Nr. 537 42. Jahrg. Ausgabe A nr. 274
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Freitag, den 13. November 1925
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Die Telegraphen- Union meldet aus München : Wie das hiesige italienische Generaltonjulat in Ergänzung unserer geftrigen Meldung über den Freispruch in der Mordsache Matteotti mitteilt, hat zwar der Prozeß selbst noch nicht flattgefunden. Das Gericht werde jedoch in dem Berfahren gegen Roffi, Filipelli und Marinelli wegen Freiheitsberaubung, das sich noch in dem Borstadium befinde, erkennen, daß dieses Bergehen unter die Amnestie fällt.
Rossi und Filipelli find nämlich die beiden Hauptbeteiligten an der Ermordung Matteottis, die, um fich zu retten, Denkschriften verfaßt haben, in denen sie sich ausdrücklich darauf beriefen, daß Mussolini in eigener Perfon der Anstifter des Mordes gewefen fei. Deshalb mußten fie amnestiert werden, sonst wäre Mussolinis Mordschuld vor Bericht enthüllt worden.
Es entwickelt fich also alles programmäßig, genau fo, wie wir es bei der ersten Kunde des„ Komplotts" erklärt hatten: Mussolini brauchte dieses Attentat", um in der tünstlichen Stimmung, die biefe Kunde in Italien erzeugen würde, feinen gefährlichen Komplicen den Laufpaß zu geben.
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Filipellis und Roffis Anklagen gegen Musolini .
Jezt ist der Augenblid gekommen, die Dentschrift Filipellis und den offenen Brief Rossi's mieder ans Licht zu bringen.
Die Denkschrift Filipellis lautet in ihren wesentlichen Teilen wie folgt:
Argwöhnisch geworden fragte ich nach dem, was geschehen sei und er antwortete mir, daß er auf Grund genauer Befehle von Rossi und Marinelli gehandelt hätte, die formell von Mussolini autorisiert waren( in der Handschrift unterstrichen, wie alles Nachstehende gesperrt gedruckt).
bat ich Quilici, während der Nacht das Auto in seiner Garage zu behalten. Dumini bat mich zu schweigen, alles würde am nächsten Tag in Ordnung gebracht werden.
Da ich über die Nachricht vom Berschwinden des Abgeordneten Matteotti beunruhigt war, suchte ich troßdem am nächsten Tage, Mittwoch, fojort nach Rossi.( Was den Abg. Matteotti betrifft, ließ ich durch meine Reporter die bis dahin bekannte Lesart verbreiten: Entführung in einem grauen Auto Fiat, weil ich noch nicht annahm, daß die Sache von Dumini ausgeführt worden wäre und weil ich aus Loyalität gegen die Regierung erst die eventuellen Führer benachrichtigen wollte.)
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Zerstörung der katholischen Vereine in der Birnaza, die Muffo lini bei dem Abgeeordneten Maggi bestellt hat und dann so freund. lich war, mir in die Schuhe zu schieben. Ich füge hinzu, das Fascioni( der Privatsekretär Musolinis ) Tag für Tag und die lokalen Fasci bie Namen der Spender für die Sammlungen zu der Unita", der talia liberia" usw. zu senden hatte, damit gunsten des„ Boce Republicana", des Avanti", der Giustizia ", die Unterzeichner mit Rizinusöl und Stochieben traf fiert wurden. Ich beziehe mich weiter auf die Absendung nach Frankrreich von Dumini, Bolpi, Butato, mit gefäschten Päffen, die der General De Bono geliefert hatte, mit Geld von Finzi, das in Gegenwart des Abgeordneten Bastianini ausgezahlt wurde; die Reise hatte den 3wed, den in Frankreich getöteten Faschisten Geri zu rächen.
Der Ueberfall auf Forni( dissidenten Faschisten) hat folgenden Ursprung: Eines Nachmittags wurde ich durch Mussolini telephonisch dringend in den Balazzo Chigi gerufen und fand den Bräsidenten in einem Zustand wahnsinnigster But und Aufregung megen Fornis Rede in Miella.... Er brüllte mir mehrmals zu, hätte und daß es ihm immer zufiele, den Alarm zu geben. Auf daß der Faschismus gar teinen Instinkt der Selbstverteidigung einmal rief er aus: 2ber was tut Dumini?" Und dann erging er fich in einigen Unftätigteiten. die zu feinem täg lichen Wortschaß gehören.
Bei einer anderen Gelegenheit, als von einer neuen Rede Misuris die Rede ist( es war das nach dem ersten Attentat auf diesen Abge ordneten) sagte Mussolini :„ Diesmal muß man den halunten aber
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wirklich umbringen, worauf De Bono bemerfte mit gefälligem Lächeln: Darüber wollen wir uns aber erst ins Cinder. nehmen sehen. Wenn wir ihn umbringen, dann besser vor als nach der Rede, so ersparen wir uns den Schaden der Spekulation der Gegner.
In unserer ersten Ausgabe nach den ersten Nachrichten über das aufgedeckte Komplott" am 6. d. M. schrieben wir:
Für uns besteht bis zur Erbringung des Gegenbeweises zwischen dem„ Attentatsplan" der Zaniboni und Cappello und dem drohenden Matteotti- Prozeß ein offenfundiger 3 usammenhang.
Daß Mussolini ermordet werden sollte, ist im höchften Grabe zweifelhaft, daß er ein Mörder ist, steht außer 3weifel!"
Dabei bleibt es!
Erweiterung der Diktaturbefugniffe.
18. november einberufen worden. In der ersten Sigung wird die Rom , 12. november.( WIB.) Die Rammer ist zum Maßnahmen gegen die Auswanderer und einen über die BefugRegierung mehrere Gefehentwürfe einbringen, darunter einen über nille und den Mahlbereich des Chefs der Regierung. Dem Senal wird ein Gefehentwurf über eine forporative Reform des Senats zugehen.
Geist und Ergebnis.
Die Erörterung der Konferenz und des Bertrages von Locarno hat sich im Ausland vor allem um den„ Geist", die Sehr in Sorge, aber unfähig, eine feste Entscheidung zu treffen," Gesinnung", um die nunmehr einzuschlagende Richtung der europäischen Politik gedreht. In Deutschland stehen mehr die Rückwirkungen", die unmittelbaren praktischen Ergebnisse im Vordergrund der Debatte. Das liegt& T. daran, daß Deutschland ein unmittelbares Interesse" baran hat, seine und namentlich des Rheinlandes Lage erleichtert zu sehen, während für die andere Seite zunächst einmal der Wandel der Gesinnung und der Ausdruck, den sie in Kundgebungen europäischer Gemeinschaftspolitik findet, die Hauptsache und das Neue find. Dieser Unterschied der Einstellung zum Friedenswert von Locarno ist feine Kluft, die, wie die deutsch nationale Bresse es gern haben möchte, Deutschland von den anderen Mächten abgrundtief trennt; sondern sie ist eine natürliche Berschiedenheit, die sich im Laufe der Zeit abschwächt. Nach den bitteren Erfahrungen Deutschlands mit der Machtpolitit der Nachkriegszeit muß Europa " Deutsch lambs beredytigte Ungeduld begreifen und es begreift sie auch. Aber auch in Deutschland wird man den Wert der freund lichen Wort e, die auf der anderen Seite gesprochen werden, um so mehr zu schäzen wissen, je mehr man sich daran er innert, daß der Geist von London , der die Räumung des Ruhrgebietes und die Beendigung der Sanktionspolitik zur Rüdwirtung hatte fein zweites Versailles ", sondern eine Bendi.ng zum Besseren gewesen ist, die ein starkes Bertrauen auf den Geist von Locarno rechtfertigt.
Am Mittwoch morgen, während ich Rossi suchte, fuchte er mich bringeno, un mir zu sagen: 1. daß Dumini gemeldet hatte, er hätte sich des von mir in gutem Glauben geborgten Autos bedient;
2. daß die Sache ernst war;
3. daß der Präfident Muffolini alles wußte;
4. daß er( offi) und Marinelli Befehle erteilt hätten, im Einvernehmen mit Mussolini ; 5. daß man um jeden Preis die Sache vertuschen mußte, sonst würde fogar Muffolini auffliegen.
Diese Erklärungen Roffis enthoben mich einer formelen Anzeige Trozdem hielt ich es für zweckmäßig, an demselben Tage( Mittwoch) De Bono , Finzi, Marinelli und andere zu benachrichtigen. Von Finzi und von den anderen erfuhr ich:
Matteotti mar;
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1. daß das Opfer von Duminis Anschlag der Abgeordnete 2. daß der Befehl, ihn zu beseitigen, von der Tscheta der Die Rüdwirkungen von Locarno sind schon vor der Ron faschistischen Partei ausgegangen war, deren materieller Anführer Dumini und andere Leute waren, die auch wegen dieser ihrer letzten ferenz von den Deutschnationalen in den Bordergrund gezogen fpezifischen Berrichtung Muffolini felbft bekannt waren: worden. Auch die deutschen Delegierten von Locarno legten 8. Sa fie im Laufe des Mittwoch mit Mussolini besprochen auf die Rückwirkungen des Vertrages vielleicht mehr Wert als hatten; auf diesen selbst. Damit hofften sie, die Deutschnationalen bei 4. daß Muffollat die Baplere und den Paß des Abg. Matteotti der Stange und ihrer Regierung die Grundlage zu erhalten. als Bewels felner Beseitigung erhalten hatte; Waren doch die Herren Realpolitiker von der Rechten mit 5. daß man Ruhe behalten müsse, denn alles würde in die beträchtlichen Illusionen über das politisch Mögliche an die Reihe kommen. 6. Flehte er mich an, zu vermeiden, daß das tragische Auto, das Konferenz herangegangen. Erst stellten sie ein Dugend unIch mit dem üblichen edelmäßigen Glauben geliefert hatte, entdeckt verzichtbarer Forderungen als Boraussetzungen für die Teilwürde. Eine Staatsangelegenheit, das Regime in Gefahr, wieder- nahme an der Konferenz auf. Schließlich wurden daraus holte man mir. Muffolini riskiere die Regierung und den Kopf." Bedingungen für den Abschluß des Vertrages und endlich In dem Offenen Brief Cesare Rossis, des dama- mußten sie sich mit unverbindlichen Zusagen begnügen. Aber ligen Pressechefs der italienischen Regierung, heißt es: auch Frankreich war zuerst mit der festen Abficht zur Alles, was geschehen ist, ist entweder auf direkten Willen des Konferenz gekommen, sich auf feinerlei Distuffion über RüdHeerführers( Muffolinis) oder mit feiner Billigung oder unter feiner wirkungen einzulassen; quch Frankreich hat feinen Standpunkt Mitschald geschehen. Ich beziehe mich hier auf die Mißband. aufgeben müssen. So ist die erste und unmittelbarste Rüd lung Amendolas( früheren Ministers unter Nitti, der übrigens wirkung von Locarno eben die gewesen, daß die Debatte por furzem ein zweites Mal überfallen und schwer verletzt wurde. über die Rüdwirtungen in Gang gekommen Red. d. Borwärts".), die ohne mein Wissen von Mussolini ift. angeordnet wurde und die De Bono von Candelera( einem Offizier der römischen Milig) ausführen ließ, auf den Ueberfall auf Muri ( diffidenten faschistischen Abgeordneten), ben De Balbo auf Anregung Muffotinis organisiert hat; auf den Aufdhlag auf Forul, den Muffolini sehr aufgeregt dirett bel mir bestellt hat und ban ich in Gimpernehmen mit Diunta organifieste.... auf bie
Man beklagt sich auf der deutschen Rechten über das bis jest geringe Ausmaß praktischer Ergebnisse. Dabei ist zu bebenten, baß es sich in gewiffem Sinne nicht um Rüdmir tungen, sondern um Borleistungen handelt. Der Bertrag von Locarno ist bis jagt meber rechtsträftig noch unterzeichnet.
Die Deutschnationalen follten die Letzten fein, fich zu beklagen, wenn die Rüdwirtungen bis jetzt nicht größer ausgefallen find. Mit ihrem Ausscheiden aus der Regierung haben sie einen Dolchstoß in die deutsche Friedensfront unternommen; sie haben die Berhandlungsfähigkeit der Regierung geschwächt: die Vertragspartner fömmen naturgemäß einer deutschen Regierung um so weniger vertrauend entgegenkommen, je wilder die nationale Opposition sich gebärdet und je mehr sie die Vertragsunterzeichnung gefährdet. Immerhin ist das Bertrauen des Auslandes darauf, daß die gesunde Bernunft und die Friedensbereitschaft des deutschen Volkes die Halbund- Halb- Politik der Deutschnationalen zunichte macht, groß genug, um zu prattischen Ergebnissen noch vor Unterzeichnung zu fommen. Bolen hat auf das ihm zustehende Recht der Ausweifung deutscher Optanten verzichtet; es ist stolz darauf, dieses Berzichten auf ein bisher zäh festgehaltenes Vertragsrecht ohne Gegenleistungen vollzogen zu haben. Die Alliierten" haben sich mit der Wiedereinsehung des deutschen Reichstommissars in den vorigen Stand bereit erffärt; die Entwaffnungsfrage wird zweifellos im Geifte gegenseitiger Berständigung behandelt und bereinigt; die Verlegung der englischen Truppen aus der Kölner 3one wird tatsächlich vorbereitet, die Räumung selbst beginnt aller Voraussicht nach am 1. Dezember. Auch sind die Hoffmungen auf eine beträchtliche Verminde rung der Truppenzahl berechtigt. Für den nächsten Dienstag ist der amtliche Schritt der ausmärtigen Regierungen zu erwarten, der Deutschland die Gesamtheit der Rüdwirtungen mitteilt. Das alles geschieht vor der Unterzeichnung in London und bedeutet, daß die Alliierten" ihren früheren Standpunkt verlassen und praftische Ergebnisse nicht erst als Rückwirkung nach der Unter aeichnung, sondern als Rüdwirtung schon nach der Paraphierung eintreten lassen. Das Zeter- und Mordiogeschrei der deutschnationalen Bresse soll nur die Verlegenheit darüber perbergen, daß die von der Sozialdemokratie getragene deutsche Friedenspolitit Ergebnisse hat, die ihr so peinlich, wie Deutsch land nützlich sind.
Dabei ist es gänzlich abmegig, nur die Rückwirkungen" im eigentlichen Sinne zu sehen. Locarno ist so wenig für Deutschland wie für die anderen Mächte ein Ende. Es ist ein Anfang. So haben Staatsmänner der anderen Seite immer wieder versichert. Mit Erleichterung des Befagungsregimes ist das praktische Ergebnis für Deutschland feineswegs erschöpft. Freilich darf man nicht, wie die Renipolitiker der Rechten das zu fordern lieben, erwarten, daß Deutschland weitere Erleichterungen, daß ihm seine Gleichberechtigung wie Geschenke in den Schoß fallen. Hierfür gilt es zu fämpfen, eine unermüdliche attivistische Friedenspolitik um die Ueberwindung von Bersailles noch weiter zu treiben. Die natio nalen Forderungen, die die Patenipatrioten fo iaut als die ihren aufgestellt hatten, find Farberungen des ganzen