Das Enöe öes Zollkrieges mit Spanken. ' Nach dem Inkrafttreten des provisorischen Handelsabkommens zwischen Deutschland und Spanien , das wir bereits heut« morgen mitteilen konnten, setzt die spanische Regierung ihre gegen Deutschland getroffenen Zollkriegsmahnahmen außer Kraft. Nähere Einzelheiten über den Inhalt des Abkommens und über die deutschen Zugeständnisse sind noch nicht bekannt. Auf deutscher Seite waren bekanntlich die in Aussicht genommenen Kampfmaßnahmen nicht in Geltung getreten.
Chamberlains Locarno-Reöe. (Fortsetzung von der ersten Seite.) Tie Entspannung im Osten. Nach meiner Slnsicht, so fuhr Chamberlain fort, wäre das Werk von Locarno nur halb getan gewesen, wenn es nicht auch eine Entspannung im Hinblick auf die Ost grenze Deutschlands gezeitigt und dazu beigetragen hätte, den Frieden in jenem Teile der Welt sicher zu gestalten. Die jüngsten Ereignisse haben alle Engländer lehren müssen, daß, wenn irgendwo ein Krieg ausbrach, niemand sagen konnte, wo der Brand aufgehakten werden könne. Man kann in England gegenüber den Aussichten auf Frieden in irgendeinem Teile und am wenigsten in dem Teile Europas gleich- gültig bleiben, dem England fo nahe liegt. Darüber hinaus hat England neue Derpfichtungen auf sich genommen. Als England sich dem Völkerbund anschloß, wurde es in größerem oder geringerem Maße Teil- nehmer an jedem Konflikt, der ausbrach, und es war deshalb doppelt im englischen Interesse ge- legen, daß die Kriegsgefahr soweit wie möglich in jedem Teile der Welt und vor allem in jedem Teil« Europa », in dem eine Kriegsgefahr be» stehen konnte, beseitigt wurde. Di« zwischen Deutschland und Polen bzw. zwischen Deutschland und der Tschechoslowakei paraphierten Verträge konnten natürlich nicht genau das gleich« darstellen wie jene Verträge, die zwischen den Westmächten paraphiert worden sind. Großbritannien war nicht gewillt, irgendeine neue Verpflichtung in jenem Teil des kontinent, einzugehen. England ist jedoch darüber erfreut, daß durch ihre freie Vereinbarung und den guten Willen, den die Ver- treter der Oststaaten zur Erörterung ihres besonderen Problems mitbrachten, die Sicherheit der Ost grenzen Deutschlands und seiner Nachbarstaaten in Locarno in keiner Weise geschwächt, sondern gefördert wurden, und daß die Kriegsgefahr auch dort in viel größere Ferne gerückt wurde, ebenso wie dies für den Westen des Kontinents der Fall ist. Krieg nicht unmöglich— aber unendlich erschwert. Ich sage nicht, daß diese Verträge, wenn sie ratifiziert werden, den Krieg unmöglich machen. Das kann durch kein von Menschen geschaffenes Werk erreicht werden. Aber ich sage, daß sie den Ausbruch eine» Krieges unendlich viel schwerer machen und daß sie es viel weniger hoffen lassen, daß ein Krieg wegen irgendeinem dunklen und zweifelhaften Zwischenfall oder Anspruch ausbrechen sollte. Wenn erst all diese Abmachungen In Wirksamkeit getreten sind, so glaube ich, daß es für jeden einzelnen der Unterzeickner des Vertragswerts schwer sein wird, einen Krieg gegen irgendeinen der anderen unterzeichnenden Staaten zu unter- nehmen, ohne sich dabei selbst in klarer weise vor der ganzen zivilisierten well ins Anrecht zu sehen und damit das Odium für dieses Anrecht auf sich zu nehmen. Die Hälfte der Konflikte entstehen unmittelbar au» gering- fügigen Zwischenfällen, die nicht wert sind, daß das Leben auch nur eines einzigen Soldaten geopfert werde, wenngleich Ehre oder Stolz oder Nationalgefühl zweier Länder davon berührt werden und keiner von beiden Staaten die Möglichkeit zum Nachgeben fühlt. Ich kann nicht glauben, daß solche Zwischenfälle einen Krieg zwischen den Parteien entstehen lassen können. „Kein(vedanke an Isolierung Rustlands.- London, w. November.(WTB.) Macdonald nahm in der Debatte Bezug auf eine Rede Ormsby Gores. Sie habe Behaup- tungen veranlaßt» daß Deutschland in ein Bündnis gegen Rußland hineingebracht worden sei, und er glaube, die Regie- rung sollte die heutige Gelegenheit ergreisen, um die erwähnte Be- hauptung als irrig zu erweisen. Chamberlain unterbrach und fragte, welches die Bemerkung sei, deren Dementierung Macdonald von ihm verlange. Macdonald erwiderte: Ist es die Ansicht der Regierung, daß Locarno ins Werk gesetzt wurde, um die w e st- liche Zivilisation gegen Rußland zu vereinigen? Chamberlain antwortete: Nein! Das ist nicht der Fall. (Beifall auf feiten der Regierungspartei.) Chamberlain wieder- holte: Es ist nicht der Fall, und ich habe dauernd jeden Gedan- ken der Verfolgung einer solchen Politik zurückgewiesen.(Bei- fall auf selten der Regierungspartei.) Macdonald fragte hierauf, ob man in Locarno beabsichtigte, Deutschland von irgendeiner Zusammenarbeit mitRußland loszureißen und es in die Gruppe der Völker- bundstaaten hineinzuziehen, um einen Block europäischer Nationen gegen Rußland zusammenzubringen. Chamberlain erwiderte nachdrücklichst: Jleini Cs ist nicht der Fall!(Beifall aus selten der Rs- gierungspartei.) Macdonald sagte, er sei sehr froh, dies zu hören, und fuhr fort, er Hab« bei seinem Aufenthalt in Deutsch - l a n d In Unterredungen erklärt, daß er nicht glaube, das irgend- etwas Derartiges beabsichtigt sei und er habe diese erste Gelegenheit im Parlament ergriffen,»m eine solche Erklärung von feiten der Regierung zu erhalten. Macdonald fuhr fort, dies sei das erstemal, daß man eine Aeußerung von der Regierung über das Ver- hältnis zu Sowjetrußland erhalten habe. Es sei äußerst befriedigend, daß, soweit der Pakt von Locarno in Betracht komme, darin kein Gedanke an eine weitere Ijolierung Rußlands enthalten sei, sondern daß gemäß der von Chamberlain gegebenen Erklärung alles getan werden solle, was vernünftigerweise erwartet werden könne, um die Tür des Völkerbundes für den russischen Staat osfen zu halten, sobald es sich entschlösse, einzutreten.
herriots Genugtuung. Paris , 19. November.(MTB.) In der Rede, die Kammerpräst- dent H e r r i o t dem erweiterten Vorstand der radikalen Partei hielt, behandelte er auch die allgemeine politische Lage. Er erklärte, das Reparation» Problem fei fast ganz aus der Welt ge- schafft worden. herriot erinnerte alsdann an die Angrisfe. denen er im Augen- blick der Ruhrräumung ausgeseht gewesen sei. was würde man sagen, wenn ich e» wäre, der Köln räumte? welche Freude für mich, wenn Ich es wäre, seststellen zu können, daß man jetzt Dentschlaud» Eintritt in den Völkerbund annimmtl welche Freude, feststellen zu können, daß man meine ehemals ge- führte Sprache billig», als ich erklärte, nachdem man auf den Feldern gekämpft hat. muß mau in der Heimat den Friedea schließen!
Vis Kousun?- Generalversammlung. Fiasko der Kommunisten. Die Konsumgenossenschaft Berlin und Um- g e g e n d hielt, wie bereits kurz mitgeteilt, am Dienstag abend ihre diesjährige Generalversammlung in Haberlands Festsälen ab. Die Wahlen hatten bekanntlich der Majorität 418Delegierten- sitze, der konimunistischen Opposition 124 Sitze gebracht. So war ei» gedeihliches Arbeiten der Versammlung und eine sachliche Er- ledigung der zur Debatte stehenden Fragen von vornherein gesichert. Nachdem Genosse P. L a n g e zum Vorsitzenden der Generaloersamm- lung gewählt worden war, schlug Genosse G ü t t l e r den Delegierten im Namen des Aufsichtsrats gewisse Aenderungen des Statuts vor, über die nach kurzer Diskussion(es sprachen Heinrich und König von der Opposition, die, wie üblich, gegen die Vergewaltigung der Kom- munisten protestierten) getrennt und geheim abgestimmt wurde. Es handelt sich um Abänderung mehrerer Paragraphen des Statuts. Aufsichtsratsmitglieder sollen von jetzt an Stimmrecht in den Ver- sammlungen erhalten, die Grundzahl für die Delegiertenwahlen auf drei erhöht werden(von 200 also auf 250 pro Delegierter), sowie die Delegiertenwahl nicht mehr auf ein, sondern auf drei Jahre Dauer durchgeführt werden. Die Vorschläge des Aufsichtsrats wurden gegen geringe Minoritäten angenommen. Die Versamm- lung bestätigte den Ausschluß von Schober und Krön- t h a l e r mit 309 gegen 146 Stimmen. Dann gab das Mitglied des Verwaltungsvorstandes der Genossenschaft, Hille, den Bericht über das abgelaufene Tätigkeitsjahr. Fünf neue Abgabestellen der Genossenschaft wurden im Berichtsjahr eingerichtet, 60512 Zentner Kartoffeln, 10 bis 15 Proz. unter den Preisen des Berliner Kleinhandels, zur Verteilung gebracht. Der Umsatz von Butter ist von 672 709 Pfund auf 1554 033 Pfund gestiegen, der Schmalz- und Margarineoerbrauch dagegen zurückgegangen. 92 379 Schock Eier wurden von der Genossenschaft umgesetzt. An Brennmaterialien wurden abgegeben: 131 185 Zentner Briketts 217 Zentner Braunkohlen 1 115 Zentner Steintohlea 2159 Zentner Kots 1 216 Raummeter Holz im Gesamtbetrage von 204 555,85 M. Di« Fleischabgabestellen brachten einen Umsatz von 730 375 M. Die Genossenschaft hat im Geschäftsjahr einen Mehloerbrauch von über 1114 Millionen Kilo gehabt. Der Umsatz in der Kaffeerösterei betrug 1 229 170 M. Der Fuhrpark ist stark vervollkommnet worden. Die Genossenschaft ver- fügt im Augenblick über 39La st automobile zum Lebensmittel- und Warentransport. Es sind Autos von einer bis 5 Tonnen Auf- nahmefähigkeit. Genosse Karl Michaelis erstattet« den Bericht des Aufsichts- rats. Dem Vorstand wurde Entlastung erteilt und die Bilanz ge- nehmigt. Die Neuwahl de» Aufsichtsrat» ergab, wie bereits gemeldet, 6 Sitze für die Liste„Aufbau", und einen Sitz sür die kommunistische Opposition. Dies trotz der krampfhaften Bemühungen des Herrn Heinrich, die Versammlung mit seinen wichtigtuerischen Lamentationen in Atem zu halten. Von der Liste„Aufbau" wurden gewählt: G ü tt l e r, Lektor: L o d a h l, Hausfrau: Wisch, Eisen- bahnbeamter; B u ch h o l z, Angestellter: B ö r ck e l, Gewertschasts- angestellter: P a r l o w. Arbeiter.
Gin sozlalüemokratifiber Antrag. Die sozialdemokratische Fraktion beschloß vor- gestern, folgenden Dringlichkeitsantrag einzubringen: „Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen, die in Berlin vorhandenen Arbeitsnachweise in einen solchen Zu- stand zu versetzen, daß sich die Arbeitslosen ohne Gefahr für ihre Gesundheit dort aufhalten können. Dringend notwendig ist, daß in den Arbeitsnachweisen gute Lüftung, Heizung und Rein- l i ch k e i t geschaffen werden. Ferner ist zu empfehlen, daß man in den größeren Arbeitsnachweisen Erfrischungshallen einrichtet." Voraussichtlich wird die Stadtverordnetenversammlung, wenn sie an die Arbeit herangeht, ein« ganze Reih« von Anträgen aller Fraktionen vorsinden. Auch die sozialdemokratische Fraktion de- reitet noch die verschiedensten Anträge vor, die für die schweren Schäden der wirtschaftlichen Entwicklung Abhilfe schaffen sollen. » Die sozialdemokratische Stadtverordnetenfraklio» hat zu Schriftsührern die Genossen Theodor Fischer und Richard K r I l l e gewählt. Alle Zusendungen gehen an den Genosse K r i l l e, den Leiter des KommunalenSekretariats, Berlin SW. 68, Lindenstraße 3._
Tie Schweizer Anleihe für die Elektrizitütswerke. Das Nachrichtenamt der Stadt Berlin teilt mit: Die bekannte Schweizer Anleihe der Berliner Städtischen Clektrizltäts- werte A.-G.(Bewag) über dreißig Millionen Schweizer Frank ist nunmehr perfekt geworden, nachdem den Bedingungen der deutschen Behörden auch in Ansehung von Lieferungsverpflichtungen nachgekommen ist. Die B e d i n g u n g e n der Anleihe sind, wie schon früher bekanntgegeben: siebenprozentige Verzinsung, Emission 95 Proz., Laukzeit 15 Jahre, kündbar seitens des Schuldners nach 5 Jahren. Die Emission wird Ende dieser Woche an den Schweizer und holländischen Bankplätzen erfolgen.
Erleichterunst des Kirchenaustritts. Der Austritt aus der Kirche oerlangt oft stundenlanges Warten auf dem Amtsgericht, und da die Geschäftszeit der Gerichts- schreibereien für diese Angelegenheit meist in der Zeit von 10 bis 1 Uhr angesetzt ist, geht manchmal mehr ol» ein halber Tag verloren, was für Angestellte und Arbeiter von empfindlichem finanziellen Schaden und Unannehmlichkeiten dem Arbeitgeber gegenüber be- gleitet ist. Die Freireligiöse Gemeinde Groß-Berlin hat nun eine Einrichtung getroffen, die diesem Uebeistand abHilst und für alle zugänglich macht, die ihren Austritt au» der Religion»- gemeinschast vollziehen wollen. Jeden Dienstag abend von 6 bis 1-8 Uhr kann der Austritt aus der Kirche beim Notar, Berlin C„ Spandauer Brücke 10 II(direkt am Bahnhof Börse), vollzogen werden. Die Kosten betragen zwei Mark pro Person. Ein amtliches Legitimationspapier ist mitzubringen. Ein Vorstandsmitgllcd der Freireligiösen Ge- meinde ist an den betreffenden Abenden anwesend.
Ein Verkehrsjubiläum. Am 19. November sind es 20 Jahre her, feit der f a h r p l a n- mäßige Autob u»verkehr in Berlin mit zwei Daimler-Omni- bussen eröffnet wurde, auf der Linie 4, die damals vom Halleschen Tor zur Llesenstraße, Ecke Chausseestraße, führte. Die Einweihung stand unter einem günstigen Vorzeichen: gleich am ersten Wagen wurde beim Verlassen des Betriebshoses eine große Scheibe einge- schlagen, so daß es segcnbringende Scherben gab. Die beiden Auto- busse wurden zwischen die vorhandenen Pferdeomnibusse der Linie 4 eingeschoben. Sie erfreuten sich von Anfang an großer Beliebtheit bei den Berlinern, die in den ersten Tagen in Scharen zu den End- Haltestellen pilgerten, um die damals noch ganz neuen Verkehrsmittel zw bewundern und, soweit noch Platz zu finden war, zu benutzen. Der Verkehr hat sich dann bis zum Jahre 1913 schnell gesteigert. Der Krieg brachte fast seine völlige Zerstörung, da noch und nach alle kriegsbrauchbarcn Omnibusse von der Heeresleitung eingezogen wurden und da für die übrigen kein Betriebsstoff zu� Dcrsützung gestellt werden konnte. Schließlich liefen nur zwei Wagen, wieder auf der Linie 4, deren Betrieb zu reinen Versuchs- und gewisser- maßen zu Traditionszwecken von der Militärbehörde geduldet wurde. Der Krieg hat die Aboag viel schwerer getrojsen als die beiden
anderen großen Berliner Derkchrsunternehrmmgen, deren Fahrzeuge durch ihre Gebundenheit an den Schienenweg vor Zugriffen der Militärverwaltung geschützt waren. So gestaltete sich denn auch der Wiederaufbau des Omnibusbetriebes nach dem K r lege äußerst schwierig, zumal da die Inflationszeit mit ihren ständig unzulänglichen Tarisen statt eines Erstarkens nur neue große Verluste brachte. Erst vom Ende der Inflationszeit an ist eine frische Entwicklung möglich gewesen. Der Verkehr wird im laufenden Jahre mit rund 75 Millionen beförderten Personen die Leistung des Jahres 1913 um rund 12 Millionen beförderte Personen übersteigen. Das wirtschaftliche Aufblühen hat auch die Möglichkeit zu kräftiger Förderung der technischen Entwicklung geschassen. Die neuestsn Wogen entsprechen dem modernsten Stande der Technik und ver- tragen durchaus einen Vergleich mit den neuesten englischen und amerikanischen Wagentypen. Es sind N i e d e r s a h r g e st e l l e. bei denen der Wagenfußboden etwa 30 Zentimeter tiefer liegt als bei den stüheren Wagen. Die Karosserien sind sämtlich als Doppeldecker gebaut. Aus den Linien, wo die Eisenbahnbrücken und sonstigen Durchfahrten es erlauben, werden in großem Umfange überdachte Doppeldeckwagen verwandt und noch weiter eingesteltt werden.
Gräfliche öllanz. Ein Epilog zum Potsdamer Bothmer-Prozeß. Ueber dem Problem der vielgewandten„Klaugräfin" ist der Vorhang gefallen. Die Unterhaltung der Potsdamer Tanzstunden» Zirkel beginnt sich anderen Dingen zuzuwenden. Dieser Bagatellen- prozeß einer wurmstichigen Dame offenbart das verlogenste und verächtlichste an bürgerlicher Kstschromantik, was je erlebt wurde, und das ist immerhin als ein Nutzen zu buchen. Jene Frau, die der versammelten Justiz den tollsten Schwindel präsentierte, war durch- aus nicht so psychologisch verzwickt, wie es eine gewisse Presse ihrem Publikum weismachen wollte, sondern eine nicht unintelligeMe Person mtt viel Schmierenpose und einer Portion Gemeinhett— wollte sie doch den verzweiselten Stangen für drei gräfliche Schnäpse und 80 M. zu einem Meineid mit bekanntem Zuchthausresuttat kaufen. Der Mann dieser lebenskühnen Angeklagten, der Graf v. Bothmer, kokettiert« ein wenig mit seiner„Ritterlichkeit", und sprach das fatale Wort von der„Dame unseres Standes, an die man einen ganz anderen Maßstab anlegen müsse". Aus diesen Maßstäben der Potsdamer Standesbürger soll der Teufel schlau werden. Uns deucht nur, wenn Frau Meyer oder der Herr Schulze, beide aus der Linienstraße, ein wenig räubern, so redet irgendein Pflichtverteidiger seine unumgänglichen 10 Minuten und nach 1 Stund« Paragraphenarbeit hat die Frau Meyer ihren mehr oder wenig erheblichen Knast gerichtlich bestätigt. Hier ging das anders. Ganz Potsdam fieberte 14 Tage in gräflicher Prozeßerregung, der Zuschauerraum des Gerichts wurde von den gutsituierten Damen förmlich gestürmt. Schupoketten mußten ausgeboten werden, um die kochende adlig« Volksseele davon abzuhalten, die Intimitäten der lebenshungrigen Gräfin aus berufenem Beobachtermunde zu erfahren. Prozeß- Publikum, die Angeklagte und ihre Schmockpresse,— sie waren alle einander wert. Als diese Komödiantin am Sonnabend das Schluß- wort erhielt, spielte sie ihren stärksten Trumpf:„Ich bin unschuldig. Und wenn ich vor tausend Richtern stände... Das Kind, das ich unter dem Herzen trage, soll unbefleckt... Es geht um die Ehre meiner Kinder..." Nun ist sie aber schuldig. Der Wert dieses Pathos und seiner Tränen ist daran zu ermessen. In anderer Formulierung: Ich bin schuldig, aber.., wäre das sehr stark und menschlich schön gewesen. Nach Ablehnung des Hastcnllassungs- antrage» sagte sie:„Den morgigen Tag erlebe ich nicht mehr." Sie hat ihn erlebt. Bilanz? Ein Diebstahlsprozeßchen nach Schema F, nur daß die Delinquentin ein gezacktes Monogramm ihr eigen nanme. War das eine Affäre von Belang? Es war eine sehr grundlose Aus- regung, dies Potsdamer Spektakelstück. Aber der Rummel war doch sehr bezeichnend. Und das ist auch ein Resultat.
Die Berliner Zionistische Bereinigung veranstaltete am Dienstag abend im Herrenhaus eine Kundgebung, in der der Vorsitzende des ZBfD., Kurt Blumenseld, einen programmatischen Vortrag über den Zionismus hielt. Der Redner ging aus die schweren Damaskuskonflikte, dos Mossulproblem und vor allem auf die poli- tische Situation in Palästina ein, die durch die Ernennung des Feld- Marschalls Plumer an Stelle Sir Samuels eine gewisse Veränderung erfayren hat. Natürlich sieht Blumenfeld Geschichte von seinem spezifisch zionistischen Standpunkt aus. Dessen muß man sich von vornherein bewußt sein._
<ppfer See französijchen Iremüenleyion. Französische Werber auf deutschem Boden? Zwei jetzt bekannt werdende Fälle von Anwerbung junger Deutscher für die französische Fremdenlegion sind geeignet, die Aus- merksamkeit der Behörden zu schärfen, um einmal festzustellen, ob in der Tat französische Werber oder deren Agenten aus deutschem Boden ihr Unwesen treiben Von den beiden nachstehend oerzeich- neten Fällen fand der erste einen trag'schen Ausgang. Ein aus Berlin stammender, etwa 16Jahre alter junger Mann hatte sich vor einiger Zeit von der französischen Fremden- legion anwerben lassen. Als seine Eltern jetzt den Antrag aus seine Entlassung stellten, erhielten sie dt« Mitteilung, daß er bereits in den Kämpfen gegen die Marokkaner gc- fallen sei.— Vor einigen Wochen verschwand plötzlich der 20 Jahre alte Arbeiter Wilhelm der in Schöningen- Braun- schweig wohnenden Ww. Schulte. Der junge Mann, welcher ar- beitslos war, wollte oersuchen in B r a u n s ch w e i g Beschäftigung zu erhalten und war nach dort gefahren. Seit dieser Zeit war Sch. verschwunden und wurde von der Mutter, die nichts anderes glaubte, als daß ihr Sohn einem Unglück oder Verbrechen zum Opfer gefallen sei, als tot beweint. Nunmehr erhielt Frau Schulte von ihrem Sohn eine Karte aus Algier : er teilt darauf mit, daß er seinerzeit i n Braunschweig von zwei Franzosen in die Fremden- legio» oerschleppt worden und letzt in Algier angelangt sei.
„Hände hoch!" Köln . 19. November.(Eigener Drahtbericht.) In dem Strvßen- bahnhof Köln-Süd drangen heute nacht kurz vor 3 Uhr, als der letzte Schaffner nach seiner Abrechnung eben den Hof verlassen hatte. vier maskierte Männer ein. Acht Revoloermündungen richteten sich gegen die mit der Kassenabrechnung beschäftigten Be- amten, die wohl oder übel dem Befehl„Hände hoch" Folge leisten mutzten. Die Räuber rafften das bereits gebündelte und in Rollen oerpackte Geld zusammen— es fielen ihnen etwa 5600 M. in die Hände— und oerschwanden, als sie durch das Eintreffen des Per- sonalwagens gestört wurden. Sie entkamen unerkannt. Die Kölner Kriminalpolizei hat die Untersuchung bereits aufgenommen.
Großfeuer in New-Orleans . New Orleans , 19. November.(MTB.) Gestern früh brach auf dem Kai am Mississippiufer ein Feuer aus, das sich auf 7 Häuser ausdehnte. Die in der Nähe der Docks liegenden Schiffe wurden in Sicherhett gebracht.
Groß-öerliner parteinachrichten. 84 Att Lankwitz . Die«imi BUdung-auafSiuß>md den Zünqsoz'alisten angesetzten PartrLae Uber Rußland deginnen heute, Donnerstag abend 8 Uhr det Lehmann. l>ail»r»Wilhelm»Str*9 31.< 11«.»bt Lichienberq. Heute Donnerstag,<'/, Uhr, der Morr, Reue Bahnhvfkraße: Funk ionärsittung...... Zungiozialiiten. Gruppe Lankwitz . Seute Donnerstag, abends 8 Uhr, bei Lehmann, llaiser.Wilhelni.&r 29 31: Beoinn dorArdeitsgeine nschaft Uber Eowset-Rußland. Neukölln«Indersreuadc und Arbeiterlugend Heute fDonnerstng) abend,?>/, Uhr: Besprechung wegen der Weihnachlsseter tu der Baracke, Ganghoferstr. S.