fm anüerer Dolchstoß.Bayerisches Echo der Regierungskrise.München, 2S. Okwber.(Eigener Drahtbericht.) Mit Ausnahmedes deutschnationalen Parteibialtcs wird hier die Entlcheidung derDeutschnationalen entschieden verurteilt. Das Organ derbayerischen Regierung, die„Staatszeitung", spricht von einergewagten Politik,„weil sie durch das Herbeiführen einer Regierungs.krise im gegenwärtigen Augenblick die leisen Anfänge zu einerKonsolidierung der europäischen Lage, die durch den Sicherheits-pakt und die Verhandlungen von Locarno zweifellos herbeigeführtwurden, wieder vernichtet und damit die ganze Welt, nicht nurdie Alliierten, zu neuem Mißtrauen Deutschland gegenübernötigten. Nicht minder gewagt ist es. wenn man in einer Zeit.in der die Wirtschaftskrise auf das höchste gestiegen ist und dieTeuerung die Massen lebhaft bewege, die Regierung womöglich indie Zwangslage versetze, Neuwahlen auszuschreiben".In außerordentlicher Erregung versetzte sich beim Eintreffen derdeutschnationalen Entscheidung am Sonntag abend der gerade zuseiner Schlußsitzung versammelte Landcsparteitag derDeutschen Volkspartei. Diese Erregung äußerte sich in derErklärung, daß die Hallung der Deutschnationalen„ein neuerDolchstoß in den Rücken des deutschen Volkes" dar-stelle,«in Urteil, das sich der ganze Parteitag unter Anwesenheitdes Staatssekretärs Kempks und des Abg. Gcheimrat K � h l zueigen machte.Schwermöustrielle Setlemmun�en.Nngst um Locarno.Essen, 25. Oktober.(Eigener Drahtbericht.) Die rheinisch-westfälische Schwerindustrie ist von der durch die Deutsch-nationale Partei provozierten Rezicrungstris« äußerst unan-genehm überrascht. Sie befürchtet unangenehme Wirtschaft-liche Rückwirkungen infolge der Gefährdung der ausländischenJndustriekreditverinrndlungen. Man glaubt serner, daß durch dieReglerungskrise auch eine weitere Verzögerung des Rhein-Ruhr-Trusts bedingt wird, da die Behandlung der für den Industrie-zusammenschluh hochwichtigen Steuerfroge jetzt wieder aufWochen verschleppt werde. Die Behandlung der Steuersrage durchdie Reichsregiening fei infolge der sehr entgegenkommen-den Haltung Luthers und Stresemanns bereits weit gediehen.Von einer neuen Regierung, die vielleicht mehr links orientiertsei, könne das von dein bisherigen Reichskabinett gezeigte Entgegen-kommen dagegen nicht erwartet werden.Recht bezeichnend für den Katzenjammer in den Kreisen derSchwerindustrie ist die Haltung der„Rheinisch-WestfälischenZeitung". Solange mit dem bestimmten Ilmfall der deutschnationa-l n Reichstagsfraktion gerechnet werden kannte, wußte das Blattseine Kritik am Verhandlungswcrk von Locarno nicht scharfgenug einzustellen. Jetzt beeilt es sich, zum Ausgleich und zu einerBehebung der Krise zu raten, indem es schreibt:„Schneller als zu erwarten, ist dieser Beschluß gefaßt worden.Sicher ist er ais Zeichen lebhaften nationalen Verantwortungs-gesühls zu werten. Verständlich ist die Schnelligkeit, mit der dieserendgültige Beschluß gefaßt wurde aber nur dann, wenn tatsächlichfeststeht, daß außer den in den Paktentwürfen niedergelegten Ver-einborungen in Locarno nichts erreicht worden ist. Ob dies derFall ist oder ob tatsächlich die bisher laut gewordenen Erklärungen� Ariands und Chamberlains nur als Beruhigungsreden für dieöffentliche Meinung Frankreichs und Englands anzusprechen sind.denen im Hintergrunb weitere mündliche Zugeständ-niss« an die deutsche Delegation enigegnstehen, wirb sich in den;nächsten Stunden entscheiden müsien. Denn es ist jetzt durch den!Rücktrillsbeschluß der deutschnationalen Reichsminister der letzteTermin lür die deutsche Delegation gekommen. Zusagen, die siein Locarno etwa von England und Frankreich mündlich erhielt, denFührern der Parteien, wenn auch vertraulich, bekanntzugeben, unddadurch eine Beilegung der Krise herbeizuführen.oder aber— endgültig anzuerkennen, daß garantiert« Zu-sagen der Gegenparteien in Locarno nicht gemacht worden sind,daß also das Ergebais der Verhandlungen von Locarno einen beut-jchen Mißerfolg bedeutet, wodurch allerdings der deutschnationaleUnser neuer Roman.Elara Biebig hat auf unsere Bitte chrem neuen Roman,i« heute bei uns zu erscheinen beginnt,«in paar Geleitzeilen vor-»ngeschickt:„Sie wünschen, daß ich dem Abdruck meines Romans ein paareinführende Worte vorausschicke, damit Ihre Leser wissen, was ihrerwartet. Ich kann dos wohl verstehen. Berstehen, daß Sie sie nichtmit einem Werk gewissermaßen überfallen wollen, da» an ihrinnerstes Herz greifen, sie in den tiefsten Tiefen ihres menschlichenEmpfindens aufrütteln soll. Ja, ich schildere in meiner„Passion"eine» armen schuldlosen Menschenkindes Leidensweg, der ohnegleichen scheint und doch der Leidensweg vieler Tausender ist. Ichhabe es gewagt, hier von einer Krankheit zu sprechen, über die ein«konventionelle Moral den Schleier der Prüderie deckt. Dadurch istsie zu einem sozialen Problem nicht nur unseres Volkes, sondernder ganzen Welt geworden.Zur Lösung dieses Problems sind von privaten Stellen erstschüchterne Versuche gemacht worden, während die sozialen Folgender Tuberkulose seit langem vom Lande bekämpft werden. BeideKrankhelten sind nicht nur von ärzilichen, sondern auch von sozialenGesichtspunkten zu betrachten, denn Jahr für Jahr fordert dieSyphilis nicht viel weniger Opfer als die Tuberkulose und ebensoUnschuldige.Den Weg eines solch unschuldigen Opfers der„Sünden derVäter", wie man zu sagen»siegt, verfolge ich in meinem Romanund hoffe, es ist mir gelungen, die Sünden dabei aufzudecken, diedie Allgemeinheit an ihnen begeht.Nicht die Geschichte eines kranken Menschen habe ich geschrieben,sondern die Geschichte eines kranken Volkes. Möge sie ein wenigdazu helfen, daß es gesundet!"Das Ense See Dame.Don Friederike Umlauft.Wir erleben es täglich, daß es Menschen gibt, die für Welt-geschehniss« umwälzendster Art taub und blind geblieben sind und inihren verstaubten Rüstkammern weiter vegetieren wie Motten inalten zerfressenen Pelzen. So stimmt eine„Zarte Dame" in Nr. 506de»„Berliner Tageblatts" eine„Große Klage" an über das Ver-schwinden der Dam«. Sie schreibt unter anderem:„Der heutige Welt-geist negiert, bezweifelt, ignoriert, profaniert und brutalisiert dieDam«... eine ideal umwobene Erscheiming, in der man gleichsamden Begriff der Königin in jedes Weib übertrug." Wenn man sichdos Ideal der Dcrfasserin jenes Artikels zu eigen machen wollte, sowäre der Tod der Dame als großer Sieg der Menschlichkeit zu be-zeichnen. Denn jene„Dame", eine Drohne, da, Luxusprodnkt derherrschenden Schicht, liebäugelte w vergangenen Zeiten mit allenBeschluß seine Rechtfertigung erfahre» würde. Der devtschnatwnal«Beschluß muß den Verhandlungspartnern jenseits de» Rhein«? undan der Themse mit aller Klarheit zu oerstehen geben, daß es höchsteZeit ist, sich über die Deutschland zu machenden Konzessionenschlüssig zu werden oder sie, salls sie in Locarno zugesagt wordensein sollten, schleunigst in die Tat umzusetzen."Es scheint, daß die„R h e i n i s ch- W e st f S l i s ch e Z e i t u n g"seit mehr als acht Tagen in einen tiefen Schlaf oerfallen ist. Lutherund Stresemann haben wiederholt erklärt, daß garantierteZugeständnisse nicht gemacht worden sind, und soweit unverbindlicheErklärungen der alliierten Minister gemacht wurden, sind darübernicht nur die Parteiführer, sondern auch die Delegier-ten aus dem Rheinlande unterrichtet worden! Alles dashat das Organ der Schwerindustrie verschlasen!Die Verstänüigung über Sie Räumung.Köln z« Jahresanfang wahrscheinlich frei.L o a d o n. 26. Oktober.(WTB.) ver-mkllche englisch« Funk.dienst meldet: Die Nachricht, daß der Oberkommaadierende der englischen Slreilkräfle in Köln angewiesen worden ist, beschleuaigleVorkehrungen für die Räumung dieser Stadl zu treffen, hat hier ollgemeinen Beifall gesunden.Die Bewirkung der Räumung erfordert naturgemäß einige Zeil,aber wenn nichts Unvorhergesehene» einkritk. kann damil gerechnetwerden, daß die Räumung zu Anfang de» ueneo Jahresdurchgeführt sein wird.Da die Rheinlandsbesetzuag eine Angelegenheit der AlMerleaist. wird sich Enzland auch weiterhin daran beteiligen. Die imRheinland verbleibenden Truppen sollen in die Gegend von Mes-baden verlegt werden, wo mau sie aeben den französischen unter.zubringen hofft.Aber die Botschafterkonferenz entscheidet.London, 26. Oktober.(WTB.) Wie Reuter erfährt, kann, be-vor nicht die B o t s ch a f t e r k o n f e r e n z, die morgen in Pariszusammentritt, ihre Beratungen über die Entwaffnung Deutschlandsund die letzte deutsche Not« abgeschlossen hat und bevor nichtdas ordentliche Verfahren zu Ende geführt ist, irgendeine endgültigeEntscheidung über den Zeitpunkt der Räumung der Kölner Zonenicht gefällt werden.Chamberlain auch wegen der Entwaffnung in Paris.Paris. 26. Oktober.(TU.) Der Besuch Chamberlain» in Pariswird nicht nur seiner Teilnahme an der heut« nachmittag statt-sindendcn Sitzung des Völkerbundsrctes gelten, sondern auch zueiner Aussprache mit Briand über die auf die deutsch« Entwaff-nungsnote zu erteilende Antwort Gelegenheit geben.Die Do!chftoß!üge in höchster Not.General v. Kühl gibt sie preis— Kuttner rechnet mitCosimanu ab.München, 26. Oktober.(Eigener Drahtbericht.) Ixn Dolchstoß-prozeß kam am Montag der letzte Zeuge des Klägers Coßmann zuWort, der seine Aussagen zugleich vermischte mit einem Gutachtenals Sachverständiger: General a. D. Hermann von Kühl, der währenddes ganzen Krieges Generalstabschef der Armee Kronprinz Rupprechtvon Bayern war und bekannt geworden ist durch seine ausführlicheDenkschrift für den parlamentarischen Untersuchungsausschuß. Seinemehrstündigen Ausführungen ließen ihn als einen Anhänger derDolchstoßlegende von ganz besonderet Eigenart erkennen, da er aufGrund seiner genauen Kenntis der Lage an der Front den Vorwurfdes Dolchstoßes in den Rücken des Heeres nur gelten lassen willmit Bezug auf die Revolution vom 7. November, die nachseiner Ansicht den deutschen Streitkräften die Möglichkeit des Weiter-kämpfens genommen hat. Wohlgemerkt: die Möglichkeit desWeiterkämpfens, nicht aber etwa die des Sieges;denn der Sieg war nach seiner Anstchl seil dem Schcikern derdeutschen Alärzoffeusive tSIS für Deulschlaud unmöglich mehrzu erringen.Zusammengedrängt erklärte der General folgendes: Wirkönnen nicht behaupten, daß wir den Krieg lediglich durch dieUnterwühlung des Heeres verloren hätten. Es mußte naturgemäßInstitutionen, welche spätere Revolutionen zu befestigen bestrebtwaren. Jenes Ideal der Dam« entspringt der ritterlichen Romantik.Auch heute ist es noch die sogenannte Dame, die berechtigt zu seinglaubt, auf den arbeitenden Menschen herabzusehen, die ihre Söhn«zu einem falschen Ehrbegriff und Heldentum erzieht und die mitSchuld ist an der unsozialen Einstellung unserer bürgerlichen Jugend.Wir Frauen, die wir gottlob die Dame in jenem Sinn überwundenhaben, erziehen unsere Töchter so. daß ihnen die Arbeit etwas Selbst-verständliches ist uild man von ihnen hoffen darf, daß sie einmal dieMütter einer körperlich und seelisch gesunden Generation werden.Hatte eine„Dame" im Jahr 1918 Verstand, soziales Empfindenund wahre Würde, d. h. war es chr lästig, den anderen zur Lastzu fallen, dann bestand sie, durch schwere Rot sich hindurchringend,die Prüfung. Man kennt sie in Scharen, ehemals elegante Ge-nießerinnen, heute mitten im praktischen Erwerb stehend. IhreSinne, für das Menschliche geschärft, haben auch zu Natur und Kunsteine tiefere Beziehung gefunden. Wenn die Verfasserin ein Lobliedauf einen modernen Leichnam anstimmen würde, so möchte es nochhingehen. Die schärffte Zurechtweisung erfordert aber die tolldreisteund unverantwortliche Behauptung, daß heute an Stelle ddr Dam«die Dirne getreten sei.„Die Dirne sitzt heute am Putztisch, dendie Dame verlassen hat, sie sitzt an der Stelle der Dame im Wagen, imSalon, im Theater... Die Dirne versucht sich heute als Braut undGattm, Herrin des Hauses, ja selbst Mutter manchmal— imAeußeren oft fast nicht zu unterscheiden von der Dame, und dennoch,wenn auch noch so gut oerborgen hinter ihrer Maske, unverkennbarmrd unverleugbar gezeichnet mst dem Mal ihrer Art."Es geht nicht an, daß solche Dinge in einer weitverbreiteten,demokratischen, republikanischen Zestung von uns Frauen gesagtwerden können, ohne uns zu berechtigtem Protest herauszufordern.Literarische Zufallsspiele.Wie Samen, der, durch Zufall vom Wind auf eine öde Inselgetragen, dort Pflanzen entstehen läßt, so werden auch geistig«Anregungen verstreut, die dann plötzlich ein großes Kunstwerterblühen lassen. Für diese Erscheinung führt Frig Adolf Hünichin einem Aufsatz der Leipziger„Illustrierten Zeitung" zwei be-zeichnende, wenig bekannte Beispiele an. Am Dienstag, den17. August 1847, ersckien in der„Leipziger Zestung" die folgendeNotiz:„Leipzig, 16. August. Heute fand man in der Nähe vonNeusellerhausen die Leichname eines Jünglings und eines jungenMädchens, die beide durch einen Pistolenschuß getötet worden waren.Man vermutet, daß der junge Mann zuvörderst das Mädchen unddann sich selbst getötet, und die Ursache dieser schrecklichen Tatunglückliche Liebe gewesen sein möge." Am 2. September gab danndas„Leipziger Kreisblatt" Näheres bekannt; unterdessen war aberdie Kunde von der Begebenheit schon in die Ferne gedrungen, undam I. September konnten die Züricher in ihrer„Frestagszeitung"unter der Rubrik Sachsen lesen:„Im Dorf Altsellerhausen beiLeipzig liebten sich ein Jüngling von neunzehn Jahren und einMädchen von siebzehn Iahren, beide Kinder armer Leute, die abersehr vieles dazu kommen, mn Deutschland zu Fall zn bringen. I»erster Linie steht hier die Blockade, nachdem da» deutsche Voltbis an die äußerste Grenze seiner Leistungssähigkeit gegangen war.Dann fehlte unserem stark erschöpften Heere der Ersatz. Wir finddann fernerder großen lleberlegenhdl der Ealenle unierlegen, nachdem dieAmerikaner schuellec, als wir angenommen hallen, aus demFelde erschienensind. Bon großem Einstuß war schließlich der Z u s a m m e n b r u chBulgariens, der Türkei und die völlige E r i ch ö p s u n gOest'erreich-Ungarns. Wie weit militärische Fehlerder Obersten Heeresleitung an dem verlorenen Krieg schuld haben,will ich nicht erörtern, beliaupte aber, daß die Oberste Heeresleitungdas Menschenmögliche geleistet hat. Wir waren im Sommer1918 mit unserem Ersatz so ziemlich zu Ende. Wirmußten Divisionen auflösen und die Mannschaftsstärken derKompagnien verringern. Hier liegt mit der Hauptgrund derNiederlage. Dieser Mangel kam von den außerordentlichen Ver-lusten in den Sommerschlachten 1918. Wir haben in der Zest vonJanuar 1918 bis zum Wassenstillstand an Toten und Verwundetenetwa 420 000 Mann verloren und in derselben Zeit an Gefangenenund Vermißten 340 000. Die letzte ungeheure Zahl ist zuruckzu-führen auf die große Zahl der Fahnenslüchtigen, lleberläufer undDrückeberger. In den Bahnhöfen der Etappe lungerten viele Zchn-tausende herum, meist Leute aus dem Urlaub, an die sich in derHeimat der zersetzende Einfluß herangemacht hatte. Gewiß ist zuzu-geben, daß sich die Gesamtlage Deutschlands im Sommer 1913außerordentlich verschlechtert haste. Auch muß zuge-geben werden, daß unsere Betriebsstoffe für die Fliegerwafse undlür die Kraftwagen sehr knapp waren, nachdem wir nicht mehr überRumänien verfügen konnten. Die Behauptung läßt sich also nichtaufrechterhallen, daß lediglich der Dolchstoß uns die Frucht desSieges genommen hat. Aber die pazifistische und revolutionäreUnterwühlung unseres Heeres hat zum Zusammenbruch ganzwesentlich beigetragen.Am 10. November war milikörisch alles für Deutschland verloren.Es war nicht mehr möglich, den Krieg weiterzuiühren. Ich bin derKien Ueberzeugung, daß es möglich gewesen wäre, ohne Revolutionn Kriegweiksrzuführeu, freilich nicht um zu siegen.sondern um die Bedingungen zu mildern, unter denen uns derFriede bevorstand. Wir haben seit Sommer 1918 niemalsmehr an einen Sieg gedacht.(!) Das Wort vom Dolchstoß indem vielgebrauchten Sinn, als ob die Heimat dem siegreichen Heerin den Rücken gefallen sei und als ob nur dadurch der Krieg ver-loren worden wäre, trifft also nach meiner Ansicht nichtzu. Wir sind aus vielen Gründen unterlegen.Nach dem Vortrag des Generals stellte der Verteidiger Hirsch-berg eine Reihe von Fragen. Bon den Antworten ist u. a. inter-essant, daß die vielgerühmten Ausnahmestellungen hinterder Maos nach den verlorenen Schlachten im Juli und August 1918noch gar nicht gebaut, sondern nur ausgesucht und pro-j e k t i e r t waren. Es ist also durchaus zweifelhast, ob das Fest-halten dieser Stellungen überhaupt gelungen wäre.Dann kam der erste Zeuge des Beklagten, und zwar derGenosse kuliner, zu Wort. Auf Grund seiner persönlichen Erleb-nisse als einfacher Soidai an der Front und später dann als Redak-teuer der jozialdemotratlschen„Feldpost", wo tausende und aber-tausende Briefe von Frontsoldaten durch seine Hände gingen, hasteGenosse Kuttner nach Angabe des Gerichtsvorsitzenden die Aufgabe.zunächst seine selten große Kenntnis von der Stimmung an derFront, d. h. von den vorherrschenden Mißständen,wiederzugeben. Der Zeuge kam dieser Aufgabe mit außerordent-licher Gewissenhaftigkeit nach und haste dabei trotz seiner schwerenAngriffe auf gewisse Teile des Offizierkorps das Ohr des pan-zen Gerichtssaales für sich. Er bracbte eine beinahe i.müber-schbare Zahl von Beisvielen über die Wißstimmung betr. Gr»nährrmg, schlechtes vuartier, Soldcstemnißhandlungen usw. und stütztesich dabei meist auf Originaldokumente. Er schloß diesen Teil seinerAusführungen mit dem Satz:„Wenn man mit dem Schlagwort„Doichttoß" von hinten" operiert, so scheint mir hier ein Messerwirksam gawesen zu' sein, an dem sich Korkzieher für dieSektflaschen und Büchsenöffner befunden haben."Im zweiten Teil seiner Zeugenaussage haste sich Genosse Kutt-ner in einer kritischen Würdigung einzelner Fälschungen in denCoßmonn-Heften zu äußern. Auch hier gelang es ihm, an der Handseines eigenen rerchhalligen Materials den Veröffentlichungen Coß-manns das wissenschaftliche Mäntelchen wegzureißen und sie alsdemagogische Verdrehungen und Halbheiten zu charakterisieren. AmSchluß nahm Kuttner sich noch den Admiral von Trotha vor.in einer tödlichen Feindschaft lebten und nicht in eine Vereinigungdes Paares willigen wollten. Am 13. August begaben sich dieVerliebten in eine Wirtschaft, wo sich arme Leute vergnügen, tanztendaselbst bis nachts l Uhr und entfernten sich hierauf. Am Morgenfand man die Leichen beider Liebenden auf dem Felde liegen: siehatten sich durch den Kopf c>eschossen." Ein Schweizer Dichter lasdiesen Bericht; er wurzelte m seinem Herzen, und nachdem er erstversucht hatte, di« Geschichte in einem kleinen episcken Gedicht zugestalten, entstand Gottsried Kellers schönste Novelle„Romeound Julia auf dem Dorfe".Am 3. Juni 1821 erstach der 41 Jahre alte Friseur JohannChristian Woyzeck die 46jährige Witwe des Chirurgen Woolt indem Hauseingang zu ihrer Wohnung in der Sandgosse zu Leipzig.Da über die Zurechnungsfähigkeit des Mörders Zweifel auftauchten,entspann sich eine langjährige Untersuchung, bis schließlich Woyzeckdoch des Mordes für schuldig erklärt und am 27. August 1824 dasTodesurteil auf dem Marktplatz zu Leipzig mit dem Schwert voll-streckt wurde. Das gerichtsärzlliche Gutachten, das 1824 und 1826in Henkes„Zeitschrift für Staatsarzneikunde" veröffentlicht wurde,beschäftigte die wissenschaftlichen Kreise und kam auch einem jungenStudenten der Naturwissenschaften in Darmstadt zu Gesicht. SeinGenie schuf aus dem Stoff ein Drama, das zwar Bruchstückgeblieben ist, aber zu den großartigsten dramatischen Werken unseresSchrifttums gehört: Georg Büchners„Wozzeck".Weitere Erfolge des„Aulog'ro". Der spanische IngenieurJuan della Cierva hat sein« Flugversuche mit dem Autogiro inFarnborough iortaesetzt. Dabei lölie der Apparat mehrere der vomLuftfahrtsministerium gestzlltcn Aufgaben, die eine Landung aufGebäudedächern und Schiffsdecks selbst bei schlechtem Wester füreine nahe Zukunft voraussehen lassen. Aus den Versuchen ergabsich, daß der Autogiro zwar nicht senkrecht abfliegen kann, aber miteinem Raum von 50 bis 90 Meter auskommt. Wie der Erfinderbehauptet, ist dieser Raum auch nur für die zu den Versuchen be-nutzte Modellmaschine erforderlich, während eine große Maschineeinige 20 Meter benötigen würde. Der Abstieg und di« Landungerfolgten dagegen vertikal, wobei sich der Apparat ohne jede Er-schütterung hinsetzte, wie etwa ein Bogel. Der den Dersuchsapparatvorführende Flieger, Hauptmann Courtney, erklärt«, daß»räch seinerMeinung die Erfindung ein« glänzend« Zukunft habe.Die Skrauß.Feiern in Deulschöflerreich. In ganz Oesterreich fandenam Sonntag große»trauß-Feiern statt. Vom jrühen Morgen bisin die späten Abendstunden herrschte überall reges Leben. Den Höhe-punkt der Feierlichkeiten in Wien bildete die große Huldigungsfeiervor dem Strauß-Denkmal im Stadtpark. Hierzu war das ganz«offizielle Oesterreich mst dem Bundespräsidenten Hainisch an derSpitze erschienen. Bundespräsident Hainisch sagte in seiner Ansprache.daß es ihm unerklärlich sei. wie eine wilde Trommelmusit dieschönen Wiener Walzer von Strauß habe oertreiben können.Der dänische Henker wird abgebaut. Die dänische Regierung hatihrem Henker mit halbjähriger Frist gekündigt, da seit Iahren derMann arbeitslos war und nur noch sein(Behalt einstrich. InDänemark hat seit 20 Jahren keine Hinrichtung mehr stattgesunden.obwohl die Todesstrafe offiziell noch nicht abgeschasst ist.