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Nr. 533 42. Jahrg.

Ausgabe

Nr. 272

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

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Mittwoch, den 11. November 1925

Die Internationale gegen Mussolini  .

Botschaft des Sekretariats an die italienischen Arbeiter.

Das Gefretariat der Sozialistischen Arbeiter­internationale hat, als die Nachricht von der Auflösung der italienischen Sozialistischen Partei und der Unterdrückung ihres Zentralorgans Giustizia" bekannt wurde, folgende Botschaft an die italienischen Sozialisten gerichtet: Genossen Italiens  !

"

Erst gestern hat die Erefutive der Sozialistischen Arbeiterinter. nationale einen ausführlichen Bericht über die Gefahren entgegen genommen, in denen sich eure Bewegung befindet und mit Erschüt terung vernommen, daß die italienischen Sozialisten vollständig überzeugt waren, Mussolini   werde vor dem Prozeß gegen die Mörder Matteottis mit allen Mitteln versuchen, eurem

tapferen Tageblatt, der Giustizia  ", ein Ende zu bereiten. Durch unaufhörliche Verfolgungen hat das italienische Schandregiment versucht, die Giustizia  " materiell zugrunde zu richten. Eure Partei hat ungeheure Opfer gebracht, um eure wichtigste Waffe in der Zeit, wo jede Organisation mit blutiger Gewalt unterdrückt wurde, zu erhalten. Ihr maret euch trotzdem bewußt, daß Mussolini   gegen die Giustizia  " vor dem Stattfinden des Matteotti- Prozesses, menn es nicht anders geht, einen tödlichen Streich durch eine neue Gewalttat vollführen merde. Die Erefutive der Sozialistischen Arbeiterinternationale hatte gestern beschlossen, um euch in diesem Kampfe um die Erhaltung der Giustizia  " zu helfen, sofort eine allgemeine internationale Sammlung unter den angeschlossenen Parteien zu organisieren, die euch nach im Laufe dieses Monats tausend Pfund sichern sollte.

Heute nun erfahren wir mit tiefer Bewegung, daß das Schid sal, das die italienischen Genoffen vorausgesehen, fich bereits erfüllt hat. Mit frechem Hohn verkündet Mussolini   in seinem Manifest, daß er die Giustizia  " endgültig verboten habe und daß er noch mehr getan als ihr vorausgesehen, daß er eure tampferprobte Partei felbft aufgelöst und eine neue Aera der Verfolgungen eingeleitet hat.

Euer Vorfämpfer Matteotti   ist von den Faschisten ermordet worden. Nun ist die Partei Matteottis, die Partei, die wir stolz in den Reihen der Sozialistischen Arbeiterinternationale als Mitglied zählten, eure in Kämpfen und Opfern ruhmbedeckte Partito Socialista Unitario von ihm zum Tode verurteilt worden.

Die Krise des Linkskartells. Einigung in der Finanzfrage unmöglich. Paris  , 10. November.  ( Eigener Drahtbericht.) Die neue politische Krise durch die Gegnerschaft fast aller Parteien gegen das Finanzprogramm des Minifteriums Painlevé hat ihren Höhepunkt erreicht. Als die Beratungen der Finanzkommiffion auch heute zu fortgesetzten Widersprüchen in der Haltung der Kartellparteien führten, verließen die sozialistischen   Mitglieder die Kom­miffion. Leon Blum   verlangte im Namen der Fraktion die fofortige Einberufung einer Delegiertenkonferenz der Linken und ftellte dort klipp und flar die Frage, ob die gemeinsam getroffenen Vereinbarungen in Zukunft von allen Parteien eingehalten werden oder nicht. Die Diskussion führte zu dem von Leon Blum   und Renaudel ausdrücklich konstatierten Ergebnis, daß eine Einigung innerhalb der Linken und damit auch in der Finanzkommiffion nicht mehr zu erwarten sei. Leon Blum   erklärte infolgedeffen, daß es jeht notwendig fei, die Diskuffion der Finanzkommiffion so schnell als möglich zu beenden und dem Plenum der Kammer die Entscheidung über die Regierungsvorlage zu überlaffen. Die fozialistische Fraktion wird die Borlage ablehnen, und da es mehr als wahrscheinlich ift, daß die Regierung für ihre Projekte eine Mehrheit überhaupt nicht erhält, ist für Ende der Woche mit der neuen kabinetts­krise zu rechnen. Ihre Lösung dürfte um so schwieriger fein, als weder die Rechte noch die Cinte eine lebensfähige Koalition zu bilden

in der Lage sein dürften.

Offiziöse Darstellung.

Paris  , 10. November.  ( WIB.) Painlevé hat heute vor­mittag eine Delegation der sozialistischen   Kammerfraktion, be= stehend aus den Abgg. Blum, Vincent Auriol  , Renaudel und Bedouce empfangen. Ueber diese Unterredung glaubt Havas auf Grund von Mitteilungen einer autorisierten Persönlich feit berichten zu können, daß über die sachliche Entwicklung der Sanierungsgefeßdebatte fast ein Abkommen erzielt sei, daß aber noch weitgehende Meinungsverfchiedenheiten zwischen den Sozialfften und der Regierung hinsichtlich des Durch führungsverfahrens bestehen.

Aber ebenso wie Matteoffi heute in den Herzen der Proletarier aller Länder lebendiger ift als jemals, ebenso wird wieder lebendig werden die Sozialistische Partei Jialiens und ihre tampfer­probte Giustizia  ".

Genossen, wir wissen, welche harte Zelt ihr nun ohne eure legale Organisation, ohne jede Möglichkeit, eurer Meinung in der Bresse Ausdrud geben zu können, zu erdulden haben werdet. Aber wir wissen ebenso, daß ihr nicht verzweifeln werdet, daß ihr mit allen Kräften weiter arbeiten werdet an der Wieberaufer stehung der proletarischen Bewegung Italiens  , die triumphieren wird, weil sie über das Blutregime des faschistischen Bahnsinns triumphieren muß. Und so senden wir von den Millionen Proletariern, die unserer Internationale angeschlossen sind, euch den brüderlichen Gruß internationaler Solidarität: Es lebe die Giustizia  "! Es lebe die sozialistische Partei Italiens  !

Glückwunsch an Vandervelde  .

Das Exekutivkomitee der Sozialistischen Arbeiter- Inter­nationale richtete an den Genossen Vandervelde- Brüssel folgendes Telegramm:

Die Exekutive der Sozialistischen Arbeiter- Internationale hat mit freudiger Genugtuung von der Haltung erfahren, die der sozia liftische Minister Genosse Vandervelde   gegenüber dem Ober­haupt der faschistischen Mörderregierung in Locarno  persönlich eingenommen hat. Entgegen den Angriffen, denen Genosse Bandervelde deswegen ausgelegt war, spricht die Eretutipe ihm im Namen der Millionen Arbeiter, die mit ihren verfolgten italienischen Brüdern fühlen, ihren Beifall und ihr Bertrauen aus. Brüdern fühlen, ihren Beifall und ihr Bertrauen aus.

Die Ausschreitungen in Brescia   und Trieft. Rom  , 10. November.  ( Eigener Drahtbericht.) In Brescia  haben die Faschisten die Druckereien zweier Oppofitiosblättter ge. stürmt und die Einrichtungsgegenstände start demoliert. Ebenso ist es in Triest   zu schweren Ausschreitungen der Faschisten ge tommen, die sogar das österreichische Ronsulat nicht ver schont ließen, weil es zu Ehren Mussolinis nicht geflaggt hatte. Ein Milizoffizier verhinderte im letzten Augenblick die Bernichtung des österreichischen Wappens.

tommensumme um rund 1,5 milliarden Franten verringert. Die Sigung murde unterbrochen, um Painlevé Mitteilung von dem Ergebnis der Abstimmung zu machen. Nach dem Wiederzufammen­tritt hat sich der Finanzausschuß auf morgen nachmittag vertagt.

Paris  , 10. November.  ( EP.) Die Abstimmung in der Finanz­fommission hat in den Wandelgängen Erregung hervorgerufen. Diese Abstimmung bedeutet einen schweren Schlag für die Finanzprojekte, und man ist der Ansicht, daß nach dieser Rundgebung das Regierungsprojekt als nicht vorhanden betrachtet werden tönne. Infolgedeffen ist der allgemeine Eindruck heute abend sehr ungünstig für das Kabinett.

Noch keine Ministerkrise. Paris  , 10. November.  ( WTB.) Im Ministerrat hat Bain. levé erflärt, daß er morgen vor dem Finanzausschuß wieder erscheinen werde.

Ein Vorschlag der Linksparteien.

Paris  , 10. November.  ( BTB.) Die Sigung der Bor stände der Linksparteien, die auf heute nachmittag auf geschoben war, wurde um 5,30 Uhr aufgenommen und endete turz nach 7 Uhr mit der Beauftragung der Abgg. Malvy und Cazals, sich nochmals zum Ministerpräsidenten Painlevé zu begeben und ihn aufzufordern, einen neuen Finanzierungs. plan vorzulegen, der die Richtlinien und Anregungen, die in den Sigungen der Mehrheitsparteien gemacht worden feien, zum Borbild

nehme.

Deutschland   und der Krakauer Prozeß. Die Olszanski- Akten übergeben.

BIB.   meldet:

eine beglaubigte Abschrift der Atten über den ukrai Das Auswärtige Amt hat der polnischen Gesandtschaft in Berlin  nischen Studenten Olszanski übersandt, der sich seinerzeit vor bem Amtsgericht in Beuthen   als Urheber des auf den polnischen Staatspräsidenten in Lemberg   im September v. 3. verübten Miten tats bezeichnet hatte. Die polnische Gesandtschaft hatte in einer Berbalnote um Einfichtnahme in diese Akten gebeten.

Niederlage der Regierung im Ausschuß. Paris  , 10. November.  ( BTB.) Der Finanzausschuß der Hoffentlich wird die Warschauer Regierung nummehr erkennen, Stammer hat mit 12 gegen 7 Stimmen bei Stimmenthaltung daß die Weiterführung des Prozesses gegen den an dem Attentat un der Sozialisten die Bestimmung des Regierungsentwurfes a bfchuldigen zionistischen   Studenten Steiger ein Justizmord wäre, gelehnt, die eine Besteuerung der Rentenpapiere vorfieht. Durch der in der ganzen Kulturmelt als eine polnische Auflage der biefe Abstimmung wird die im Gefeßentwurf vorgesehene Auf Dreyfus, bam. her Fechenbach Affäre angesehen mürbe.

Vorwärts- Verlag G.m.b. H., Berlin   SW. 68, Lindenstr.3

Bostichedtonto: Berlin   37 536 Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten unb Beamten, Wallstr. 65; Diskonto- Gesellschaft, Depofitenfaffe Linbenste.&.

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Der neue Fall Giesche.

Deutsches Nationalvermögen und deutsche Nationalisten. Es erregte gewaltiges Aufsehen, als Genosse Reil Ende Juli v. J. in einer großen Rede über die Steuerdrücke= bergerei der Großfonzerne nachwies, daß die feu­dalen Besitzern gehörige Bergwertsgesellschaft Georg v. Giesches Erben, ein mehr als 200 Jahre altes Unter­nehmen, bis zum Kriege von allen Staats- urid Reichssteuern befreit gewesen ist, und später bei einem Bermögen von 350 Millionen Goldmart nur 50 millionen zur Steuer angegeben hat. Hier war in der Tat ein Beispiel für den Steuerbetrug der Großen in einem Ausmaße geliefert worden, wie es felten zu finden ist. Natürlich ist die Firma Giesche national bis auf die Knochen". Das Judengeld der Großbanten war ihr anrüchig; in den Be­trieben wurde eine lebhafte Stahlhelmpropaganda entfaltet. Der Borsigende des Berwaltungsrats, ein Herr Ganse, ge­hörte zu den Leuten, die fich in monarchistischen Huldigungen für die frühere Kronprinzessin nicht genug tun fonnten. Eine fleine Steuermogelei allerdings wurde in diesen Kreisen nie tragisch genommen.

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Wie viele andere Unternehmungen der Großindustrie, so wurde auch die Giesche- Gesellschaft in der Zeit der Sta bilisierung notleiden d. Nicht als ob sie irgendwelche Ein­bußen an ihren Bermögenswerten erlitten hätte die Sache spielte fich anders ab. Eine nicht gerade solide Führung der Finanzgeschäfte riß die Gesellschaft in immer höhere Schulden hinein; eines Tages meldeten sich die Schuldner mit der Rück­forderung der Kredite, die Gesellschaft erwies fich als sanierungsbedürftig. Lange Zeit wurde mit den Behörden des Reiches und Breußens verhandelt. Ein Abschluß, der die dem preußischen Staat gehörige Breußag" zur Trägerin der Sanierung gemacht hätte, war so gut wie perfett. Da wurde die Deffentlichkeit überrascht durch einen Beschluß der Bewertenverfammlung, in der befannt gegeben wurde, daß der größte Metallfonzern der Welt, die Anaconda Copper Mining Company of Montana, die Sanierung des Unternehmens auf fich genommen habe. Der Harriman- Konzern war an diesem Stüßungsplan beteiligt. Die Gewerkschaft Giesches Erben sollte demnach einen Rredit von 50 Millionen Mart erhalten und das Recht auf die neuen Aftien der noch auf polnischem Boden liegenden Unter­nehmungen des Giefche- Konzerns bekommen. Dies der Blan in seinen Grundzügen. Er verbirgt mehr, als er sagt. Die ältesten Bergwerfunternehmens in seinem Aufbau gerettet Giesche- Gesellschaft rühmte fich fogar, damit den Bestand des zu haben. Tatsächlich liegen die Dinge jedoch wesentlich anders.

Als im Jahre 1921 die willkürliche Teilung Ober­fchlesiens eine Trennung zusammengehöriger Pro­duktionsgebiete herbeiführte, gab es in der deutschen   Bresse nur einen Aufschrei der Entrüstung über diesen neuen Raub an Bodenschätzen, die hier unter dem Schein des Völkerrechts vollzogen wurde. Die romantischen Nationalisten auf der äußersten Rechten hoffen noch heute, die damalige Grenz ziehung durch einen Gewaltatt wieder vermischen zu können. Die tapitalistischen Nationalisten hingegen, zu denen man die Anteilbefizer der Giesche- Gesellschaft rechnen muß, haben anders gedacht. Sie haben ohne Not denn es lag ihnen ja von deutscher Seite ein Hilfsangebot vor- die bisher noch unter entscheidendem deutschen   Einfluß stehenden und in ihrem Befih befindlichen 3inthütten dem ameri­tanischen Rapital preisgegeben.

Die ganze Angelegenheit wäre höchstens von privat­wirtschaftlicher Bedeutung, und in einer privatkapitalistischen Wirtschaft ohne wesentliches Intereffe, wenn nicht zugleich mit bem Berkauf der polnischen Felder und Hütten bie mit dem Berkauf der polnischen Felder und Hütten die infbafis bem internationalen Kapital ausgeliefert würde. Zukunft des deutsa) gebliebenen Teiles der oberschlesischen Auf der polnischen Seite liegen die wichtigsten Zinkhütten des Konzerns. Diese Seite aber tommt unter a merita­nische Herrschaft. Die Amerikaner haben natürlich an der Erzausfuhr fein Interesse; ihnen liegt nur an dem verarbeiteten Metall. Und dieses ist weltwirtschaftlich zu einer geradezu überragenden Stellung aufgerückt. Nach der Erschöpfung vieler alter Erzfelder, die noch vor dem Kriege zur Versorgung der deutschen   Industrie wesentlich beitragen produktion für die Weltversorgung mit 3int Don ent Zonnten, ist der Besiz des Giesche- Konzerns mit seinen hoch­wertigen Erzen und seiner wertvollen chemischen Neben scheidender Zukunftsbedeutung. Aber nicht nur der Weltmarkt hat von diesen Gebieten eine große Ausbeute zu erwarten, auch Deutschland   mit seiner großen verarbeitenden Metallindustrie ist auf die Einfuhr von Zint angewiefen, nachdem ihm, das vor dem Kriege der zweitgrößte Sint­produzent der Belt mar, der weitaus überwiegende Teil der 3inferzvorräte und Binfhütien entzogen wurde. Es bestand die Aussicht, Berlorenes wiederzugewinnen, wenn es gelang, die noch auf deutschem Gebiete liegenden inferze felbst zu verhütten und zur Bersorgung des eigenen Marttes bereitzustellen. In dieser Richtung bewegte fich auch der Plan