Nr. 124.
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Vorwärts
8. Jahrg.
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Redaktion: Beuth- Straße 2.
Sonntag, den 31. Mai 1891.
Meberarbeit
im Verkehrswesen.
Expedition: Beuth- Straße 3.
ungeheure Gewinne gemacht und Aktionäre mit fettglänzenden, schmunzelnden Gesichtern streichen die Dividenden ein, die solch eine rentable Pferdebahn abwirft. Sie verfehlen auch bei keiner Gelegenheit, zu betonen, welch' gemein
Der Streit der Pariser Omnibuskutscher hat genau nügigem Zwecke sie gedient, indem sie ihre Aktien bezahlt einberufen, dessen Beschickung auf dem Parteitag zu Halle be- wie einst der Streik der Tramwaykutscher und Konduk- und dadurch zum Zustandekommen des ganzen Unterschlossen worden. Es tritt an uns somit die Frage heran, wie teure in Wien ein grelles Schlaglicht auf die übermäßige nehmens beigetragen haben. Wer aber den Betrieb selber unsere Partei in Brüssel vertreten sein soll. Von Seiten des Ausbeutung der Arbeitskraft im Verkehrswesen geworfen. genau ins Auge faßt, der bemerkt sofort die Kehrseite Parteivorstandes und der Fraktion sind die Genossen Bebel, Man kann den Parisern gratuliren, denn mit dem Siege der Medaille. Am frühen Morgen muß das Fahrpersonal Liebknecht und Singer mit der Vertretung beauftragt, es ist aber der Omnibuskutscher ist einer der schlimmsten Uebelſtände zum Dienst antreten; es wird ihm faum Zeit gelassen, in auch wünschenswerth, daß die Genossen im Lande eine unserer zwar nicht beseitigt, aber doch gemildert und abgeschwächt den kurzen Zwischenpausen mit Hast sein Essen hinab zu Partei entsprechende Anzahl Delegirter nach Brüssel entfenden. worden. Zwölf Stunden Arbeitszeit ist immer noch viel
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Nun fanden aber im Laufe des Frühjahrs und finden im zu viel und es ist bezeichnend genug, daß nicht nur die schlingen; keine Erholung und keine Ruhe in dem nervenLaufe des Sommers neben dem Brüsseler Kongreß noch eine ganze Mitglieder des Syndikats der Verkehrsbediensteten erst Städten und zu gewissen Stunden gesteigerten Verkehrs zerrüttenden Fahrbetrieb, der namentlich in größeren Reihe von Gewerkschaftskongressen und Delegirtenkonferenzen der ver- brutal entlassen worden sind, sondern daß man auch die für den Kutscher und den Schaffner aufreibend ist. Bis schiedensten Art statt; auch unser jährlicher Parteitag wird zu Anfang Verordnung von 1848 über den zwölfstündigen spät in die Nacht muß der Betrieb fortgesetzt werden und Oktober zusammentreten, so daß an die Opferwilligkeit der orga- Maximal- Arbeitstag aus dem Staube der immer noch müssen die gleichen Leute, schlaftrunken und nisirten Arbeiterschaft nach dieser Richtung hin die größten An- Rumpelkammer hervorgezogen und zur Grundlage der abgehetzt wie die armen Pferde, den Dienst versehen. forderungen gestellt werden. Verhandlungen gemacht hat. Als ob die Zeit nicht über Freilich, wenn ein Pferd fällt, so geht ein Werth verVerlangt das Ansehen unserer Partei auf der einen Seite diese Verordnung, die immer nur eine papierne geblieben loren; wenn ein Bediensteter der Anstrengung erliegt und eine würdige Vertretung am internationalen Arbeiterfongreß, so ist, hinweggeschritten wäre! Die Sympathie des Publi- frank wird, hat man ohne Mühe und Kosten gleich wieder haben wir auf der andern Seite auch mit den Mitte in der Partei fums und auch die Anstrengungen des Pariser Gemeinde- einen anderen. gewissenhaft zu rechnen. Unter diesen Umständen dürfte es sich also raths, der von den berufsmäßigen Dividendenjägern wohl empfehlen, wenn die Genossen größerer Bezirke über die Ent- bereits als zweite Kommune" betrachtet wird, Auf solche Weise kommen die hohen Dividenden zu Stande. sendung eines Delegirten sich verständigen; wo für einzelne Pro- haben ihr Theil dazu beigetragen, daß die OmnibusEs würde der Menschlichkeit weit eher entvinzen oder ganze Länder die Genossen sich Organisationen ge- futscher einen Erfolg erreichten. sprechen, wenn die Dividenden etwas niedriger und der schaffen haben, wird es Sache dieser Provinzial- und Landesorgani- Ganz von selbst richtet sich bei dieser Gelegenheit Arbeitsstunden der Bediensteten etwas weniger wären. sationen sein, die Delegirtenangelegenheit in die Hand zu der Blick auf die Zustände im Verkehrswesen Deutsch - Im gesammten Verkehrswesen ist die übermäßige Lands. Die Uebelstände, gegen welche der Ausstand der Ausnutzung der Arbeitskraft zur Praxis geworden. Wir Auf alle Fälle ist es nöthig, daß diese Frage von den Genossen Pariser Omnibuskutscher gerichtet war, bestehen bei uns erinnern nur an die tausend und aber tausend Beschwerden, Auf alle Fälle ist es nöthig, daß diese Frage von den Genossen in gleichem oder in erhöhtem Maße, und wenn einige die schon wegen der allzu langen Arbeitszeit der Schaffner, besprochen wird, und wir zweifeln keinen Augenblick daran, daß fie geregelt wird, wie es die Würde, die internationale Ver- patriotische" Blätter schadenfroh den Splitter bei den Heizer, Bremser, Weichenwärter, Bahnwärter und HilfsFranzosen gesehen haben, so wollen wir aufrichtig genug arbeiter bei den Eisenbahnen erhoben worden sind. Eine sein, an den Balken bei uns selber zu erinnern." Menge von Unglücksfällen auf der Eisenbahn hat darauf Man braucht nur mit einem Kutscher oder auch einem zurückgeführt werden müssen, daß Bahnbedienstete, auf Schaffner auf der Pferdebahn und im Straßen- Omnibus ein denen eine schwere Verantwortlichkeit lastete, zugleich so Gespräch anzuknüpfen und man wird die Wunder erfahren, mit Arbeit überhäuft und mit so langer Arbeitszeit bewelche die Profitsucht in der Ausbeutung der Arbeitskraft zu dacht waren, daß sie unmöglich die peinliche Vorsicht wirken vermag. Ach, wie glücklich wären die Bediensteten und Aufmerksamkeit anwenden konnten, die bei einem unserer Pferdebahnen und Straßen- Omnibusse, wenn sie, folchen Betrieb erforderlich ist. Wir wollen sehen, wie die Franzosen , auch eine zwölfstündige Arbeitszeit ob die Resolution des Reichstages, die verbünhätten! Die Arbeitsbedingungen und Dienststunden sind deten Regierungen möchten sich mit den Verhältnissen zwar in den verschiedenen Städten verschieden, aber so der Verkehrsbediensteten befassen, eine praktische Wirkung ziemlich überall find sie zu hoch und die Bezahlung ist dem hat. Wir haben von solchen Resolutionen eine sehr pessibei Weitem nicht angemessen. In den Städten, wo große mistische Auffassung, wozu uns langjährige Erfahrungen Pferdebahn- Aktiengesellschaften sich gebildet haben, werden durchaus berechtigen.
nehmen.
pflichtung und das Interesse der Partei erfordert.
Im Anschluß hieran können wir die Mittheilung machen,
daß unsere im Gesangverein" Fraternité" vereinigten deutschen Genossen in Brüssel schon vor längerer Zeit sich bereit erklärt haben, den nach Brüssel kommenden deutschen Delegirten in allen Angelegenheiten, besonders was die Wohnungsfrage betrifft, mit
Rath und That zur Seite stehen zu wollen.
Alle diesbezüglichen Anfragen und Briefe find zu richten an: J. P. Funk, Rue de Bon Secours 3, Brüssel . Berlin , Ende Mai 1891.
Mit sozialdemokratischem Gruß
Der Parteivorstand.
Feuilleton.
Nachdruck verboten.]
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Die Falkner von St. Vigil. Roman aus der Zeit der bayerischen Herrschaft in Tirol von Robert Saweichel.
reich, in dem sie Wurzeln schlagen könnten. Ihre Saat fällt hier auf unfruchtbaren Acter.
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So werde ich ihn düngen, und wenn es sein muß, mit meinem Herzblut," lächelte der Bikar.
Sie schieden mit einem tiefen Blicke der Eine in des Andern Auge.
" Ach, Brosi, das hättest Du nicht sagen sollen," flüsterte Lisei, welche in demselben Augenblicke mit Afra sich ihm genähert hatte.
" It's etwa nicht wahr?" fragte Ambros heftig. Lisei erkundigte sich nach Stasi und Ambros antwortete kurz und ungeduldig, daß sie zu Hause geblieben wäre.
Kirche und auf dem Friedhofe gescheut; über die SchleedornSie hatte in ihrem Zustande das Gedränge in der hecke droben, die mit weißen Blüthen wie überschneit war, hatte sie bem Begräbniß zugeschaut.
Der Priester betet, absolvirt, ertheilt Indulgenz, Gnade, Heil und öffnet und schließt die Pforten des Paradieses. Nun wohl, ich will aus dem Felsen, zu dem die katholische Kirche versteinert ist, den lebendigen Duell schlagen; ich will das religiöse von jezt kommen Sie und ermahnen mich, davon abzustehen meinten Andere, dann thäte man am Besten, mit dem Bikar lässigung über seiner Erscheinung.
Unterdeffen wogten die Menschen auf dem Friedhofe und dem Anger durcheinander. In den Gruppen, die sich bildeten, fielen schadenfrohe und harte Aeußerungen über den Bikar. Man erörterte die Frage, was anzufangen wäre, wenn der Vikar der Nachfolger Moltenbecher's würde? Es wäre doch unmöglich, daß man die Kinder von dem abtrünnigen fungen Jergs über ihren Bruder, und ihrem weiblichen Lisei gedachte mit einent stillen Seufzer der BemerBriefter im Glauben unterrichten ließe. Just darauf hätte Scharfblicke entging es auch nicht, daß Ambros nicht stattes die Regierung abgesehen, hieß es. Wenn es so stände, lich wie sonst ausschaute. Es lag ein Anflug von Vernachmich dem Despotismus der Hierarchie, die all das Uebel gehörte zu den Aufgeregteften und Erbittertſten. Es hatte daß der Jerg Arigaya um Dich freit," nahm jetzt Afra Lechner verfahren. Vefa" Ich bin's gewesen, die Deinem Bruder erzählt hat, verschuldet hat, an dem unsere Kirche bis in die tiefsten fie schon gereizt, daß die geistlichen Herren sich nicht wie das Wort. Er hat es mir immer nicht recht glauben Wurzeln krankt, zu unterwerfen! Hat es in Ihrem Leben üblich vor der Beerdigung im Trauerhause versammelt mögen." denn nie eine Stunde gegeben, in der Sie den Druck dieser hatten, wo sie einen Imbiß gerichtet hatte. Nun lud sie Sklaverei empfunden haben? Hat sich Ihr Gewissen, Ihre Sie Herren dazu ein, der Dechant aber dankte für Alle: wenn er mir nicht immer aus dem Wege ginge," sagte " Ich hätte den Jerg selbst schon darum gefragt, Ueberzeugung nie dagegen empört?" man sete sich nicht mit einem schariot zu Tisch und theile Ambros. Auf eine Reiche hat er es freilich immer abmit ihm nicht das Brot. gesehen gehabt, das weiß ich. Aber für so ungescheidt hätt' ich ihn nicht gehalten, daß er die Hand nach dem Klosterhof ausstrecken sollte."
Hannes, der ihm mit pochendem Herzen zugehört hatte, fühlte, wie ihm bei diesem Appell das Blut in die Wangen stieg und er vermied es, dem feurigen Auge des Vilars zu begegnen. Er schwieg und es entstand eine kleine Pause.
Sie haben entsagt und sich gefügt", sagte der Vikar, der ihn verstanden hatte. Ich vermag Ihrem Beispiele nicht zu folgen. Mich ruft die Stimme der Menschheit und
ich werde lämpfen!"
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Die Geistlichen verließen den Kirchhof. Vefa wieder holte zu Jedermann, daß der Bikar ein Ischariot sei, und das Wort schlug ein. Einzelne Stimmen riefen nach einem Blos um eine Reiche soll's ihm zu thun sein?" fragte Stricke, damit er sich hängen könnte. Vefa schwur, daß Lisei" stockend. fie feine Stunde länger mit ihm unter einem Dache bliebe; Natürlich hat er Dir's nicht von der Seite vormorgenden Tages wolle sie die Pfarre ausräumen. Der gestellt," sagte Afra. Denn das wirft Einer der Gitsche Ischariot sollte zusehen, wer ihm in den vier nackten Wänden doch nicht ins Gesicht, daß ihm blos an ihrem Geld gewirthe. Legen ist. Gegen seinen Vater hat er kein Hehl daraus gemacht."
„ Mich ruft die Stimme meines Nächsten", äußerte Hannes leise und blickte ihn traurig an. Ich bin nicht" Da thäte die Muhme doch Unrecht," spottete eine zum Reformator berufen und fühle, daß ich nicht die Stimme neben ihr; denn ist der Vikar ein Jichariot, so Gabe besize, Ihre Ueberzeugung zu erschüttern. Nur be- perkuppelt sie ihr eigenes Fleisch und Blnt. Einen besseren denken Sie, daß die Freiheit, für die Sie schwärmen, aus Herrn fann fie also nicht finden?" dem Boden des Vaterlandes herauswachsen muß, wie das Vefa zuckte zusammen, als wäre sie mit nacktem Fuß Edelweiß auf unseren Alpen . Ihren Ideen fehlt das Erd- in Dornen getreten und schoß sie davon.
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Lifei machte eine traurige Miene. Nicht ihre Eitelkeit war verletzt, sondern ihr redliches Gemüth.
" Jerg als Klosterbauer, das ist luftig", rief ihr Bruder mit Höhnischem Auflachen. Drohend fuhr er fort: Laß Dir nicht bange machen, Lisei! Der Jerg soll Dich schon