5rettag 13. November 1925
Unterhaltung unö IVtssen
Sellage öes vorwärts
Sie unbarmherzige Zahl. November 18. Wald om Compiegne. liier und da das Schuh- loch eines schweren Treffers, ein paar Bäume zerschellt, zersplittert, der Boden zerwühlt wie im Kamps. Hier und da ein Soldaten- käppi. eine verlorene Waffe. Nebel, Dunst, schwere, feuchte Witte- rung. Wie ein Geruch von Tod und Kampf, wie Wuchten furcht- baren, unabwendbaren Schicksals lastet es über dem Wald, raunt es von Baum zu Baum. Auf dem Schienenstrang durch den Wald der Extrazug des Marschalls Foch. Der Oberbefehls- aber der Heere der Well, der Amerikaner, der Engländer, der ranzosen, der Belgier , der Italiener, der Portugiesen empfängt die deutsche Waffen st ill st andskommission. Erz- berger, der Deutsche , hofft noch den Schein wahren zu können — vielleicht ist er selbst sich noch gar nicht bewußt, daß es hier kapitulieren heißt. Er erklärt, daß er gekommen sei, um über einen Waffenstillstand zu verhandeln. Mit brüsker Handbewegung bricht ihn Foch ab. Nichts von Adel , nichts von Feldherrngröße an sich, wie ein schlechter Unteroffizier herrscht er ihn an. höhnisch und protzig:„Sie wollen die Bedingungen wisien, zu denen das deutsche Heer Waffenstillstand haben kann— da sind sie.' Nichts von Verhandeln, er.kennt nur zwei Dinge. Entweder nehmen die Deutschen an. oder die-tvchlacht geht weiter. Das war Compiegne . Compiegne , wo die 14 Punkte des amerikanischen Präsidenten, wo die idealismustriefenden Reden Lloyd Georges und Wilsons zum ersten Male von der Siegerfaust beiseite geschoben wurden, bis sie in Versailles endgüllig eingesargt wurden in jener Traktat, der sich Dersailler Friedensvertrag nennt. Erzberger nahm an» weil er annehmen mußte. Es gab keinen Ausweg. Niemand in yanz Deutschland halle eine Wendung des Kriegsglücks auch nur in mallen Andeutungen zeichnen können. Foch hatte recht. Er konnte marschieren lassen. Es hätte ihn ja „nur' soundsoviel Tote täglich, soundsoviel mehr verwüstete bel- und— bald auch— lothringische und elsässische ftet. Was Merten ihn die Toten, so lange neue Leute aus Amerika , Kanada , aus den schwarzen Rekrutendepöts Frankreichs . Was schierten ihn die elsässischen und lothringischen Dörfer, die am 14. November von seinen Geschützen in Grund geschossen werden sollten, sie waren ihm nur brennende Siegessanale für seinen Einzug in Berlin . Denn daß der einmal kommen mußte, war bestimmt. Ob es schon im Januar 1919 würde, oder im Mär� oder erst im April— sein Pläne waren fertig. Er halle Zeit. Er wußte, daß Amerika bis Juli 1919 ihm fünf Millionen Truppen liefern wurden, daß das amerikanische Bau- Programm für schwere» Kriegsmaterial bis in das Jahr 1920 hinein lief. Und Erzberger wußte— ebenso gut wie alle deutschen Generäle. auch die, die sich vor der Verantwortung drückten und Ausflüchte machten, wenn sie zur Aeußerung aufgefordert wurden—, daß Deutschland geschlagen war. Das Kriegsglück ist mit den stärksten Bataillonen. Die, Zahl ist entscheidend im Krieg. Und die Zahlen im November 1918 waren unbarmherzig, unbarmherzig gegen Deutschlands Kriegs- Aussichten. Während die Alliierten 9K Frontdivisionen an der Westfront hatten, konnte Deutschland nur noch mit 58 unvollständigen. ausgehungerten, durch langen kämpfenden Rückzug zer- mürbten Divisionen rechnen. Der französische General Manguin rechnete alle Divisionen zusammen und stellte fest, daß an allen Fronten' 205 alliierte Divisionen, von denen 103 in Reserve lagen,- vorhanden waren. Ahs dem Papier halle Deutschland allerdings auch noch 184 Divisionen, aber nur 17 von ihnen logen in Reserve. Und wahrend Foch 26 französische und 34 amerikanische Divisionen um Metz konzentrieren konnte, um Mitte November mit einem
gewaltigen Aufgebot von Stoßtruppen, Tanks, schwerer Artillerie und Fliegern in Lothringen einzubrechen Schlüssel der deutschen Rheinstellung, einzuj
gern in Lothringen einzubrechen und Metz , den südlichen der deutschen Rheinstellung, einzuschließen und zu erobern, mußte Deutschland Kräfte abschieben nach Tirol, wo die Italiener freien Einmarsch hatten, nach dem Böhmerwald und dem Riesen- gebirg«, um Deutschlands Grenzen gegen die Tschechen zu schützen, nach Osten, wo die Polen ihren Aufstand vorbereiteten. Unbarmherzig sind die Zahlen, welche man auch herausnimmt ous dem Gewimmel der Statistik. Amerikanische Berechnung zählte im November 1918 6 427 000 Mann alliierte Soldaten gegen 3 562 000 deutsche . Detitschland soll in jenen Novembertagen rund 3000 Flugzeuge an der Front gehabt haben. Frankreich besaß 3900, England 2100, Italien 600 und Amerika 860 Kampsflugzeuoe. Rund 2000 alliierten Tanks hatte Deutschland an 200 entgegenzusetzen. Unbarmherzig sind die Zahlen. Wahnsinn wäre weiterkämpfen gewesen. Deutschland war besiegt. Ob es noch mehr Tote opferte oder nicht, konnte am Resullat des Schlachtens nichts ändern. Oder meiM man, ein in Berlin diktierter Frieden wäre mllder und vernünftiger gewesen als jener in Versailles ? Diejenigen in Deutschland , die noch heute vom Dolchstoß faseln, deren Gesinnungs - genossen Erzberger ermordeten, können auch nicht ein Moment aufzeigen, das eine Wendung des Krieges nach dem November 1918 andeutet. Foch war ein guter Rechner, ein kühler Rechner. Er war seiner Sache gewiß, als er am 31. Oktober im Kriegsrat im Trianon gegen- über den alliierten Staatsmännern ausführte: Wir können, so lange der Feind es wünscht, diese Schlacht von 400 Kilometer fortsetzen, der Stand unserer Armeen erlaubt es uns. Die französischen und britischen Heere sind gewiß mit- genommen, aber sie können fortsetzen. Die amerikanische Armee ist frisch und empfängt jeden Tag Reserven. Die Moral der Truppen ist ausgezeichnet. Unsere Soldaten sind von ihrer Ueberlegenheit über den Feind überzeugt....>so steht der Krieg, beendet im Orient, für uns günstig im Okzident. Wir können ihn, wenn der Feind es wünscht, bis zu seinem völligen Zusammenbruch fortsetzen. Will jemand behaupten. Deutschland hatte ein IMeresse an dieser Fortsetzung bis zum völligen Zusammenbruch? Sollte ein solcher Deutscher existieren, so mag er sich bewußt sein, daß er sich in völliger Uebereinstimmung befindet mit dem englischen General Maurice, dem Franzosen Manguin und all jenen vielen amerika - nischen Freiwilligen, die wütend darüber waren, daß sie nicht als Sieger in Berlin einziehen durften. Mit dem Wiederaufbau und dem Wohl des deutschen Volkes dagegen hälle solcher Deutscher keine Uebereinstimmung. Compiegne war«in bitterer Tag, aber«in leerer Tag, er war nur die formelle Anerkennung bestehender, un- barmherziger, unabwendbarer Tatsachen... unbarmherziger Zahlen. Unsere Erbsihast. Don 2öh. von Kunowski. Das long befürchtete, oft besprochene, nie für möglich gehaltene Ereignis war eingetreten!— unsere liebe Tante Appolonia hatte im Alter von neunzig Iahren in Dahlenwarsleben das Zeitliche gesegnet! Ruhe sanft, war unser Wunsch, und wir strichen den 11. August sowie ihren Namen van der Liste unserer Festtags- gratulationcn, wobei wir berechneten, daß wir also nuinnchr vierzig Pfennige Porto sowie einige schön bemalte Karten im Jahr« sparen würden.—« Geerbt hätten wir von Tante Appolonia doch nichts, das war uns ganz klar, denn dazu hotte« wir in einew gewissen Selbster-
Das zersthosiene Damaskus.
unö macht zum Dank ihre Söhne mit öen Errungenschaften öer Neuzeit bekannt.
Haltungstrieb eine zu hohe Mauer zwischen uns und der Dahlen - warslebener Tante aufgerichtet. Außerdem war auch eigentlich nicht viel zu erben, und wir verzichteten großzügig, als hundertste Be- werber das Rennen um die alten Möbel mitzumachen. „Hans,' sagt da eines Tages meine Frau zu mir,„sieh mal, hier schreibt uns Frau Schenck, du weißt, die Freundin von Tante Appolonia, sie hätte uns im Auftrage der teuren Entschlafenen etwas zu übermitteln. Was mag das sein?' Ich weiß nicht, bei dieser Nachricht überkam mich so eilt ungemütliches Gefühl, eine Vorahnung kommender Dinge. Mutig aber bot ich meine Dichterstirn dem Verhängnis, zog meine neuen Schuhe an und trat begleitet von tausend Ermahnungen und Vermutungen meiner Hella schon am nächsten Tage den Weg zu Frau Schenck an. Ich klingele, Frau Schenck öffnet selbst, ich trete mit ihr in den Salon, auf dem Gesicht jenen würdigen Ausdruck, der mir für der- artig heikle Missionen vorgeschrieben erscheint. „Also, mein lieber junger Freund,' sagt die würdige Mallone, indem sie den völlig unbegründeten Versuch macht, einige Tränen mit ihrem Taschentuch aufzusaugen,„unsere gute Appolonia hat mir in ihrer Güte von ihrem irdischen Hab und Gut das Hauptsächlichste überlassen. An ein Ding aber knüpfte sie in ihrem letzten Willen noch eine besondere Bedingung, zwar sollte ich auch dieses erben. Sie aber sollen der Nacherbe sein. Es ist diese Kaffeemaschine. Wie sie doch an alles dachte, die Gute.' Bei diesen Worten präseMierte sie mir so eine Art Kaffeemaschine, die ich wohl schon mal irgendwann in Dahlenwarsleben gesehen habe. „Eigentlich wollte ich sie ja selbst benutzen,' fährt offenherzig Frau Schenck fort,„aber ich komme nicht so gut damit zurecht, trotz- dem sie schon in der Reparatur war.' Gerührt stammelte ich einige Dankesworte, bat um einen Bogen Papier , oerpackte die unförmige Maschine und empfahl nüch mit dem innigen Wunsche, nie wieder etwas mit dieser aufopferungsfreudigen Wittib zu tun haben zu müssen. Meine Frau war hingerissen.„Fabelhaft die Maschine, sieht noch wie neu aus, was meinst du, was für einen anregenden Mokka ich dir hiermit vorsetzen werde.' lauteten ihre Begeisterungsrufe. War Ich selbst auch mehr als skeptisch, so sah das Ding immerhin ganz dekorativ aus, und ich sah schon im Geist behaglich gedeckten Kaffee- tisch, gemütliches Flackern des Lämpchens. hörte das Brodeln des Wassers, roch den aromatischen Duft. Am selben Tage noch wurde die Prob« gemacht. Es ging alles fabelhaft, das Lämpchen flackerte, das Wasser brodelle, neckisch plätscherte der Kaffee in die Kanne. Gekostet aber war er kalt und dünner als dünn, trotzdem Hella das Doppelte unseres gewöhnlichen Kaffeequantums hineingetan. „Laß nur. dazu gehört Uebung, ich werde es schon lernen,' sagte meine Frau, während ich nicht ganz so überzeugt an Frau Schencks vergebliche Versuche dachte. Beim nächsten Male wurde der Kaffee nicht besser, dafür flog aber der Pfropfen des Kessels mit einem furchtbaren Dampfstrahl an die Decke. Meine Frau versuchte es mit Filtricrpopicr, diesmal blieb der Pfropfen, der Kassee aber erhielt durch zahllose Löschpapierfussel keinen besseren Geschmack. Kurz, es war nichts mit dem Prachtstück. Neulich nun kommt Vetter Poul zum Kaffee. Meine Frau de- rettet den Tisch, in der Mille steht— die Kaffeemaschine..Nanu.
du willst,' frage ich stirnrunzelnd,„laß doch,' sagt sie,„er versteht doch nichts vom Kuffee und das sieht doch so nett aus." Also gut, Paul kommt, wir sitzen um den Tisch, Hella zündet das Lämpchen an, da— eine Feuersäule steigt auf, gleitet vom Apparat kreisförmig auf die Decke, die selbstgearbeitete Spitzendecke, es ist wirklich nett anzusehen. Mit einer Wasserkaraffe lösche ich den Brand. Die Spitzendecke aber war hinüber und.....— und von dem Nach- mittag will ich schweigen.— Abends sitzt meine Frau vor dem Torso der Spitzendecke. Höhnisch blinkt von der Kredenz her die Kaffeemaschine. Da denke ich der guten Frau Schenck.„Weißt du, Schatz," sage ich,„deine Freundin Helga heiratet doch demnächst."„Ja," sagt meine Frau. „wir sind doch eingeladen."„Na schön, hast du denn schon an das Hochzettsgefchenk gedacht?" „Ja, ich dachte, vielleicht eine hübsche....." „Wie wäre es denn nun— läßt sich die Maschine da nicht vielleicht so herrichten, daß...—" Einen Augenblick stutzt Hella.„Aber natürlich geht das, fein, das wird ein großartiges Geschenk, sieht so teuer und dekorativ aus." Ich schmunzele nur— und denke an meine Nachcrben.— •_____ Neues vom Asthma. Das Asthma ist eine vielfach rätselhaste Elscheinung, über die man erst in neuester Zeit eine gewisse Aus« klärung erhalten hat. Vielfach ist für den Asthmatiker der Ort seines augenblicklichen Ausenthaltes ausschlaggebend. So bekam z. B. der große Ar�t van Helmont, der selbst Asthmatiker war, jedesmal in Brüssel qinen Anfall von Atemnot . Andere Patienten sind an gewissen Orten völlig anfallssrei, und nur in einer bestimmten Stadt werden sie von ihrem Leiden befallen. Selbst ein Ort in nächster Nähe, z. B. ein bestimmtes Haus, kann für den Asthmatiker ein schlechteres oder besseres Klima bieten, und damit ist bewiesen, daß die üblichen klimatischen Faktoren, wie Luftdruck, Sonnenschein- dauer usw., bei den Asthma-Anfällen keine Rolle spielen können, denn diese sind ja an ganz nahegelegenen Orten dieselben. Wie Medizinalrat Grimm in der Leipziger „Illustrierten Zeitung" aus- führt, hat man neuerdings den Zusammenhang zwischen gewissen Verunreinigungen der Luft und dem Asthma erforscht. Vom Heu- fieber oder Heuasthma weiß man schon lange, daß diese Krankheit durch die Heusamen verursacht wird, die vom Wind viele Meilen weit verweht werden. Doch gibt es auch andere derartige Asthma- Erreger. In Italien wurde als Ursache einer Afthma-Epidemie feucht gelagerter Weizen gesuirden, und in Holland waren die Er- reger im Getreide, Mehl oder Blumenzwiebeln, die feucht waren und lange gelagert hatten. Ein dritter Erreger ist ein ziemlich häufiger Schimmelpilz, der außer Feuchtigkeit auch Wärme braucht und des- wegen besonders oft in Füllungen von Matratzen und Kissen ge- funden wird, die durch die Körperwärme der Schlafenden erwärmt sind! er entsteht aber auch im Gefieder der Hühner und im Stallmist. Beseitigt man diesen Pilz durch Desinfektion, so müssen auch die auf ihn: beruhenden Anfälle aufhören, und daraus erklärt sich wohl die hin und wieder gemachte Beobachtung, daß bei Asthmatikern die Anfälle nach Ausnahme in ein Krankenhaus sofort aufhören, während sie nach der Entlassung wiederkehren. Im Krankenhaus werden nämlich die Betten vorschriftsmäßig desinfiziert. Es ist anzunehmen, daß es auch noch andere Lebewesen gibt, die Asthma erzeugen. Vielleicht sind sie olle auf erhebliche Feuchtigkeit angewiesen, und dadurch wäre es verständlich, daß man schon früher einen Zu- sammenhang zwischen Feuchtigkett und Asthma oermutete.