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Nach dem Sturz Painlevés.

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Die Sozialisten am Scheidewege. Paris , 23. November. ( Eigener Drahtbericht.) Den äußeren Anstoß zu dem Sturze des Ministeriums Painlevé hat die Ableh nung der in Artikel 5 der Finanzvorlage vorgesehenen 3wangs tonsolidierung( 3wangsmäßige Verlängerung) der kurz fristigen Anleihen gegeben. Gegen sie haben mit den Par teien der Rechten und der Mitte etwa 30 bis 40 Abgeordnete des Kartells der Linten sowie die Kommunisten gestimmt. Gerade in dieser Frage war die Stellung des Ministeriums Painlevé außerordentlich schwierig geworden. Painlevé selbst hatte diese von den Sozialisten und einem großen Teil der bürgerlichen Linten geforderte Maßnahme noch in der vergangenen Woche scharf bekämpft. Erst die kategorische Ablehnung der von der Regie­rung in ihrem ersten Entwurf geplanten neuen Inanspruch nahme der Bant von Frankreich , d. h. in diesem Falle der Noten presse, zur Beschaffung der Mittel für die in den nächsten Wochen und Monaten fällig werdenden kurzfristigen Berbindlichkeiten des Staates hatte ihn gezwungen, sich mit der Hinausschiebung der Rückzahlungen abzufinden. Nach Artikel 6 sollte dies in der Weise geschehen, daß zunächst ein bis 1. Januar 1928 dauerndes Moratorium eintrat, und daß danach die Zurückzahlung der zum größten Teil meiner Laufzeit von 3-6 Jahren aus­gegebenen Werte auf einen Seitraum von 25 Jahren verteilt werden sollte. Der Widerstand, den Painlevé selbst anfangs gegen diese Bestimmungen leistete, hatte es der Rechten verhältnismäßig leicht gemacht, Painlevé mit seinen eigenen Waffen zu bekämpfen; Abg. Bokanowski, der den Angriff der Reaktion führte, fonnte sich darauf beschränken, all die Argumente ins Treffen zu führen, die Bainlevé selbst vor kaum einer Woche in der Finanz­

tommission geltend gemacht hatte.

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Die Regierung Painlevé ist nicht durch die Sozialisten gestürzt worden, wie es ein Berliner Montagsblatt behauptet, sondern ausschließlich durch die Rechte, diesmal jedoch ver­stärkt einerseits, wie üblich, durch die Kommunisten, andererseits ddurch die Louche ur- Gruppe. Die Haltung von Loucheur, dessen 30 bis 40 Anhänger das Bünglein an der Wage bilden, war seit einigen Tagen schon überaus zweideutig. Es war ihm anzumerken, daß er mit allerlei Manövern den Sturz Painlevés betrieb.

Die Notwendigkeit einer schnellen Lösung der neuen Krise liegt auf der Hand. Gerade jetzt befindet sich die französische Währung in einer überaus unsicheren Lage, und jeder weitere Tag der Unsicherheit kann auf diesem Gebiete fatastrophale Folgen haben. Zugleich find aber die Schwierigkeiten dieser Lösung größer denn je. Eine Regierung der Mitte, die sich sowohl auf die Radi­falen wie auf die Elemente des Nationalen Blods stützen würde, würde dem flaren Willen der Mehrheit des franzö­fischen Volkes widersprechen; sie würde den endgültigen Bruch sischen Volkes widersprechen; sie würde den endgültigen Bruch des Kartells der Linken zur Folge haben. Bis jetzt hat der weitaus größte Teil der Radikalen unter Führung Herriots einer Regierung der Mitte oder, wie der parlamentarische Ausdrud drüben lautet, eine Regierung der Konzentration" entschieden Widerstand geleistet.

Aber diese Regierung der Mitte, die in Wirklichkeit mit der Rückkehr des Nationalen Blocks an die Macht gleich bedeutend wäre, ist nicht aufzuhalten, solange die Sozia listen es ablehnen, in eine Kartellregierung einzutreten. Bisher waren die Anhänger der Koalitionspolitik in der So zialistischen Partei in der Minderheit. Es ist aber klar, daß, je länger die sozialistische Fraktion mit ihren 100 Mandaten eine formelle Bindung an die Regierung durch Eintritt in das Kabinett ablehnt, desto schwieriger wird es den Radikalen sein, den Lockrufen des Nationalen Blods Widerstand zu leisten.

Lehnen die Sozialisten den Eintritt in die Regierung auch in der jeßigen, politisch und wirtschaftlich gleichermaßen gefährlichen Situation ab, dann zwingen sie die fartell­freudigen Radikalen und Sozialistisch- Republikaner, An lehnung nach rechts zu suchen.

Andererseits muß man es begreifen, daß, wenn unsere französischen Genossen wenig Neigung verspüren, in eine Re gierung einzutreten, und mochte ihre Zusammensetzung noch so vertrauenserweckend sein: abgesehen von den prin­zipiellen Gründen sind es auch schwerwiegende taktische Bedenken, die gegen die Koalition sprechen.

Sollen die Sozialisten sich mit dem Odium der Wirt­schaftsnot und der Teuerung belasten, falls auch ihre Re­gierungsmaßnahmen infolge der Obstruktion der Kapitalisten nicht vermochten, den weiteren Frankensturz aufzuhalten? Sollen sie die Verantwortung für das mit übernehmen, was in Maroffo und Syrien geschieht, und schließ­lich: wäre eine ausgesprochene Linksregierung gegenüber dem reaktionären Senat überhaupt lebensfähig, bzw. hätten die Radikalen den Mut, gegebenenfalls den Kampf gegen einen widerspenstigen Senat aufzunehmen und, zu allen anderen Sorgen, noch einen Verfassungstrieg auszufechten? Das alles sind außerordentlich heifle Fragen. Und wenn trotzdem in der geftrigen Sigung des Linksfabinetts Männer mie Blum, Renaudel, Auriol und andere sich für die Re­gierungsbeteiligung ihrer Partei ansgesprochen haben, so ent­. springt das nicht zuletzt der Sorge, daß eine andere Politik das französische Bolt dem sich auch dort in letzter Zeit im Schatten des Inflationsgespenstes regenden Faschismus in die Arme treiben fönnte.

Die Frage der Regierungsbeteiligung der Sozialisten Paris , 23. November. ( Eigener Drahtbericht.) Eine Sigung der Kammerfrattion des Lintstartells, an der jedoch nur die Sozialisten, die Raditaljozialen und die republikanischen Sozialisten teilnahmen, hat am Sonntag nach reiflicher Aussprache über die geschaffene Lage um Mitternacht eine Entschließung ange. nommen, in der die drei Gruppen erklären, daß sie ihr Vertrauen nur einer Regierung schenken, die entschlossen ist, eine Politik zu führen, die dem Willen des franzöfifchen Boltes entspricht, die mit der in dem gegenwärtigen Augenblick notwendigen Stärke die republikanische Verfassung verteidigt und mit Energie die Sanierung der Finanzen anstrebt. Diese Ent­Diese Ent fchließung soll der Radikalen Linfen unterbreitet werden.

Eine furze Fraktionssihung der sozialistischen Gruppe am Sonntag abend hat vor allem der abermals atut gewordenen Frage der Beteiligung an der Regierung gegolfen. Für den Eintritt in ein Kartellfabinett trafen ein Paul Boncour , Re­naudel, Auriol, Mistral, Weill und in seiner Eigenschaft als Mitglied des Parteivorstandes Grumbach. Die bekannten Gegner der Be­feiligung an der Regierung Paul Faure , Compère Morel und Lebas hatten der Sigung nicht beigewohnt, so daß die Gegenseite nicht zum Worte fam.

Eine angenommene Entschließung fordert die Vertreter der Fraktion auf, an allen Beratungen des Kartells feilzunehmen, und versichert, alles zu tun, um die von den Geldmächten und den faschiffi­fchen Umtrieben bedrohte Republik zu retten.

Dem Gedächtnis der Toten.

Der Verein der Freidenfer für Feuer. bestattung hat seine Mitglieder und Freunde im großen Saal im Orpheum" in der Hasenheide versammelt. Der Saal ist stimmungsvoll und würdig ausgeschmückt. Die riesige Bühne prangt im satten Grün des Lorbeers. Durch die hohen Fenster slutet das matte Herbstlicht eines traurigen Rebeltages. Draußen fällt müdes Laub von den Bäumen, es fündet vom ewigen Schicksal des Werdens und Sterbens. Und auch im dichtgefüllten Saal liegt eine große Schwere. Cello und Harmonium, von Künstlern des Bachs und Schumanns ein, Heinrich Bitte vom Staats­Hopf- Trios gespielt, leiten feierlich mit zauberstarten Klängen theater spricht mit wundersamer Eindringlichkeit Goethe, Storm und Geibel; Herr Ernest i von der früheren Voltsoper ergreift mit Schuberts Ueber allen Wipfeln ist Ruh". Hunderte lauschen dem großen Wort und dem großen Lied, denken an den Sinn der Stunde, an den sie hier gemahnt werden. Lassen sich packen von der furzen, gehaltvollen Ansprache des Genossen Stelling: Unser Gedenten gilt in erster Linie denen, die für den Aufstieg der Menschheit gewirkt haben. Gruß und Dank den Bahnbrechern einer besseren Zeit und den Kämpfern für die Freiheit! Ferner auch erinnern wir uns der Opfer des von gewissenlosen Verbrechern Inszenierten Massenmords von 1914 bis 1918; wir gedenken ihrer mit dem aus tiefsten Herzen kommenden Gelöbnis, die Bahn freizu machen für Verständigung und Versöhnung der Völker. Mit Abscheu wenden wir uns von den Trägern der finsteren reaktionären Ge­walten, die die gefallenen Söhne des deutschen Boltes noch im Tode schmähen, indem sie ihnen Denkmäler errichten, deren In­schriften nur von Haß und Rachsucht zeugen. Der Geist unserer Zukunft, die von uns den Kampf fürs Gute, den Marsch nach Toten ruft zur Weihe durchs Leben; er zeigt uns den Weg der vorwärts verlangt. Wir wollen wirken für eine Gesellschaftsordnung, in der wahrer Friede, wahre Freiheit und wahre Kultur herrschen. Denten wir an unsere Pflicht! Dies will ein Tag der rechten Ein­fehr sein, denn aus den Gräbern fommt das große Hoffen.... Kein lauter Beifall verlärmt den Nachhall in stiller Minute. Da ist mancher, der Familiennahe oder Genossen der Tagsarbeit und der Gesinnungsgemeinsamkeit beklagt. Beicher, reicher Harfentlang, von Meisterhand dem Instrument entlockt, hält die Weihe. Dann wieder Rezitation, Gesang, Cellospiel, Harmoniumflang. Mozart und Händel ! Bis uns falte Dunkelnacht umfängt. Reich beschenkt und in Ge­danken, spüren wir faum ihren rauhen Atem.

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Der Bolts Feuerbestattungsverein" veranstaltete gestern mittag in den Alhambra- Lichtspielen, Ede Müller- und See­traße, eine Totengebächtnisfeier, verbunden mit einer Vorführung des wissenschaftlichen Films Memento mori ", den der Feuerbestattungsverein vor einiger Zeit aufgenommen hatte. Der erfte Teil brachte eine Uebersicht über das Bestattungswesen von den Aegyptern bis zur Gegenwart; die folgenden Teile zeigten die Entwicklung des Bolts- Feuerbestattungsvereins und die Vorgänge bei der Leichenverbrennung im modernen Krematorium. Gesangliche und rezitatorische Vorträge umrahmten die Filmvorführung. Gut flang der Chor des Feuerbestattungsvereins, auch der Solovortrag des Schumannschen Liedes Du bist die Ruh zeigte fünstlerischen Ausdrud. Am Abend veranstaltete der Boltsfeuerbestattungs. verein eine Erinnerungsfeier an die Toten in bem Konzertsaal der Staatlichen Hochschule für Mufit. Die Gedächtnisrede hielt Dr. Biechowski; stimmungsvolle Mufitvorträge umrahmten Bu einer schlichten und würdigen Gedenffeier hatten sich am

Familientragödie eines Börsenmaklers. Wegen Geschäftsschwierigkeiten mit Frau und Kind in den Tod.

Eine furchtbare Familientragödie spielte sich in der Nacht zum Sonntag in dem Hause Schellingstr. 10 ab. Hier wurde in seiner Wohnung der 32 Jahre alte Kaufmann und Börsenmakler Friz Falkenstein mit seiner 28jährigen Ehefrau Elisabeth und seinem 2 Jahre alten Söhnchen erschossen aufgefunden. Wir erfahren dazu folgende Einzelheiten:

Die bei Falfenstein beschäftigte Hausangestellte war am Sonn­abend gegen 11 Uhr nach Hause gefommen. Ausnahmsweise halte ihre Herrschaft fie am Nachmittag fortgeschickt und ihr 3. M. zum Besuch eines Kinos geschenkt. Als das Mädchen um 11 Uhr heim­fehrte, fand es in seinem Zimmer einen Brief von Frau Faltenftein. Berwundert öffnete es ihn und fand barin 40 m. und ein Armband. In dem Schreiben teilte Frau F. dem Mädchen mit, daß sie und ihr Mann aus dem Leben scheiden und auch ihr Söhnchen mitnehmen wollten. Sie seien den wirt Ichaftlichen Schwierigkeiten nicht mehr gewachsen. Das Geldgeschent solle es dem Mädchen ermöglichen, fich in Ruhe eine neue Stellung zu suchen. In Anerkennung ihrer treuen Dienste und ihrer Freundlichkeit gegen das Kind vermache sie ihm das Arm band. Weiter bat fie das Mädchen, die Polizei sowie eine befannte Dame zu benachrichtigen. Diese sollte es übernehmen, der Mutter der Frau F. den Tod der Tochter, des Schwiegersohns und des Entellindes mitzuteilen, aber nicht vor dem folgenden Morgen. Das Herrn F. tot auf seinem Bett liegen. Der fleine Knabe lag Mädchen lief entsetzt durch die Wohnung und fand im Schlafzimmer mit einer Schußwunde im Kopf ebenfalls tot in seinem Bettchen. Frau F. lag im Nebenzimmer auf einem Ruhebett. Sie gab noch schwache Lebenszeichen von sich. Das Mädchen alar­mierte die Polizei, die sofort für die Ueberführung der Frau F. in das Elisabeth- Kranfenhaus Gorge trug. Dort liegt fie mit so schweren Berlegungen danieder, daß wenig Aussicht besteht, fie am Leben zu erhalten. Aus zahlreichen hinterlassenen Briefen an Leben zu erhalten. Aus zahlreichen hinterlassenen Briefen an eihäftsfreunde und Verwandte geht hervor, daß Rind und schoß dann auf sich selbst. Falkensteins Geschäfte, bie Falkenstein sich zuerst erschossen hat. Danach tötete Frau F. ihr früher sehr gut gingen, hatten in letzter Zeit eine Stockung erfahren. Als das Ehepaar feinen Ausweg mehr fah, beschloß es, seinem Leben ein Ende zu machen.

Beileid zum Tode Dr. Weyls.

Anläßlich des Hinscheidens des Genossen Dr. Beyl find der Familie des Verstorbenen eine Unzahl von Beileidsbriefen und Telegrammen von Vertretern der Regierung, des Magistrats sowie Einzelpersönlicheiten zugegangen. Ihr Beileid haben u. a. aus­gebrüdt: Genosse Reichstagspräsident Löbe, der Verband der Gemeinde- und Staatsarbeiter, Bürgermeister So13, Magistrat der Stadt Berlin gez. Böß, Bamberg , Oberpräsident Dr. Mener. Barteivorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands , Luise Ebert, Minister Hirtfiefer im Namen des Wohlfahrtsministeriums, Kultusminister a. D. Dr. Boelig und viele andere. Der Magistrat schrieb folgendes: Sehr verehrte gnädige Frau! mit tiefer Trauer hören wir von dem Hinscheiden Ihres Gatten. Nehmen Sie namens des Magistrats und der Stadtverordnetenversammlung von Berlin den Ausdrud tiefsten Mitgefühls und herzlichster Anteilnahme ent­gegen. Jahrzehntelange Arbeit Ihres Gatten in der städtischen Ver. waltung und seine besondere Fürsorge, die er namentlich der groß städtischen Gesundheitspflege und der allgemeinen Wohlfahrt widmete, sichert ihm in der Stadt Berlin ein ehrendes Andenken. In aufrichtigem Mitempfinden." Das Wohlfahrtsminist c. rium, gez. Sirifiefer, schrieb u. a.: Die großen Berdienste des Verstorbenen um die Volksgesundheit sichern ihm ein dauerndes ehrendes Andenken."

Die Einäscherung findet, wie bereits mitgeteilt, am Mitt woch, den 25. November, nachmittags 3 Uhr, im Krematorium Gerichtstraße statt.

Sommtag die Kameraden des Kreisvereins Kreuzberg des Reichsbanners Schwarz- Rot- Gold am Grabe des erschoenen Reichsbannermannes Erich Schulz versammelt. Am Grabe selbst hatte schon in den frühen Morgenstunden eine Ehren wache Aufstellung genommen. Genoffe Pfarrer Bleier hielt die Gedächtnisrede. Er war ein aufrechter Kämpfer, dessen Tod uns nur die Kraft gibt, weiterzufämpfen, auf daß in dem Lande, wo die Reichsfarben als politisches Abzeichen betrachtet werden, endlich die wahre Freiheit eintehren möge. Kamerad Bet nared grüßte Rot- Gold den toten Soldat der Republik , der im Kampfe für die im Namen des Kreisvereins Kreuzberg des Reichbanners Schwarz­Freiheit sein Leben opferte. Dann einige turze Kommandos: die Reichsbannerleute nehmen im Borbeimarsch grüßend Abschied von der Ruhestätte ihres Kameraden.

arbeitete

Zum Gedenken der im Krieg gefallenen und verstorbenen Kame= raden hatte am Sonntag der Reichsbund der Kriegs­beschädigten, Kriegsteilnehmer und Striegerhinterbliebenen im Orpheum" in der Hasenheide eine Feier veranstaltet, die einen zahlreichen Besuch aufwies. Auf der Bühne standen die umflorten, in den Farben der Republif gehaltenen Banner der einzelnen Orts. gruppen. Der Trauermarsch aus der 3. Sinfonie( Eroica ) von Beethoven leitet die Feier ein. Der von Hermann Scherchen be­Sängerchor( Mitgl. d. ASB .), folgt. Dann rezitierten Gertrud Trauermarsch, vorgetragen Dom Rentöllner Ensoldt und Martin Wolfgang vom Staatstheater. In der darauffolgenden Gedenkrede fand Gauleiter Kamerad Baul Mende zu Herzen gehende Worte für die in fremder Erde ruhenden Kämpfer des Krieges: Nie wieder Krieg! Nie wieder bämmerung" und der wuchtige Truggesang Tord Folefon", vor. Massenmord! Der Trauermarsch aus Wagners Götter: getragen vom Gesangverein 1919, beschloß die Gedenk­

stunde.

Hanneles Himmelfahrt.

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funks Hauptmanns Hannele". So war die funkische Weihe des In Hunderttausend Ohren trug die Welle des Berliner Rund­Totensonntags mehr Feier als Theater. Raum hätte etwas Besseres gefunden werden können. Der moderne Gerhart Hauptmann ist uns stets sehr nah. Alfred Kerr versuchte das in seiner hübschen Ein­führungsrede zu erflären. Diefer Hauptmann, der das Hannele" jah, fühlte und dichtete, ist uns nah; ihn lieben mir. Und preisen das Radio in der Hoffnung, daß Hanneles Schrei nach reiner Menschlichkeit die Bedeutung der künstlerischen Formgebung über­drang. Soll das Senbespiel, sagte Kerr, seine Sendung erfüllen bemeint nicht den Sammerzustand der Erde, bessert ihn! Die Künstler gaben sich große Mühe und erreichten sehr Schönes. An der Spige Florath als Mattern: schnapsgepact, haßwild, tiernah. Hannele war Edith Witt; sie hatte das große Leid, sie ließ uns frieren. Alfred Braun , ber den Lehrer Gottwald sprach, war sehr start am Anfang, ermüdet gegen den Schluß, vortrefflich aber als Regiffeur: die Sorgfamkeit der Stimmabtönung war diesmal ganz besonders spürbar. Der Berliner Sender hatte wieder einen großen Tag, wir fühlten ein Erlebnis. Die Barbeißigsten horchten wie die Kinder, fahen die dumpfe schlesische Bauernstube, spürten den Haß und das Leid zwischen fleinen Menschen und engen Mauern, ahnten aber auch das überirdische Große, das ein Kinder­herz hier offenbarte. Licht in der Winternacht des Totensonntags und der Armeleutemelt!

Gegen den Kunstterror der Juftiz.

Eine Proteftfundgebung im Lehrervereinshaus. Die Bereinigung fintsgerichteter Verleger" hatte am Sonntag vormittag zu einer Brotesttundgebung gegen die Justizwillkür in das Lehrervereinshaus am Alexanderplaß gerufen. Eine start links­raditale Note der Berjaminlung war unverkennbar, wenn auch die meisten Redner fich bemühten, ihr Thema fachlich zu behandeln. Eine Angelegenheit für sich war die geschmacklos aufdringliche Bro­pagandaschriftenreklame der KPD.- Barteibureaus in der Borhalle. Erheblich aus dem Rahmen fiel auch Herr Milli Münzenberg, der, wie üblich, unter völligem Berkennen der Situation, ausgesprochen fommunistisch plädierte und bei Erwähnung Sowjetrußlands minu­tenlange Sturmszenen der Anarchisten hervorrief. Wenn Herr Münzenberg im Zusammenhang mit Rußland für die Freiheit alles Geistigen spricht, so ist das immerhin von einiger Infonsequenz. Es sprachen u. a. Rechtsanwalt Wolf, Regisseur Emil Lind, Erich Müh­Lind wandte sich in fam, Justizrat Fraenki und Ernst Loller. seinen dialektisch sehr eindrucksvollen Darlegungen gegen ben Kunstterror einer geistlofen Bureautratie, die die Belt am liebsten zu einer Sammlung von telephonierenden Höhlen­bewohnern" machen möchte. Das Berbrechen gegen das teimende geistige Leben sei eine Bergewaltigung ber wertvollsten Kräfte des beutschen Boltes. Gegen biefe Taftit der Entfeelung mit größter Energie Front zu machen, ift die Pflicht aller Ehrlichen und Schaffen­den. Ernst Toller machte von einem neuen llebergriff der kunst­politisierenden Justiz Mitteilung. Ihm sollte in Weimar bie ( Lebhafte zurufe.) Troßdem hat Toller den Hintemann" gelesen. Borlesung des intemann" verwehrt werden. Die zahlreich anwesenden Kriminalbeamten enthielten sich jeder Störung. Eine Resolution, die gegen die General offen= five der deutschen Justiz wider alles Lintsgerich= tete protestierte und auch des wegen einiger Rezitationen zu 15 Monaten verurteilten Schauspielers einer Gefängnisstrafe von Rolf Gärtner gedachte( wann endlich kommt in dieser unglaublichen Affäre die gebieterisch notwendige Amnestie?!), wurde angenommen.

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Nächtlicher Ueberfall jugendlicher Rowdies.

Zu schweren Ausschreitungen fam es in der Nacht zum Sonntag vor einer Gastwirtschaft in der Köllnischen Allee. Gegen 12% Uhr hatte der Wirt etwa 10 junge Leute aus seinem Lofal entfernt, weil sie sich ungebührlich betrugen. Um 1 Uhr schloß er sein Geschäft. Die Hinausgeworfenen hatten die Zwischenzeit dazu benutzt, um sich bei Gleichgesinnten, etwa 20 Mann, Ber­Stärkung zu einem Rachezug gegen den Wirt zu holen. Sie zogen vor das Lokal und forderten Einlaß. Als ihnen dieser verweigert wurde, versuchten sie, mit Gewalt einzudringen und zertrümmerten den Rolladen. Durch eine beschädigte Stelle schoß einer von ihnen in das Lokal hinein. Ein Schuß traf ben am Billard stehenden Etraßenbahnfchaffner Paul Uhr aus der Schadomer­strake 46 in die Brust. Uhr brach fofort zusammen. Der Birt alarmierte das Ueberfallfommando. ergriff die ganze Rotte eiligst die Flucht. Personen, die unmittelbar an dem lleberfal beteiligt waren, fonnten leider nicht mehr feft­genommen verden. Der verletzte Schaffner wurde nach dem Kronken­haus in Budow gebracht, wo er mit einem Lungensteckschuß schwer darnieder liegt.

Als die Beamten anrückten,

3m 57. Lebensjahre ist gestern Sonntagabend in seinem Wohn­ort Raulsdorf unser Genosse, der Buchdruckereifaftor in der Borwärtsbuchdruderei, Karl Bollat, plöglich aus dem Leben geschieden. Ein Herzschlag fegte diesem Kämpen ein Ziel. Schon in seinen jungen Jahren schloß er sich der Arbeiterbewegung an und mar bis zu seinem Tode ein tätiges Mitglied. Auch in der Ver­teidigung der Republit hat er seinen Mann immer gestanden. Als Mitglied des Reichsbanners Schwarz- Rot- Gold stand er mitten im Rampf. Nun hat ein Herzschlag seinem Leben ein Ziel gesezt. Wir merden seiner immer in Ehren gedenten. Der Tag der Beisetzung wird noch bekanntgegeben.