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Abendausgabe

Nr. 530 42. Jahrgang Ausgabe B Nr. 263

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Vorwärts

Berliner Dolksblatt

10 Pfennig

Montag

9. November 1925

Verlag und Anzeigenabteilung: Geschäftszeit 9-5 Uhr

Berleger: Vorwärts- Berlag Gmbh. Berlin S. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-29%

Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands

Hochverrat gegen die Reichseinheit.

Rupprecht von Wittelsbach will die Staatsmacht in Bayern übernehmen. Anfrage der Hochverräter bei den Behörden.

Es war die große Aufgabe der deutschen Revolution, in den Birrnissen der Nachkriegszeit die Einheit des Reiches zu erhalten. Es gehört zu den größten Verdiensten der Parteien, die damals die Führung des Reiches über­nommen haben, daß sie diese große nationale Aufgabe durch­geführt haben. Die Reichseinheit ist erhalten worden, von vornherein im Ringen gegen die partikularistischen Tendenzen, die von Bayern aus während der Verfassungsarbeit immer wieder fühlbar wurden. Sie ist erhalten worden troy der mannigfachen Versuche, die bayerische Regierungen nach dem Kapp- Butsch unternommen haben, die Beziehungen Bayerns zum Reiche aufzulockern und Bayern unter den Ländern eine besondere Rechtsstellung zu geben. Hinter diesen Versuchen standen nicht nur der bayerische Partitularis­mus, sondern auch die Träger des monarchistischen Gedankens. Der Butsch vom November 1923 war die erste offene revolutionäre Auflehnung gegen die Reichsver­faffung und gegen die Republik . Die Niederlage der Put­Die Niederlage der Put­schisten hat den Uebermut der bayerischen Partitularisten zu­nächst etwas gedämpft. Ihre Arbeit im geheimen aber ist fortgesetzt worden.

Bor wenigen Tagen veröffentlichten die Münchener Post" und die Frankfurter Zeitung " Mitteilungen über neue putschistische Pläne der bayerischen Partitularisten und Königsmacher. Mit großer Deutlichkeit wurde auf die Umgebung Rupprechts von Bayern und auf ihn selbst hingewiesen. Diese Gerüchte haben in der offiziöfen Bresse der bayerischen Regierung Dementis hervorgerufen, die fich allerdings meit ftärter gegen die Pläne der Königs macher im geheimen richteten, als gegen die Nachrichten selbst. Die Pläne der Königsmacher wurden geradezu als findisch hingestellt. Die monarchistische Frage, so mar in den Organen der Regierung zu lesen, die sich lange genug selbst als Träger des monarchistischen Gedankens bezeichnet hat, stehe für Iange Zeit nicht auf der Tagesordnung.

Die Frankfurter 3eitung" veröffentlicht heute genaue Mitteilungen über diese neuen Putsch­pläne der bayerischen Königsmacher. Ihre Organisationen, der Heimat- und Königsbund" des Freiherrn v. Aretin und der Bund Bayerntreue" des Generals Moehl, einst Kommandeur der bayerischen Reichswehr und jetzt Reichs­pensionär, hoffen mit dem Rufe" Der König kommt die bayerischen Monarchisten in Bewegung zu bringen und die republikanische Verfassung zu stürzen.

Es handelt sich nicht mehr nur um das Treiben einzelner Bünde und Organisationen politischer Extremisten, sondern es handelt sich um einen Plan, der im Einvernehmen mit dem bayerischen Prätendenten Rupp recht von Wittelsbach durchgeführt werden soll. Die Beteiligung Rupprechts an diesen Projekten steht diesmal ganz außer Zweifel. Mit seinem Wissen haben Personen seiner nächsten Umgebung bei den maßgebenden Spizen der bayerischen Behörden vorgesprochen. Sie haben die Frage gestellt, wie sich die Behördenverhalten würden, wenn Rupprecht in nächster Zeit als König von Bayern die Macht übernehmen würde. Sie haben in diesem Gespräch offen zu erkennen gegeben, daß der Sieg des König­tums in Bayern zugleich die Biederherstellung der banerischen Souveränität außerhalb des Reichsverbandes im Militär­wesen, im Finanzwesen und im Verkehrswesen bedeuten

würde.

Dieses Borgehen Rupprechts v. Wittelsbach und seiner nächsten Umgebung ist hoch verrat, Hochverrat gegen die republikanische Berfassung, Hochverrat gegen die Einheit des Reiches.

Der Artikel 17 der Reichsverfassung schreibt ausdrücklich vor, daß jedes Land eine freistaatliche Verfassung haben muß. Die Webernahme der Macht in Bayern durch Rupprecht ist nur möglich auf dem Wege eines revolutio nären Umsturzes der Reichsverfassung. Sie würde zugleich die Loslösung vom Reich, die Spren gung der Reichseinheit bedeuten. Sie wäre ein schwerer Schlag gegen die nationale Einheit, die die Weimarer Ber­faffung in den schweren Wirren der Nachkriegszeit er halten hat.

Die Verantwortung für dies unverantwortlich putschi stische Treiben fällt nicht nur auf die Moehl und Soden und Aretin . Sie fällt mit poller Schwere auf Rupprechtv. Wittelsbach. Er hat das Treiben dieser Butschisten unterstügt, er hat sich ,, Se. Majestät der König" nennen lassen. Er hat mit der Geste und der angemaßten Würde des Königs nicht nur die Fronten der Putschiften, sondern bis zu dem jüngsten Verbot auch die Fronten der Reichswehrtruppen abgeschritten. Er hat bewußt die Bor­bereitung des revolutionären Umsturzes unterstützt.

Aber jetzt handelt es sich nicht mehr um Agitation, fetzt handelt es sich um vorbereitende hochner räterische Schritte. Das Datum des 9. November hat die Herrschaften in Aufregung versetzt. Es gelüftet ihnen

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nach einer Wiederholung des Putsches gegen Republik und| verfassungswidrigen Vorgehens ist danach aussichtslos und wäre Reichseinheit. Sie halten ihre Stunde für nahe.

Die bayerischen Behörden, an die sich die Be­auftragten des Prätendenten gewandt haben, haben deren Pläne schroff abgelehnt und auf ihre Pflicht verwiesen, einen revolutionären Umfturz gegen die Verfassung zu be­tämpfen. Trotz des guten Willens Rupprechts und seiner Getreuen zum Putsch scheint eine afute Gefahr im Augenblid nicht vorzuliegen. Die in Bayern regierende Bayerische Volkspartei hat lange genug den mon­archistischen Plänen Vorschub geleistet aber dieser offene Borstoß erschreckt sie. Auch sie trägt Verantwortung daran, daß die Partitularisten und Monarchisten in Bayern heute wieder an einen Putsch denken können. Ihre zweideutige Haltung zu Republit und Reichsverfaffung hat den Nähr boden für die bayerischen Monarchisten abgegeben. Jetzt muß sie sich entscheiden, ob sie den Treibereien ein für allemal ein Ende machen will.

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Sind die Butschpläne der bayerischen Monarchisten auch feine atute Gefahr, so bildet ihr Treiben doch eine dauernde Bedrohung der Reichseinheit und damit der wirtschaftlichen Konsolidierung, deren Deutschland dringend bedarf. Diesem Treiben muß von Reichs wegen ein Ende gesetzt werden.

In aller Form erheben wir die Anklage des ver­fuchten Hochperrats an Reichsverfassung und Reichsein heit gegen Rupprecht D. Wittelsbach, sein sogenann tes Rabinett und gegen die Führer der monarchistischen putschistischen Organisationen in Bayern . Wir fordern, daß die zuständigen Reichsbehörden gegen diese anti­nationalen Elemente mit der größten Energie einschreiten. Ein jeder Bersuch, von Bayern aus die Reichseinheit zu zer­stören und der monarchistischen Restauration in Deutschland die Wege zu öffnen, muß auf den härtesten Widerstand aller Republikaner stoßen.

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Die Frankfurter Zeitung " erhält von besonderer baye­rischer Seite folgende Information:

M

Die beiden hervorragendsten Berater des Kronprinzen Rupp­ recht , sein Rabinettschef Graf von Soden Frauenhofen, und der ehemalige Kommandeur der bayerischen Reichswehrdivision, General Möhl, haben vor etwa zwei Wochen einigen Spigen der Behörden, und zwar der maßgebenden Behörden, Besuche gemacht, bei denen sie nach furzer Borunterhaltung die Frage stellten:

wie man sich verhalten werde, wenn Kronprinz Rupprecht in naher Zeit fich veranlaßt sehe, die Gewalt zu übernehmen? Die Frage wurde damit motiviert, daß die Verhältnisse in Bayern feit der letzten Erschütterung im November 1923 unverkennba: sich gefestigt und beruhigt haben. Es sei nicht zu übersehen, daß das Bolt in allen seinen persönlichen Sorgen Gefahr laufe, mit dem Bestehenden sich gleichmütig abzufinden, und daß so der lebendige Bille zur Wiederherstellung der alten Staatsform nicht wachse, sondern beinahe fichtbar von Tag zu Tag an Spannkraft verliere. Es sei 3eit zu handeln. Zuerst habe man nun unter der militärischen Führung des Generals Möhl die Bayerntreue" ins Leben gerufen, eine Organisation fönigstreuer Bayern , die dazu bestimmt sei, den vorhandenen Berbänden gleicher Richtung, vor allem den großen Heimat- und Königsbund", die stoßkräftige Stütze zu geben. Nun sei der zweite Schritt ins Auge zu fassen: die Rönigsgewalt durch Seine Hebernahme der

Majestät.

Reiner der besuchten Herren zögerte mur einen Augenblick zu­antworten:

er sei, wenn auch monarchistisch von Gesinnung, heute ver­pflichtet, die Staatsordnung und die Verfassung zu schützen. Der angedeutete Schrift fönne, von wem er auch fomme, nur als ein revolutionärer Umstutzversuch angesehen werden, und man werde nicht verfehlen, einer solchen Aftion mit allen Mitteln

entgegenzutreten.

nichts als Wahnsinn. Seiner Königlichen Hoheit persönlich wird kein Verständiger solchen Wahnsinn zutrauen, und hoffentlich darf man dasselbe von seiner Umgebung sagen.

Freilich läßt sich nicht verfennen, daß Kronprinz Rupprecht auch fonft oft wenig flug beraten ist: so, wenn man sich jetzt anschickt, von dem bayerischen Staat zu verlangen, daß er die Abfindung. die das Haus Wittelsbach erhalten hat, auf 10 Millionen aufwerte.

Ebenso unschön sind manche Finanzierungsmethoden der Aktion zu Wiederherstellung der alten Staatsform, wie die Zusage einer neu Wiederherstellung der alten Staatsform, wie die Zusage einer neu zu schaffenden Ordensdekoration, deren Rangflaffen je nach Höhe der heute gezahlten Summe verliehen werden sollen.

Die wenig flugen Freunde des Kronprinzen Rupprecht haben übrigens fürzlich schon eine Zurückweisung erfahren, die ihnen zeigen fonnte, wie verantwortliche Männer, deren persönliche monarchistische Gesinnung unzweifelhaft ist, über ihre Eidespflicht

denken.

Man hatte sich in einem eindringlichen Schreiben bei Hinden­ burg über das Berbot an die Reichsweit, fünftig noch vor dem Kronprinzen Rupprecht als einem Offizier der alten Armee zu defilieren, beschwert. Der Herr Reichspräsident hat das Schreiben nicht beantwortet.

Es ist für einen bayerischen Baterlandsfreund nicht leicht, über solche Dinge öffentlich zu reden, und ich vermeide es gern, auf weitere Einzelheiten einzugehen. Aber vor unbesonnenen Hand­lungen zu warnen, erscheint mir als Pflicht. Das Reich darf nicht gefährdet werden. Diesem obersten Gesetz müssen heute alle anderen Wünsche und Ideale fich unterordnen. Auch wenn sie dem einzelnen noch so heilig sein mögen."

Hermann Greulich

Seine Be­

3ürich, 8. November. ( Eigener Drahtbericht.) Her­ man Greulich ist heute hier gestorben. stattung erfolgt am Mittwoch dieser Woche. den Anfangszeiten der sozialistischen Bewegung, ein Zeuge Ein Dreiundachtzigjähriger ging dahin! Ein Zeuge aus ihres Aufstiegs und ihrer sieghaften Durchsetzung in allen europäischen Ländern. Ein Mann, der noch im hohen Greisen­alter mit gleicher Leidenschaftlichkeit teilnahm an den politischen Geschehnissen, mit der er einst als Jüngling sich der Bewegung anschloß.

Hermann Greulich , wohl der Senior unter den Führern des internationalen Sozialismus, hat seit mehreren Menschenaltern in Zürich gelebt und gewirft. Dort hat er durch viele Jahrzehnte der Arbeiterbewegung den Stempel seiner Persönlichkeit aufgeprägt. Dort hat er, inmitten der aus allen Ländern in der Schweiz sich fammelnden sozialisti­ schen Jugend, der besonderen Eigenart schweizerischen Staats­lebens feine Dienste gewidmet. Von dort erschien er schon Ende der sechziger Jahre als Delegierter auf den Tagungen der Internationalen Arbeiterassoziation . Von dort ging der

Ruf seines praktischen Wirkens in der Partei und der Gewerk

schaft hinaus über die Grenzen der Eidgenossenschaft . Mit Bebel, Liebknecht , Keir Hardie , Jules Guesde , Viktor Adler , Eduard Bernstein gehörte Hermann Greulich zu den be= fanntesten unter den Führern der sozialistischen Arbeiter­bewegung.

Aber Hermann Greulich stammte nicht aus der Schweiz . Er mar 1842 in Breslau als Proletarierkind geboren. Schon früh verlor er den Vater, und er mußte bereits als Knabe Lohnarbeit verrichten, um die Familie vor der bittersten Not schützen zu helfen. Eine lange Lehrzeit im Buchbinder­gewerbe folgte. Fünf volle Jahre mußte der junge Bursch beim Meister zubringen, bevor er als Gefelle endlich selbst feine tümmerlichen Groschen verdienen konnte. Die damals noch allgemein übliche Wanderschaft führte ihn durch Dester­

in nähere Berührung mit den politischen Strömungen jener Zeit und besonders mit der jungen Arbeiterbewegung, die sich hauptsächlich in den Arbeiterbildungsvereinen taftend zu selb ständiger Gestaltung rang. Das Jahr 1865 fah den jungen Buchbindergesellen aus Reutlingen als Delegierten auf dem Arbeitervereinstag in Stuttgart , wo er mit August Bebel , Friedrich Albert Lange und anderen Führern der jungen Bewegung bekannt wurde.

Auch auf sachliche Gegengründe wurden die Besucher hinreich nach Süddeutschland . In Reutlingen tam er zuerst gewiesen, wie auf die Gefahr eines Verlustes der Pfalz . Auf die Frage, ob denn ein bayerischer König möglich sei ohne Militär. und Finanzhoheit, ohne eigene Post und Eisenbahn . erfolgte freilich die stolze Ankündigung, diese Hoheitsrechte würden selbstverständlich von einem bayerischen Rönig wieder an sich genommen werden. Man ließ da­nach den Besuchern aber wieder feinen Zweifel, daß solche Pläne die Sprengung der Reichseinheit bedeuteten, und daß die ganz große Mehrheit, selbst der wittelsbachisch gesinnten Bayern , sicher in Franken und wahrscheinlich auch füdlich der Donau , nicht bereit sein werde, um solchen Preis die alte Staatsform zurüd­zulaufen.

Bird nach diesen unmißverständlichen Zurückweisungen, an deren vollem Ernst ohne Ansehung der besuchten Persönlichkeiten nicht gezweifelt werden kann, der unsinnige und für unser engeres wie für unser weiteres Baterland gleich verhängnisvolle Gedanke eines attivistischen Borgehens erlebigt sein? Jeder Bersuch eines

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Bald darauf ging Greulich in die Schweiz . Dort lernte er Bürkli kennen, den Vater der Schweizer Sozialdemokratie, und Johann Philipp Beder, den alten Revolutionär und Freund von Karl Marr, den Herausgeber des Borboten". In Zürich schloß sich Greulich auch bald der Internationalen Arbeiter- Assoziation an, als für diese im Jahre 1867 eine fchweizerische Seftion gebildet wurde. In dieser Sektion war der junge Buchbinder der Sekretär", was wir im deutschen Vereinsleben als Schriftführer zu bezeichnen pflegen. Organis