflegerin Gaffe. Was geht in Buch vor?
gi
Zu dem Selbstmord. der Pflegerin Lina Gasse aus der Irren anstalt Buch, über den wir in der Sonntagsausgabe des„ Vorwärts" berichteten, wird uns vom Verband, der Gemeinde- und Staatsanſtalt Buch eine Pflegerin aus denselben Gründen das Leben ge arbeiter mitgeteilt: Schon im Jahre 1921 hat sich in der Pflege Pflegerin Gasse Anlaß zu ihrem unseligen Schritt gewesen sind. nommen, die auch nach den hinterlassenen Aufzeichnungen für die
Schon damals scheint die Oberpflegerin R. das ihr unterstellte Personal in nicht gerade vorschriftsmäßiger Weise, um feinen schärferen Ausdruck zu gebrauchen, behandelt zu haben und auch im vorliegenden Fall hat sich die Pflegerin G. des öfteren ihren Kollegin nen gegenüber über die Oberpflegerin beschwert. Die Ermittlungen, die der Betriebsrat durch seinen stellvertretenden Vorsitzenden zur Aufklärung der Angelegenheit vornehmen ließ, haben zwar nach den vorliegenden Vernehmungsprotokollen den Nachweis erbracht, daß die Oberpflege rin ebenso wie auch der Oberarzt der betreffenden Station der Pflegerin G. ständig Schwierigkeiten machten. Die Anstaltsleitung hat aber bisher nicht die nötigen Schlußfolgerungen gezogen und die betreffenden Vorgesetzten zur Rechenschaft gezogen, sondern sie hat den stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden am Donnerstag fristlos entlassen. Wie die Verwaltung diese Entlassung mit dem Betriebsrätegesez, das für die Beurteilung der Stellungnahme des Betriebsrates und seines Borfizenden lediglich in Frage fommt, in Einklang bringen will, er scheint einigermaßen unverständlich. Der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende( der erste Borsigende ist zurzeit in Urlaub) foll, worauf sich die Verwaltung besonders beruft, für die Mitteilungen im Borwärts" und in der Roten Fahne", die auf den Selbstmord der Pflegerin G. Bezug nahmen, der Verwaltung gegenüber verantwort lich fein.
Nach den angestellten Ermittlungen und nach dem vorliegenden amtlichen Material hat der Betriebsratsvorsitzende immer nur im Auftrage des Betriebsrats gehandelt. Das Vorgehen der Anstaltsverwaltung erweckt aber durchaus den Anschein, als wenn sie sich in bezug auf das Verhalten des Vorsitzenden in seiner Eigenschaft als Beauftragter des Betriebsrats volltommen darüber klar ist, daß Einwände nicht zu erheben sind. In allen schriftlichen Mitteilungen hat man sich nämlich stets an den Pfleger" M. gewandt. Wenn dieser deshalb die Auskunft verweigert hat, so hat er durchaus richtig gehandelt. Die Berwaltung hat es auch nicht einmal für nötig gehalten, sich bei der Beerdigung vertreten zu lassen, was besonders von den Angehörigen der Berschiedenen bitter empfunden wurde.
"
den zuständigen Magistratsstellen bereits eingeleitet ist, die notIm übrigen wird die Untersuchung der Angelegenheit, die von wendige Klarheit nicht nur über das Verhalten des Betriebsratsvor fizenden als Beauftragter seiner Körperschaft, sondern auch über die Vorgänge und über das Betragen der Vorgesezten dem Ausschlaggebende in der ganzen Angelegenheit. Die DeffentPflegepersonal gegenüber bringen. Das ist das Wichtigste und lichkeit hat durchaus ein Interesse daran, zu erfahren, ob es nötig war, daß die Angestellten durch die Behandlung der Borgesetzten in den Tod getrieben werden mußten.
Sechs Berglente tödlich verunglückt. Dortmund , 22. Oftober.( TU.) Heute morgen gegen 5 Uhr ver unglückten auf der Schachtanlage Germania I/ IV in Marten bei Dortmund , 6 Bergleute tödlich. Sie hatten an einem Geil rerbotswidrig einen Bildschacht befahren, wobei das Seil riß. Sämt liche Berunglückten stammen aus Marten. Bon ihnen waren drei verheiratet und brei ledig.