völterbunö und Abrüstung. Der Ginflutz von Loearno auf die Beschlüsse des Rats.
Gens. 7. Dezember.(Eigener Drahtbericht.) Am Montag ist in Genf der Lölkerbundsrat zu ssiner 37. Tagung zusammengetreten. Die wichtigsten Beratungsgegenstände sind die Beitegung des griechisch-bulgarischen Konfliktes und der Versuch einer endgültigen Lösung des M o s s u l- Problems. Im Mittelpunkt des Interesses aller Völker liegt jedoch die Behandlung der Ab» r ü st u n g s frage, mit der sich der Lölkerbundsrat zum erstenmal ernstlich zu befassen hat. Der Balkanzwischenfall dürft« eine rasche Erledigung finden. Hier hat der Rat nur noch den Spruch, der an die bulgarisch. griechische Grenze entsandten Untersuchungskommifsion zu sank- tionieren. Griechenland wird zwar gegen das ergangen« Urteil Ein» sprüch erheben, sich aber doch dann der Entscheidung des Völker» bundes, der damit als Schiedsrichter einen großen moralischen Sieg erzielt, fügen. Viel heikler ist die Entscheidung über M o s s u l. Das Gutachten des Haager Gerichtshofes bringt noch keine Lösung. Fällt aber der Dölkerbundsrat seine Entscheidung zugunsten des Iraks und damit Großbritanniens , so sind nach allen vorliegenden Anzeichen kriege» rische Verwicklungen durch die Türkei zu befürcht««. Die englische Regierung ist ihrerseits nicht gewillt, ihren Gebietsanspruch preiszugeben und setzt daher ihren ganzen Einfluß im Dölkerbundsrat ein, um die Entscheidung im englischen Sinn« zu beeinflussen. Sie ist für den Völkerbund äußerst schwierig und wird dadurch erschwert, daß sich zwei Petroleum interessenten in beiden Lagern gegenüberstehen, vor allem englische aus der einen, amerikanische auf der anderen Seite. Es ist nicht ausgeschlosien, daß der Dölkerbundsrat noch einmal seine Entscheidung hinauszuschieben sucht, um aus diese Weise zum mindesten einen kriegerischen Konflikt für den Augenblick zu verhüten. Was das Interesse der Völker Europas an der jetzigen Tagung des Dölkerbundrats besonders in Anspruch nimmt, ist die große Frage: Was wird der Dölkerbundsrat zur A b r ü st u n g ausrichten? Gewiß, Völkerbundsrat und Dölkerbundsversammlung haben sich bis jetzt nahezu auf jeder ihrer Tagungen mit dem Problem der Ab- rüstung beschäftigt. Jetzt aber, nach dem Zustandekommen de. Der» tragswerkes von L o c a r n o, ist für den Völkerbund und für die Völker Europas im besonderen ein Zeitpunkt gekommen, wo etwas Tatsächliches in der Abrüstung geschehen muh. Trotz aller schonen Reden, trotz aller gefaßten Entschließungen wollten die Großmächte bisher im Ernste an die Abrüstung nicht heran. Was unter dem Drucke der kleinen und mittleren Staaten in der Völkerbundsversammlung an Vorarbeit geleistet wurde, ist nachher im Völkerbund meist regelrecht wieder sabotiert worden. Kennzeichnend dafür ist die Art und Weise, wie die im Völkerbunds- polt vorgesehene„Ständige Militärkommission", die dem Völker- bundsrat bei der Durchführung der Rüstungsbeschränkungen gutacht» sich zur Seite stehen soll, aufgezogen wurde. Sie setzt« man aus G«> neralftäblern zusammen, die chr« Weisungen von den Kriegs- Ministerien ihrer Länder erhiellen. Dieses Verfahren war ein Muster- beispiel, wie auf politischem Gebiet der Bock zum Gärtner gemacht werden kann; denn selbstverständlich dachten diese Militärs auch im Traume nicht daran, ernsthaft ein« allgemeine Abrüstung zu fördern: Die Dölkerbundsversammlung erkannte das recht bald. Auf ihr Drängen wurde 1S21 neben der„Ständigen" noch- eine„Ge- mischte Kommission"' zum Studium der Abrüstungssrage«in- gesetzt. Sie lieferte bereits«ine wertvoll« Vorarbeit durch die auf einer besonderen Konferenz, an der auch di« Bereinigte« Staaten teilnahmen, ausgearbeitet« Konvention für die Kontrolle des Waffenhandels. Das war den Militär» schon zuviel. Auf ihr Betreiben ersetzt« der Völkerbundsrot di« Gemischte Kommisston die gefährlich zu werden drohte, durch eine„Koordinationskom- misfion", in der nur di« Vertreter der Ratsstaaten entscheidendes Stimmrecht erhielten. Die Völkerbundsoerlammlung durchschaut« auch diesen Schachzug und faßte einen Beschluß, wonach der Rat ein „Vorbereitendes Komitee " zum Studium de» Arbeits- Programms für eine Abrüstungskonferenz ein- zusetzen hat. Di« Ausführung dieses Auftrages ist nunmehr Aufgab« der jetzigen Tagung des Völtcrbundsrates. Wäre Loearno nicht zustandegekommen, so wäre sicher auch die Ausführung dieses Beschlusses wieder vereitelt wovden. Erst mit dem Bertragswerk wurde die allgemeine politische Deraussetzung gc- schaffen, die eine Abrüstung ermöglicht und selbst von den Wider- willigsten erzwingen läßt. Fördernd wirken dabei mit die großen finanziellen Nöte Frankreichs , Italiens , Polens und anderer Militärstaaten und die allgemeine wirtschaftliche Not, die kaum ein Land Europas , auch England nicht, verschont. Damit kann man erwarten, daß der Dölkerbundsrat auf seiner setzigen Tagung den Mut und die Entschlossenheit aufbringt, einen tüchtigen Schritt v o r w ä r t» zu tun auf dem Wege zur all- gemeinen Abrüstung. Erforderlich ist aber, daß die Arbeiterparteien aller Länder und alle Freunde einer ehrlichen Abrüstung und einer Frieden-ilhlitik ihre ganze Propaganda entfallen, um den Völkern Aar zu machen, daß jetzt, nach dem Zustandekommen des Ver- träges von Locarno. der Z e i t p u n i t gekommen ist. wo eine scharfe Wendung zur allgemeinen Abrüstung eintreten muß. Zwei Thesen— keine Einigung. Genf . 7. Dezember.(Eigener Drahtbericht.) Dem Rat«» komitee. das unter dem Vorsitz de, Genossen Paul Boncour die Tagung des Völkerbundsrots vorbereitete, lagen zwei bemerken»- werte Dokumente zum Problem der Abrüstung vor. In dem«inen stellt Lord E e c i l au» dem Völkerbundspatt, dem Verfailler Der-
trag und dem Schriftwechsel mit der deutschen Friedensdelegation sowie aus dcm Schlußprotokvll der Konferenz von Locarno alle Punkte zusammen, die sich auf die Abrüstung beziehen. Lord Cecil weist darauf hin, daß sich Deutschland im Verfailler Vertrag ausdrücklich zur Innehaltung der militärischen Bestimmungen nur verpflichtete„im Hinblick auf die Möglichkeit der Vorbereitung einer allgemeinen Rüstungsbeschränkung aller Nationen". Er ver- weist weiter darauf, daß auch der Vorsitzende der Friedenskonferenz ausdrücklich erklärte, die Bedingungen sür die deutschen Rüstungen seien ein e r st e r S ch r i t t zu einer allgemeinen Rüstungsernschrän- tung. Schließlich hebt Lord Cecil hervor, daß sich auch die Vertrag- schließenden in Locarno verpsiichtcten, den Arbeiten des Völker- bundes auf dem Gebiet der Abrüstung tatkräftige Mitwirkung zu- teil werden zu lassen. Das zweite Dokument hat Paul B o n c o u r selbst zum Der- fasser. Im Namen der französischen Regierung verlangt er von einer Abrüstungskonferenz Untersuchungen über den Begriff„R ü st u n- gen", vor allem über die Stärke eines Landes in Kriegszeiten im Berhältnis zur militärischen Stärke in Friedenszeiten. Ferner soll der Begriff„Abrüstung" festgelegt und die verschiedenen Arten der Abrüstung zu Lande, zu Wasser und in der Luft untersucht werden. Besonders berücksichtigt werden sollen die Länder mit Berufsarmeen und im Gegensatz dazu diejenigen ohne Kriegsindustrie. Schließlich soll versucht werden, mit Rücksicht aus die Durchführung des Ar- tikels 16 der Völkerbundsakte ein relatives Gleichgewicht zwischen den einzelnen Staaten in Bezug auf ihre industrielle und wirtschaftliche Mobilisierung zugunsten des Döllerbundes herzu- stellen. Da im Ratskomitee febst trotz langer Erörterungen eine Einigung vor ollem zwischen Lord Cecil und Paul Boncour nicht zustande kam, Lord Eexil vielmehr aus einer völligen Trennung zwischen der Durchführung des Artikels 16 und der Abrüstungssrage bestand, soll die Entscheidung dem Dölkerbundsrat selbst überlassen bleiben. Sulgarien/ Griecbenlanö/ völterbunö. Prozehführung in Genf . Genf , 7. Dezember. (WTB.) Unter dem Vorsitz Scialofa». Italien wurde gestern vormittag um 11,16 Uhr die 37. Tagung de» Völkerbundsrats eröffnet. Frankreich vertritt diesmal nicht Briand , sondern Paul-Boncour . Zum griechisch-bulgarischen Grenzzwischenfall dankte der bulgarische Außenminister Kalfosf im Namen seiner Regierung dem Rat für feine schnelle, wirksame Intervention und der Untersuchungskominission für ihre objektive Tätigkeit. Daun wies er darauf hin, daß Bulgarien entsprechend dem Vertrage von Ncuilly vollkommen abgerüstet habe und daher an e n« Verminderung de» Grenzschutzes, der bei einer Grenze von 260 Kilo. meter Längs nur 3000 Mann und 150 Offizier« betrag«, nicht denken könne. Kälfoff, der weiter das Bestehen von Somit atschi- banden als Erfindung zur Verjchleierung gewisser Ver- antwortlichteiten bezeichnet«, bill gte sodann die Vorschläge der Unter- suchungskommission zur Vermeidung künftiger Grenzzwischensälle unter dem Vordehalt, daß auch' Griechenland diese Vorschläge an- nehm« und einhalte. Der Friede aus dein Balkan , so schloß er nach BezisfemNg der Schädtgpna Vuloariens durch den griechischen E n- fall auf S2S00 000 Lewa,(die Uatersuchungekommilsion schlägt vor. daß Griechenland 30 Mulionen Lewa, gleich 900 000 M., Schäden- ersaß leisten soll) wird nur stcheraektellt seein. wenn die Ab» rüstung, die in den Friedensverträgen vorgesehen und von Bul - garien durchgeführt ist, allgemein vorgenommen wird. R e n t i s> Griechenland , der ebenfalls den Vorschläge« der Untersuchungskommission zur Vermeidung neuer Awlschensälle zu- stimmte, b zeichnete zunächst als eigentlichen Grund des griechisch-bulgarischen Konflikts die ungelöst« Frage de» Zv- ganges Bulgariens zum Aegäischen Meer: Bulgarien habe das Angebot der griechischen Regierung auf der letzten Völker- bundsversammlung abgelehnt, da es einen territoralen Kor- ridor durch das griechische Gebiet oerlange, während ihm nur ein wirtschaftliche� Zugang garcmsiert worden sei. Renli» vertrat den Standpunkt, daß' Griechenland auf Grund der Völkerbundsrats- entscheidung vom 13. März 1924 sehr wohl der Meinung sein könnte. daß es das Recht zu Zwangsmaßnahmen gegen Bul- garien hätte. Trotz alledem nehme er die Darstellung der Unter- suchungskommission über den griechisch-bulgarischen Zwischenfall ohne Einwendung an, müsse. aber erklären, daß die Entschädigungs- sorderungcn Griechenlands durchaus berechtigt seien. Für den Fall, daß Griechenland zur Zahlung eimr Enischädigung oerurteilt werden sollte, behalte es sich vor, eine Entscheidung des H a a g« r Gerichtshofes darüber anzurufen, ob die Untersuchunas» kommifsion bei der Auferlegung der Entschädigung beide Parteien genügend gebärt Hobe. Der Präsident der Untersuchunqskvmmission, der englische Ge- sandte Rumbold , erklärte, daß die Kammissirm einstimmig zu ihren Feststellungen gelangt sei und sie nach beiden Seiten hin aufrechterholten müsse. Dann gaben die Vertreter Bulgariens und Griechenlands noch kurze Erklärungen ab. Anschließend ergänzte der Rat auf den Wunsch Ehamberlains als Berichterstatter den zu- ständigen Ausschuß durch ein bulgarische» und«in japanisches Mit- glied. Er soll die Einzelheiten des Untsrfuchungsergebnisses prüfen und an den Rat Anträge stellen. lyeldbewilligvn-i für Teutschöfterreich. Gens, 7. Dezembe».(WTB.) Das Finonzkom't?« des Völker» bundes hat beschlossen, dcm Dölkerbundsrat vorzuschlagen, daß die 218 Millionen Goldkronen, die den Resibestand der Völkerbundsanleihe für Oesterreich darstellen, der österreichischen Regierung für produktive Zwecke zur Unterstützung von Landwirt- fchaft und Industrie zur Verfügung gestellt werden sollen.
Handelsvertrag mit polen ! Ei« Gespräch mit einem polnische« Unterhändler. Dr. Diamond. Mitgsied der polnischen Handelsoertragsdele- gation, erklärte in einer Unterredung: Die im Oktober beschlossene und der deutschen Regierung im November überreichte Zvllvorlage erhöht den Tarif von etwa 1000 Artikeln wesentlich. Deut- scherseits ist noch keine Antwort eingegangen, da die Vorlage an die wirtschaftlichen Spitzenorganisationen zur Be- rotung weitergegeben wurden. Zur Verzögerung hat auch die gegenwärtige Kabinettskrise beigetragen und man erhofft von der Neubildung der Regierung eine Beschleunigung und Erleichterung der Verhandlungen. Dies darf man um so mehr an- nehmen, als dem bisherigen Reichsminister Neuhaus ein Teil der Verantwortung am Zustandekommen eines Handelsvertrags zu- zuschreiben ist. Es gibt in Deutschlcnd Kreise, denen an einer beide Teile befriedigenden Lösung wenig gelegen ist und die vielmehr eine Spannung zwischen Deutschland und Polen nicht u n- gern sehen. Diesen Umständen sei zuzuschreiben, daß die Ver- Handlungen bisher ergebnislos verlaufen sind. Polnischerseiis ständen die Ding« folgendermaßen: Polen strebt vor allen Dingen das Zustandekommen«eines o o r l'ä u f i g e n Abkommens an, das etwa 5 0 der wichtigsten Artikel umfassen soll. Polen sei bereit. Deeutschland das Meistbegünstigungs- recht einzuräumen, also dieselben Rechte zu verleihen, die von Polen Frankreich zugestanden sind. Dabei sei von Dr. Diamond persönlich der Dorschlag gemacht worden, eine Clearing-Basis ein- zuführen, und zwar in der Weise, daß der beiderseitig« Export und Import durch eine gemeinsame Kasse! m Gleichgewicht gehalten wird. Polen habe bisher in seiner Wirtschaftspolitik die falsche Taktik der Selbstbefriedigung befolgt, eine Taktik, die dem Lande auf das höchste geschadet hat So wird es von Interesse sein, daß unlängst vom verband polnischer Ingenieure der Satz formuliert wurde: das bisher befolgte Protektion»- s y st e m wäre für Polen nur von Nachteil gewesen. Wenn Polen mit seiner Wirtschaft sich der Weltwirtschaft anglledern will, so muß und wird es auch seine Pol i t i k dementspeechend u m- st e l l« n müssen. Der Rückgang der Valuta nahm schon in dem Augenblick seinen Anfang, als die polnische Bank di« Annahme des sogenannten Bilons des ungedeckten staatlichen Kleingelde» ver- weigerte. Damals schon Hab« die Bevölkerung ihr Vertrauen zu dem Zloty verloren. Es sei falsch, die Handelsbilanz eines Strates als maßgebend für den wirtsckiaftlichen Stand anzusehen. Vielmehr sei es die Zahlungsbilanz, die von a u s s ch l a g- Ee b e n d e r Bedeutung sei. Polen Hobe in seiner gegenwärtigen age dringend Geld nötig. Die Möglichkeit der Beschassung von Geld hängt zum großen Teil von der Regelung der Beziehungen zu Deutschland und vom deutsch -polnischen Handelsvertrog ob. Es werde Polen auf dem Wege über Deutschland gelingen, sich die nötigen Ausiandskredite zu verschaffen.„Wenn das Au.'lrnd," sagte Dr. Diamond wörtlich,„unseren guten Willen sehen wird, uns»- ren Wunsch, an der Weltwirtschaft tätigen Anteil zu nehmen, dann wird auch das Vertrauen, zu uns gewinnen und uns mit Kre- diten behilflich sein."_
Die Umoemeinüungen im Ruhrgebiet . Im vreußistben Landtag beftbäitigte sick> gestern der Ge« meindeauSschuß mit der Regierungtvoklag« über di« Pru»! re-lung der kommunalen Grrn-en im rheiniikd-westiäli- ickcn Jndustriebezirl. Di« Sitzung wurde autschlleßlich mir einer Generaldebatte auegeiüll», in der die Vertreter iärrnlidier Fraktionen ,n Wort« kamen. Im avpcmemen findet di« Ne sierungiporlage Anklang. Der Aueickuß wird vom IV. bi» 2l. Dezember eine B e i i ch ti g un g» r e is e in da« Industrie- gebiet unternehmen. Eist danach soll di« Einzelberatung beginnen. E ne iür heute mittag einberufen« Sitzung sost lediglich den Plan dieser BesichligungSreis« festlegen. Die Knechtung Süötkrols. Deutscher Hansunterricht verbot««: Bozen , 7. Dezember. (TU.) Die italienische Behörde hast gegenwärtig wildeste Jagd aus jeden deutschen Unterricht ab, der in Privathäusern an Kinder erteill wird. Die V o l k» s ch u l- l» h r» r sind durch ein Rundschreiben der Schulbehörde verpflichtet worden, unter Androhung der Entlassung ihre Schulkinder nach einem etwa am Orte erteilten deutschen Hausunterricht au». zutundschaflen. Liegt auch nur der Verdacht eines solchen Unterrichts vor, so werden Haussuchungen vorgenommen. Dabei werden sämtlich« im Haus« vorgesundenen deutschen Bücher beschlagnahmt. Die Personen, die deutschen Lese- und Schreibunter. richt an Kinder erteilen, werden, falls sie nicht Ortsangehörige sind, ausgewiesen oder eingekerkert, die Ortsangrhörigen mit Geldstrosen belegt. In den letzten Tagen sind zwei Damen und ein Herr, letzterer ein abgebauter Lehrer und Familienvater, ausgewiesen worden. Krcft eines Abschubbefehl» wurden, sie in ihre Zuständigkeitsgemeind« gebracht, ohne deren Erlaubnis P« den Ort nicht mehr verlosien dürfen. Ein ohne Pension enthobener Lehrer, der an deutsche Kinder privaten Deutschunterricht erteist hatte und deshalb in seine Heimatgemeinde abgeschoben worden war, wurde, al» er sich, wie im Abschubbefehl vorgeschrieben, bei den dortigen Carobinieri meldete, von diesen verhaftet und ins Ge- fängnis eingeliefert, wo er nun. schon acht Tage im elendesten Zu- strnd« schmachtet. Auch sonst gab es in den letzten Tagen zahlreiche Verhaftungen und Mißhandlungen von Deutschen . * Wie lange wird sich die Kulturmelt diese Schande noch mit ansehen� Wann wird der Völkerbund zum Schutze der deutschen Minderheit eingreifen? Wanim verschleppt die Wilhelmstroße den Eintritt Deutschlands in den Völker- bund. anstatt sich der Deutschen Südtirolg, entsprechend der Ankündigung Stresemanns im Reichstag, so schnell, wie mög- lich anzunehmen?__ 400 Versammlungen In Wien . Ter Kampf um den Mieterschutz. Wien . 7. Dezember.(Eigener Drahtbericht.) Vor einigen Mo- naten hosten unsere Genossen durch tagelange Obstruktionsreden im Ausschuß des Nationalrats einen christlich-sozialen Antrag nieder- gekämpft, der den Mieterschutz beseitigen wollte. Jetzt hat die Regie- rung ein Gesetz eingebracht, wodurch die Mieten bis zum April auf den 6000fach«n Papierkronenbetrag gebracht werden sollten� d. h. auf ungefähr 40 Proz. der Friedensmiete. Eins derartige Erhöhung wäre für das wirtschafstich seit langem völlig daniederliegende Deutschösterreich unerträglich und so hat dicse Absicht der Re- gierung diegrößteErregung im ganzen Volke, weit über die Angehörigen der Sozialdemokratischen Partei und die mit ihr Sym-
pathisierenden hinaus hervorgerufen. Auf heute, Montagabend, haste unsere Partei in Wien allein 260 Volksversammlungen ein- berufen. Ihre Zahl erhöhte sich durch weitere Anmeldungen aus den Stadtbezirken schließlich bis auf 313. Di« Versammlungen waren aber sämtlich trotz dieser Zahl derart überfüllt, daß über 400 Der- sammlungen abgehalten werden mußten. In allen De- ztrken, auch in den überwiegend bürgerlichen, sah man wahre Völkerwanderungen zu den Versammlungslokalen und neben den Arbeitern, Beamten und Angestellten drängten sich insbesondere Gewerbetreibend« und Kaufteute heran, um gegen di« schwere Bedrohung ihrer ohnehin so schwierigen Existenz zu pro- testieren. Der heutige Abend kann der Auftakt großer Kämpfe sein. Schweiz für Abschaffung ües Visums. Vorschlag an Teutschland, Oesterreich und Italien . Bern . 7. Dezember.(WTB.) Die Schweiz hat Deutsch - land, Oe st erreich und Italien vorgeschlagen, gegen- fettig auf das Paßoisum zu verzichten, soweit«» sich nicht um die Einreise zum Antritt einer Stellung handelt.
Ver frißt weiter! Und wer sieht die Welt verkehrt? Anders als sonst in Menschenköpfen malt sich die Well Im Kopfe des Herrn Friedrich Everling . M. d. R.. der in der .Kreuzzeitung" den Geist unverfälschter Legstimität zu pflegen be- rufen ist. Für ihn ist der Antrag der demokratischen Reich«. tagsfraktion. der für die Fürstenabfindung den Rechtsweg aus- schließen will, schon revolutionär, ja direkt ein„Wetterleuchten de, Bolschewismus" Es läuft einem ordentlich eine Gänsehaut über den Rücken, wenn man seinen Artikel liest, in dem fast ein jeder Absatz mit den unh.imlichcn Worten beginnt:„Man sieht, wie di« Revolution weiterfrißt." Anders als sonst in Menschenköpfen.... Wir anderen sehen doch einstweilen, wenn man durchaus das von Herrn Everling geprägte Wort anwenden will, nicht die Reoalution, sondern d i« Fürsten weiterfresscn. Ganze Länder, wie das arme Thü- ringen, sind in Gefahr, von ihnen kahlgefressen zu werden. Jetzt such» man ein gesetzliches Mittel, diesem Appetit, vor dem einem angst und bang werden kann, Einhalt zu gebieten. Hofsentlich findet man es und wird das Weiterfressen damit verhindert!