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Sonntag

8. November 1925

Wiſſen

Unterhaltung und Wissen

Einst

und

H.ABEKING. 25

Jett

Weckruf.

Zum 9. November.

Der Ruf des Erwachens erschallt, erschallt in den türmenden Bergen der Welt

der Ruf des Erwachens verhallt, verhallt in den dunklen Tälern der Welt.

Und volle Ströme des Lichts überfluten

die Erd' mit gigantischer Macht-

in den Tälern die Menschen bluten, verbluten

in dumpfiger Sorgennacht.

Ber trägt den Bedruf hinunter in's Tal,

wer einen Strahl des Lichts,

daß unsere Brüder auch einmal

aufmachen aus dem Nichts?

Wer fann dem Bolte Priester sein

in reinen starten Händen,

und es führen im jubelnden Morgenschein

aus des Tales engen Wänden?

Ringet, o Menschen der großen Liebe, ringet, Brüden zu sein,

Mussolini

0000000

Beilage des Vorwärts

die aus des Tales brüdender Trübe führen zu Höhen, sonnenrein.

Hans Heinrich Strätner.

Der junge Tag.

Bon Hermann Claudius. *)

un

Dütschland wüß blot bat eene: De Krieg meer to Enn' stünn as en verlopen Kind, dat fin Mudder wedderfunnen hett un ween un lach een mant enanner dörch.

Dat gem teenen Kaiser mehr un teen Heer. Titel leten as olmodsche Höd. Orden un Treffen drewen in Wind as Speeltüg lant de Strat.

Dat gem blot noch Minschen. Dütschland wull von Gewalt nics mehr weten un smeet de Gewehrn ut de Hann.

Nics schull mehr vun buten matt warden. Allens schull Dun binnen her wassen ut bat arme rife Minschenhart, dat folang, folang hendalpett meer!

Ganz Dütschland weer in de Novemberdaag 1918 een grot un glöwig Rinnerhart.

Un wat anners dach, tell nich mit.

De Strat weer fri vun de Pickelhum. Demerall löpen de Lud op'n Dutt mit weihen Haar un lebennige Hann' un debatteern, wat warrn schull.

De Staat weer de allerbinnerste Sat, nich dat sengitter um de Minichen rüm, wo de Polizeideener fine hunnerd Paragraphen anhũng.

Der Staat meer de Minsch fülm.

Un Hamburg strew babenan.

Otto Bullgeter weer hell mit to Gang'n.

-

Se säten in en Weertshustombüs an' Haben noch heemlich perſtefen un schapen de nige Tid: blotjunge Lüd mit rode Ge fichter, olle mitthoorige Gesellen mit junglüchen Ogen, un ömerall de blauen Jungs ut Kiel , de den Tappen ut dat Spuntiod haut harrn. Se säten op Dischen, ftünnen op Stöhl, legen sit in de Arms, of Frunsminschen dormant mit flegen Ogen un Hoor, hier un dor en stilles Gesicht as Insel in de Flot. Se fennen sid nich bi Namen. Ehr Stimmen sprüngen hatt dörchenanner. Awer se harrn allto­hop dat fülme grote, gode truge, dütsche Hart.

De Minich is god! Dat weer dat erfte. Allens, wat bet hüd mit em anfungen is, meer flecht! Dat weer dat tweete. Se düchen sid Riesen, rafen allens, wat mest meer, in ehr Snuwdok rin un smeten dat an de Kant . Un fungen von frischen an to bugen : Gemeenes Wahlrecht, gemeene School, gemeene Stür, gemeenes Recht up Land, gemeenes Recht op Arbeit. Se stünnen as Riesen. Ehr Arms reden rund üm de Eer.

,, Die Internationale , die wird die Welt befrei'n!" fungen fe. Allens muß in't Grote: Pyramidenstil! Allens feef mit Sphing geficht ganz achtern in't Wide, dusend Johr vörut.

Alleens weer in düffe. Weken en Kart: de Strat, de School,

de Fabrit, dat Rathus.

Blots nich de Rart fülmen.

A de Hann weern hillige Ham, of menn se nich beben, of,

wenn se sid to Füst tosamentrampen bähn.

In denn weer de Krieg boch nich all

Un denn wull de Bu doch nich wassen.

Un denn harr dat Geld doch wedder de Gewalt.

As Für brenn dat de Minschen in ehr Hann, dat se lepen, dat medder los to warden.

As en Drunk Water weer dat, de den Döstigen vör finen Mund verbrögen bäh.

Un blot en paar Minschen verſtünnen den Spot to bannen. Blot en paar murrn rifer as rif un leger as de Riten vor ehr mest weern. Un se delen sid in de Welt as noch teen König un Kaisers vör jem dahn harrn. De Armen wurre armer as arm un immer armer. De Olen harrn feen Brot. De Kinner feen Melf.

Se bröten noch eenmal op un trampen dörch de Straten.

Dort steht der Feind!" rief Mussolini einft. Wir Sozialisten haffen die Soldaten! Wenn, Arbeitsmann, du auf dem Plan erscheinft, Wird frei die weite Welt durch deine Taten!"

Mit unsrer Weisheit ist es ganz zu Ende! Du mußt uns reffen, braver Arbeitsmann!" Hub einst manch General zu bettein an, Und ängstlich wimmerno rang er seine Hände.

E

Wie hat einst furchtbar die Juffiz gehaust:

Auf Deutschland drückte dumpf des Rüdschrifts Nebel, Den Freiheitsfämpfer traf des Schergen Fauft Und auf dem Königstein saß August Bebel !

noch wie leises Weinen der Jammer der vierjährigen Schlacht. Hinter uns türmt sich zum Gespenst das geschlagene Heer.

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Da leuchtet am Eingang der Stadt wie mit blutigen Strichen ein roter Triumphbogen über der Chaussee. Er grinst hinauf Amer ehr Harten meern nich mehr bieenanner, blots ehr links auf die Höhe, wo die Madonna über den Moselhängen im hungrigen Magens. Nebel hängt, er bläst sich auf, mächtiger als die im Hintergrunde Maschinengewehrn fnattern. der Stadt aufragende Porta Nigra , und verschwimmt wie eine rote Kreidezeichnung im Morgendampf der Kamine der Stadt. An seinem Boften stehen starr und stumm die Blusenmänner der Revolution", die rote Binde am Arm. Sie verlangen die Reverenz vor dem unbekannten Gott.

De Staat weer wedder mal wat anners as de Minschen tohopp. He weer wedder dat Isengitter üm jem herum. Un de Bullizei­Schiller feemen dar of wedder an to hangn.

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Das rote Tor.

Ms die große Schlacht im Westen zu Ende ist, wenden wir unsere Gäule nach Often, ohne uns allzu viel dabei zu denken, und marschieren nach Haus. Kraftfahrer und Meldereiter bringen uns die ersten Berichte von der Revolution. Am 13. Oftober rüden wir über die deutsche Grenze und marschieren nach Trier hinein. Die Pferde dampfen von der Fahrt durch blaugraue fugem burgische Wälder, und im Eisen unserer Maschinengewehre flingt

Aus dem im Berlage Richard Hermes in Hamburg erschienenen Buche Stummel" von Hermann Claudius , dem Dichter des Liedes Benn wir schreiten Seit an Seit'."

Der Führer der ersten Maschinengewehrtompagnie hebt den Arm und sentt ihn langsam auf die Kruppe feines Pferdes herab. Die Kolonne steht und schaut. Ein leises Zittern geht durch Roß und Reiter. Dann mendet der hagere holsteinische Leutnant seinen Rappen und galoppiert zu mir zurüd: Herr Hauptmann, sollen wir da durch? Oder sollen wir sie zu Klumpen hauen?"

Ich überlege. Zum ersten Male padt uns der verlorene Krieg und die Revolution mit fnochiger Fauft am Halse. Der Efel vor dem vierjährigen Morde sigt uns im Blute, und doch will das Gehirn nicht fapieren, was wir gefühlsmäßig erkannt haben. Neu gierig reite ich an das rote Tor und sehe mir die beiden Land stürmer mit der roten Binde an, zwei struppige, verwilderte Ge­fellen mit hohlen Augen und hageren Gefichtern.

Was wollt ihr? Was soll das rote Tor?" In den Gefichtern der beiden Alten tämpft der Respett vor dem Offizier mit dem

×

" Dort steht der Feind!" ruft Mussolini heute. Auf die Marristen stürzt die Polizei, Tyrannenwort verbietet die Partei, Doch Beifall jubelt die Faschistenmeute.

A

Seht dort den Lumpen, den gemeinen Strolch!" So brüllt man heuf im deutschen Baterlande. Die Heimat brachte er in not und Schande, In unfern Rüden sentte er den Dolch."

E

Und jetzt? Dasselbe Lied, dasselbe Leid!

Kein Spürsinn fann den fleinsten Wandel fühlen. Es wird die Freiheit wie in alter Zeit

Jns Loch gestedt. Vergleiche Grevesmühlen .

| Bewußtsein, daß alles aus und endgültig vorbei ist. Endlich faßt sich der eine ein Herz und sagt: Wir sind Doppelposten des Wir Arbeiter und Soldatenrats. Wir sind das hungernde Bolt. haben genug!" Es flang wie ein verhaltenes Weinen nach einem vierjährigen, unermeßlichen Schmerz. Ich reiße mich auf im Sattel und gebe dem Kompagnieführer den Befehl: Fahren Sie zu!"

Die Maschinengewehrwagen rollen donnernd, in stoßendem Trabe, unter dem roten Bogen hinab ins Tal, in die horchende Stadt. Die Offiziere und die Schüßen fihen nachdenklich auf ihren Pferden und auf ihren Lafetten. So haben wir uns die Revolu tion nicht vorgestellt! Es ist nicht lebermut und Haß, was aus dem Munde dieser Boltsbeauftragten" flang, sondern nur Jam­mer über einen vier Jahre umsonst geführten Krieg und Angit vor dem, was hinter uns fommt. Man grüßt die Soldaten, gibt ihnen freundliche Borte und streichelt die hageren Gefichter mit den Augen denn sie kommen aus der Schlacht! Ganz Trier mit seinen Kirchen, Kapellen, mit seinen Kinos und Theatern, Baläften und Toren löst sich auf in einen großen, über uns hin­meg zitternden Freudenrausch über den beendeten Krieg. Unter dem Jubel aber lauert die Angst vor der blaugrauen Mauer, die hinter uns in den luremburgischen Wäldern steht und nach uns tommt. Am Berge aber leuchtet, unberührt vom Haß der Men­schen und vom Lärm der Armeen, das Standbild der Mutter Gottes von Trier und grüßt die Bürger und die Soldaten und bie Revolution. H. Sch.