Merrheim gestorben.
Paris , 23. Oftober.( Eigener Drahtbericht.) Der ehemalige Generalsekretär des französischen Metallarbeiterverbandes, Merrheim, einer der Vorfämpfer der Gewerkschaftsbewegung in Frank reich , ist am Donnerstag nach langer Krankheit gestorben. Der franzöfifche Gewerkschaftsbund widmet dem Verstorbenen im Peuple" einen warmempfundenen Nachruf, in dem hervorgehoben wird, daß Merrheim fein ganzes Leben lang ein Beispiel unermüdficher Arbeit und anerkannter Selbstlosigkeit gegeben habe.
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Merrheim war der beste Kopf der französischen Gewerkschaftsbewegung der letzten 25 Jahre. Er kam von der sozialistischen Partei, schwenkte dann, wie fast alle Gewerkschafter Frankreichs , zu den Anarcho- Syndikalisten hinüber, deren Auffassung er mit ebensoviel Talent wie Leidenschaftlichkeit verfocht. Merrheim war aber einer der ersten, der die Schwächen des Syndikalismus erkannte. Er bemühte sich, diese Schwächen auszu merzen und gab, zunächst wohl uneingestanden, nach und nach die Grundsätze des Anarcho- Syndikalismus preis. Der französische Metallarbeiterverband war einer der ersten, der nach dem Vorbilde der deutschen Gewerkschaften sich umgestaltete, geregelte Streit- und Ar beitslosenunterstützung einführte und auch die Verwaltung umge
staltete.
Die größte Bedeutung kommt Merrheim als Wirtschaftspolitifer zu. Mit einem außerordentlichen Fleiße und unermüdlicher Arbeitskraft hat er die wirtschaftlichen Zusammenhänge insbesondere der Metallindustrie studiert. Außer einer Anzahl von Artikeln, veröffentlichte er ein umfangreiches Wert über die Metallindustrie, sowie eine Reihe fleinerer Broschüren über das Taylorfnftem usw.
Merrheim war bei alledem nichtsweniger als ein Nurgewerkschafter. Er hat seine Aufmerksamkeit ganz besonders den internationalen politischen Vorgängen gewidmet. Als der Krieg ausbrach und fast alle Syndikalisten unter dem urgeheuren Druck der deutschen Kriegserklärung und der Verlegung der Neutralität Belgiens durch Deutschland ins patriotische Lager abschwenkten, blieb Merrheim standhaft. Er wurde das geistige Haupt der linken Oppofition innerhalb der Gewerkschaften und ist unter Einsegung feines Lebens, mit Bourderon zur bekannten Konferenz von Zimmerwald gefahren. Seinem Einfluß ist es wesentlich zu danken, daß dann innerhalb der französischen Gewerkschaften schließlich ein Ausgleich auf einer mittleren Linie zustande tam, bevor noch die bolschewistische Zersehungsarbeit einsetzte.
Merrheim war es auch, der am flarsten die Gefahr voraussah, die der Arbeiterbewegung von Moskau drohte. Mit der ihm eigenen Leidenschaft studierte er nunmehr das russische Problem und die bolschewistischen Methoden. Vielleicht wäre der franzöfifchen Gewerkschaftsbewegung die Spaltung erspart geblieben, wenn Merr heim nicht schon von der unerbittlichen Krankheit erfaßt gewesen wäre und mit voller Kraft den bolschewistischen Phrasennebel durch leuchten hätte fönnen. Wir grüßen den toen Kamper und sprechen den französischen Gewerkschaften unser tiefstes Beileid aus.
Unbefriedigender Schiedsspruch.
Für die städtischen Elektrizitätswerke. Bei den heutigen Schiedsverhandlungen wurde nachstehender Schiedsspruch gefällt: Die bestehenden Lohnfähe werden mit Wirkung ab 5. Oktober um je 3 Pf. pro Stunde erhöht. Der Schiedsspruch hat Geltung bis zum 31. Dezember 1925 und fann mit 14tägiger Frift gekündigt werden. Erfolgt feine Kündigung, so verlängert sich die Geltungsdauer um je vier Wochen. Nach den bestehenden tariflichen Bestimmungen ist der Spruch endgültig für beide Parteien bindend.
Für die privaten Elektrizitätswerke wurde am Dienstag ein Schiedsspruch gefällt, der eine allgemeine Cohnerhöhung von fünf Pfennig vorsieht.
Der Machtkampf gegen die Angestellten.
Der Tarifvertrag, den sich die Angestellten durch den Zusammenschluß in ihrer Berufsgewerkschaft errungen haben, ist besonders in neuerer Zeit vielfachen Anfeindungen ausgesetzt. Man geht sogar bazu über, die Entscheidungen behördlicher Schlichtungsstellen zu mißachten, verbindlich erklärte Schiedssprüche auf dem Rechtswege anzufechten. So hat der Verband Berliner Metallindustrieller gegen einen verbindlich erklärten Schiedsspruch Feststellungsklage erhoben,
well angeblich Borschriften des Berfahrens verfekt worden find. I des Jahres 1927 zu sehen, d. H., auf dieser Konferenz die Frage der gewertschaftlichen Freiheit zu behandeln, und eventuell eine diesbezügliche Konvention aufzustellen.
gewerbe, der den Angestelltenverbänden die Attivlegitimation zum Abschluß von Tarifverträgen bestreitet. Ohne Rücksicht auf den Ausgang dieser schwebenden Prozesse werden die Angestellten in ihrem wirtschaftlichen Intereffe sich um so fefter in ihre gewerkschaftliche Organisation eingliedern müssen, weil sie sich das Recht der Mitbestimmung an der Gestaltung ihrer Eristenz nicht verfümmern oder gar nehmen lassen dürfen. Aber nicht nur in Berlin , auch an ande ren Plägen Deutschlands zeigen sich die gleichen Schwierigkeiten. So schwebt z. B. in Mannheim seit Mitte Auguft ein Verfahren um Erhöhung der Gehälter. Der Landesschlichter machte den Parteien einen Bergleichsvorschlag auf eine Erhöhung der Gehälter um 10 Proz. ab 16. August bis 31. Oftober und verwies auf den Weg der direkten Verhandlung. Die Angestellten nahmen den Vorschlag an, die Unternehmer lehnten ihn ab. Nach Anruf der amtlichen Schlichtungsstelle regten nunmehr die Unternehmer eine Berhandung zwischen den Parteien an, aber nur, um den Angestellten nahe zulegen, ihre Forderungen zurückzuziehen. Die Verhandlung vor dem Schlichtungsausschuß flog auf. Man einigte sich dann auf eine freiwillige Schlichtungsstelle, die die Septemberforderungen regein sollte. Hier wurde ein Spruch gefällt, der eine Erhöhung der Gehälter um 8 Broz. für die Zeit vom 1. September bis 31. Dezember 1925 feſtſezte. Während die Angestellten den Spruch annahmen, erflärten die Arbeitgeber, daß sie ihn ablehnen würden.
Wenn so mit den Angestellten umgesprungen wird, darf man sich über ihre zunehmende Erbitterung nicht wundern. Sie ziehen aus diesen Vorgängen die Lehre, daß die Auffassung des Zentralverbandes der Angestellten die richtige ist, durch Stärkung der gewerkschaftlichen Organisation die Grundlage zu fchaffen, um das, was die Arbeitgeber freiwillig zu geben sich weigern, nötigenfalls auf dem Wege gewertschaftlichen Rampfes zu erobern.
Die Musikinstrumentenmacher nehmen an. Eine überfüllte Versammlung der Musikinstrumentenarbeiter nahm gestern abend in der Neuen Welt" Stellung zu dem Ergebnis der Tarifverhandlungen.
in unserer gestrigen Morgenausgabe mitgeteilt haben. Trotzdem sich Boese gab den Inhalt des Vertrages bekannt, den wir schon alle Diskussionsredner gegen die Annahme des Tarifvertrages in der vorliegenden Fassung aussprachen, ergab die geheime Abstimmung jedoch mit einer schwachen Mehrheit die Annahme.
Das in den Tarifvertrag aufgenommene Lohnabkommen läuft bis zum 15. Februar 1926. Die Geltungsdauer des eigentlichen Tarifvertrages muß noch vereinbart werden. Im übrigen steht die Entscheidung der Unternehmer noch aus.
Schiedsspruch für die Meierei Bolle.
Der Schlichtungsausschuß Groß- Berlin hat gestern folgenden Schiedsspruch verkündet: Gruppe I, Handwerker, 45 M.; Gruppe II, Tourentutscher, 42 M.; Gruppe IIIa, Transportarbeiter( schwere Arbeit), 41 m.; Gruppe IIIb, Transportarbeiter( leichte Arbeit), 38 M.; Gruppe IVa, Frauen( schwere Arbeit), 30 M.; Gruppe IVb, Frauen( leichte Arbeit), 27 M.; Gruppe V, Jugendliche, a) männlich 15-16 Jahre 18 m., 17-18 Jahre 21 m., 19-20 Jahre 24 M., b) weiblich 15-16 Jahre 16 m., 17-18 Jahre 18 M., 19-20 Jahre 21 m. Der Lohnvertrag soll gelten vom 16. Oftober bis zum 31. Dezember 1925. Die Erklärungsfrist ist auf den 29. Oktober festgefeßt. Der Schiedsspruch wurde ohne die Stimmen der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeisiger durch den Vorsigenden allein gefällt. Bei den Verhandlungen hat der Vertreter der Meierei Bolle, Assessor Wehrhahn, folgende Erklärung abgegeben: Bei den Berhandlungen im Reichswirtschaftsministerium zur Verminderung der Handelsspanne habe er auf die schwebende Lohnbewegung der der Handelsspanne verhindere. Die Bertreter des ReichswirtschaftsArbeitnehmer der Meierei Bolle hingewiesen, die die Herabjegung ministeriums haben aber darauf erklärt, daß die Regierung die Schlichter angewiesen hätte, teine Cohnerhöhungen zu gewähren! Der Schiedsspruch zeigt jedenfalls die Auswirkung der Anweisungen der Luther - Regierung.
Ein Ueberläufer.
Der bisher beim Zentralverband der Angestellten als Reichsfachgruppenleiter für die Fachgruppe Versicherungsangestellte tätig ge= wesene Gustav von Tein hatte sich von dem Allgemeinen Verband der Versicherungsangestellten eine Stellung anbieten lassen. Ehe er der Angestellten Forderungen, die mit einer Gehaltszulage sich über dieses Angebot entschied, stellte er an den Zentralverband verbunden waren. Als ihm diese nicht voll zugesichert werden konnten, weil seine Fähigkeiten mit seinen Forderungen nicht in Einflang zu bringen waren, nahm er das Angebot des Allgemeinen Verbandes der Versicherungsangestellten an. Bisher hatte v. Tein den Verband, in dessen Dienst er nun getreten ist, als eine den Interessen der Versicherungsangestellten schädliche Zersplitterungsorganisation befämpft. Die freigewertschaftliche Angestelltenbewegung verliert an diesem Ueberläufer nichts.
Borschußzahlung an städtische Arbeiter, Angestellten und Beamten. Auf vielfache zu uns gelangte Anfragen wegen der Auswirkung des sozialdemokratischen von der Stadtverordnetenversammlung angenommenen Antrages, betreffend die Zahlung von Vorschüssen an die Angestellten, Beamten und Arbeiter der Stadt Berlin , teilen wir nach einer von uns gemachten Feststellung mit, daß der Magistrat Berlin bisher noch nicht endgültig in dieser Frage entscheiden konnte. Sobald dies geschehen ist, werden wir genauere Mitteilungen machen.
Berantwortlich für Politik: Ernst Reuter ; Wirtschaft: Artur Gaternus; Gewerkschaftsbewegung: Friede. Ekkorn; Feuilleton: K. H. Döscher; Lokales und Sonstiges: Frik Karstädt; Anzeigen: Th. Glode; sämtlich in Berlin . Verlag: Borwärts- Berlag G. m. b. S., Berlin . Drud: Vorwärts- Buchdruckerei und Verlagsanstalt Baul Ginger u. Co., Berlin SW. 68, Lindenstraße 3. Sierzu 1 Beilage.
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Gegen die Unterdrückung der Gewerkschaften in Italien . ( IGB.) Auf der in Genf abgehaltenen Sigung des Berwaltungsrates des Internationalen Arbeitsamtes lenfte Genosse Dubegeeft, Sefretär des Internationalen Gewerkschaftsbundes , im Namen der Arbeitergruppe im Zusammenhang mit der für alle Länder durchgeführten Erhebung über das Brinzip der ge. Auf Teilzahlung! wertschaftlichen Freiheit die Aufmerksamkeit des Rates auf das ungefeßliche Verhalten der italienischen Regierung gegenüber den freien Gewerkschaften sowie auf den fürzlich in Italien zwischen der Unternehmer- Föderation und den faschistischen Gewerkschaften abgeschlossenen Vertrag hin, der die Berlegung der gewertschaftlichen Freiheit und die Erteilung eines gewerkschaftlichen Organisationsmonopols an die faschistischen Organisationen bedeutet. Es wurde mit großer Stimmenmehrheit beschlossen, diesen Buntt auf die Tagesordnung der Internationalen Arbeitskonferenz
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