Nr. SS2 ❖ 42. Jahrgang
2. Beilage des Vorwärts
donnerstog. IS. vezember 1Y2S
Kartellunfug im Verömgungswefen. Aus der Praxis eines Verdingungskartells.— Betrogene Steuerzahler.
Di« abgedankte Reichsregierung hat den Kamps gegen die Mißstände im Verdingungswesen auf ihr Programm geschrieben und dem Reichstag einen Gesetzentwurf hinterlassen, der Mastnahmen gegen die Mißstände bei der Ausschreibung öffentlicher Aufträge vorsieht. Die Geschädigten sind in der Regel öffent- liche Körperschaften, die bei der Vergebung von Aufträgen sich einem Preisring gcgenübersehen und die geforderten Preise be� willigen müssen. Selbstverständlich nutzen nun die Unternehmer ihre Monopolstellung aus und bürden durch die Forderung von Ueberpreisen dem Steuerzahler besondere Lasten auf, die als Profit in die Tasche der Fabrikanten fließen. Von vornherein muß es fraglich erscheinen, ob es der Reichs- regierung auch gelingen wird, an diejenigen Preisringe heran- zukommen, in denen die großen Konzerne der Industrie oer- treten sind. Man wird wahrscheinlich— wie immer— die kleinen hängen, die großen Verbrecher aber lausen lassen. Diese Preisringe der Großen arbeiten ja in der Regel in überaus ge- schickter Form. Aeußerlich ist ihre Organisation oft eine der- art lose, daß man sie rechtlich gar nicht fassen kann. Die M a ch tm i t t e l, die sie aber gegen Außenseiter-Firmen und gegen etwa rebellierende Mitglieder des Verbandes anzuwenden vermögen. sind außerordentlich große. Denn um eine lästige Konkurrenz und eine Preisunterbietung sich dauernd vom Halse zu halten, ist den organisierten Fabrikanten für den Augenblick kein Preis zu hoch. Der Deutsche Eisenbml-verband. Tin Beispiel, wie es gemacht wird, liefert die Tätigkeit des Deutschen Eisenbau-.Verbandes, der äußerlich nicht einmal als Kartell austritt, durch die Art der Zusammenarbeit seiner Mitglieder aber sich als ein typisches Verdingungskartell kenn- zeichnet. Ihm gehören die namhaftesten Firmen der deutschen Eisenindustrie an, soweit sie sich mit Bauarbeiten und Baukonstruktion beschäftigen. Erfolgt nun die Ausschreibung eines öffentlichen Auftrags, so wird von vornherein innerhalb des Verbandes beschlossen, welche Firmen ein Angebot zu machen und welchen Preis sie zu fordern haben. Damit steht von vorn- herein auch fest, wer den Auftrag bekommt. Aber auch das billigste Angebot enthält in keinem Falle nur die Produklionskosten und einen angemesienen Gewinn, sondern Zuschläge in stattlicher Höhe für die Verwaltung des Kartells sowohl wie zur Ab- f i n d u n g der ausgefallenen Firmen, die sonst auch für die Aus- führung des Auftrags in Betracht gekommen wären. Nicht nur die ausführende Firma verdiente also, sondern mit ihr alle diejenigen Unternehmungen, die durch ein zu teures Angebot von vorn- herein auf den Auftrag verzichtet haben. Dieses rafsinierte Ausbeutungssystem wird noch gekrönt dadurch, daß die auftragver- gebende Behörde oder Privatperson ihm überhaupt nicht entgehen kann. Wendet sie sich nämlich an eine einzelne Firma, so tellt diese das sofort dem Verband mit, und der b e st i m m t nun, genau wie im Falle der Ausschreibung, ob die Firma den Austrag an- nehmen darf oder nicht. Beispiel« an» der praxi». Man kann die Geschichte und die Taten dies« verband« bis zum Beginn des Jahrhunderts verfolgen. Er trat zuerst aus ol» Verband deutscher Eisenhochbau- und Brückenbau-Fabriken im Jahre 1902, als die Bersiner Stadtbahndrücken umgebaut werden mußten Innerhalb ganz kurzer Zeit wurde nun der Preis, der beim ersten Umbau nur 200 bis 300 M. je Tonne verbrauchten Eisens be- rrug, zunächst aus 300 bis 400 M. gesteigert-, dann aber ging er bis auf' das Vier- und Fünffach« in die Höhe. Die Arbeiten,
die bis 1906/07 dauerten, brachten den Baufirmen eine ganz ge- waltige Bereicherung auf Kosten der Steuerzahler. Eine interessante Vorgeschichte hat auch die jetzt wegen Ein- sturzgefahr gesperrte Schloßbrückc in Charlottenburg . Als �>ie Stadt Charlottenburg den Auftrog ausschrieb, stellte sie an seine Ausführung ganz bestimmte Bedingungen. Die Fachleute aber waren schlauer und wollten mehr verdienen. Sie gaben kein Angebot ab, zwangen so die Stadt, die Bedingungen a b z u- ändern, um den geforderten Sonderprofit in die Taschen der be- teiligten Firmen fließen zu lassen. Beim Bau der Kölner Südbrücke über den Rhein wurden so hohe Sondergcwinne in die stark herauf- geschraubten Preise einkalkuliert, daß an die befreundeten Finnen eine Tonncnprämie von 100 M. verteilt werden konnte, insgesmnt etwa 1 Million Mark. Der Verband hatte das Monopol und konnte den Auftraggebern seine Bedingungen diktieren. Zuweilen kam es auch vor, daß private Firmen Opfer dieser Kartellpolitik wurden, wie z. B. die Firma Thyssen im Jahre 1912, als diese eine Eisenlonstruktion ausschrieb und dabei— obendrein an eine ihm be- freundete Firma— den vom Kartell festgesetzten Ueberpreis bezahlen mußte. Selbstverständlich bekamen die übrigen 5 Firmen, an die sich Thysien gewandt hatte, von dem bauausführenden Unternehmen ihre Verzichtpränrie ab.— Bei dem Bau der Hohen- zollern-Brücke in Köln meldeten sich 16 Firmen als Jnter- eisemen, von denen natürlich nur eine verabredungsgemäß den Auf- trag erhielt, und zwar zu einem Preise, der es ihr ermöglichte, aus ihrem überreichen Gewinn an j e d e der 15 Firmen 30 000 Gold- mark Entschädigung zu zahlen! Natürlich nutzte der Verband auch im Krieg sein Monopol weid- sich aus: nach dem Kriege richtete er eine Preisprüfungsstelle ein, von der die Angebote kontrolliert wurden. Seine rigorose Preis- Politik bei Reparationslieferungen hat der deutschen Wirtschaft nachweislich bereits schwer geschadet. Denn ausländische Interessenten konnten nun dafür agitieren, daß die Aufträge nach England und Amerika vergeben werden sollten, weil Deutschland nicht billig genug arbeiten könne! So wurde durch eine kurzsichtige und wucherische Preispolitik die deutsche Wirtschast gegenüber dem Ausland auf das schwerste in Mißkredit ge- bracht. Lehren der karlellpolikik. Diese Art der Kartellpolitik verdient die allerschärfste Zurück- Weisung, weil sie größtenteils auf Kosten der Steue rzahler geht. Dabei nützt sie nicht einmal der Industrie. Es hat sich nämlich gezeigt, daß die Monopolstellung des deutschen Eisenbaus schwere wirtschaftliche Nachteile nicht nur für den Ber- brmicher und Steuerzahler, sondern auch für die Unter- nehmungen selbst gebracht hat, die— frei von jeder Kon- kurrenz— nicht die notwendigen Arbeiten leisteten, um mit dem Fortschreiten der Technik Schritt zu halten. Das hat sich neuerdings bei der Vergebung öffentlicher Aufträge wiederholt ge- zeigt. Den Schaden von dieser verblendeten Prvfitpolitit trägt also die ganze Volkswirtschaft und zu allererst die Arbeiter- schaff, die ihre Beschäftigung verliert, wenn die Aufträge zu teuer werden oder die Industrie mit den Errungenschaften der Technik am Weltmarkt nicht mitkommt und daher auf manchen Auftrag verzichten muß. Daher sollte da» Parlament gerade den Auswüchsen in dem Verdingungswesen sein besonder« Augenmerk zuwenden— hier werden sich in der Tat produktive Ersparnisse erzielen lasien, während die jetzige Verschwendung den breiten Massen in Form von Steuern aufgehalst wird oder gar aus Kosten der notleidenden Beamtenschaft er- folgt, für die dann kein Geld vorhanden ist.
vle ,Lanöba»k' vor öem Konkurs. Die Landbant, ein Unternehmen d« Hugenberg- Konzerns, das sich mit der Parzellierung von Gütern, d. h. mit dem Ankauf größerer Güter und mit ihrer Zerschlagung und dem Weiteroertaus der Parzellen an Siedler befaßt, steht vor dem Zusammenbruch. Die Siedlungstätigkeit d« Unter- nehmen» erfolgt hauptsächlich im Grenzmarkbezirt. Die Schwierigkeiten des Unternehmen» sind einmal aus der all- gemeinen Wirtschaftslage, dann aber auch aus verschiedenen Kreditgeschäften des Vorstandes, die der Aussichtsrat nicht decken zu können glaubt, entstanden. Außerdem hat die Ge- sellschaft erhebliche Balutaschulden noch Holland . Neben Hugenberg, der von dem 60 Millionen Papiermarl detragenden Aktienkapital 35 Millionen Mark besitzt, ist der preußische Staat mit 9 Millionen Mark beteiligt. Er hat dann durch Hergab« billiger Kredite im IiUeresie des Siedlungswesens die Gesellschaft weiter über Wasier geholten, und es sollte nun durch Abtretung eines
Teil« d« Aktienbesitz« von Hugenberg an den Staat über die Neuland-A.-G. eine weitere Finanzierung d« Unternehmens durch den preußischen Staat stattfinden. Diese Finanziening glaubte der Staat nach langen schwierigen Verhandlungen aber nur dann übernehmen zu können, wenn ihm das gesamte nicht in seinen Händen befindliche Aktienkapital gratis abgetreten werden würde. Wegen der schwebenden Verhandlungen war die Generalver- fammlung, die vorgestern, Dienstag, stattfinden sollte, schon einmal vertagt worden, auch gestern fand nach nochmaliger Vertagung die Eröffnung der Versammlung vier Stunden später, nachdem sie angesetzt war, statt. Der Generalversammlung wurde die Goldmarkbilanz vorgelegt, die eine Zusammenlegung des Aktienkapitals im Verhältnis 100: 3 vorsieht. Diese Goldmark- eröffnungsbilanz wurde ebenso wie der Abschluß für 1924 zurück- gezogen, da die Verwaltung der Ansicht ist, daß nach dem Scheitern der Verhandlungen mit dem preußischen Staat nichts anderes übrig bleibt als der Konkurs. Es ist be-
merkenswert, daß in den Statuten der Gesellschaft der folgende Passus enthatten ist:»Die Tätigkeit der Gesellschaft soll einerseits gemeinnützig und auf die Erhallung und Stärkung staatlicher und völkischer Interessen(I) gerichtet sein, andererseits auf der Voraussetzung ausreichender Rentabilität beruhen." Und eine Ge- sellschaft mit dieser Partei- und rassenpolitischen Tendenz beschwert sich darüber, daß die Preuhenregierung ihr die Hilfe versagt. Wenn hier der Staat durch Kauf der Terrains aus der Konkursmass« im Interesse der Siedler eingreisen soll, müssen derartige Tendenzen und die Personen, die sie vertreten, au» dem Gremium der Gesellschaft verschwinden: es wäre ja noch schöner, wenn die preußische Staatsregierung eine völkische Siedlungspropaganda amt- lich mit Geldern der Steuerzahler unterstützen wollte. Außerdem müsien die geschäftlichen Verhältnis!« d« Unter- nehmens völlig klar fein. Eher ist ein Eingreifen d« Staat« nicht möglich. Statistisches Reichsamt gegen Ernährungsmi nisterium Bekanntlich hat das Reichsernährungsmini st«rium seinem Gesetzentwurf über die Wiederbelebung der Reichsgrtreide- stelle zum Zwecke der Stützung des inländischen Roggenpreis« eine Begründung beigegeben, in der behauptet wird, daß der in- ländische Roggenpreis um 2 M. pro Doppelzentner unter dem Preise für A u s l a n d s g g« n läge. Woher das Reichsernährungsministerium zu dieser Angabe gekommen ist, war schon bisher völlig unklar. Inzwischen zeigt sich jedoch, daß diese Angabe vom Statistischen Reichsamt wohl nicht stammen kann: denn in der Außenhandelsstatiftik für den Monat Oktober nimmt das Statistische Reichsamt für den aus Deutschland a u s g e- führten Roggen einen Preis von 16,60 M. pro Doppel- zentner, für den nach Deutschland eingeführten Roggen einen Preis von 16,25 M. pro Doppel- z e n t n e r an. Es muß sich also bei den Angaben des Reichs- ernährungsministeriums um eigentümlich« Erhebungen handeln, wie sie bei diesem Ministerium auch bei anderen Gelegenheiten, z. B. hinsichtlich des deutschen Reisverbrauches wie hinsichtlich der Be- deutung des deutschen Weinbaues, bereits wiederhall vorgekommen sind. Man sollte eigentlich erwarten, daß wenigstens die Reichs- b«Hörden , selbst etwas mehr Vertrauen und etwas mehr Bereitschaft zur Ausammenarbeit gegenüber dem Statistischen Reichsamt zeigen. Die Stahlwarenindustrie zur Frage der Handelsverträge. In ihrem Bericht für den Monat November klagt die Eisen- und Stahl- warenindustrie über die weitere Derschlechterung d« Geschäfts« ganges, durch die die meisten Betriebe gezwungen werden, Betriebs- einschränkungen und Entlassungen vorzunehmen. Zum deutsch - spanischen Handelsvertrag sogt der Bericht: Das Exportgeschäft steht gleichfalls im Zeichen des wetteren Rückganges. Es macht sich unangenehm bemerkbar, daß die Handelsvertragsver- Handlungen mit den verschiedensten Ländern mtt dem Ziele der Ermäßigung der hohen Zölle nur sehr schleppend weiter- geführt werden und insolgedessen Erleichterungen bei der Einfuhr deutscher Waren in diese Länder- noch immer nicht eingetreten sind. Insbesondere ist im vergangenen Monat viel Klage über den Gang der Dinge in den deutsch -spanischen Verhandlungen über ein Handelsabkommen geführt worden. Die Folgen der Kün- digung d« deutsch -spanischen Handelsabkommens sind in ihrem vollen Umfange noch nicht zu übersehen. Es steht aber fest, daß neben den Verlusten aus der Unmöglichkeit, mit spanischen Finnen Geschäfte zu machen, auch V e r l u st e dadurch entstanden sind, daß nunmehr Industrien anderer Staaten sich in Spanien stärker fe st gesetzt haben. Eine Schiffahrlsanleihe in Amerika . Die Hamburg-Amerika- Linie (Hapag ) nimmt in Amerika eine Obligationsanleihe von 6,5 Millionen Dollar, deren Betrag bis auf 10 Millionen Dollar erhöht werden kann, auf. Der Zinssatz der Anleihe beträgt 6H Proz. Der Ertrag der Anleihe soll zur Ergänzung des Schiffs- parks der Hapag dienen. Dorbereilung eine, neuen deulsch-griechlfchen Verlrag». Tie griechische Regierung hat die kürzlich von ihr ausgesprochene Kün- digung deS durch Notenwechsel vom 3. Juli 1924 und vom 15. Mai 1925 abgeschlossenen deutsch -griechischen Handelsabkommens zurück- genommen. Beide Regierungen sind bereit, demnächst inVerhond- lungen über den Abschluß eines endgültigen Handelsvertrags ein- zutreten. Die vorbereitenden Arbeiten sind in beiden Ländern ein« geleitet worden. Präsident Eoolidge zum amerikanischen Farmerprodlem. In einer Ansprache an die Iahreskonferenz de? Vereinigung amerikanischer Farmervertretunge» sagte Präsident Eoolidge, seiner Ueberzeugung nach sei die beste Lösung des Farmer- Problems in Amerika der genossenschaftliche Einkauf und Verkauf unter Beteiligung der Regierung. Das Land- wirtschastsdepartement bereite einen Gesetzentwurf vor, der diese Grundsätze vertrete. Eoolidge wandte sich gegen den Vorschlag, daß die Regierung selbst den An- und Verkauf der landwirtschaftlichen i Produkte übernehmen solle oder von sich aus die Preise festsetzen > solle.
von heut© bis einschließlich Donnerstag, den 17. Dezember
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