gefamten Vertrages abhängt. Mit dieser Frage verbinden sich sehr ernste Sorgen, die sich auf die Gesamteinstellung Deutschlands in der internationalen Politit beziehen. Aber auch gefühlsmäßig bemegt die Frage des Völkerbundes das deutsche Volt besonders ties. Hier laufen zwei Strömungen im deutschen Bolke gegeneinander
an: die eine sicht gerade im
Eintritt in den Völkerbund die Berwirklichung einer neuen Lebensgrundlage für das Bölferleben Europas und damit auch einen feften Ausgangspunkt für die Bieder gewinnung der Deutschland gebührenden Stellung; die andere Strömung ist davon beherrscht, daß der Völkerbund nach seiner Gründung zunächst nichts anderes zu sein schien, als ein Instrument zur Fortsetzung der gegen Deutschland gerichteten Politit von Ver. failles.( Zustimmung der Dnat. und der Komm.) Num handelt es sich aber nicht nur darum, in diesem Widerstreit der Auf faffungen die nüchterne Linie des deutschen Interesses festzuhalten, sondern es handelt sich um die ganz entscheidende Frage, ob und wie fich Deutschlands gesamte weltpolitische Lage durch den Eintritt in den Bölkerbund verändern könnte. Dabei steht im Kernpunkt die Sorge, ob Deutschland etwa durch diesen Eintritt eine Bestorientie rung im Sinne einer Abwendung vom Often vollziehen würde. Ich stehe nicht an, zu erklären, daß ich eine solche Option zwischen West und Oft in Deutschlands geographischer Lage für einfach uit möglich halte. Nach dieser Richtung find die Erklärungen des britischen Außenministers, daß dem Bölkerbund und der Politit der Bölkerbundstaaten jede aggressive Absicht gegen Rußland fernläge, besonders bedeutungsvoll. Daneben aber muß Deutschland von sich aus das Seine tun, um sich denjenigen Schuß gegen etwaige zufünftige politische Gefahren zu sichern, der in Deutschlands geographischer Lage unerläßlich ist. Hier stehen wir vor der großen Frage des
Art. 16 der Völkerbundsfahzung.
gierung wird auch bei unserem Eintritt in den 351ferbund festgehalten werden.
Sind somit die Borausseßungen erfüllt, unter denen Deutsch land seine grundsätzliche Geneigtheit zum Eintritt in den Völkerbund durch die Note vom September 1924 zu erkennen gegeben hat, so ist der tatsächliche Eintritt Deutschlands in den Bölferbund nur ein Boranschreiten auf der bisher gegebenen und übrigens auch in der von mir abgegebenen Regierungserklärung vom 19. Januar d. 3. festgehaltenen Linie. Gleichwohl möchte ich nicht unausgesprochen laffen, daß nach meiner Ueberzeugung die inneren Gründe für den Eintrittsbeschluß in der Zwischenzeit an Gewicht zugenommen haben. Denn ich vermag das Berhandlungsergebnis pon Locarno, auf das ich des Näheren noch zu tommen habe, nicht anders zu verstehen, als daß es einen wirklichen Fortschritt im Sinne der Stärkung der Friedensträfte in Europa darstellt. Nun unterliegt es gar feinem Zweifel, daß
Deutschland eine große innere Kraft überhaupt nur auf den Bahnen des Friedens zu entwideln vermag. Deutschland wird also in dem mzustande, in dem es sich nach dem unglüdlichen Ausgange des Weltkrieges befindet, fein natürliches Gewicht im Völkerbund für alle Fragen, die dem deutschen Staat und die das deutsche Volt innerhalb und außerhalb der Staatsgrenzen bewegen, je mehr zur Geltung bringen, je stärker die Kräfte des Friedens, in deren Anwendung Deutschland ein Gleicher unter Gleichen ist, zur Auswirkung tommen.( Lebh. Beifall in der Mitte und links.) Es ist für mich ein unverständlicher Kleinmut anzunehmen, daß Deutschland , wenn es jetzt Mitglied des Bölferbundes und Bölkerbundsrates ist, dadurch nicht die Mög lichkeit gewinnt, deutsche Interessen kräftiger zu fördern.
Das Maß diefer Möglichkeiten wird nicht zuletzt von Deutsch lands entfchloffener Weiferarbeit auf det in Locarno beschrittenen Bahn abhängen.
Auch die Investigationsfrage, für deren Lösung in dem von Deutschland allein annehmbaren Sinne in den Aussprachen in Locarno eine weitgehende Klärung erfolgt ist, wird in ihrer praftischen Handhabung und Weiterentwicklung sehr wesentlich davon abhängen, daß Deutschland den Siz im Bölkerbundsrat inne hat. Zu den in Locarno mit allem Nachdruck gestellten Fragen gehört die allgemeine Abrüstung.
Es ist ganz selbstverständlich, daß Deutschlands Friedenskraft erst dann voll zur Geltung fommen fann, wenn auch auf dem Abrüftungsgebiet die Ungleichheit beseitigt ist.
So viele Erörterungen bisher über den Artikel 16 innerhalb und außerhalb des Böfkerbundes auch stattgefunden haben, so unterliegt es doch nach der Bölkerbundsfazung und der Entschließung der Bollversammlung feinem Zweifel, daß gegen den Willen feines Landes, also auch nicht gegen den Willen Deutschlands , jemals eine für das betr. Cand bindende Entscheidung darüber getroffen werden tann, ob in einem gegebenen Falle die Vorausjegungen für die Anwendung des Artikels 16 und gegen welchen Staat als Friedensbrecher jie vorliegen. Die Möglichkeit, daß wir uns in der einen oder anderen Form an einem Erefutionsverfahren gegen einen Staat beteiligen müßten, den wir selbst gar nicht als Friedensbrecher, d. h. als Angreifer, ansehen, ist also von vornherein ausgeschaltet.( 3uruf rechts: Und das Duramarschrecht?) Die Frage eines Durchmarsches wird in keiner Weije anders behandelt als eine andere Eretutions maßnahme.( 3ustimmung in der Mitte. Gegenrufe rechts und bei den kommunisten.) Somit taucht die Frage unserer Teilnahme an einer Bundesexekution überhaupt erst dann auf, wenn auch wir selbst die Frage, mer bei diesem bewaffneten Staatenstreit zurzeit den Angriff eröffnet hat, für geflärt erachtet. Selbst wenn nun aber die Angriffsfrage von uns zugunsten des einen oder anderen Staates bejaht wird, so ist teine Instanz gegeben, die etwa gegen unsere eigene Auffassung mit bindender Wirkung für uns darüber zu entfchreitender Abrüstung ist in den Berhandlungen und im SchlußScheiden hätte, welche fonkreten Einzelmaßnahmen deutscherseits zu
treffen waren.
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Es entsteht auch auf feinen Fall das Recht eines anderen Bundesmitgliedes, uns in irgend einer Form gegen unferen Willen zu einer Egelutionsmaßnahme, z. B. zur Duldung des Durchmarschrechtes, zu zwingen.
Diese Aufassung findet einen sehr deutlichen Ausdruck z. B. auch in dem bekannten Bericht über das Genfer Protokoll, in dem es u. a. heißt: Jeder Staat entscheidet über die Art, wie er seinen Verpflichtungen nachkommen wird, nicht aber darüber, ob diese Berpflichtungen bestehen, d. h. jeder Staat behält die Entscheidung über das, was er tun mird, nicht aber über das, was er tun foll Dieser hier angeführte Sazz bestätigt die Richtigkeit der foeben geschilderten juristischen Auffassung; auf der anderen Seite betont er ben selbstverständlichen Grundsaß, daß dieses freie Er meffen der einzelnen Staaten mit dem allgemeinen Grundjag loyaler Erfüllung der Bundespflichten im Einklang stehen muß. Und das ist gerade der Punkt, an dem die Erwägungen einfeßten und ein fegen mußten, die zu unseren Bedenken gegen den Artikel 16 geführt haben. Es ist
für Deutschland felbstverständlich, daß es dem Bölkerbund nur in aufrechter Bundesgesinnung und ohne versteckten Vorbehalt beitreten kann. Er fann aber andererseits nicht außer Betracht lassen, daß der praf: tischen Betätigung seiner Bundesgesinnung gerade bei einer etwaigen Anwendung des Artikels 16 in vielen Fällen besondere Schranken gezogen sein werden. Das ist die Folge feiner völligen Entwaffnung, deren Bedeutung und Gefahren durch Deutsch lands zentrale geographische Lage noch außerordentlich verstärkt werden. Aus diesem Grunde fam es darauf an, noch vor dem Eintritt in den Bölferbund sicherzustellen, daß Deutschland sich nicht in Berfolg der durch seine besondere Lage gegebenen Umstände dem Bormurf eines illoyalen Verhaltens und damit der Gefahr einer moralischen Isolierung ausjegt. Dieses Ziel wird durch die in Locarno vereinbarte Erklärung zum Art. 16 erreicht. Denn diese Erklärung stellt fest, daß Deutschland zur Beteiligung nur insoweit verpflichtet ist, als dies mit seiner militärische und geographische Lage verträglich ist. Diese Erklärung bezieht sich hinsichtlich der Berpflichtung Deutschlands sowohl auf die wirtschaftlichen wie auf die militärischen Hilfsmaß. nahmen, wie auch auf die Duldung des Durchmarsches. Die Erklärung erfenní somit ausdrücklich an, daß Deutschland berechtigt ist, bei der pflichtmäßigen Prüfung der Frage, ob und inwieweit es fich an einzuleitenden Eretutiomaßnahmen beteiligen will, den besonderen Maßstab anzulegen, den ihm seine besondere Lage Dorfchreibt. Das ist an fich für Deutschland fein Ausnahmerecht, sondern nur eine Anwendung der Grundsäge, die von den Organen des Bölferbundes allgemein für die Durchführung des Artikels 16 anerkannt worden sind.
Daß aber diese Erklärung Deutschland gegenüber besonders abgegeben worden ist, trägt der besonderen Tragweite Rechnung, die sich für Deutschland aus seiner geographischen und militärischen Lage ergibt. Bei diesem ganzen von mir dargelegten Sachverhalt stehe ich nicht an zu erklären, daß nach der jetzt geflärten Auslegung des Art. 16 sich aus ihm teine Gefahren für Deutschland ergeben.
Eine wirkliche Gleichheit der Lage zwischen entwaffneten und waffen starrenden Mächten ist nicht denkbar. Die bestehende ungeheuerliche Ingleichheit des Rüftungszustandes schließt sogar die unmittelbare Gefahr ein, daß immer wieder die Waffenkraft der bewaffneten Mächte zum Borstoß in den an Waffen leeren Raum der abgerüsteten Staaten drängt. Gerade darum muß Deutschland alles der allgemeinen Ab. daranjeßen, den Gedanken rüftung, wie er im Versailler Vertrage festgelegt ist, jederzeit wachzuhalten und vorwärts zutreiben. Die grundfühliche Zustimmung der Vertragsgegner von Locarno zu fortprotokoll ausgesprochen. Auch der britische Außenminister hat die Bedeutung der Abrüstungsfrage in seiner legten Barlaments rede vom 18. November wiederum starf betont. Eine weitere Wirffamfeit Deutschlands in der Richtung der Abrüstung ist prattisch nurim Bölterbund denkbar.
Man braucht die Aussichten in dieser Richtung nicht zu überschähen, aber es darf auch nicht vergeffen werden, daß der Gedante der allgemeinen Abrüftung zurzeit nicht mehr ein bloßes Jdeal oder eine bloße Utopie ift.
Der Gebante bietet vielmehr einen durchaus praktischen Bestandteil der Politit der Kabinette, einen Bestandteil, der um so bedeutender ist, als er von sehr realen Interessen getragen wird.
Die Reichsregierung erblickt somit im Eintritt in den Bölterbund in feiner Weise eine Schwächung der deutschen politischen Lage, fondern umgefehrt die Gewinnung einer neuen Blattform, auf der es möglich sein wird, in angeftrengter und mühsamer Arbeit die Interessen des Deutschen Reiches und des deutschen Bolkes zu fördern. Die Frage des Eintritts Deutschlands in den Bölkerbund bekommt jedoch ihre ganz bestimmte Note erst durch die Berbin dung mit dem Sicherheitspattund den Schiedsver= trägen. Denn Sicherheitspatt und Schiedsverträge stellen einen erheblichen Schritt zur Bedung und Stärkung gerade jener Kräfte des Friedens dar, die Deutschlands Stellung innerhalb und außerhalb des Bölferbundes zu festigen geeignet sind.
Bevor ich nun den Hauptinhalt des Vertrages von Locarno selbst schildere, muß ich in einem furzen Wort auf die bisher vielfach geübte
Art der Kritik
eingehen. Die Bemühungen der Reichsregierung, auch die breite Deffentlichkeit über Inhalt und Sinn der Bertragsterte aufzuklären, find vielfach durchfreuzt worden durch Versuche, Auslegungszweifel in die Erörterung zu werfen, die die von Regierungsseite gegebene Darstellung als zweifelhaft, als einseitige oder sogar gefünftelte Aus. legung hinstellen. Man hat Widersprüche zwischen dieser Auslegung und angeblichen autoritativen Auslassungen von anderer, insbesonderer ausländischer Seite feststellen zu fönnen geglaubt. Berallgemeinernde Bemerkungen, die das Bertragswert in eine ganz unrichtige Perfpeftive rückten, habei dabei manch mal eine erhebliche Rolle gespielt.
Ich muß demgegenüber feftftellen, daß mir, obwohl ich die Aeußerungen des Auslandes über die Locarnoverträge mit größter Sorgfalt verfolgt habe, darunter bisher keine Aeußerung von irgendwie autoritativer Bedeutung bekanntgeworden ist, die mit unserer eigenen Darstellung in wirklichem fachlichen Widerspruch stände.
( Lärmende Zurufe rechts. Gegenrufe in der Mitte und links.) Der Reichstanzler fagt auf einen Zuruf: Nein, das heißt nur, fich von dem geraden Weg nicht ablenten zu lassen durch Erörterungen, die mit dem Vertragstegt gar nichts zu tun haben.
Ich will auch an dieser Stelle den Inhalt des Vertragswertes noch einmal in seinen wesentlichsten Teilen wiedergeben, wobei ich mich nur auf den Wortlaut der Verträge selbst zu stüßen brauche. Das Kernstud des Vertragswertes bildet der West patt zwischen Deutschland , Belgien , Frankreich , England und Italien . Er ist bestimmt, unsere Grenzen im Westen zu befrieden. Dies bedeutet auf deutscher Seite den Schuh der Rheinlande, und zwar nicht nur gegen eine Berlegung der Grenze als solcher durch eine friegerische Handlung, sondern auch gegen Gefahren, die ohne unmittelbare Grenzverlegung im Wege des See- und Luftangriffs auf deutsches Gebiet fich ergeben fönnten. Die eigene Berpflichtung Deutschlands und Frankreichs sowie Deutsch lands und Belgiens , nicht mit Angriffsfrieg oder anderen aggressiven Semaltaften gegeneinander vorzugehen, wird durch England und Italien , und zwar durch jeden dieser Staaten, besonders garantiert. Entschließt sich Frankreich oder Belgien , gegen Deutschland , oder entschließt sich umgekehrt Deutschland , gegen Frankreich oder Belgien zum Angriffstrieg oder zu einer Invasion, so müfen England und Italien dem angegriffenen Lande mit ihren Machtmitteln zu Hilfe tommen. In flagranten Fällen, wo sich die Angriffsabficht in der militärischen Ueberschreitung der Grenze oder in der Eröffnung von Feindseligkeiten auswirkte,
Wenn somit durch die Verhandlungen in Locarno für Deutsch land hinsichtlich des Art. 16 die Grundlagen geschaffen sind, um in den Bölferbund eintreten zu können, so waren doch auch in Beziehung zum Bölkerbund selbst, und zwar nach Auffassung der Reichsregierung vor dem Eintritt eine Reihe weiterer Fragen zu flären und Zweifel auszuräumen. Ich erwähne nach dieser Richtung, daß das im Hohen Hause häufiger besprochene beutsche Böiter bunds Memorandum Dom September 1924 nach seinem ganzen Inhalt aufrechterhalten worden ist. Aus dem Schriftwechsel, der sich an diese Völkerbundsmemorandum anges schlossen hat, und aus den Erklärungen in Locarno ergibt sich, daß Deutschland des Sizes im Völkerbundsrat und einer entsprechenden Vertretung in der Bölferbundsverwaltung sicher ist. Wegen der Kolonialfrage ist das Recht Deutschlands auf Kolonialmandate ausdrüdlich anerkannt worden. Wir erwarten, daß diesem seinen Anspruch auch praktisch Rechnung getragen wird. Was endlich die Frage einer Anerkennung moralischer Belastungen, insbesondere die Kriegsschulbfrage, betrifft, so hat die deutsche Regierung vor Beginn der Berhandlungen in Locarno gegenüber den Verhandlungsgegnern ihre Auffassung in der Kriegsschuldfrage, insbesondere auch wie sie durch die Erklärung der Regierung Marg vom 16. August 1924 festgelegt worden ist, förmlich zur Kenntnis gebracht und hat ihr Festhalten an ihrer Auffaffung auch bei den Berhandlungen in Locarno ausgesprochen. Dieser Standpunkt der deutschen Re- werfen,
haben die Garanten dem angegriffenen Lande ihren Beistand fofort und ohne weiteres zu gewähren. In anderen Fällen ist zunächst die Entscheidung des Bölkerbundsrats herbeizuführen.
An die Stelle der somit im Besten unterbundenen friegerischen Maßnahmen tritt ein Schiedsgerichtsverfahren für Rechtsstreitigkeiten und eine Schlichtungsverfahren für Intereffentonflitte. Das Schiedsgerichtsverfahren ist so aufgebaut, baß die streitenden Parteien sich dem Richterspruch endgültig unter
Bei der Bürdigung dieser Bestimmungen erhebt sich sofort bie Frage,
in welchem Berhältnis der Weffpaff zum Versailler Bertrag steht. Es war, wie fich schon aus der deutschen Note vom 20. Juli ergibt, nicht das deutsche Verhandlungsziel, durch den Sicherheitspakt den Versailler Vertrag als solchen zu ändern. Dementsprechend heißt es im Artikel 6 des Westpattes, daß dieser die Rechte und Pflichte unberührt läßt, die sich für die am Westpakt beteiligten Staaten aus dem Vertrage von Versailles ergeben.
( Schluß im Morgenblatt.)
Volkspartei gegen die Deutschnationalen. Entschließung des Zentralvorstandes.
Der Zentralvorstand der Deutschen Bolkspartei nahm am Sonntag bei außerordentlich starker Beteiligung im Reichs tag Stellung zum Vertrag von Locarno und zur innerpolitischen Lage im Reiche, wobei Dr. Stresemann ein einleitendes Referat hielt. In der anschließenden Aussprache befürworteten alle Redner, insbesondere auch die Vertreter der besetzten Gebiete, die Annahme der Verträge von Locarno . Die Flucht der Deutschnationalen aus der Verantwortung und aus der Zusammenarbeit mit der Boltspartei fand scharfe Berurteilung. Die Tagung endete mit der einstimmigen Annahme einer Entschließung, in der zunächst der Ueberzeugung Ausdruck gegeben wird, daß es notwendig fei, in Europa einen dauernden Friedenszustand zu schaffen. Gleichzeitig spricht die Partei ihre Ueberzeugung dahin aus, daß die großen Auswirkungen des Vertrages sich erst zeigen fönnen, wenn er in Kraft getreten ist; das Inkrafttreten des Vertrages sei daher erst der Anfang der zu erwartenden Entwicklung. Die Entschließung betont, daß das Werk von Locarno alle Möglichfeiten friedlicher Aenderung der bestehenden Verträge offent läßt. Daher erklärt der Zentralvorstand vor dem deutschen Volke, daß er einmütig für das Wert von Locarno eintrete und die Fortsetzung der damit angebahnten Politik fordere, weil nur von dieser Politik die Freiheit der besetzten Gebiete, die Wiederherstellung der Souveränität und die Möglichkeit der innerpolitischen Entwicklung Deutschlands als Großmacht erwartet werden könne. 3ur inner politischen Lage heißt es dann in der Entschließung wörtlich:„ Die Politik von Locarno ist von einer bürgerlichen Regierung geführt worden. Diese bürgerliche Regierung war das Ergebnis jahrelanger Bestrebungen der Deutschen Bolkspartei, die bis zur Selbstentäußerung dafür gefämpft hat, den Deutschnationalen die Mitwirtung an verantwortlicher Stelle der Reichsregierung zu sichern. Dieses Zusammenhalten des deutschen Bürgertums ist durch das Borgehen der Deutschnatio. nalen Volkspartei zersprengt. Damit sind Gefahren für unsere innerpoltische und innerwirtschaftliche Entwidlung entstanden. In der kritischsten Stunde der deutschen Entwicklung scheute die Deutschnationale Belfspartei die Politik der Berantwortung, um die bequeme Oppositionsstellung wieder einzunehmen. Die deutschnationale Partei allein trifft die Ber antwortung für die Folgen, die sich daraus ergeben. Entwicklung der Verhältnisse im Reiche bedingt nach Abschluß des Bertrages von Locarno , daß die Reichsregierung nur aus Persönlichfeiten und Bertretern von Parteien bestehen kann, die gewillt find, die Außenpolifif im Geifte des Wertes von Locarno weiterzuführen. nur dadurch ist die Sicherheit gegeben, daß die Erfolge dieser Politik tatsächlich erreicht werden können. Die Deutsche Volkspartei wird fich ihrerseits auch in Zukunft in der Frage ihrer Stellung im Reich und in den Bundesstaaten nur von dem Gefühl verantwortlicher Mitarbeit leiten lassen.
Die Aga geht in Konkurs.
Die
Das Ergebnis der Gläubigerversammlung. Die Aktiengesellschaft für Automobilbau BerlinLichtenberg( Aga) ist nun doch gezwungen, Konfurs anzumelden. Jedenfalls hat das der Gläubigerbeirat beschlossen, der am Sonnabend bis spät in die Nacht hinein tagte und der infolge der Stockung des Absatzes und des unveränderten Schuldenbestandes des Unternehmens im Konkursverfahren den einzig möglichen Ausweg aus der Krise der Aga sieht.
Wahrscheinlich werden sich an den Zusammenbruch der Aga noch schwere Auseinandersegungen der Glaubiger des Unternehmens mit den Banten anschließen. Der Aga maren nämlich bei der Auseinandersetzung des Dr. Edmund Stinnes mit feiner Familie noch erhebliche Kredite zugesagt worden, die man Später dem Unternehmen verweigerte. Da nach der Ansicht vieler Fachleute das Unternehmen durchaus rentabel arbeitet und nur in der Kreditverweigerung der Banken der Anlaß zu dem Konkurs gesehen wird, will man die verantwortlichen Bantunternehmungen für den entstandenen Schaden haftbar machen. Ob das gelingen wird, muß dahingestellt bleiben. Die Banken werden fich wohl noch zu den Forderungen der Gläubiger äußern.
Für die Belegschaft spielt diese vermögensrechtliche Angelegenheit insofern eine Rolle, als von ihrem Ausgang die Zukunft und die Beschäftigungsmöglichkeit des Unternehmens in hohem Grade abhängt. Es ist zwar beabsichtigt, auch nach der Konkursanmeldung den Betrieb aufrecht zu erhalten. Mit welchem Erfolg das geschehen wird, das hängt wesentlich davon ab, ob einc rasche Bereinigung der Geschäftsverhältnisse der Aga stattfindet. Schon seit der Reise Dr. Edmund Stinnes' nach Amerika soll eine Stockung des Absages bei dem Unternehmen eingetreten fein, die man darauf zurückführt, daß manche Interessenten ihre Käufe zurückgestellt haben, weil diese glaubten, aus der Konkurs masse billiger kaufen zu können. Im Interesse der Belegschaft iſt daher zu fordern, daß das Kontursverfahren, das nur eine Vermögensauseinandersetzung der Kapitalisten untereinander darstellt, fo rasch als möglich seinen Abschluß findet, damit der Betrieb nicht mehr als nötig darunter leidet. In der Aufrechterhaltung des Betriebes aber liegt das volkswirtschaftliche Interesse und das der Arbeiterschaft.
Wie MTB. meldet, hat das zuständige Amtsgericht heute vormittag die Geschäftsaufsicht der Aga aufgehoben und das Kontursverfahren eröffnet. Die erste Gläubigerver sammlung findet am 18. Dezember 1925 statt. Kontursforderungen sind bis zum 15. Januar 1926 anzumelden.
Der Kahn- Konzern unter Geschäftsaufsicht. Der Richard Kahn Konzern, zu dem u. a. die Stod Motorpflug, die Stock- Motorradwerke, die Allgemeine Werzeugmaschinengesellschaft, die Deutschen Niles- Werke und die Riebe- Werke sowie eine Reihe auswärtiger Betriebe gehören, hat jezt Antrag auf Geschäftsaufsicht gestellt, der mit Mangel an Betriebsmitteln begründet wird. Diese Wendung bei dem noch jungen Konzern ift um fo auffälliger, als erft fürzlich eine Regelung wegen feiner Schulden erfolgt ist, wobei insbesondere die Schulden an die Ber liner Pfandbriefbant in einer befriedigenden Weise geordnet wurden. Trogdem stößt dieser in der Inflation emporgekommene Konzern auf neue Betriebsschwierigkeiten, die mit der allgemeines 2bsazkrise und der Kreditnot in Zusammenhang stehen.
Unter dem Schuß der Geschäftsaufsicht soll eine grundlegende Sanierung des Konzerns angestrebt werden.