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Nr. 554 42. Jahrg. Ausgabe A nr. 283

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297.

Dienstag, den 24. November 1925

Briand beauftragt.

Er verhandelt mit den Parteiführern. Paris , 23. November. ( WTB.) Der Präsident der Republik hat Briand die Kabinettsbildung angeboten. Er hatte ihn bereits heute nachmittag 4% Uhr empfangen. Briand erklärte, als er um 5,50 Uhr das Elysée verließ: Der Präsident hat mich rufen lassen, cm, wie mit vielen anderen Persönlichkeiten, mit mir sich über die Lage auszusprechen. Er hat mich gebeten, tým meinen Bei­stand zu leihen und bei der Lösung dieser Krise mitzuhelfen. 3ch habe ihm geantwortet, daß ich es für meine Pflicht halie, ihm diese Hilfe zu gewähren. Ich werde jetzt mit einigen Freunden fiber die anzuwendenden Mittel und Wege beraten und wahrschein­lich gegen Abend wieder zurückommen, um mich mit dem Präsi­denten der Republit auszusprechen. Jed

Paris, 23. November, 11% Uhr abends.( Eigener Draht. bericht.) Im Laufe des Nachmittags und des Abends hat Briand Besprechungen mit Politikern verschiedener Parteien abgehalten, darunter auch mit Genoffen Paul Boncour . Zu einem Er­gebnis ist er noch nicht gefommen und er hat den von ihm an­gefündigten Bericht an den Präsidenten Doumergue noch nicht er­flattet.

Die Entscheidung der Sozialiffen ift noch immer zweifelhaft. Weder die Anhänger noch die Gegner der Beteiligung an der Regierung vermochten fich über die voraussichtliche Stellungnahme der Fraffion zu äußern, die bisher nur zum Teil in Paris an­wefend ist. Für morgen wird das Eintreffen einer größeren An­zahl von fozialistischen Abgeordneten aus der Provinz erwartet, die noch feine Gelegenheit hatten, Ihre Meinung zum Ausdrud zu bingen. Auch hängt natürlich die Entscheidung wesentlich davon ab, wie die weiteren Verhandlungen Briands verlaufen.

Die Verantwortung der Sozialisten. Stärkere Strömung für Eintritt in die Regierung. Paris , 23. November. ( Durch Telephon.) Bon einem bekannten franzöfifchen Partei genoffen wird uns geschrieben: Nie lastete auf der französischen sozialistischen Partei eine größere unmittelbare Berantwortung für die ge­famte politische Lage des Landes als gegenwärtig. Von ihren Beschlüssen wird es zum großen Teil abhängen, welchen Ber lauf die durch den Sturz des zweiten Rabinetts Painlevé herbeigeführte Krise nehmen wird. Seit Jahrzehnten fannte Frankreich teine schwerere Krife. Die Mehrheit von drei Stimmen, mit der gegen 6 Uhr am Sonntag nachmittag das Kabinett Painlevé gestürzt wurde, ist aus Elementen zu fammengesetzt, die weder in den allgemeinen politischen Fragen, noch in den speziell zur Tagesordnung stehenden Finanzproblemen ein einheitliches Programm haben kann. Auf dem äußersten rechten Flügel diefer Mehr heit" stehen die Royaliften, auf der äußersten Linken die Jünger Mostaus; dazwischen als Hauptarmee der Bloc national, die drei Dutzend Mitglieder der Loucheurschen Gruppe, die ihren Führer" Loucheur mit acht Mann im Stiche ließen, und ein halbes Dugend Radikalfoziale, persönliche Freunde Caillaur. Hätten die Kommunisten bei der Nachmittagsabstimmung die gleiche Haltung eingenommen, mie bei der Bormittagsfizung, hätten sie sich wieder enthalten, so wäre teine Mehrheit gegen das Kabinett Painlevé zustandegekommen. Aber vormittags war ein einziges Mit­glied der kommunistischen Fraktion anwesend, der Pariser Borortsabgeordnete Clamamus, der es auf fich nahm, für die Gesamtfrattion die Enthaltung zu proflamieren. ( Im französischen Barlament darf der Fraktionssekretär auch für die anderen Mitglieder seiner Gruppe in deren Abwesen heit abstimmen, sofern fie nicht ausdrücklich beurlaubt find. Red. d. B."). Als die Herren Führer der fommunistischen Fraktion sich nachmittags, entschloffen hatten, zur Sigung zu erscheinen, sah sich Clamamus wegen seines Bernunftanfalls in bitterer Beife& urechtgewiefen und mußte nun auf Be fehl von Doriot und Cachin das Gegenteil dessen tun, was er am Morgen getan hatte, und zwar bei der Abstimmung über den gleichen Artikel, um den es sich schon bei der Führer abstimmung handelte. Dieser Artikel war nunmehr der einzige, dem alle Gegner der Inflation zustimmen fonnten, da er die Konsolidierung der furzfristigen Schatzscheine betraf. Innen­politisch hat sich infolgebeffen eine Situation ergeben, in der man einstweilen überhaupt teine parlamen tarische attionsfähige Mehrheit ertennt. Das Kabinett Painlevé ist nach lints gefallen. Die Hoffnung des Bloc national, daß sein Sturz durch die Sozialisten herbei­geführt und die Berbrüderung der Rechten mit den Radikal foziafiften dadurch erleichtert würde, ging nicht in Erfüllung. Um fo fchärferstellt sich seht für die foxia. listische Partet die Frage, ob sie sich an der tommenden Regierung beteiligen will. Lehnt fie es einfach ab, so wird die Ronzentrationsregie rung unvermeidlich, denn dann werden die Radikal fozialen entweder den Sozialisten in die Opposition folgen,

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Bisher noch kein Ergebnis.

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Bonichedtonto: Berlin 37 536 und Beamten, Wallstr. 65;

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Banffonts: Bank der Arbeiter, Angestellten Distonto- Gesellschaft, Depofitentaffe Sinbenstr.&.

Wo steht die Partei?

Bon Paul Löbe .

Die fozialdemokratische Fraktion hat am Freitag abend seinen Antrag Löbe angenommen, der sich für die zu. fimmung der Frattion zum Sicherheitspatt Don London und für den Beitritt zum Bölter bund ausspricht. Warum?

oder sie werden, um das Ruder nicht ganz der Rechten zu überlassen, sich an einem Konzentrationsniinifterium beteiligen. Ueber die innen- und außenpolitische Lage, die dadurch ge­schaffen würde, haben die sozialistische Fraktion und bie Mitglieder des Parteivorstandes Sonntag nacht und am Montag vormittag beraten. Ist die Verhinderung einer Ronzentrationsregierung durch eine Beteiligung der Sozialisten an der Regierung möglich? Kann die sozialistische Fraktion in gemeinsamer Beratung mit dem Parteivorstand selbstän dig eine Entscheidung treffen? Glaubt die sozialistische Fraktion ein Weiterfressen der Inflation verhindern zu können, wenn sie selbst das Steuerruder ergreift? Das waren die Hauptfragen, über die diskutiert wurde. Eine Reihe von Ge noffen, mie Auriol, Mistral, Grumbach, Renaudel, Paul Boncour , haben die Ansicht zum Ausdrud gebracht, daß die Fraktion und der Parteivorstand die Berantwortung auf sich nehmen müßten, eine dem Verlauf der Krise entsprechende Entscheidung zu treffen, felbft ehe der Parteitag zusammentreten fonne, wenn es die Umstände erheischten und eine Hinausschiebung der Entschei dung das Spiel der Reaktion und der zum Berrat neigenden Elemente innerhalb der bürgerlichen Linksparteien begünstigen würde. Andere Genossen, wie Balière, Boilin, Com père Morel, mollten unter allen Umständen zuerst eine Entscheidung des Parteitages herbeigeführt wissen und 3yromski hat sich überhaupt gegen jeden Gedanken irgend einer Beteiligung an der Regierung, wie fich auch die Krise entwickeln möge, ausgesprochen. Innerhalb der Parlaments­frattion ist zweifellos die Strömung zugunsten einer evtl. Teilnahme an der Ausübung der Regierungsmacht wesentlich starter als früher, da eine Konzentrations regierung im Augenblid, in dem royalistische und faschisti sche Organisationen offener als je ihr mussolinisch ge färbtes Handwerk treiben, für die französische Arbeiterklasse, für die gesamte französische Demokratie eine größere Gefahr

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bedeutet als je zuvor.

In der Montagvormittagsigung ist es bei der gemein famen Sigung zwischen der Fraktion und dem Parteivorstand zu feiner endgültigen Entscheidung gekommen, da eine sehr große Anzahl besonders der Abgeordneten aus der Provinz, die zu den Sonntagspropagandaversammlungen in ihre De partements gereift maren, noch nicht nach Paris zurüdaekehrt war. Einem Borschlag Renaudels, fofort durch den Partei vorstand einen außerordentlichen Kongreß einberufen zu lassen, glaubte die Fraktion nach einer Intervention Mistrals nicht zustimmen zu tönnen. Mistral hat in nachdrücklichster Weise darauf hingewiesen, daß, je nachdem die Dinge fich ent wideln, die sozialistische Fraktion die Lösung der Krise nicht von einem Rongreßbefchluß abhängig machen fönne, wenn die Umstände es dringlich machten, den Beschluß vorher zu faffen. Dem stimmte Leon Blum , der im Prinzip fein Anhänger der Regierungsbeteiligung ist, zu. Im Verlauf der Besprechung Leon Blums mit dem Präsidenten der Republif Do u mergue ist die Frage einer eventuellen Beteiligung der Sozialisten an der Regierung un­ameibeutig aufgeworfen worden. Blum muß sich einstweilen darauf beschränken, auf die Meinungsverschiedenheiten hinzu­weisen, die in dieser Frage innerhalb der Fraktion bestehen, mobei er allerdings betonen durfte, daß die Strömung zu­gunsten der Beteiligung stärker sei als bei früheren Krisen, und daß es sich jedenfalls für die sozialistische Partei nur um eine Beteiligung der Bartei als solcher und nicht etwa einzelner Bersönlichkeiten, die nicht von der Bartei selbst in die Regie­rung delegiert würden, handeln würde.

Das tschechisch- flowakische Parlament. Die endgültige Mandatsverteilung. Prag , 23. November. ( Eigener Drahtbericht.) Auf Grund der heute vorgenommenen zweiten und dritten Stimmendurchrechnung werden die beiden Häuser des Parlaments folgende Zusammen: fehung haben:

ist der erste bedeutende Schritt zur Aussöhnung der beiden Der Sicherheitspatt zwischen Frankreich und Deutschland großen mitteleuropäischen Nationen, die sich in jahrhunderte langen Fehden unerhörte Bunden geschlagen haben. stehen. Beides liegt in der Linie jener Außenpolitik, welche Beitritt zum Bölferbund ist unsere Forderung feit seinem Be­die Sozialdemokratische Partei sechs Jahre lang unter An­griffen und Verdächtigungen verfolgt hat und die jetzt von den meisten unserer früheren Gegner selbst vertreten werden muß bis zu Luther und Hindenburg .

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den Außenminister Stresemann aufgefordert: Haben Ich habe bereits vor einem Jahre in einem offenen Brief Sie endlich Mut, treten Sie dem Bölkerbunde bei! Soll ich jetzt diesen vor mir selbst empfohlenen Schritt zu Fall bringen? Wir haben auf dem Internationalen Kon­greß in Marseille den Baft von Locarno als eine wichtige Abschlagszahlung auf dem Wege unserer Friedenspolitit be zeichnet. Ich habe bei den Anschlußfundgebungen in Wien . auf dem Friedenstongres in Paris , in zahlreichen Reden in Amerifa für ben Versöhnungspakt zwischen Deutschland und Frankreich mich mit aller Kraft eingesetzt. Soll ich ihn jetzt bei der parlamentarischen Abstimmung ablehnen? Wir haben die englische Arbeiterpartei ebenfalls für den Bertrag gewonnen. Ebenjo treten die Genossen in Frant reich für ihn ein, und mir follten ihn zerschlagen?

Wir zerschlagen ihn nicht, wir schieben ihn nur hinaus, fagen die Anhänger einer anderen Taftit. Schon einmal hat die deutsche Politik eine historische Stunde verpaßt, damals als Serriot und Macdonald in Genf mit großer Geste die Einladung zum Völkerbund aussprachen, die anzunehmen Stresemann nicht den Mut hatte. Eine gleiche Stunde ist nicht wiedergefehrt und wer meiß, ob fie so überhaupt wiederkehrt. Miffen wir, wie sich die Situation nach der großen Enttäuschung gestalten fann, die wir der Welt bereiten würden?

Fünf Hauptmächte Europas marten heute auf den Augenblid der Signierung. Die Mini­sterpräsidenten dieser Länder treten am 1. Dezember in Lon bon zusammen. Ganz Europa , nein, die ganze politische Welt sieht mit gespanntem Intereffe diefer Eröffnung einer neuen Epoche der internationalen Bolitif entgegen. Sollen wir alle diese Unterhändler unverrichtet heimschiden, weil am 28. oder 29. November der Deutsche Reichstag durch Schuld der Sozial demokraten die Unterzeichnung unmöglich macht? Wird nicht in der ganzen Welt der Eindrud hervorgerufen werden: wieder Deutschland , das einen Friedenspaft zerstört! Werden nicht alle Gegner einer Berföhnungs­politik in den anderen Staaten triumphierend auf unser Land zeigen und sagen: eine neue Schuld hat Deutschland auf seine Schultern gemälzt, wenn wir die historische Handlung zunächst unmöglich machen, zunächst vereiteln. Es ist politisch unmög lich, diefe Berantwortung zu tragen. Das gleiche gilt in wirt­fchaftlicher Beziehung.

Reiner, der das Ausland mit offenen Augen beobachtete, fann bezweifeln, daß eine neue Erschütterung der wirtschaft­lichen Stellung Deutschlands folgen muß wenn der Patt in Frage gestellt wird. Wenn z. B. auch nur von ferne in Ame­rifa der Glaube Fuß faffen kann, daß neue Berwürfnisse in Europa möglich find, muß die Hilfe an Krediten zunächst ver fiegen, noch größere Stillegungen müffen folgen. Dann muß auch in Europa eine noch stärkere Absperrung der Nationen mit ihrem Marfte eintreten, also das Gegenteil dessen, was wir zur Entlastung brauchen. Die Ablehnung von Locarno bedeutet also noch mehr Arbeitslosigkeit, noch mehr Not. Ich möchte aber nicht die Verantwortung für einen einzigen Arbeitslosen übernehmen, der einer falschen Außenpolitik der Sozialdemokratie sein Schicksal zuschreiben müßte.

Was nüßt uns die schönste Koalition, der freudigste Wahl­fieg, wenn das neu erschütterte Wirtschaftsleben unsere Hände bindet, alle sozialen Hilfsmaßnahmen erschwert oder unmög=

Abgeordnetenbaus( 300 Mitglieder. Die Berteilung der lich macht? Laßt uns doch das eine nicht vergessen: ber

150 Senats size in Klammern).

Ziedische Parteien. Nitti eife Barteien.

Sozialdemofr. Gewerbevartei. Rationaldemokraten.

Nationalsozialisten grarier. Volkspartei( flerifal)

29( 14) Slowat. Chriftl. Soz.. 13( 6) Slowal. Bollspartei

4( 2) 23( 12)

Krieg ist es, der uns heruntergebracht hat. Nur der Fried e, nur der gesicherte Friede tann Abhilfe bringen. Reine Besserung, kein Wohlstand, keine Hoff­

13( 7) Deutsch . Sozialdem. 17( 9) nung auf Emporsteigen, tein Sozialismus ift in Europa ohne

128( 14) Deuticnationale

45( 23) 31( 16)

10( 5) Teutiche Christl. So.. 13( 7) Deutichvölftiche 7( 3) Dentiche Agratier Polen.

Ultrainer. kommunisten

die feste Gewißheit des Friedens möglich. Alle unsere Arbeit ist auf dieses Fundament gestellt. Es ist die Borbedingung, ohne die wir Hirn und Hand vergeblich anstrengen. Also: 24( 12) Locarno erfüllt zum erheblichen Teil unsere eigenen außen­1(-) politischen Forderungen. Locarno bedeutet die Mildering 41( 20) der bevorstehenden wirtschaftlichen Nöte. Locarno ist die Parole der Arbeiterpartei aller anderen beteiligten Länder. Die deutsche Arbeiterpartei darf es aus innenpolitischen, taf tischen Rücksichten nicht gefährden.

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Die sämtlichen tschechischen Parteien, die die Regierungs­foalition bilden dürften, haben somit 159 von den 300 Stimmen, d. 4. 9 Stimmen Mehrheit