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Nr. 558 42. Jahrg. Ausgabe A nr. 285

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Telegramm- Abrene: Sozialbemokrat Berlin

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

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Donnerstag, den 26. November 1925

Verzweiflung bei den Beamten.

Eine stürmische Kundgebung von 20000 Unterbeamten.

Die Soziale Arbeitsgemeinschaft der Besoldungsgruppen 1 bis 6 im Deutschen Beamtenbund hatte zu gestern abend eine öffent liche Protest versammlung nach der Neuen Welt" ein­berufen. Rund 20 000 Beamte waren diesem Ruf ge folgt. Die beiden großen Säle der Neuen Welt" und der große Saal in der Happoldt- Brauerei konnten die Menge der Erschienenen nicht faffen, so daß Taufende umlehren mußten. Genosse Post. fetretär Kugler eröffnete die Versammlung und erwähnte in seiner Ansprache, daß die Berliner   Plakatanschlagsgesellschaft unter Be­rufung auf eine uralte polizeiliche Vorschrift es abgelehnt habe, die Bildplakate der Sozialen Arbeitsgemeinschaft, die die Deffentlichkeit fiber den Stand der Beamtenbesoldung aufffären sollten, an ihren

Säulen anzubringen.

Als erster Referent sprach Genosse Postschaffner Schmidt, Stettin  , der in flarer und eindringlicher Weise die Not der Beamten schilderte und einen Appell an die Reichsregierung und den Reichs­tag richtete. Nach ihm sprach Genosse Bolizeiwachtmeister Albi nus, der die Ausführungen des ersten Redners ergänzte. Als dieser Referent auf die Abfindungen für die ehemaligen Fürffen zu fprechen fam, erhob sich ein Sturm in der Bersammlung. Er sowie auch die nachfolgenden Referenten Glüd, Chemnitz  , Lemte, Berlin  , Baldeder, Karlsruhe  , und Haberland, Berlin  , appellierten an ReichsregierBung und Bolksvertretung. Die Bersammlung nahm sodann eine Entschließung einstimmig Die Preise der zum Lebensunterhalt notwendigsten Waren sind

an, m.der es heißt:

Ein neues Kabinett Herriot  .

Toumers Versuche gescheitert. Paris  , 25. November.  ( Elgener Drahtbericht.) Der um die Kabinett bildung erfudte Senator Doumer hat am Mittwoch abend um 6 Uhr dem Präsidenten der Republik mitgeteilt, daß er nicht in der Lage sei, eine Regierung zu bilden. Er begründete das u. a. damit, daß die Radikalfozialen abgelehnt haben, fich feinem Finanzprogramm anzuschließen. Der Präsident der Republik hat den Kammerpräsidenten Herriot ersucht, ein kabinett zu bilden. Herriot   hat das Angebot angenommen.

Kartellparteien und Sozialisten.

Paris  , 25. November.  ( Eigener Drahtbericht.) Die allen an­ceren Parteien völlig überraschend gekommenen Beschlüsse, die gestern die sozialistische Frattion über die Frage der Beteiligung an der Regierung gefaßt hat, haben eine völlig neue Situation ge­schaffen. Sie haben nicht nur die Versuche Doumers von heute vormittag, nach seinen vergeblichen Bemühungen, ein erweitertes Kabinett der Linken zu bilden, ein ausgesprochen nach rechts erweitertes Konzentrationsministerium auf die Beine zu bringen, durchkreuzt, sondern auch im Lager der bürger­lichen Linfen, wo man sich zu einem Teil bereits mit dem Gedanken einer Koalition ohne oder gegen die Sozialisten obgefunden hatte, die Anhänger eines neuen Kartellfabinetts wieder the Oberhand gewinnen laffen. Allerdings war es zunächst weniger der Gedanke eines jozialistischen Ministeriums mit bürgerlicher Be teiligung als umgekehrt der einer Regierung der Linken, in der die verschiedenen Kartellparteien nach ihrer Stärke vertreten sein müßten.

Ueber die Sigung, in der

die radikalfoziale Fraktion über die sozialistischen   Vorschläge beraten hat, liegt folgender Bericht vor:

gestiegen. Der Winter steht unmittelbar bevor. Die Berfchul. bung der Beamten der unteren Besoldungsgruppen ist unge heuerlich. Ihre Not ist bis zur Unerträglichkeit gewachsen. Korruption und Bestechlichkeit, Veruntreuung usw. sind die unausbleiblichen Folgen. Mit einer solchen von wirt­Beamtenschaft kann eine Gesundung des Bolksganzen nicht herbei schaftlichen Sorgen zermürbten und zur Verzweiflung getriebenen geführt werden.

Soll diese furchtbare Gefahr der Zersegung des Beamtenförpers noch verhindert werden, dann muß schnellstens etwas geschehen, um die Beamten der unteren Besoldungsgruppen von der Verzweif lung über die wirtschaftlichen Sorgen zu befreien. Nur eine schnelle und durchgreifende, den bestehenden wirtschaftlichen Berhält niffen Rechnung tragende Besoldungsaufbesserung fann noch wirt. same Hilfe bringen."

etnem

Zum Schluß erteilte der Borsitzende dem Abg. Torgler( ABD) das Wort zu einer Mitteilung. Im Rahmen diefer Mitteilung ver= fuidhte Torgler   eine fommunistische Agitationsrede zu halten, was aber vom Vorsitzenden verhindert wurde. Dies war das Signal zu von einer bestimmten Gruppe angezettelten Tumult, der schließlich damit endete, daß nach der ersten Bersammlung eine zweite wilde Bersammlung stattfand, auf der sich der deutschvölkische Abgeordnete Straßer und der tommunistische Abgeordnete Reugebauer ause tobten. Zum Schluß fah man, wie ein deutschvölkischer und ein fommunistischer Redner unter allgemeinem Hallo gleichzeitig auf die Bersammlung einschrien.

bürgerlicher Beteiligung dente und den Eintritt bürgerlicher Lints politiker in das Kabinett von der striften Annahme des sozia listischen Regierungsprogramms abhängig machen müsse. Ueber die Eventualität der sozialistischen   Beteiligung an einem von den bürgerlichen Kartellgruppen gebildeten Ministes rium habe die Fratiion noch nicht Beschluß gefaßt. Sarraut  erklärte darauf, daß die Radikalen und die Radikalsozialistische Partei ftaft dessen ein Kabinett wünschen, gebildet aus den Führern jämt licher Kartellgruppen, da ein rein sozialistisch orientiertes Ministe Auflösung der Kammer zur Folge haben müsse, was die radikale rium nicht auf eine Mehrheit zu rechnen habe und dessen Sturz die und die radikal- sozialistische Fraktion unter feinen Umständen wünsche. Von radikal- fozialistischer Seite wurde weiterhin geltend gemacht, daß die bürgerlichen Gruppen des Kartells sich das sozialistische Finanzprogramm feineswegs in seiner Gesamtheit zu eigen machen könnten, dagegen wohl die Möglichkeit bestehe, einzelne Vorschläge zu übernehmen und sie mit dem radikalsozialistischen Pro­gramm in einem Kompromiß zu vereinigen. Beschlüsse wurden nicht gefaßt, da die anwesenden Vertreter der radikalen Linken nicht dazu bevollmächtigt waren. Die Sigung wurde auf heute abend vertagt.

Die radikale Linke, der rechte Flügel des Kartells, hat heute nachmittag ihre Delegierten beauftragt, mit den Sozialisten Fühlung zu nehmen und festzustellen, ob sie bereit seien, sich an einem Ministerium zu beteiligen, in dem sie die Mehrheit der Ministerstellen haben würde.

Nach dem Intransigent" sollen etwa 30-40 Radikal- Sozia listen, die mit der Haltung der Fraft on gegenüber den sozialistischen  Vorschlägen nicht einverstanden seien, sich heute nachmittag in einer Sonderbesprechung die Möglichkeit eines An schlusses an eine Koalition der Mitte ins Auge gefaßt haben.

D'e Beratung des Linkskartells am Abend hat zur Einsegung cines aus Bertretern sämtlicher vier Kartellparteien zusammen gefeßten Ausschusses geführt, der die Richtlinien für ein ge meinsames Programm zur Lösung der Finanzschwierigkeiten cufftellen soll.

Weiterer Frankensturz.

Während einige Mitglieder der Fraktion betonten, daß es Sache der radikalsozialistischen Frattion sei, die Regierung zu übernehmen, und sie sich höchstens die Mitarbeit der Sozialisten durch Verständigung über ein gewisses Brogramm sichern könne, betonte die Mehrzahl der Redner, darunter vor allem Malon, Milhaud und Carraut, daß man im Interesse der Erhaltung des Kar tells den Vorschlag der Sozialisten nicht rundweg abgierung gebildet werden sollte. lehnen dürfe.

Eine Resolution wurde nicht gefaßt, aber als Richtlinien für die Haltung der Fraktion fann die Rede Sarrauts betrachtet werden. Dieser führte aus, daß nach dem Beschluß der Sozialisten die Radikalsezialen alles tun müßten, um die Zusammenarbeit ber Linksparteien zu ermöglichen. Sie müßten sich also mit den Sozialisten über die Konstitution eines großen Kariell ministeriums bas die Führer der verschiedenen Linksparteien

Dereinige, verständiaen.

In der an die Sgung der radikalsozialistischen Graftion sich an­hließenden Delegierten verjammlung des Kartells gab

es zunächst

eine lebhafte Kontroverfe zwischen Sarraut und Léon Blum  über die Bedeutung der gestern von den Sozialisten gefaßten Resolution: Léon Blum   interpretierte dahin, daß fie absolut mörtlich zu nehmen sei und teinerlei Hintergedanken enthalte, b. h. daß die sozialistische Fraftion zunächst nur an ein * nter sozialistischer Führung stehendes Kabinett mit

Condon, 25. November.  ( TU.) An der Börse ist heute der französische   Franten auf 129,12 für 1 Bfund gefallen. Man er­wartet weiteren Rursrüdgang, selbst wenn bald eine neue Re­

Wer unterzeichnet Locarno  ? Außenminister oder Botschafter?

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Wahlkampf in Preußen.

Sonntag: Provinziallandtags- und Kreistagswahlen.

Am tommenden Sonntag finden in ganz Preußen mit Ausnahme Groß- Berlins, das als besondere Provinz gilt, Wahlen zu den Provinziallandia gen und Kreis. tagen statt. Trotzdem das Interesse der weitesten Deffent­politischen Auseinandersehungen, von dem Kampf um die lichkeit zurzeit in Deutschland   vollkommen von den außen­Neugestaltung der Regierung nach der Unterzeichnung dieser Locarno  - Berträge und dem bevorstehenden Kampf um die Verträge in Anspruch genommen ist, da die Bedeutung dieser Wahlen doch nicht unterschätzt werden. Die Zusammensetzung der Provinziallandtage und Kreistage entscheidet über die Handhabung und Ausgestaltung aller Selbstverwal­tungseinrichtungen in den Provinzen, Regierungs­bezirken und Kreisen Breußens. Außerdem wählen die Pro­vinziallandtage die Vertreter der Provinzen zum preu fammensetzung erhält dadurch eine weit über ihre örtliche Be­Bifchen Staatsrat wie zum Reichsrat. Ihre Zu ftimmung hinausgehende politische Bedeutung. Auf dem Wege einmal gelungen, Entscheidungen im Reichsrat in ihrem über die Provinzialvertreter ist es der Reaktion mehr als Sinne zu beeinflussen, da die preußischen Stimmen im Reichsrat porläufig immer noch nicht geschlossen abgegeben werden. Die Provinzialvertreter haben im Gegensatz zu den gebundenen Stimmen der Regierung das Recht der selbständi­beeinflußt in stärkerem Maße als gewöhnlich angenommen gen Stimmabgabe. Die Zusammensetzung des Staatsrats. wird den Gang der preußischen Landesgesetzgebung. Die Entscheidung, die am Sonntag bei diesen Wahlen in allen preußischen Landesteilen gefällt wird, trägt also einen starten politischen Charakter.

Bei der Art des Listenwahlsystems, das die früher zum Reichstag üblichen Nach wahlen in den einzelnen Reichs­tagswahlen ausschließt, würden die preußischen Wahlen am Sonntag sowieso starte politische Bedeutung haben, weil man in ihnen ein Stimmungsbarometer für die Ent­wicklung der politischen Auffaffungen in der Bevölkerung erblicken wird. Allerdings wird man nach den bisherigen Beobachtungen im Wahlkampf mit einer geringen Wahl­Stadtverordnetenwahlen, bei den Wahlen zum badischen beteiligung rechnen müssen. Schon bei den Berliner  Landtag, und den hessischen Kreis- und Kommunalwahlen hat sich eine Wahlbeteiligung ergeben, die von höchstens 60 Broz. auf 40 Broz., gelegentlich sogar noch darunter, ging. Das Intereffe der Bevölkerung fonzentriert sich nun einmal stärker auf die großen politischen Auseinandersetzungen, auf die Wahlen zum Reichstag, zum Reichspräsidenten usw. Biel  leicht trägt auch die allzu große Säufigkeit von Wahlen einen Teil zu der bedauerlichen Wahlmüdigkeit bei, die feineswegs im Interesse der Demokratie liegt, und man follte infolgedessen dem Gedanken näher treten, ob nicht generell für diese Wahlen zweiten Ranges eine 3usammenlegung oder ein fester Termin im Lauf der Zeit eingeführt werden fönnte.

Die Wahlfront ist fast überall diefelbe. Die Sozial­demokratie geht selbständig in den Wahlkampf, fie führt ihn nach rechts gegen die bürgerlichen Parteien, in erster Linie gegen die Rechtstoalition. Sie führt ihn na ch links gegen die Kommunisten, die jetzt verstärkt versuchen, auch in die fommunalen Selbstverwaltungsförper ein­zubringen. Sie haben wohl überall auf Anweisung ihrer Zentrale das bei der Berliner   Stadtverordnetenwahl zum ersten Mal erprobte Angebot auf Listenverbindung wiederholt, ohne daß sie dabei auf Gegenliebe gestoßen wären. Jeder weiß, was von ihren Angeboten und von ihrem Liebeswerben zu halten ist, jeder weiß, wie ehrlich ihre Versicherung ist, daß diese neue Taftit ihnen nur den Kampf gegen die Sozialdemokratie erleichtern soll. Auf der rechten Seite marschieren fast ausnahmslos all die unzähligen Splitter der bürgerlichen Rechten unter den verschiedensten Flaggen in Form eines Rechtsblods oder eines Bürgerblods gemeinsam in den Kampf. Die, Stimme des Blutes" war und ist bei den Volksparteilern und bei den Deutschnationalen start genug, um bei der Verteidigung innerpolitischer Bo­fitionen alle sonstigen Differenzen, felbft über die Schicksals­fragen unserer Außenpolitif, vergessen zu machen. Es gibt teine Provinz, in der nicht in irgend einer Form ein Rechtsblock oder ein Bürgerbiod aufmarschiert wäre. Die so­genannten Mittelparteien sind in den meifen Fällen der Ver­fuchung auf Anfchluß an einen solchen Bürgerblod nicht unterlegen. Dem Rentrum mird bas dadurch wesentlich erleichtert, daß es feine Hauptposition in den beiden Brovinzen Rheinland   und Westfalen   hat, wo es in der Lage ist, als selbst­ftändige Bartei diesen Wahlkampf zu bestehen. In der Diasrora hat das Zentrum fehr häufiq darauf verzichtet, felbft­

Paris, 25. November.( Eigener Drahtbericht.) Den Signatar­mächten des Vertrages van Locarno   hatte bie englische Regierung mitgeteilt, fie sei durch den Tod der Königin Alexandra gezwungen, alle aus Anlaß der Unterzeichnung geplanten Festlichkeiten abzusagen und stelle daher den Außenministern anheim, sich bei der unter zeichnung der Berträge durch ihre Botschafter in London   ver­treten zu lassen. Der Temps" will wissen, daß Briand  , unbe fümmert darum, daß nach den am Quai d'Orsay vorliegenden Infor. mationen Stresemann bereits auf die Londoner   Reise der dichtet habe, feine ursprüngliche Abficht, sich nach London   zu beständig aufzutreten und überläßt stellenweise wohl seinen geben, beibehalten werbe, um persönlich zu unterzeichnen.

Den Locarno  - Berfrägen einmütig zugestimmt hat das britische Oberhaus in einfacher Abstimmung( Handaufheben).

Anhängern die Entscheidung, für welche Gruppierung fie ftimmen wollen. Die Demokraten haben sich häufig mit dem Zentrum und anderen fleinen Gruppen zusammengeschlossen und machen den Versuch, als Mittelpartet sich durch