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Mittwoch 25. November 1925

Unterhaltung unö

Bälft&tffiMBIXm

öeklage ües vorwärts

Meister Immelmanns Tochter. Don Theodor Thomas. Wenn wir mit dem kleinen Dachdeckerhandwagen den steilen Berg Hinaufsuhren, hing uns immer die Zunge lang zum Halse hinaus. Meister Immelmann wohnt« ganz oben auf dem Hügel, so daß die Leute wie Karrengäule schwitzten, wenn sie glücklich den Handwagen oben hatten. Dann tat sich der große Torbogen auf, und die Schwitzenden mußten nochmals einen kleinen Huppel über- winden, denn der Torweg war auch auf ansteigendem Boden ange- legt. Rechts und links waren noch dazu Ziegel und Schiefer auf- gestapelt, so daß die Leute Acht geben mußten, wenn die Fuhre ein wenig ungleich geladen war, daß nicht ein Stapel davon umfiel. War aber die Ladung glücklich den Hausgang hindurch, stand der Karren im Hof, dann öffnete sich bestimmt im ersten Stock das Fenster. Eine weibliche Stimme ries: »Ist Ferdinand mitgekommen?" Ebenso regelmäßig sagte dann einer von denen, die sich den Schweiß abwischten: Er kommt bald nach, er ist schon unterwegs." Dieses Fragen noch dem Ferdinand dauerte nun schon elf Jahre, immer bekam die Fragende die gleiche Antwort. Sie zog sich jedesmal mst dem Bemerken zurück: »Ach, dann wird er wohl heute kommen, da bin ich froh." Niemand von den Dachdeckern und Hilfsarbeitern kümmerte sich weiter um dies weibliche Wesen da oben. Sie luden chren Kram ab, rechneten im Bureau ihren Lohn noch, wuschen sich und gingen heim. Für Droni Immelmann interessierte sich keiner von ihnen, denn sie war... *** Ihre Geschichte will ich jetzt erzählen. Droni Immelmann ist einmal ein bildhübsches Mädchen gewesen. Mit ihren dicken schwarzen Zöpfen und dem Mund, der so drollig plaudern konnte, ihren blitz- blanken Augen und den Mäusezähnchcn verdrehte sie allen Dach- deckern den Kops. Biel « blieben länger, als der Alte es verdiente, nur um der Droni halber; sie war zu nett. Im Hause hantierte das Mädel umher wie eine Heilig«, fo still und ruhig. Aber, wenn es Feierabend war, wenn die Gesellen im Hof saßen und die Maul. troinmel bliesen oder die Handharmonika spielten, taute sie auf. da kam sie herab. Wir tanzten mst vroni. daß sie oft, wenn sie so durch drei, vier Hände gegangen war, erschöpft nach Luft schnappte. Keiner tonnt« sich rühmen, daß sie ihn bevorzugte. Als ihr einmal drr Anton Werm Deutschlands kleinster Dachdecker übermütig während des Tanzens«inen Kuß geben wollte, da haute sie ihm der- n.aßen eine Ohrfeige hin, daß er mst seinem Allerwertesten in den Kalt flog upd seine fremdgeschriebenen schwarzen Mosberghosen wie Maurerbuxen auesahen. Ei« kam dann wochenlang nicht mehr herunter, bis Anton Hallo der Wold ist grün wieder seinen Fremdenzettel hatte. Aber die Liebe zog auch in ihr sung« Herz. Die Meisterstochter verguckte sich In Ferdinand Adelmann. Ob es der Mann war? Ob sein« Toll«, sein« schöne Stimme? Wer weiß es! Hübsch war Ferdinand nicht, aber er tonnte putzige Dinger machen, mst den Ohren wackeln, mit den Augen verkehrt gucken, auf den Händen quer über den Hof laufen, gut turnen und singen. Da» zog Droni wohl an, besonders fein brillantes Tanzen. Kurz und gut, sie verliebt« sich in ihn, der aste Immelmann tobte, die Meisterin war ganz aus den, Häuschen. Aber die beiden liehen nicht voneinander Als sich dann herausstellte, daß Ferdinand von zu Haufe aus gar nicht so schlecht gestellt war, sondern einmal an die siebentausend Mark erben sollt«, da verrauschte nach und noch der Zorn; sie machten gute Miene, Droni war überglücklich, Fer- dtnand stand fast immer Kopf vor Ausregung. Zu Hiinmrlfahrt wurde die Hochzest festgesetzt. Alles freute sich über die beiden jungen L«ute, die ein liebliches Bild abgaben, wenn sie zusammen tm Hof saßen und er sang: Ferdinand, wie schön bist du In den neuen Hosen, Deine Droni lacht dir zu, Slch wie schön bist du." Meister Immelmann hatte in der Zeit, wo die beiden ihrer Ehe zumarschierten, gerade ein Herrenhaus im Gutshof neuzudecken. Ein Mordsdach, mindestens sechzehn Meter hoch und ganz steil. Dies« Arbeit wurde an dem Tage vor der Hochzeit fertig; Ferdinand, der mst Meister Immelmann zusammen noch die Schne-fänge einzog, zerdrückt« Schiefer ausbesserte und solche Kleinigkeiten erledigte, konnte diese Arbeit al» die letzte betrachten, bevor er Droni heim- führte. Don diesem Gutshof aus, so war es abgemacht, gingen sie heim, dann sollte Polterabend und schließlich die Bereinigung mit dem obligaten Kirchensegen sein. C» war nachmittags in der dritten Stunde Ferdinand wollte gerade einen Bock losbinden, um ihn dem zulünstigen Schwiegervater auf den Boden zu reichen. Er halte die Dachleiter hinter einen Schncefang liegen, sie aber sonst nicht befestigt. Da brach das Schneefangeisen am Winkel glatt ab, die Leiter sauste hinunter, Ferdinand mit ihr. Ehe der entsetzt» Immel- mann die Treppen hinabkani, war der Dnchdeckergeselle schon tot. De« Meisters Entsetzen war nicht zu beschreiben. Hier der Tote, de? ln wenigen Stunden sein Schwiegersohn werden sollte, zu Hause Droni, die sich schon als Braut festlich schmückte, ihn in Stunden«rwartere. Während die Maurer den Leichnam beiseite trugen, lief Immel- mann querfeldein der Stadt zu. Wie sollte er dies« erschütternd« Nachricht zu Liaule anbringen? Die gedankenlos wandert« er heim- wärts. Aber er ging nicht in seine Wohnung, sondern immer wieder ttn weiten Bogen daran vorbei. Ja er. der selten zum Schnaps griff, trank heute abend immer wieder. Er war wie auseinander- gerissen. Je länger er zögerte, um so schwerer wurde es ihm. So kam die siebente' Stunde heran, er wag!- immer noch nicht heim- zugehen. Dieses Zögern aber wurde zu einem weiteren Verhängnis. Gleich nach Sechs erschien nämlich in der Wohnung Immel- mann« ein Polizeibevmter. Die Behörde war von der Guts- Verwaltung telephonisch verständigt worden. Der Beamte sollte nun Feststellungen machen. Der Polizist war einer von denen, die die Weisheit nicht zum Dienstgebrauch oerwenden. Wie es bei Mutter und Tochter wirkte, al» er srag!: .Wohnte hier der Dachdecker Ferdinand Adelmann. der. wo heut« totgestürzt Ist?" kann sich jeder den'rn. Aroni brach mit einem gellenden Aufschrei zusammen, die Mutter war fassungslos wie cm Kind, der Schutzmann, der nun wohl begriff, was er hier angestellt Katts, trug Droni ouss Bett,� holte Hilfe herbei, dann ging er fort. Während sich des Meisters Frau erHoll«, sich wenigstens auf den Beinen hallen konnte, log die Tochter da wie tot. Als tn der neuten Stund« Bater Immelmann kam, traf er zwei Kranke.

Mfinöung.

,SelbftverstänüUch veräen MIN Sie Kunstschätze Sieses Museums zugesprochen!' ,siber sie sind ü�ch von den Groschen öes Voltes erworben-/ ,Gewiß, dazu bedurste es doch immerhin MOTCR Genehmigung.'

lieber ein halbes Jahr zerrten die Aerzte an Vroni herum. Der Körper kam wieder zu sich, der Geist blieb für immer getrübt, sie war vor Schreck wahnsinnig geworden. Do sie aber gutmütig blieb. behielten sie die Ellern zu Hause. Sie nimmt fast gar keine Notiz von der Umgebung. Nur wenn der Handwagen polternd durch den Torweg ratterte, trat sie ans Fenster: .Ist Ferdinand mitgekommen?" .Nein, er kommt aber bald nach, er Ist schon unterwegs." Ach. da wird er wohl heute kommen, da bin ich froh..." Dann wartete sie wieder, still und ergeben, wunschlos, bis sie wieder«inen Wagen hört«. Sie wußte nicht, daß es schon elf Jahre waren, seit ihr Liebster unter dem Rasen ruhte. Dachdeckerschicksal... wie härte ich mich ab! Bon Dr. Mosbach« r. Der vorsichtige Mensch baut vor ich härte mich ab", sagte der verweichlichte Grohstädtv. der gerade von einem tüchtigen Schnupfcnsieber genesen war und begann sich demgemäß, turz nach dem Abklingen der Erkrankuna. des Morgens unter die eiskalie Dusche zu stellen mit dem Erfolg, daß er nach einigen Tagen noch wesentlich ernstere Erkältungskrankheit bekam. Also hier war die!« brüsk« Form der Abhärtung völlig verfehlt, ja geradezu im höchsten Grade schädlich. Abhärtung bedeutet Gewöhnung, und zwar die Gewöhnung der Haut an Kältereize. Bei einem tadellos arbeitenden, an Luft uich Wasser gewöhnten Organismus, wie ihn z. D. vielfach Land- bewohner und Sportbejlisjene besitze», ziehen sich aus eine Abküh- lung hin die Haut- und Blutgefäße an der betrosfenen Körpcrstelle prompt zusammen; die Haut wird blaß und blutleer, um sich nach kürzester Zeit wieder zu röten, die Blutgefäße der Haut erweitern sich, die Llulsulle steigert sich in diesem Bezirk, und ein angenehmes Wärmegesühi stellt sich ein. Der ganze Vorgang ist eine Abwehrmaßnohm« des Körpers. In der erste» Phase Zusnmmenziehung der Blutgesäße sucht sich der Organismus zunächst vor einer schädlichen Erhöhung der Wärmeabgabe zu schügen; gleichzeitig jedoch ändert sich hier oder auch reslektorisch an entfernt liegenden Körpcrsiellen die Berteilung und Zusammensesiing des Blutes; und damit werden auch die natürlichen Abwehrkräfte gegen etwa vorhandene Keankheitsteime (Bakterien) daselbst vermindert. Also z. B. wenn die Füße kalt werden, so bilden sich die Blutoerhältnisse in der Nasenfchleimhaut um. und, wenn nicht umgehend für Abhilfe gesorgt wird, erlangen die stets in der Nase anwesenden Spallpilz« die Oberhand und ein heftiger Schnupfen bricht aus. Darum werden auch baldmöglichst in der zweiten Phase Erweiterung der Gesäße. Rötung der Haut größere Dlutmenaen zum Einströmen in die gefährdeten Stellen gebracht, um durch Vermehrung der Adwehrträste ein Wuchern der Krankheitserreger schleunigst zu unterbinden. So bei einer einwand- frei arbettenden Haut.._.. Anders liegen die Dinge jedoch bei verweichlichten Menschen, bei

schwächlichen und blutarmen Personen, die fast stets an lallen Hon- den und Füßen leiden. Bei derartigen Individuen kommt zwar die Zusammenziehung der Besähe, Biaßwarden der Haut und damit der Verminderung der Schutzkröfto sehr schnell, häufig schon bei dem geringsten Zuglüstchen, zustande; jedoch das Einströmen des Blutes, das Einsetzen der verstärkten Schutzmaßnahmen, läßt lang« auf sich warten oder bleibt gar völlig aus, sodaß dann hier die Bakterien ungestört«ine mehr oder minder hestiae Entzündung hervorrufen können. So erklärt man sich das Zustandekommen der Erkältungskrankheiten bei mangelnder Abhärtung. Das Prinzip der Abwehr beruht nun auf demTraining " der Haut und ihrer Blutgefäße, auf Gewöhnung an Kältereize. Selbst der unverweichlichte Mensch muß seine Haut dauernd üben; d. h. er wird durch lalle Abwaschungen, durch kalte Duschen, Freibäder, Luftbäder im Freien und, salls dies nicht möglich ist. im Zimmer bei offenem Fenster die Haut in voller Abwehrbcreitschast hallen. Um aber bei diesen Maßnahmen ein» übermäßig« Abkühlung zu vermeiden, wird er nach den kallen Abwaschungen und Bädern oder während des Lustbades gymnastische Uebungen vornehmen und die Haut frottieren; alles Maßnahmen, die das schnelle Einströmen des Blutes fördern. Mit Unterkleidung wird er sparsam umgehen und den warmen Mantel nur an wirklich kalten Tagen anlegen. Nachts ist das Fenster des ungeheizten Schlafzimmers offen zu lassen, ohne daß die schützend« Bettdicke allzu dick ist. Alle diese Prozeduren sind jedoch in vollem Umfang« nur bei� kräftigen, an Lust und Kaltwasser gewöhnten Personen ohne Schäden durch- zufuhren. Anders müsien verweichlichte und schwächliche Menschen oder Personen, die gerade' von einer Erkrankung genesen sind, vorgehen. Hier ist nur ganz langsame Steigerung der Abhärtnngsmaßnahmen erlaubt. Sehr empfindliche Individuen beginnen mit warmen- dern und anschließenden lauwannen Duschen oder Abwaschungen. Allmählich erniedrigt man die Temperaturen: des

vorausgehende Bad ' ganz fortfallen. An die kühlen Abwaschungen. bei denen die Haut kräftig massiert werden soll, haben sich gym- nastisch« Uebungen anzujchließcn. Sofern jedoch hierbei nicht binnen kurzem Röte und Erwärmung der Haut eintreten und das anfänglich"stets vorhandene Unbehagen nicht weicht, erhöh« man unbedingt sofort die Temperatur des Wassers und versuche nach elniacr Zeit wieder damit vorsichtig herabzugehen. Aehnlich liegen die Dinge beim Luftbad mit unbekleidetem Körper. Mit Freiluft- bädern beginne man überhaupt nur in der warmen Jahreszeit, und auch für Zimmerlustbäder empfiehlt es sich, bis zum Spät- frühlinq zu warten. Allerdings soll man die Kinder auch im Herbst und Winter des Abends vor dem Zubettgehen etwa tz Minuten lang nackt im durchwärmten nichl überheizten Zimmer herumtollen lasten, damit sie diese ihnen lieb geworden« und nützliche Gewöhn- hell während der wärmeren Monats, dann jedoch bei ofsenem Fenster, beibehalten können. Schließlich vermag jeder an sich durch Selbstbeobachtung am ehesten festzustellen, wie well er mit den Abhartunasmaßnahmen gehen kann. Nochmals: unter keinen Umständen darf die Rötung und Erwärmung der Haut ausbleihen; fehlt sie, dannzerhöhe man eben die Temperatur des Wassers und gehe langfgm vorwärts. Auch dann wird der Erfolg nicht ausbleiben, soiern nur die?lb- Härtungskur regelmäßig und mit richtiger Energie durchgeführt wird.