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Dienstag 24. November 1925

Unterhaltung unö

jssen

Seilage öes vorwärts

SsA'düstifthe Lehr- unö wanöerjahre. Erinnerungen eines Dreiundsiebzigjährigen. Von Louis Cohn. 71. Der Sprung über den großen Teich. In Liverpool suchte und sand ich Anschluß an Mitglieder der Glewerkschr.sten und Teilnehmer der früheren Chartistenbewegung. Meinem jugendlich-stürmischTm Temperament tat jedoch die sachlickze und ruhige englische, auf nächstliegende praktische Ziele gerichtete Art weniger Genüge als die Revolntionsromantik eines älteren Franzosen, der durch Erteilung französischen Unter- richtes seine kümmerliche Existenz fristete. Er hatte sich an der Juni- schlacht beteiligt und war hernach nach England geflüchtet. Ganz er- füllt von blanquistischen Vorstellungen schwännte er für ge- Heime Organisationen, Verschwörungen und Handstreiche, die er für die einzigen Mittel hielt, um die politische Macht zu erringen. Inmitten der nüchternen Lioerpooler Umwelt führte er ein Ein- siedlerlebcn. Ich war durch meine Erziehung und durch meinen Verkehr mit den Frankfurter Demokraten schon so beeinslußt, daß ich von diesem Eingänger nichts zu erreichen hoffte. Dazu kam noch etwas Anderes: Ich war bis jetzt von meinen Eltern abhängig gewesen und mußte daher aus sie Rücksicht nehmen. Mein sehnlichster Wunsch richtete sich aber, nicht nur auf geistige, sondern auch auf materielle Unabhängigkeit. Schon in Frank- surt a. M. hatten die Verhandlungen des Eisenacher Kon- g r e s s e s, der zur Gründung der Sozialdemokratischen Partei führte, mich unwillkürlich dazu gedrängt, die Bahn des ! Sozialismus zu beschreiten. Ein dunkler Drang nach den letzten Quellen der Erkenntnis wühlte in mir. Vor allem wollte ich aus eigener Erfahrung die Lage der Arbeiterklasie kennen lernen. Fr. Engels,Lage der arbeitenden Klasie in England", hatte einen tiefen Eindruck auf mich gemacht. Sonst beschränkten sich meine Kenntr.isie der sozialistischen Literatur auf einige Lassallefche Broschüren, auf das kommunistische Manifest und die Schrift von Marx Zur Kritik der politischen Oekonomie". Die volle Trag- weite dieser Schriften hatte ich jedoch noch nicht erfaßt. Um der Verworrenheit meiner Vorstellungen abzuhelfen, beschloß ich den gordischen Knoten zu durchhauen, ohne Voin'ssen meiner Eltern Europa den Rücken zu kehren, um in der großen Republik ein neues Leben zu beginnen. Vorher aber beschloß ich in naiver Weise bei Marx Rat einzuholen, auf welche Weise man am leichtesten und schnellsten ein Sozialist werden könne. Ich schrieb deshalb an Marx, ob ich ihn in nächster Zeit zwecks Einholung seines Rates besuchen dürfe. Nachdem ich bald darauf eine zustimmend« Antwort erhalten hatte, sprach ich kurz darauf bei ihm vor, nicht ohne einiges Herzklopfen. Seine großen klaren Augen schienen in das Innerste meines Wesens dringen zu wollen. Doch glaubt« ich bei der Schilde- rung meiner Absicht, nach Amerika zu gehen, keinen ungünstigen Eindruck auf ihn hervorgerufen zu haben. Ein liebenswürdiges und vielleicht etwas iron'sches Lächeln umspielte sein patriarchalisches Gesicht, als er mich fragte:Sie haben also die Absicht, Sozialist zu werden?", und auf mein? bejahende Antwort sagte er:Der beste und kürzeste Weg dazu besteht in dem Verkehr mit Arbeitern, in der Beobachtung und dem Studium ihrer Verhältnisse." Das sei die sichere Grundlage für ein späteres theoretisches Studium. Sich an seinem Schreibtisch niederlassend, bemerkte er dann:Ich werde ihnen eine Empfehlung an Sorge und Vogt mitgeben: sie sind die einzigen drüben, die verstanden haben, was ich will." Nach einer stürmischen und durch die Quälereien irischer Aus- wanderer recht unangenehmen 12tägigcn Ueberfahrt im Zwischendeck eines schlechten Dampfers der Cunard-Linie bekrbt ich Ansang Juli 187t) den Boden der großen Republik . Nachdem ich m'ch durch den Besitz von 20 Dollar in Castle Garden, dem Einwandcrungs- bureau, als genügend qualifiziert zum Kampf ums Dasein ausge- wiesen hatte, stand ich nun vor der Frage: Was zunächst tun? Trog- dem ich der englischen Sprache ziemlich mächtig war und. m'ch durch den Aufenthalt in England hinreichend besähigt glaubte, den Ge- fahren New Porks ausweichen zu können, wurde ich doch als ein richtigesGreenhorn" sofort das Opfer eines schurkischen Lands- mannes in der Person eines Gasthausbesitzers in Greenstreet. Die meisten Herbergsbesitzer in dieser Straße hatten sich aus dem Ab- fangen der Einwanderer eine einträgliche Existenz geschaffen. Dieser Landsmann" nahm mich durch die Aussicht, mir bald�«ine Be­schäftigung zu verschaffen, bis dahin aber in seinem guten Gast- hause bleiben zu können, gefangen. Vorher hatte er sich vorsorglich über den Umfang meines Gepäckes unterrichtet. Mein großer mit Kleidern. Wäsche und Buchern vollgepfropfter Koffer ging in seinen Besitz über, und ich sollte ihn niemals wiedersehen. Denn da ich »ach dem Verbrauch meiner Dollar den board nicht bezahlen konnte, auch trotz aller Laufereien keine Beschäftigung gefunden hatte, setzte er mich eines Tages einfach auf die Straße. Meinen Koffer behielt er als Pfand, bis ich meine Schuld bezahlt haben würde. So stand ich ganz plötzlich dem Nichts gegenüber, ohne Obdach, Kleidung und Wäsche und nur mit wenigen Cents in der Tasche. Aber weder der inzwischen erfolgte Ausbruch des deutsch -französischen Krieges noch die Vergeblichkeit meiner bisherigen Bemühungen, «ine Beschäftigung zu finden, konnten mich in meinem Entschlüsse, da» Leben von unten auf kennen zu lernen, beirren. Allerdings sollte ich, statt das Leben des werktätigen Volkes zu studieren, alle Leiden des Lumpenproletariats durchkosten. Keinesfalls wollte ich von Marx Empfehlungsschreiben Gebrauch machen, noch weniger meine Eltern, die meinen Sprung nach Amerika aufs höchste mißbilligt hätten, über meine Lage unter- lichten. Was ich in dem strengen Winter von 18711/71 an Eni- bchrungen erlitt, habe ich in einem der Jahrgänge derNeuen Welt", ansang- der achtziger Jahre, geschildert. Zur Erhaltung meiner Existenz mußte ich zu den niedrigsten Dienstleistungen, vorwiegend Ausspülen des Geschirres in schmutzigen Kneipen greifen. Aus dieser elenden Lage befreite mich schließlich die über olles geliebte Musik. In einem Biersawn, der zu meiner ständigenKundschaft" gehörte, war nämlich eines Tages der zur Belebung des Bicrkonsums unentbehrliche Klovierspieler ausge- blieben. Der Wirt geriet deswegen fast in Tobsucht über das sein Geschäft schädigende Verhalten desSpielers". Seine Wut gab mir den Gedanken ein, mich als Ersatz anzubieten, was mit Freuden angenommen wurde. Aber da mein Repertoire nicht auf den mustka- tischen Geschmock der Gäste dieses Lokals eingestellt war und ich chnen nichts anderes bieten konnte als die Werk« der Klassiker, er- regte der Vortrag von Beethovens Pathetischer Sonate nicht nur keinen Beifall, sondern das entschiedene Mißfallen der zahlreichen Zuhörerschaft. Man forderte mich auf, einenSong"

aufzuspielen, von welchem Genre ich natürlich keine Ahnung hatte. Hatte ich mich dem Wirte und seinen Gästen gegenüber als unfähig erwiesen und wurde ich deshalb sofort mit einem Dollar für den Dortrag der Sonate abgelohnt, so erhielt ich doch die Genugtuung, von einem deutschen Gaste wegen meines Vortrages gelobt zw werden. Dieser Gast war selbst Musiker, und er und seine Frau erwiesen sich mir gegenüber als wahre Wahltäter. Sie gaben mir zunächst Obdach und Verpflegung in ihrer Wohnung und waren eifrig bemüht, mein heruntergekommenes Aeußeres etwas aufzu- frischen. Mit ihrer Hilfe gelang es mir, einen dauernden Platz in einem besieren Lokal als Klavierspieler und auch einige Schüler zu

Luther zu Luther.

Wie stehst du dürftig da, mein kleiner Vetter! .Tun ja. wer auf die kaiferl'chen baut! Die fallen um beim ersten schlechten welter, Zch hab's erfahren an der eignen Haut. Hab' keine Angst! Denn die Locarnolhefen Sind für das Deut, che Reich dein Schwanenfung. Dann trittst du ab, und alle» ist gewesen. Du gehst, mein, chlein, keinen schweren Gang" erhalten. Ich verdiente nun genug, um leben zu können und wollte mein« Sachen in Greenstreet einlösen. Aber der b'edere Landsmann und Kreenhornfänger hatte sie längst verkaust, weil ich so lange Zeit nicht wieder gekommen wäre. Meine kurze Laufbahn alsProfesior of music" der Titel Professor war damals und ist wohl auch heute eine Berufsbezeich- nung, kein Titel brachte mich in einige komische Situationen. Mein Retter hatte mich bei dem Ballettmeister der italienischen Oper, einem Schweden , untergebracht, dem ich bei den Proben w>e beim Privatunterricht in reichen Familien die musikalische Begleitung lieferte. Dazu fehlte mir aber ein schwarzer Gehrock. Mein Rester war im Besitze eines sehr alten Exemplare?, das nicht nur um meine Figur schlotterte, sondern auch im Rücken durch einen großen weißen Farbenfleck verziert war. Durch reichliches Ueberstreichen mit schwarzer Tinte glaubten wir diesen Fleck aus der Welt geschafft zu haben. Als ich jedoch mit meinem Schweden in einem exklusiven Haus« in Brooklyn am Flügel saß, erklang hinter meinem Rücken anfänglich ein leichtes Kichern, dann ein verstärktes Lachen der lugendlichen Tanzeleven, dos ich mir auf keine Weise erklären konnte. Erst nach Beendigung der Stunde schalt mich der Ballett- meistcr aus, weil ich in einem Rocke in dem seinen Hause erschienen war, der ollmählich einen immer heller werdenden Fleck im Rücken zum Durchbruch brachte. Bald darauf sollte ich an einem Streik teilnehmen. Der äls schlechter Zahler unter den Rkusikern bekannte Ballettmeister hatte einen Ball in Apollo Hall für seine Schüler und deren Angehörigen veranstaltet. Ich wurde von ihm beauftragt, da- zu ein Orchester zusammenzustellen, vermutlich, weil er glaubte, sich bei mir am leichtesten von der Bezahlung zu drücken. Aber er hatte die Rechnung ohne meinen Freund und Wohltäter gemacht. Er wollt« dafür sorgen, daß unser Guthaben bis auf den letzten Cent bezahlt würde. Und das geschah so: Inmitten des Programms be- fand sich als Glanzstück ein Galopp von Lumbye, bei dessen Abschluß ein Blumenregen von dem Plafond auf die zahlreiche Teilnehmer- schaft sich ergießen sollte. Vor Beginn dieses Stückes präsentierte jedoch mein Freund die Rechnung. Der Schwede hatte wie immer kein Geld, worauf die Musiker, ihre Instrumente zusammenpackten und sich zum Fortgehen anschickten. Alles Toben des Tanzkünstlers nützte nichts er mußte einen der Gäste bestimmen, einen Scheck über unsere Forderung auszustellen, worauf das Fest den pro- grammäßigen Verlaus nahm. Damit waren meine Beziehungen zu dem Ballettmeister beendet: fast zu gleicher Zeit aber auch meine Müsikerloufbahn. Der Inhaber eines ansehnlichen Importgeschäftes, dessen Kinder ich unterrichtete, forderte mich gelegentlich eines Ge- sprächcs auf, als französischer und deutscher Korrespondent bei ihni einzutreten, was ich mit Freuden annahm. In dieser angenehmen Stellung verblieb ich bis zur Rückkehr nach Europa . Schon vorher hatte ich meinen Brief an S o r g« er war auch Musiklehrer und wohnte in Hoboken abgegeben. Seinen fast väterlichen Vorwürfen, warum ich mich nicht gleich nach meiner Ankunft bei ihm gemeldet hatte, wußte ich nichts entgegenzusetzen, als daß die Furcht, vor ihm als Bettler zu erscheinen, mich davon abgehalten habe. Er nahm mich gleich als Mitglied der e r st« n Wardsektion der Internationale auf, deren Vorsitzen- der er war. In der kurz darauf abgehaltenen Sektionsversammluug lernte ich auch Vogt kennen. Er hatte«n Deutschland dem Lassalleschen allgemeinem Arbeiterverein ang� hört, war aber mit anderen Berliner Mitgliedern, wie M e tz n e r, schon während der Spaltungen in der Lassalleschen Nach- folgerschaft im Sinne von Marx und Liebknecht agita- torisch tätig gewesen. Warum er die Gestade der großen Republik betreten hotte, ist mir nicht mehr in Erinnenmg: doch glaube ich. daß er einer längeren Gefängnisstrafe aus dem Wege ging. Die seffelnde Rednergabe Vogts, seine haarscharfe Dialektik wie seine

energische Persönlichkeit machten in mir sofort einen tiefen Eindruck. War es doch das erstemal, daß ich nicht aus Büchern, sondern durch das lebendige Wort das Wesen des Sozialismus logisch und dialektisch erklärt erhielt. Vogt war es, der mich zum Sozial- drmokraten machte. Noch heute denke ich mit dankbaren Gefühlen an die Stunden zurück, die ich in dem Bajcmcnt(Keller) seiner Flickschusterei in dem verrufensten Viertel New Ports den Five Points verbrachte. Während er mit Ahle. Kneip und Schustcrdraht an der Ausbesserung der Fußbekleidung seiner proletarischen Kund- schaft arbeitete, beantwortete er in fließendem Vortrage das Kunter- bunt meiner Fragen. Auf was bezogen sie sich nicht alles! Auf Volkwirtschaft, Philosophie, Sozialismus und was sonst in meinem jugendlichen Gehirn rumorte. Für alles fand er eine klare und bündige Erklärung, wie sie nur aus einer geschlossenen harmonischen Weltanschauung eines Vorkämpfers hervorgehen konnte. So er- schien mir Vogt als die Verkörperung des Lassalleschen Gedankens der Kooperation der Wissenschast und der Arbeiter. An Sorge, damals ein Mann von etwa 50 Iahren, konnte ich mich nicht so wie an Vogt anschließen, weil er von seinem Berufe zu sehr in Anspruch genommen und in seiner Wohnung in Hoboken schwer anzutreffen war. Auch'verhinderte der Altersunterschied ein innigeres Verhältnis. Vogt war nicht nur zehn Jahre jünger, er besaß auch eine jung gebliebene Individualität und Geistesrichtung und außerdem schien es ihm Genugtuung zu bereiten, einem auf- strebenden Jüngling den Weg zum Sozialismus zu ebnen.

derSchlöfer� voa dorlisheim. Die Frage des Hellsehens ist durch den Bernburger Prozeß wieder einmal viel erörtert worden und diejenigen, die die geheim­nisvolle Gabe des Hellsehen? ablehnen, stellten sich auf den Standpunkt, daß es den Hellsehern oder Telepathen durch geschickte Fragen gelingt, ohne daß es der andere bemerkt, Dinge von ihm zu erfahren, durch deren Mitteilung sie ihn dann verblüffen. Ein interessanter Beitrag zu diesem Problem findet sich in der Selbst- biographie des vor kurzem verstorbenen hervorragenden Arztes N a u n y n Er erzählt, daß er einmal als> Sachverständiger bei einem Prozeß in Zabcrn mitwirkte, in dem ein bekannter Kur- pfuscher, der sogenannteSchläfer" oder Schläfer von Dorlisheim angeklagt war: seinen Namen hatte er dadurch erhalten, daß er feine Auskünfte im magnetischen Schlaf gab. Der erste Tag der Verhandlung fiel ziemlich zugunsten desSchlöfers" aus, da die von ihm angeblich Geheilten, zum Teil aus den besten Gesell- schaftskreisen, für ihn zeugten. Am zweiten Tag meldete sich ein Major, der zwar nicht direkt für den Schläfer, aber für die Hell- fichtigkeit im allgemeinen ein merkwürdiges Erlebnis anführen wollte: nur verlangte er, daß man ihn nicht nach dem Namen des beteiligten Herrn befragen dürfe. Diese Bedingung wurde ihm auch zugestanden und nun erzählte er, wie einmal eine Hellsehende seinem Freunde den Namen einer nur ihm bekannten rätselhasten Krankheit, an er er tilt, gefönt habe. Der Vorsitzende wandte sich an Naunyn mit der Frage, wie wohl die Wissenschaft einen solchen Vorfall erkläre, und dieser erwiderte:Wenn, was zu bezweifeln ja kein Grund vorläge, nur der Kranke die Krankheit kannte, so muß man annehmen, daß die alte Frau von dem Herrn selbst das Nötige erfahren hat." Naunyn führte weiter au? daß es eine Hauptkunst-ües:'"ite sei, die- jenigen, die von ihnen beraten sein wollen, in Gespräche zu ver- wickeln, so daß sie eifrig werden und allerlei verraten, ohne sich dessen bewußt zu sein." Diese Erklärung fand wenig Glcniben. Da aber erhob sich der Staatsanwalt und sagte:Ich muß aus etwas aufmerksam machen, was sich hier soeben abgespielt hat und was aufs glänzendste die von Herrn Prof. Naunyn gegeben« Er- klärung bestätigt. Zu meinem Befremden scheint es außer mir niemand bemerkt zu haben. Sie legen den größten Wert darauf, Herr Major, daß der Name Ihres Freundes unbekannt bleibe?" Jawohl, den allergrößten Wert!"Nun, was werden Sie sagen, wenn ich Ihnen diesen Namen nenne: der Herr hieß v. H." All- gemeines verblüfftes Erstaunen, Entsetzen des Zeugen.Aber, Herr Major," fährt der Staatsanwalt fort,Sie haben ja selbst den Namen Ihres Freundes zweimal in Ihrer Erzählung laut und deutl-ch genannt. Ich meine also, wir können die von Professor Naunyn gegebene Erklärung für ienes Erlebnis des Zeugen gelten lassen."Diese Szene," fährt Naunyn fort,war es, die zu- Ungunsten desSchläfers" entscbied. Sie ist eine der inter - essantesten. Von der ganzen großen, gespannt aufmerkenden Zu- Hörerschaft hatte nur der Staatsanwalt die Ruhe behalten, um die entscheidende Entgleisung des Zeugen zu bemerken. Dem ge- samten Richterkollegium, uns Sachverständigen, den Hunderten van Zuhörern war sie entgangen." Der wirkliche Knigge. Der durch seine SchriftUeber den Ilm - gang mit Menschen" so bekannte Freiherr von Knigge scheint von Natur nicht der Mann mit der feinen Lebensart gewesen zu sein, die er späterhin verkündet hat. Er war von 1772 bis 1777 Hof- junkcr und Assessor bei der Kriegs- und Domänenkammer in Kassel . Bei seinem Verkehr bei Hofe lernte er eine Hosdame der Land- gräfin Philippine namens Henriette von Baumbach kennen, die zwar ein liebenswürdiges Aeußeres, aber nicht übermäßig viel Witz und Schlagfertigkeit besaß. Knigge, der damals offenbar noch vor den Anfangsgründen des richtigenUmgangs mit Menschen" stand, be- nutzte diese Unbehilslichteit seiner Partnerin häusig zu reichlich derben und boshaften Scherzen. Die Landgräfin war über dieses Benehmen ihres Hofjunkers wenig erbaut und beschloß, den Takt- losigkeiten Knigges ein Ende zu bereiten. Als Knigge eines Tages Fräulein von Baumbach wieder einmal neckte, trat sie auf die beiden zu und sagte:Ich Hove schon sehr oft Gelegenheit gehabt zu be- merken, daß Sie, Herr von Knigge . mein liebes Fräulein von Baum- dach vor den übrigen Damen bevorzugen und sich ausfallend mit ihr beschäftigen. Ich glaube, Ihren Wunsch zu erfüllen, wenn ich Ihnen Gelegenheit gebe, sich endlich öffentlich zu erklären und..." damit ergriff die Landgräsin seine und der Baumbach Hand und ver- kündete den Anwesenden:Meine Damen und Herren, ich freue mich, Ihnen ein glückliches Brautpaar vorstellen �u dürfen." Das glückliche Brautpaar war wie vom Donner gerührt, aber in jenen idyllischen Zeiten gab es gegen die Anordnungen einer Landes- mutter keinen Widerstand. Das lehke Geheimnis de» Tutankhamcn. Es scheint nun wirklich so, als ob der dreitausend Jahre alte Knabe di« allermeisten seiner Geheimnisse enthüllt habe: man kennt seine Juwelen, man photo- graphiert seine Krone, man durchrängt seine Knochen, man mißt seinen Gehirnraum. Nur eins kann man nicht ergründen: wie er tatsächlich geheißen hat. Ein wilder Wirrwar von Namen umgibt diesen knabenhaften König, aus dem kein Philologe den richtigen Ausweg zu finden scheint. Gefunden zu haben freilich scheint ihn jeder, seder wenigstens glaubt das Geheimnis der einzig richtigen Schreibweise dieses Namens zu kennen und in je ausgefallenere Silben er die ungefähren Laute einfängt, um so fester glaubt er seine Autorität als gründlicher Aegyptologe zu festigen. Es bleibt als letzte Hoffnung die Aussicht auf. die Entzifferung des angeblichen Königsbuches, das ja wohl einigermaßen sicber« Auskunft darüber geben wird, ob das arme Opfer archäolo-üscher Leidenschast, Tut- ankhamen, Tutangkamon, Tut-on-kamun, Tutenthamen oder sonst- wie geheißen hat.