Nr. 552 42. Jahrg. Ausgabe A nr. 282
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Sonntag, den 22. November 1925
Zustimmung des Reichsrats mit 46 gegen 4 Stimmen bei 3 Enthaltungen.
Der Reichsrat hielt am Sonnabend mittag unter Borsiz des Etaatssetretärs 3 weigert eine öffentliche Bollfigung ab, auf beren Tagesordnung die Locarno Borlage stand. Die Vorlage war am Vormittag von den Ausschüssen des Reichsrats eingehend beraten worden. Auf ein Referat wurde verzichtet. Bor der Abstimmung erklärte
der Bertreter von Braunschweig :
Die braunschweigische Regierung stimmt dem Gesezentwurf zu, bringt aber dabei zum Ausdruck, daß sie die von der Entente bezüglich der sogenannten Rüdwirtungen des Sicherheitspattes bislang getroffenen Maßnahmen einmal wegen ihrer Unbestimmtheit, sodann aber vor allem wegen des völligen Fehlens einer Zusicherung hinsichtlich der Abkürzung der Befagungsfrist für nicht ausreichend hält und daß sie ihre Zustimmung nur in der Erwartung gibt, daß entsprechend den Ausführungen der Vertreter der Reichsregierung in der Besprechung der Ministerpräsidenten der Länder am 19. ds. Mts. in allernächster Zeit weitere Maßnahmen der En tente foigen werden. Im besonderen muß erwartet werden, daß die nach Annahme des Dawes- Plans und Annahme des Sicherheitspatis jeder Grundlage entbehrende Besetzung deutschen Gebietes baldigst aufgegeben wird. Es wird anzustreben sein, daß in letzterer Beziehung noch vor dem Eintritt Deutschlands in den Bölkerbund bestimmte Erklärungen erfolgen.
ertiärte: Meine Regierung stimmt der Borlage zu, obwohl sie nicht die volle Erfüllung der davon erwarteten Rüdwirfungen bringt. Wenn sie trotzdem ihre Zustimmung gibt, fo geschieht das im Bertrauen auf die Ertlärung ber Reichsregierung, daß der Bertrag von Locarno eine Aner tennung des Bersailler Dittats nicht bedeutet und in der Erwartung, daß der Vertrag nur den ersten Schritt bedeutet auf dem Wege der Beseitigung des Versailler Diftates und der Wiederherstellung der Freiheit und Gleichberechtigung des deutschen Volkes. Die Thürin. gische Regierung ftimmt ferner dem Eintritt Deutschlands in den Bölkerbund zu, in der Erwartung, daß im Wege der Berhandlungen eine für Deutschland einwandfreie Auslegung des Artikels 16 fich ergeben wird, und in der Erwartung, baß nunmehr eine völlige Gleichstellung und Gleichberechtigung Deutschlands mit den anderen Großstaaten eintreten wird und ausbrücklich die Schuldlüge zurückgewiesen wird.
Der Vertreter von Mecklenburg- Schwerin erflärte furz: Namens meiner Regierung habe ich zu erflären, daß sie nicht in der Lage ist, der Vorlage zuzustimmen.
Die Abstimmung über die beiden Artikel der Borlage war getrennt. Angenommen wurde demnächst Artikel 1
Ermächtigung zur Unterzeichnung mit 56 gegen 4 Stimmen. Dagegen stimmten der Bertreter von Ostpreußen , der Bertreter von Bommern und der Bertreter von Niederschlesien sowie Mecklen burg- Schwerin. Der Stimme enthielten sich der Vertreter von Hessen - Raffau und Württemberg .
Dann wurde angenommen Artifel 2
Eintritt in den Böllerbund mit 43 gegen 14 Stimmen. Dagegen stimmten Ostpreußen , Bommern , Niederfchlesien, Bayern und Medienburg- Schwerin. Der Stimme enthielten sich Würt temberg und Hessen- Nassau . Ein Antrag Bayerns zu Artikel 2 über den Zeitpunkt des Eintritts in den Bölterbund beschließt der Reichstag " fand nicht die nötige Unterstützung. In der Gefamfabstimmung wurde die ganze Borlage mit 46 gegen 4 Stimmen bei 3 Stimmenenthaltu n- gen angenommen. Dagegen ftimmten Ostpreußen, Pommern, der Gründe für diese Rücktrittsabfichten sich mit Herrn Frenten in Berbindung zu feßen. Der Frattionsvorsigende Fehrenbach wurde beauftragt, mit Herrn Frenfen Rücksprache zu nehmen Erledigung im Reichstag bis Sonnabend.
Wie wir schon meldeten, hat der Aeltestenrat beschlossen, die allgemeine Debatte über das Cocarno- Gefeh am Mittwoch in erster Lefung zu Ende zu führen. Wie wir weiter hören, soll die zweite und dritte Lesung der Vorlage in der Zeit vom Donnerstag bis zum Sonnabend erfolgen, fo daß die deutsche Delegation am Sonnabend abend nach London abreisen tönnte.
Die Gesetzesvorlage.
Der Entwurf des Gefeßes über die Berträge von Locarno und den Eintritt Deutschlands in den Völkerbund hat folgenden Wortlaut:
Der Reichstag hat das folgende Gesez beschlossen, das mit Zuftimmung des Reichsrates hiermit verkündet wird:
Artikel I.
Den Berträgen, die dem am 16. Oftober 1925 in Locarno unter. zeichneten Schlußprotokoll beigefügt sind und am 1. Dezember 1925 in London unterzeichnet werden sollen, nämlich
1. dem Bertrag zwischen Deutschland, Belgien, Frankreich, Groß britannien und Italien,
2. dem Schiedsabkommen zwischen Deutschland und Belgien, 3. dem Schiedsabkommen zwischen Deutschland und Frank
reich,
4. dem Schiebsvertrag zwischen Deutschland und Polen, 5. dem Schiedsvertrag zwischen Deutschland und der Tschecho. flomatei, wird zugestimmt.
Artikel II.
Die Reichsregierung wird ermächtigt, die zum Eintritt Deutschlands in den Völkerbund erforderlichen Schritte zu tun. Artikel III.
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Sachliche Politik.
Für den Frieden
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für den Fortschritt im Innern- gegen den Rechtskurs.
Die fozialdemokratische Reichstagsfraktion hat beschlossen, dem Gesezentwurf der Regierung über die Unterzeichnung des Vertrags von Locarno und die Ermächtigung zum Eintritt in den Bölkerbund zuzustimmen. Die tommende Woche wird die Entscheidung des Deutschen Reichstags über Locarno bringen. Diese Entscheidung ist nicht mehr zweifelhaft. Der Deutsche Reichstag wird mit großer Mehrheit der Regierung Bölkerbund erteilen. die Ermächitgung zur Unterzeichnung und zum Eintritt in den
Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion wird für Locarno und den Bölkerbund stimmen. Die deutschTage in Kraft. Dieses Gesetz tritt mit dem auf die Berfündigung folgenden nationale Reichstagsfraktion wird dagegen stimmen.
BTB. veröffentlicht eine Erklärung für Locarno, in der es heißt: Die Unterzeichneten, die in verschiedenen parteipolitischen Lagern und zum großen Teile außerhalb jeder parteipolitischen Tätigkeit stehen, halten es für ihre Pflicht gegenüber dem deutschen Bolte, zu erklären, daß fie die Unterzeichnung des Ber trages von Locarno als notwendig erachten. Gewiß stehen dem ernste Hemmungen in der Auffassung vieler guten Deutschen entgegen, aber diese Hemmungen müssen überwunden werden. Die wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland und in der Welt verlang.n zu ihrem Wiederaufbau eine ruhige und stetige Entwicklung. Wir sehen, wenn die Bereinbarungen von Locarno abgelehnt werden, feinen geeigneten Weg, um eine solche Entwicklung anzubahnen.
Die Erklärung ist von über 500 Persönlichkeiten unterzeichnet, die zum größten Teil der Wirtschaft angehören.
Zu den Unterzeichnern gehören: Arnhold( Dresden), Freiherr u. Berenberg- Goßler( Hamburg), Bosch( Ludwigshafen), Robert Bosch( Stuttgart), Crone- Münzebrod, m. d. R.( Berlin), Deutsch ( Berlin) Duisberg( Leverkusen), Arthur von Gwinner( Berlin), Reichsminister a. D. Hamm( Berlin), Hagen( Köln a Rh.), Ten Hompel( Münster), Peter Klöckner( Duisburg), Rozenberg ( Frankfurt a. M.), Lammers, M. d. R.( Berlin), Karl Melchior ( Hamburg), Franz v. Mendelssohn( Berlin), Millington- Hermann ( Berlin), Rudolf Petersen( Hamburg), C. R. Boensgen( Düsseldorf), Geh.-K. Pschorr( München), Geh.-R. Ravené( Berlin), Beh.-R. Rießer( Berlin), Hermann Röchling( Böltlingen- Saar), Geh.-R. Sorge( Berlin), Heinrich Witthöft( Hamburg).
Die Unterzeichnung für den Kintopp. London, 21. November .( EP.) Das Foreign Office wird außer. ordentlich starke elettrische Lampen in dem Saale anbringen lajsen, in dem der Patt von Locarno unterzeichnet werden wird, um die finomatographische Aufnahme des geschichtlich denkwürdigen Borganges zu ermöglichen.
Rücktritt des Justizministers Dr. Frenken.
Der Sozialdemokratische Preffedienst meldet:
Am Sonnabend abend hatte der Fraktionsvorsitzende der Zenfrumspartei Fehrenbach eine längere Besprechung mit dem Reichsjuftizminifter Dr. Frenten, von dessen Rücktrittsabfichten fchon vor einigen Tagen die Rede war. Allerdings ließ er verfichern, daß sein Rücktritt feineswegs mit feinem hohen Alter oder mit seinem Gesundheitszustand zusammenhänge, wie das teilwelle behauptet worden war. Die Unterredung Frentens mit Fehrenbach hatte, wie wir aus parlamentarischen Kreisen erfahren, zur Folge, daß Reichsjuizminifter Dr. Frenten nicht erst den Gesamtrücktritt des Rumpfkabinetts Cuther abwartet, sondern bereits am Sonnabend abend an den Reichskanzler ein Schreiben gerichtet hat, in dem er um feine fofortige Entlaffung ersucht. Damit scheinen die Gerüchte sich zu bewahrheiten, daß Herr Frenken dem Kabinett nicht mehr angehören will, wenn das Vertragswert von Locarno vom Reichstag verabschiedet und vom Reichskanzler und Reichsaußenminiffer in London unterzeichnet wird.
Amtlich wird gemeldet:
in Genehmigung seines Entlaffungsgefuches von Der Herr Reichspräsident hat den Reichsminister Dr. Frenten feinen Aemtern als Reichsjuftizminiffer und Reichsminiffer für die besetzten Gebiete entbunden.
Fürstenabfindung und Anleiheablösung.
Demokratischer Antrag im Landtag.
Im Landtag ist ein Urantrag der demokratischen Fraktion eingegangen, der die Staatsregierung ersucht, die Reichsregierung zu veranlassen, unverzüglich ein Reichsgesetz einzubringen, nach dem die Abfindung der ehemaligen Fürsten häuser durch Landesgefeß zu regeln ist, mit der Maßgabe, daß der in Reichsmart festzustellende Abfindungswert nicht in höhe orem Prozent fab zu erstatten ist, als den Befizern von Staats. anleihen nach dem Anleihe ablösungsgeset gewährt wird.
Zum Moffulfonflift hat der Haager Schiedsgerichtshof festgestellt. daß der Völler bundrat endgültig zu entscheiden und dabei die mesopotamisch( englisch)-türkische Grenze festzusetzen hat. Die Entscheidung muß einstimmig beschlossen werden.
Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion will den Frieden, für Deutschland und für Europa. Die deutschnationale Reichstagsfraktion will nicht den Frieden, sondern will inner politische Geschäfte machen. Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion setzt die Politik des Friedens fort, die den klassischen Traditionen des Sozia lismus entspricht. Die deutschnationale Reichstagsfaftion hat monatelang Beteiligung an der Politik des Friedens geheuchelt, um die Heuchelei auszumünzen in gelöwerte Vorteile für die Bevölkerungsschichten, die sie tragen. Für die sozialdemokratische Reichstagsfraktion ist der Friede Selbstzwed; denn die Idee des Friedens ist untrennbar ver. fnüpft mit der Ideee des Sozialismus. Für die deutschnationale Reichstagsfraktion ist die Idee des Friedens nur Mittel einer Politik gewesen, deren Zweck die Stärkung des reaktionären Einflusses, der Abbau der Republik, die Bereicherung und Brivilegierung der Klassen ist, die im Kaiserreich herrschten. Nach dem Grundsay:" Der Zweck heiligt die Mittel" haben die Deutschnationalen sich gestellt, als ob sie die Fort sehung der von den Regierungen der Weimarer Koalition eingeleiteten Friedenspolitit billigten. Die Heuchelei der Wendung zur Friedenspolitik war das Mittel. Der Zweck, den sie damit erreicht haben, war: Rückkehr Deutschlands zur Schußzollpolitit, Umformung des Steuersystems unter dem Gesichtspunkt der Massenbelastung, Hemmung der sozialpolitischen Gesetzgebung. Nachdem die Heuchelei ihren 3wed erfüllt hat, lassen die Deutschnationalen die Maske fallen. Sie wenden sich gegen den Frieden. Sie versuchen jedoch, diese Wendung gegen den Frieden zu verbergen hinter einem wortreichen Streit um die Fragen der Verantwortlichkeiten, um Einzel vorgänge aus der Entwicklung der Politik, die zum Vertrag von Locarno geführt hat. Die großen grundsäglichen Fragen der Außenpolitik sollen verschwinden hinter dem Hin und Her und den parlamentarisch- taktischen Fragen einer Politik, für die alles zum Objekt eines parlamentarischen Geschäftes wird selbst der Wille zum Frieden.
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wortungslosigkeit und der Heuchelei treibt die sozialdemoGegenüber der deutschnationalen Politik der Berantfratische Reichstagsfraktion mit ihrer Zustimmung zum Ber trag von Locarno und zum Eintritt Deutschlands in den Bölkerbund beste grundsahfeste sozialistische Politif. Sie handelt im Augenblic einer großen geschichtlichen Entscheidung in Uebereinstimmung mit den Grundfäßen, die die großen Sozialisten aller Länder für ihre Stellungnahme gegenüber den großen internationalen Fragen befolgt
haben.
Sie handelt nach der großen Regel, die Jaurès in einer Rede in der französischen Rammer am 23. Januar 1903 für die sozialistische Außenpolitik aufgestellt hat:
,, Meine Herren! Bei dem gegenwärtigen Stande der Welt fann der Krieg keine Lösung bilden; wir würden die, die wir der Gewalt entreißen wollen, bis in die Ewigkeit hinein neuer Gewalt aussehen. Nein, die einzige Lösung, die Lösung, die uns der Fortschritt der Welt verspricht, das ist die Sicherung des allgemeinen Friedens und die Ausbreitung der
Demotratie...
Ein Traum, rufen Sie mir zu? Ja, meine Herren, aber bei dem heutigen Stand der Dinge in der Welt die einzig mögliche positive und realistische Lösung...
Wir sind wahrhaftig teine Träumer, wir jagen feinen himā. rischen Hoffnungen nach: wir sind die großen Realpolitiker der Gerechtigkeit und des Rechtes.
Ja, Sie fragen manchmal in der äußeren Politik: Was ist denn Ihre Lösung? Wie wenn ein einzelner Mensch, eine einzelne Partei, eine einzelne Nation in Ihrer Hand die ganze erhoffte soziale Revolution oder die ganze friedensfreudige Menschheit am Schnürchen hielte!
Die Zufuntf, meine Herren, liegt nicht in den Partelrezepten; die Butunft liegt nicht in einem Glücksrade, das man nur zu drehen braucht; die Zukunft bildet sich langjam heraus, wenn man einen festen Standpunkt und eine Methode hat. Was wir Ihnen vor. schlagen, ist dieses: Alle Ereignisse unter dem Gesichtsmintel des Friedens zu überwachen, alle Ihre Handlungen leiten zu laffen von dem methodischen Gedanken an den Frieden! Das ist es, was wir Ihnen sagen, das ist es, was wir