Abendausgabe
Nr. 536 42. Jahrgang Ausgabe B Nr. 266
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Vorwärts
Berliner Volksblatt
10 Pfennig
Donnerstag
12. November 1925
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Die letzten Hindernisse beseitigt.
Paris , 12. november.( WIB.) Die geffern vom Boffchafter| ein Mindest ma" beschränken. Was die Reorganisation des v. Hoesch überreichte deutsche Rotein der Entwaffnungsfrage soll, wie Petit Parifien" wissen will, gestern nachmittag durch den Generalsekretär im Außenminifterium, Philippe Berthelot , und den Generalsekretär der Bolschaftertonferenz eingehend geprüft und im Laufe des Nachmittags einzeln den in der Botschaftertonferenz vertretenen Mächten übermittelt worden sein.
Das Blatt will wissen, die in der deutschen Note enthaltenen Vorschläge über die Befugnisse des Generals v. Seedt und die
Effektivbestände der Schuhpolizei würden noch einige Einwände hervorrufen, auf alle Fälle fel aber anerkannt, daß die deutsche Antwort das ernste Bestreben zeige, die letzten Hindernisse in der Entwaffnungsfrage zu beseitigen.
Nach dem„ Avenir" versichert man, daß die deutsche Antwort es nunmehr geftatte, schon am 1. Dezember die ersten Räumungsarbeiten in der Kölner Zone vorzunehmen.
London , 12. November. Reuter erfährt, daß gewisse Erleichte
rungen des Rheinlandregimes vereinbart worden sind, und daß die balbige Bekanntgabe einer Mitteilung über diesen Gegen
stand in Berlin oder Paris erwartet wird.
Was die Abrüstung Deutschlands anbetrifft, so tann, wie Reuter weiter berichtet, erwartet werden, daß Deutschland informiert werden wird, daß bezüglich seiner Zusicherungen hinsichtlich der noch zu erledigenden anderen Fragen Befriedigung herrscht. Es wird die Auffassung ausgesprochen, daß, wenn alles gut geht, der Beginn der Räumung Kölns im Laufe des Monats Dezember er. -martet werden kann.
Am Montag Sigung der Botschafterkonferenz. Paris , 12. November.( TU.) Die Antwort der deutschen Regierung auf die Note der Botschafterkonferenz in der Entwaffnungsfrage wird heute den allierten Botschaftern übermittelt werden. Die Botschafterkonferenz tritt am kommenden Montag zur Prüfung der Schriftstüde zusammen.
Journal" erklärt, die Alliierten wollten ihre Forderungen auf
Das sozialistische Sanierungsprogramm.
Durchgreifende Maßnahmen.
Paris , 12. November. ( Eigener Drahtbericht.) Das Programm, auf das sich die Sozialisten in der Nacht vom Mittwoch zum Donnerstag geeinigt haben und nach dem Painlevé die Regierungsvorlage ändern will, umfaßt nach dem„ Quotidien" folgende Punkte:
1. Verzicht auf alle Maßnahmen inflationistischer
Natur,
2. Ausgabe von 1,5 milliarden neuen Roten, die als Ersatz für die im Laufe der letzten Jahre zu Berlust gegangenen oder der Zerstörung anheim gefallenen Reten gelten sollen( dieser Betrag soll der Regierung zur Einlösung der demnächst fällig werdenden Berbindlichkeiten zur Verfügung gestellt werden),
3. eine teilweise Einlösung der Bons mit fünf und sechsjähriger Laufzeit auf dem Wege eines Vergleichs, der es dem Staate ermöglichen soll, die monatlichen Rückzahlungen auf den Höchstbetrag von 320 Millionen Franken zu erhöhen,
4. die Schaffung von Gewinnanteilen von jämt lichen Industrie- und Handels unternehmungen zugunsten der Amortisationstasse, die dieser einen Anspruch von 15 Broz. des Betriebsgewinns bzw. von 15 Pro3. des Betriebsvermögens im Falle der Liquidation des Unternehmens einräumen,
5. die Eintragung einer hypothet zugunsten des Staates für alle gebauten und ungebauten Grundstüde in Höhe des noch zu bestimmenden Vermögenswertes,
6. Vereinheitlichung der Rechte für die Schaffung eines neuen vierprozentigen wertbeständigen Papieres.
deutschen Oberkommandos, d. h. Befugniffe des Generals von Seedt, anbelange, fo werde es den Alliierten genügen, wenn Präsident der deutschen Republik sich in einem Dettet entschließe das nicht veröffentlicht zu werden brauche. Die Geheimbünde fönnten weiter fortbestehen, aber unter der Borausfehung, daß von jeder militärischen Ausbildung abgesehen werde.
Bezüglich der Sicherheitspolizei werde nur zur Bedingung gemacht, daß sie nach den Vorbildern der ausländischen Polizeifruppen ausgebildet werde.
Hindenburg gegen die Deutschnationalen. Der Ochse im Porzellanladen. Die B. 3." läßt sich aus Stuttgart berichten: Bei dem gestrigen Besuche des Reichspräsidenten in Stuttgart sprach sich dieser bei dem Abendempfang im Schloffe einem prominen ten Mitglied der Demokratischen Partei gegenüber über die Politik der Deutschnationalen aus. Da versichert man einem erst," so ertlärte er wörtlich, daß man das Bertrauen der ganzen Partei genieße, und eines Tages steht man durch die Beschlüsse dieser Bartei allein da und sieht seine Stellung gefährdet" Der Reichspräsident gebrauchte im Anschluß daran über diese Politik das Bild des Ohsen im Porzellanladen.
Herr v. Hindenburg steht tatsächlich allein da. Denn als die deutschnationale Parteileitung auf den Knopf drückte, verschwanden die drei deutsch nationalen Minister geräuschlos in der Bersentung. Eben erst hatten sie ihr lautes Ja" gesprochen, jetzt lesen sie in der Kreuz- Zeitung die Erklärung des Grafen West arp, daß ihr Ja eigentlich ein Nein gewesen sei und schweigen dazu! Es wäre nur zu begreiflich, wenn sich der Reichspräsident über diese Erfahrun gen, die er jetzt im hohen Alter auf dem ihm ungewohnten Boden der Politif machen muß, etwas gereizt zeigte.
wurde auch Major Penalosa und General Soua in Saft genommen. Neue Berhaftungen stehen sowohl in der Proving wie auch in Madrid bevor.
Braunschweiger Justizwirtschaft. Der Fall Stoetel
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ein politischer Skandal.
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Wir haben unsere Leser über den ungeheuerlichen Prozeß unterrichtet, den die Braunschweiger Stahlhelm Justiz gegen den von der früheren Landesregierung berufenen Landesschulrat Stoebel veranlaßt hat. Jeder, der aus dem Prozeßbericht die Anflagen" entnehmen konnte, die gegen den Schulrat erhoben wurden, muß sich erstaunt fragen, ob die Emmingersche Justizreform" lediglich deshalb ,, aus Ersparnisgründen durchgepeitscht wurde, damit überflüssige und kostspielige Prozesse, wie der gegen Loeb und der gegen Stoe gel eingeleitet werden fönnen. Ist schon die Anflage aufgebaut auf kleinlichste Spizelberichte, auf leberwachung der Telephongespräche des Landesschulrats und auf ähnliche schwerwiegende Beweis mittel, so ist das Verhalten des prozeßführenden Richters und feines juristischen Beisigers von einem so offenfundigen, sagen wir vorsichtig: Mangel an Berstehenwollen, daß schon dadurch das ganze Berfahren gekennzeichnet wird.
Die Verteidigung hat gegen dieses Verhalten durch Niederlegung der Verteidigung und durch Berlaffen des Sigungssaales protestiert. Sie hat dadurch zunächst einen Angriff auf die Würde des An waltstandes abwehren wollen, aber gleichzeitig auch gegen die Art der Behandlung der Angeklagten vor aller Welt Protest erhoben. Zu den Verteidigern gehört neben den beiden Braunschweiger Anwälten Philipps und Eller Um die vatikanische Gesandtschaft. auch der bekannte juristische Schriftsteller Rechtsanwalt Haag, 12. November. ( WTB.) In der Sizung der 3 welten Dr. Erich End aus Berlin . Dieser machte das Gericht Rammer wurde ein Antrag, der sich gegen die Beibehaltungnahme der Anwaltsaften im Gesez feinerlei Stüße Kammer wurde ein Antrag, der sich gegen die Beibehaltung besonders darauf aufmerksam, daß die verfügte Weg der niederländischen Gesandtschaft beim ausspricht, angenommen. Daraufhin haben der Arbeitsminister, finde, besonders wenn es sich nur um die Einleitung eines der Kriegsminister, der Kolonialminister und der Minister für öffentDisziplinarverfahrens handle. liche Arbeiten und Wasserbauten ihre Demiffion eingereicht. Gleich nach Beendigung der Kammerjigung fanden verschiedene Fraktionsberatungen über die neu entstandene Lage statt. Fraktionsberatungen über die neu entstandene Lage statt. Eine Klärung dürfte vielleicht in dem für gestern abend anberaumten außerordentlichen Ministerrat erfolgt sein.
Der Antrag auf Abschaffung der niederländischen Gesandtschaft beim Heiligen Stuhl war von dem evangelischen Reform. parteiler ersten eingebracht worden. Dieser Antrag wurde mit 52 gegen 42 Stimmen angenommen; dagegen stimmten die Antirevolutionäre und die Römisch- katholischen .
Niedergang des Direktoriums?
Gärung in der spanischen Armee.
Paris , 12. November.( TU.) Der Temps macht neue Angaben über die Militärrevolte gegen das spanische Direktorium. Es scheint danach, daß die Bewegung großen Umfang angenommen hat, da auch in legter Stunde wieder zahlreiche Ber haftungen vorgenommen wurden. Außer den schon verhafteten Offizieren, unter denen sich Oberfte und Generäle befinden,
Stahlhelm- Regierung in Braunschweig nicht. Es hat beDerartige Einwände imponieren jedoch dem Gericht der feiner drei Anwälte ohne Verteidiger dasteht, bestellt ihm schlossen basta! Da der Angeklagte nach dem Beggang das Gericht einen Offizialverteidiger in der Person des Rechtsanwalts Dr. Heiser in Braunschweig . Es ist gewiß Dr. Bhilipps ist, dem die Aften beschlagnahmt wurden nur ein Zufall, daß dieser Anwalt der frühere Sozius des eröffnen will. Es war dem Gericht auch sicher ganz unbeund gegen den der Staatsanwalt ein Disziplinarverfahren tannt, daß dieser Dr. Heiser mit seinem früheren Bureaufollegen Differenzen gehabt und Prozeß geführt hat.
Es ist sicher nur ein Bufall, daß gerade dieser Dr. Heifer zum Nachfolger des Dr. Philipps als Verteidiger von Amts wegen ausgesucht wurde! Aber ein merkwürdiger Zufall bleibt es doch...!
Ein sozialistischer Minister in Südafrika . Der Premierminister von Südafrika hat in sein Rabinett als 11. Mitglied einen extremistischen Sozialisten aufgenommen. Er hofft, dadurch der liberalen Bolitit mehr Nachdruck zu verschaffen. Es besteht jedoch die Gefahr, daß die tonservative Partei sich nunmehr fester zusammenschließen wird.
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Chicago , Ende Oktober Die Gewerkschaftsbewegung ist auch in den Vereinigte Staaten von Nordamerika teine Konstruktion, sondern ein den inneren Lebensbedingungen dieses Bandes erwachsenes Gebilde. Aendern fich jene, so bleibt Die Gewerkschaftsbewegung davon nicht unberührt, auch wenn sie es wollte. Es darf bei einer Betrachtung der amerika nischen Gewerkschaftsbewegung dieser Zusammenhang gerade jetzt nicht außer acht gelaffen werden, da der Weltkrieg und feine Folgen das ökonomische Geficht der Bereinigten Staaten nicht unerheblich verändert haben. Kennzeichen der Widerspiegelung jener Umbildungen sind in der amerikanischen Arbeiterbewegung sichtbar. Nur darf nicht der Fehler gemacht werden, sie pro- europäisch auszudeuten. Amerika ist ein Kontinent für sich, feine Eigenart muß begriffen werden, sonst ist Verständnis für das Wesen der amerikanischen Gewerkschaften nicht möglich.
Aber auch bei voller Berücksichtigung aller erwähnten Momente bleibt die große Gefahr des Mißverständnisses bestehen. Sie erwächst daraus, daß sich hier bei den Gewerkschaften der Vereinigten Staaten die Begriffe und Bereichnungen, die in der europäischen und im besonderen in der deutschen Gewerkschaftsbewegung herausgebildet worden sind, fast sämtlich wiederfinden, daß sie aber in ihrem lebenbigen Wesen etwas ganz anderes bedeuten als in unserer Eigenart. Das gilt sowohl für Begriffe der organisationstechnischen Apparatur wie für die Bezeichnung der Formen der praktischen Gewerkschaftsarbeit. Es handelt sich also nicht nur um äußerliche Verschiedenheiten, sondern um einen anderen Wesensinhalt, und damit um eine andere Psychologie.
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Selbstverständlich fämpfen auch hier die Gewerkschaften wie jede Arbeiterbewegung in der Welt um furze Arbeitszeit. Für eine ganze Anzahl von Berufen ist man dabei schon unter 48 Stunden wöchentlich gekommen; bis zu 40 Stunden! Und ebenso selbstverständlich ist der Rampf um ausreichenden Lohn. Beiter ist auch hier die Neigung zum Realfompromiß den wir in Deutschland Tarifvertrag nennen aus den Verhältnissen erwachsen. Und nicht zuletzt wehrt man sich auch hier dagegen, politisches Instrument zu werden. Aber schon in sozialgefeglichen Fragen, im besonderen auf arbeitsrechtlichem Gebiet, sind die amerikanischen Gewerkschaften gezwungen, andere Wege zu gehen als wir bei uns in Deutschland , im weiteren Sinne in Europa , zu gehen gewöhnt sind. Die Le gislative , die ausübende Gesetzgebung liegt in den Ver einigten Staaten vor allem bei den einzelnen Bundesstaaten. Darüber hinaus ist die Einstellung des Amerikaners zum Staat, der bei uns der Hauptträger aller Sozialaktion Gesetzgeber und Verwalter sehr wesentlich unterschieden von der unsrigen.
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Das ökonomische Motiv der Berschiedenheit zur euro päischen Arbeiterbewegung liegt darin, daß die ameritanische Gewerkschaftsbewegung bisher ihre Macht und Gestalt aus der Beherrschung des Arbeitsmarttes entwickelte, im Gegensatz zur europäischen Gewerkschaftsbewegung, die Kraft und Bewegung aus der Erwedung des Arbeiterstandes, des Proletariats- wie wir in unserer Terminologie sagen zu schöpfen weiß. Die Tatsachen beweisen, daß auf beiden Wegen die Entwicklung zur sozialen Macht möglich ist.
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Aus dieser im öfonomischen Grunde verschiedenen Befensart kam es in den Vereinigten Staaten zu den für Unorganisierte verschlossenen Betrieben- gewissermaßen tariflich an die Gewerkschaft gebundenen Unternehmen die als Gegenwirkung die sogenannten offenen Betriebe erzeugten, Betriebe, die teine organisierten Arbeiter beschäftigen, zum mindesten Don der Organisationszugehörigkeit ihrer Arbeiter feine Notiz nehmen. Die Fordbetriebe mit ihren Rehntausenden von Arbeitern gehören heute noch zu dieser Kategorie.
Im weiteren Berfolg der bisherigen Entwidlung der genannte Il nion Label herausgebildet, die Stempe amerikanischen Gewerkschaftsbewegung hat sich das sofo lung ber in gemertfchaftstreuen Betrieben hergestellten Produfte. Das ist die folgerichtige der Produktion auf den Markt, und damit auf den Arbeiter Steigerung des amerikanischen Gewerkschaftsgedankens, von dagegen zur Genossenschaftsbewegung.) Es existieren zurzeit als Ronfumenten übertragen.( Wir in Deutschland tommen für über 50 Berufe Unionmarten und stempel, damit wird vom Konsumenten aus die Gewerkschaftsbewegung unterstützt. schäftigungssicherung heraus ist auch mit zu er Aus der uns eigenartig anmutenden Ideologie der Be. auf Mitgliederwerbung, als auf Sicherung des Standards flären, daß manche Gewerkschaften ihr Hauptgewicht weniger der Unionbetriebe( gewerkschaftsbeherrschten Betriebe) legen. Aus den gleichen Gedankengängen heraus sind auch bei vielen Gewerkschaften die Eintrittsgelder sehr hoch. Das liegt mit daran, daß die Karenzzeiten der Versicherungseinrichtungen der Berbände häufig furz sind. Zum anderen ist aber der Unterschied zwischen Unionlohn im geschlossenen shop- und freien Lohn- in den unorganisierten Betrieben - so beträchtlich, daß das hohe Eintrittsgeld gewissermaßen als Nachzahlung der von den schon länger Organifierten geleisteten Opfer und Kämpfe aufgefaßt wird. Teilzahlung der Eintrittsgelder erfolgt nicht selten.