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Nr. 52942. Jahrg. Ausgabe A nr. 270

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-Sozialdemokrat Berlin

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutfchlands

Redaktion und Verlag: Berlin SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297.

Sonntag, den 8. November 1925

Vorwärts- Verlag G.m.b. H., Berlin SW. 68, Lindenstr.3

Boftfchedtonto: Berlin 37 536 Banffonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Wallstr. 65; Diskonto- Gesellschaft, Depofitentaffe Lindenstr. 3.

Geburtstag der Republik .

Ein Ehrentag der Sozialdemokratie.

Bor einem einzelnen Amtsgerichtsrat in München wird seit Wochen versucht, die Vorgänge einer weltgeschichtlichen Umwälzung noch einmal vor der Mitwelt erstehen zu lassen. Admirale aus der Vorkriegszeit wetteifern mit Generalstabs­offizieren des Kaiserreichs, um den" Dolchstoß" zu erweisen, drch den das deutsche Heer kampfunfähig gemacht und der Boden für die Revolution bereitet worden sei.

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Die armen Schächer haben auch heute, sieben Jahre nach dem Zusammenbruch, immer noch nicht begriffen, daß die deutsche Staatsumwälzung vom November 1918 weder von Novemberverbrechern" herbeigeführt noch durch einen Dolch fto" vorbereitet werden konnte. Die Revolution als Um wälzung des bisherigen Staatswesens war die notwendige Folge des politischen und militärischen Zusammenbruchs. Sie mar unausbleiblich geworden, nachdem die ganze Front der Mittelmächte in der Türkei , in Bulgarien , in Ungarn - nach einem militärischen Ringen von bis dahin unerhörten Ausmaßen im wahrsten Sinne des Wortes zusammenge: brochen war. Sie war auch in Deutschland und gerade hier unvermeidlich, weil die bis dahin herrschende Junkerklasse auch nicht einen Funken von Einsehen in politische Notwendigkeiten gezeigt hatte; weil sie noch bis in die letzten Stunden frampf haft an ihren Privilegien festhielt und nicht einsehen wollte, daß der Frontsoldat von 1918 nicht mehr der Garderekrut von 1891 war, den Wilhelm II. noch zum Schießen auf Bater und Mutter fommandieren zu dürfen glaubte.

recht zum Reichstag zu verschlechtern, statt in Preußen das gleiche Wahlrecht einzuführen!

Sie tragen ein vollgerüttelt Maß von Verantwortung dafür, daß die Stimmung des Boltes während der Kriegsdauer sich bis zur Revolutionsstimmung steigerte!

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Die trübfeligste Erinnerung an die Novembertage von 1918 ist die an die Jämmerlichkeit derer, die vorher Herren spielen wollten. An jene konservativen Führer, die bei den Bolksbeauftragten um Geleitscheine bettelten, damit sie sicher auf ihre Klitschen gelangen tönnten. An jene Prinzen, Grafen und erlauchten Herrschaften, die auf ihren Raubritter­burgen den roten Wimpel hißten und fich den Arbeiter und Soldatenräten zur Verfügung" stellten, damit ihnen kein Leid geschähe. An jene Monarchisten, die aus blaffer Furcht Leid geschähe. An jene Monarchisten, die aus blasser Furcht dem alten Ludwig von Bayern Gastfreundschaft verweigerten, als er mit seiner bejahrten Gattin auf der Landstraße einen Unfall erlitten hatte.

In jenen Tagen der Feigheit und des Bersagens aller Streise, die bisher die Führung" als ihr angestammtes Recht in Anspruch nahmen, in jenen Tagen blieb die Sozial de motratie, die perlästerte, befehdete, nerfolgte Sozial demokratie der letzte Hoffnungsanfer für alle wahren Bater­landsfreunde. So parador es flingen mag, so wahr ist es: die internationale Sozialdemokratie mußte Deutsch land als Nation retten! In die Hand ihres Führers Ebert Die Revolution von 1918 fiel in einem furchtbaren Herbste gab der letzte faiserliche Kanzler, Mar von Baden, die Ge­wie eine reife Frucht vom Baum einer langen Entwicklungs- schäfte des Reiches, als alles andere versagte. Obwohl felbft reihe. Sie war weder gemacht noch vorbereitet. Sie tam, ein Thronfolger nach ererbtem Recht, gab diefer Prinz alle meil sie nach dem Erlebnis des Weltkrieges so oder so- Hoffnung und alles Vertrauen in die Hand der Sozialdemo­fommen mußtel fratie! Das war das Ereignis des Novembers 1918!

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Zweifellos sind durch den Friedensschluß Tausende von Offizieren plötzlich aus ihrem Kreis geworfen. Zweifellos batten sie ihr Leben ihrem militärischen Beruf und ihrer Karriere gewidmet, und es ist menschlich verständlich, wenn sie die nur an die militärische Unüberwindlichkeit des deut­fchen Heeres glauben gelernt hatten von der militärischen Niederlage ebenso überrascht wurden, wie von ihren politischen Auswirkungen. Aber gibt das den mehr oder weniger alten Herren ein Recht, ein geschichtliches Geschehen nur aus dem Sehwinkel eines militärischen Refrutenunterrichts zu be­trachten? Sollten nicht auch fie fich bemühen, weltgeschichtliche Ereignisse in weltgeschichtlichem Zusammenhang zu begreifen?

Nicht nur Deutschland hat seit den Novembertagen von 1918 ein anderes Gesicht erhalten. Das ganze alte Europa ist verändert. Fürstenfronen, um deren Gewinnung der Welt frieg fogar verlängert wurde, find zu Dußenden in den Staub gerollt. Nicht nur in Deutschland , wenn ihre Zahl auch hier dank der besonderen Berfassung des alten Reiches ungewöhn lich groß war. Alte Staatengebilde mit vielhundertjähriger Geschichte zerfielen. Neue Staaten sind entstanden. Und überall ist die Republik an die Stelle von Monarchien ge­treten, die demokratische Selbstverwaltung des Volkes an Stelle feudaler Bevormundung. Das ist eine Tatsache, die dem und jenem, der am alten hing, schmerzlich fommen mag, die ihm aber nicht Anlaß geben sollte, über die Mitwelt zu greinen, die weiter blickt als er selbst.

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Die Sozialdemokratie hatte ein halbes Jahrhundert, seit ihrer Gründung, für die De motratifierung Deutsch­lands gefämpft und gleichzeitig für die Durchdringung des öffentlichen Lebens mit sozialem Gedankengut. Sie hatte in Deutschland in schärfstem Gegensatz zu der herrschenden monarchistischen Selbstvergötterung, dem persönlichen Re­giment", für den Reichstag diejenigen Rechte gefordert, die er heute hat. Sie blieb allein in diesem Kampfe. Vor dem Stirn­runzeln der Monarchen flappten alle zusammen, selbst wenn einmal der Anlauf zu einer Befferung unternommen war.

Wenn das Wort wahr ist, daß an einer Revolution nicht das Volk schuld sei, das sie unternimmt, fondern die Herrschen­ben, die notwendige Reformen unterlaffen oder verhindern, dann trifft auf die Gesamtheit der bürgerlichen Parteien Deutschlands , insonderheit auf die alten Konservativen und Nationalliberalen der Vorwurf zu, die deutsche Revolution verschuldet zu haben! Sie haben sich gesträubt, notwendige Reformen durchzuführen. Sie weigerten fich, selbst den tämpfenden Feldgrauen das gleiche Wahlrecht zu geben. Sie verhinderten, daß rechtzeitig die demokratische Kontrolle über die Handlungen des unberechenbaren letzten Kaisers durchge­führt wurde. Sie verhinderten, daß dem Reichstag die Rechte eingeräumt wurden, die jedem Parlament in einem demo­fratischen Bande zustehen. Sie waren sogar bereit, das Wahl­

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Und das ist ein Ehrenmal für die sozialdemokratische Be­wegung! Sie hat, als alles um fie verfant, festgestanden im brandenden Meer. Sie hat, als die Lockrufe von Osten nach der Diftatur des Proletariats" schrien, nicht einen Augenblid

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vergessen, daß sie die Sozial Demokratie verförpere. Sie hat sich nicht durch den Unsug der Spartafisten" beirren lassen und nicht durch Zweifel in den eigenen Reihen. Sie hat überall im Reiche die Führung an sich genommen: In den Staaten, den Provinzen, den Gemeinden. Sie hat sich wieder verläſtern lassen müssen. Aber sie hat die Nationalversamm­lung durchgefeht und dadurch dem neuen Reich die republi­fanische Verfassung geschaffen. Sie hat den Best and des Reiches als Einheit gesichert, als die Zerreißung und der Berfall faft unvermeidlich schienen.

Nach den revolutionären Novembertagen ist die Reaktion auch in Deutschland wieder erſtartt. Ein Wellenspiel, das überall zu beobachten war, wo in der Geschichte eine Staats­umwälzung auftauchte. Aber mögen die Kräfte der Reaktion sich noch so anmaßend spreizen, fie fönnen nicht ungeschehen machen, was einmal geschah. Sie können das Rad der Welt­geschichte nicht rückwärts drehen, so ungestüm sie sich auch be­mühen. Denn in diesem industriellen Lande mit seiner hoch­entwickelten Arbeiterschaft mögen zwar Zeiten der Not und des wirtschaftlichen Elends tommen, es wird aber nicht ge­lingen, das Potentatentum von 22 Fürsten wieder aufzu richten, das uns einst beglüdte.

Der demokratische Gedante ist durch die Sozial­bemofratie feft im Bolt veranfert. Er ist nicht mehr auszurotten. Die Republik ist die Staatsform der Gegen­mart und der Zukunft. Ihre demokratische Form mit sozia liftischem Geiste zu erfüllen, ist die Aufgabe der Sozialdemo­fratischen Partei, an der sie nicht verzagen wird. Eine weitere Aufgabe für sie, die einst die deutsche Nation vor dem Verfall rettete, ist, die volle Einheit dieses Reichs durch Ueberwindung der Kleinstaaterei zu erringen und dadurch die einheitliche deutsche Republik zu einem ge wichtigen Faftor im Konzert friedlicher Bölker zu gestalten! Der 9. November bleibt trop Dolchstoßlügen ein Ehren­tag für die Sozialdemokratie und für das deutsche Volk! Mag er auch ein Wegweiser für die Zukunft bleiben!

Räumung am 1. Dezember.

Amilich wird gemeldet:

Der endgültige Beschluß erfolgt noch.

Der deutschen Regierung ist heute die Antwort der Botschafter­fonferenz auf die letzte deutsche Note in der Entwaffnungsfrage zu­gegangen. Die Antwort bestätigt die fachlichen Angaben der deutschen Note über den Stand der Entwaffnungsfrage.

Wegen einiger Einzelpunkte, die deutscherseits noch als offen bezeichnet worden waren, hat die Botschafterkonferenz die deutsche Regierung aufgefordert, neue Borschläge zu machen. Dabei hat die Botschaftertonferenz erklärt, daß fie nach Empfang der deutschen Borschläge in der Lage wäre, den end­gültigen Termin für die Räumung der nördlichen Rheinland­30ne feftfehen zu können, und zwar in der Welfe, daß die Räumung am 1. Dezember zu beginnen habe.

Die Truppenzahl im besetzten Gebiet.

Ueber die Herabfeßung der Truppenzahl im besetzten Gebiet wird in Paris , London und Brüssel verhandelt. Die Bejagungs­3iffer ist geregelt durch die Waffenstillstandsbestimmungen vom 11. November 1918, durch den§ 212 des Bersailler Friedensver trages und durch das Rheinlandabkommen. Die Kopfzahl der Be­fagungstruppen soll nicht höher sein als die Kopfzahl der deutschen Truppen, die in der Borkriegszeit im heute besetzten Gebiet Garnison hatten. Wie wenig sich die Alliierten an diese Vereinbarung gehalten haben, geht daraus hervor, daß sie eine Kopfzahl von rund 127 000 mann unterhalten, während der deutsche Friedensstand rund 64 500 Mann betrug. Geschlossene Berbände von Rolonialtruppen sind allerdings im befeßten Gebiet nicht mehr vorhanden.

Neben der Frage der Reduzierung der alliierten Truppenzahl auf den vertraglich zulässigen Stand wird auch die Frage der Ein. quartierung und Unterbringung der alliierten Truppen im belegten Gebiet einer Erörterung unterzogen. Bon deutscher Seite wird versucht, den begründeten Beschwerden der 3ivil bevölkerung abzuhelfen. die durch vertragswidrige Unter bringung von Soldaten bei der Zivilbevölkerung entstanden find. Befferung der Beziehungen zu den Besatzungsbehördenn.

Die Ill. meldet: In rheinischen Blättern sind Mitteilungen er­schienen, wonach die Behörden des besetzten Gebietes auf Wunsch des Staatssekretärs im Auswärtigen Amt von Schubert Weisungen

erhalten hätten, mit den Besaßungsbehörden freundschaftliche und herzliche Beziehungen aufzunehmen, um auch hier den Geist von Locarno zur Auswirkung zu bringen. Hierbei handelt es sich im wesentlichen nur um die Abänderung gewisser Richtlinien an die im besetzten Gebiet befindliche Beamtenschaft, um die letzten Reste des passiven Widerstandes und des Ruhrkampfes auch auf persönlichem Gebiet zu beseitigen. Es ist aber nicht beabsichtigt, auf die Beamten in dieser Richtung irgendeinen Drud auszuüben.

Franzöfifcher Widerstand gegen Befahungsverminderung.

Koblenz , 7. November. ( TU.) Bon einer Berringerung der fran­3ösischen Besatzungsarmee ist bisher noch nicht die Rede gewesen, vielmehr findet man gerade in dieser Frage die heftigsten Wider. stände. Es dürfte eher mit einer st ärteren Belegung ber jezigen und der etwa noch zu verringernden Garnisonen zu rechnen sein.

Das 30. französische Armeekorps, das in Wiesbaden und Um­gebung stationiert ist, tommt nicht, wie bisher gemeldet murde, in den Kreis Kreuznach und die hessischen Gebietsteile bei Bingen , sondern in den Brückentopf Mainz . Dagegen besteht die Absicht, das 33. französische Armeekorps, das in Bonn stationiert ist, nach Kreuznad und in das übrige Nahegebiet zu verlegen. Wie ver­lautet, soll die englische Wache in Koblenz verstärkt werden; man spricht von einem englischen Bataillon, das fünftig dort stationiert werden soll. Die Gestellung von Familienwohnungen dürfte hier in Koblenz besondere Schwierigkeiten machen.

Spaniens Zollkriegserklärung. Eine amtliche Veröffentlichung.

Die Gaceta de Madrid" veröffentlicht eine amfliche Ber­ordnung, die den 3ollkrieg Spaniens gegen Deutschland er­öffnet. Am 8. November treten demnach die Höchstsähe des spanischen 3olltarifs mit einem Zuschlag von 80 Proz. gegenüber allen deutschen Waren in Kraft, die nach Spanien ein­geführt werden sollen. Die Einfuhr deutscher Güter in die Freihäfen

der Canarischen Jufeln und in die spanischen Häfen Centa und Me­ lilla wird überhaupt verboten. Ausnahmen find nur mit be fonderer Einfuhrgenehmigung der spanischen Regierung möglich.