Menöavsgabe Nr. 5$3 ♦ 42. Jahrgang Ausgabe B Nr. 2S4
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(lO Pffemig Donnerstag 10, Dezember 1 H25
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Zentralorgan der Sozialdemokratifcben parte! Deutfcblands
Schieles Minijlerpenflon. Berechnnngsmethoden z»tgnnsten eines deutschnationalen Guts- und Fabrikbesitzers.
lieber die Pension des Reichsministers a. D. Schiel« wird jetzt offiziell folgendes mitgeteilt: Minister Schiele hat gemäß Z 35 des Reichsbeamtengesetzes bei seiner Entlassung eine Penston erhalten, weil er sich über zehn Jahre im Dienst befunden hat. Bei der Berechnung der Pensionsberechtigenden Dienstzeit ist noch§ 47 des genannten Gesetzes die Zeit des aktiven Militärdienstes zu der Zivil- dtenstzeit als Minister hinzugerechnet worden. Dabei mußt« weiter beachtet werden, daß nach den Vorschriften der Militärversorgungs- gesetze die Zest des Kriegsdienstes im Kampfgebiet doppelt gerechnet werden muß. Unter Beachtung dieser zwingenden Ge- sctzesvorschriften ergab sich für Schiele eine Gesamtdienstzeft von 70 Jahren, 62 Tagen. Er hatte hiernach auf eine Penston von 33 Proz. des pensionsfähigen Diensteinkommens einen voll begrün- deten, klagbaren Anspruch. Di« Angelegenheit ist in keiner Weise heimlich verhandelt worden. Sie ist genau so erledigt worden, wie olle anderen Fälle der Bersetzung von Beamten in den Ruhestand. Diese offizielle Erklärung ist nichts anderes als der Der- such einer Verschleierung eines skandalösen Vorganges. Herr Schiele ist nur neun Monate Minister gewesen und hat vordem keinerlei Beamteneigenschaft besessen. Die zehn Jahre K2 Tage Dienstzeit konnten ihm nur zusammengerechnet wer- den, indem sein einjähria-freiwilliges Dien st- jähr und einige Monate Waffenübungen in lang verflossenen Friedensjahren mit angerechnet wurden. Daß er sich während des Krieges eine Landwehroffiziersuniform anzog und in der Etappe Dienst verrichtete, wurde ihm zwar dieser Zeit hinreichend vergolten, aber daß die Vaterlande" noch einmal dazu benutzt werden neunmonatige Amtszeit in eine mehr als zehnjährige um- zurechnen, hat er selbst wohl kaum jemals anzunehmen gewagt. Es ergibt sich also die Tatsache, daß die Front- kämpf er. die ibre Gliedmaßen einbüßten. mit B e t t e l g r o s 6, e n abgefunden werden, weil das Vaterland verarmt ist, daß aber der Etappenoffizier Schiele
chon während er.Dienst am ollte, ihm eine
seine gesamte Militärdienstzeit, zum Teil sogar doppelt, anrechnet läßt, um eine Ministerpension herauszu- schlagen! Schiele ist der Führer derselben Partei, die seit Iahren ihr heuchlerisches Geschrei über die Futterkrippenwirtschaft der Sozialdemokratie veranstaltet hat. Man wird sehen, was die Deutschnationalen zu dieser neuesten Pensionierung eines böjährigen Guts- und Fabrikbesitzers zu sagen haben! Der öefthluß üer Volkspartei. Die Reichstagsfraktion der DeutschenVolkspartei gibt über ihre heutigen Verhandlungen folgende Mitteilung heraus:„Nach einem Bericht des Fraktwnsvorsitzenden billigt die Fraktion die von ihren Verhandlungs- führern dem Herrn Reichspräsidenten gegenüber eingenommene Stellungnahme."_ Weihnachtsferien ües Reichstags. Der Aeltestenrat des Reichstags hat heute beschlossen. am 18. Dezember die Verhandlungen des Reichstags zu ver- tagen und sie am 8. oder Ii). Januar wieder aufzunehmen. Bor Weihnachten sollen noch erledigt werden die Cr- werbslosenfürsorge, die Beamtenbesoldung. das Lohnsteuergesetz und die deutsch -russischen Han- delsverträge sowie der Gesetzentwurf über die Ent- lastung des Reichsgerichts. _ Das Enöe ües Staatsgerichtshofs. Entschließung des RechtSausschusses. Im R echt sau sschuß des Reichstags wurde heute vormittag auf Antrag der Bayerischen Bolkspartei eins Ent- schließung angenommen, in der die Regierung aufgefordert wird, einen Gesetzentwurf zurAufhebungdesStaats- gerichtshofes zum Schutz der Republik«inzu- bringen.
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Paris , 10. Dezember. (Eigener Drahtbericht.) Räch einer Meldung aus Madrid ist dort der Führer der spanischen Sozialisten Genosie Pablo Z g l e s t a» Mlllwoch nacht gestorben. Mit Pablo I g l e s i a s scheidet ein Mann aus der spani - scheu Partei und aus der Internationale, der sich um beide außerordentliche Verdienste erworben hat. Im Lande der Inquisition herrscht noch heute in erschreckendem Maße der Analphabetismus: breite Schichten des Balles sind des Lesens und Schreibens unkundig. Die politischen Einrichtungen des Landes schwankten seit Jahrzehnten hin und her zwischen Diktaturzeiten und solchen eines Parlamentarismus, van dem die Klassenpartei der Arbeiter durch Wahlrechtsbeschränkun- gen ausgeschlossen blieb. Die Propaganda für sozialistische Ideen mußte infolgedessen sich erschöpfen in Versammlungen und Schriften, von denen die letzteren ihre Wirkung nicht ausüben konnten, weil die Masse sie nicht zu lesen vermochte, die Versammlungen aber nur in wenigen Industriebezirken möglich und zudem durch Polizeiwillkür in ihrer Wirkung beschränkt waren. Di« spanische Arbeiterbewegung, an deren Aufbau und panischer Durchdringung Iglesias einen hervor- rageirden Antell hatte, wurde zudem seit langem durch die Streitigkeiten gehemmt, die anarchistische Gruppen immer auss Neue entfachten. So war die Pionierarbeit Pablo Iglesias' außerordentlich mühevoll und äußere Erfolge nur sehr schwer zu erringen. Aber die Beharrlichkeit dieses Ar- beiters— Iglesias war Buchdrucker von Beruf— hat doch schließlich die größten Schwierigkeiten überwunden. Er hat die sozialistische Partei ebenso ins Leben gerusen wie den Gewerkschaftsbund. Er war jahrzehntelang Borsitzender beider Gruppen der Arbeiterbewegung. Im Gemeinderat von Madrid tonnte er durch viele Jahre für die Arbeiterklasse wirken. Und im Jahre 1910 eroberte er auch den ersten sozialistischen Sitz in der spanischen Kammer. Seit 1886 war L«lesia2 Redakteur des spanischen Zentralorgans„El Socio- lista". In der Internationale hat Iglesias' Name einen guten Klang. Vielsoch hatte der spanische Parteiführer an den Internationalen Kongressen teilgenommen und sich eine geachtete Stellung errungen. Zum letzten Kongreß in Mar- seille konnte der Sechsundsiebenzigjährjge>— Iglesias war 1849 geboren— nicht mehr persönlich erscheinen. Er sandte aber ein Begrüßunazschreibeu. das unter lebhaftem Beifall des Kongresses verlesen wurde. Der Brief gewinnt heute gewissermaßen als Abschiedsbrief eines treuen Kameraden neue Bedeutung. Wir aeben ihn deshalb in seinem Wortlaut wieder: � Empfanget die herzlichsten und brüderlichen Grüße eines alten Soldaten des Sozialismus, der wegen seines hohen Alter- und feiner Krankheit der h-iligen Sache des Sozialismus nur mehr bescheidene Dienste leisten kann, der ober trotzdem mit größter Aufmerksamkeit und hoher Freud« die dauernden Fortschritt« des Sozialismus verfolgt. Was wird die Welt der Bourgeoisie in wemgen Jahrzehnten
sein? Ein Gespenst, von dem der siegreiche SoziaLsmu« die Well sicher und unwiderruflich befrell haben wird. Ihr alle— ich bin davon überzeugt—, die Ihr die besten Der- treter des Sozialismus seid, Ihr werdet mit all Eurem Dissen, mit all Eurer Hingebung und all Eurer Arbeitsfähigkeit im Dienste unserer Sache arbeiten und uns so der Stund« näherbringen, da die Menschheit die Ketten brechen wird, die sie bedrücken. Es leb« der internationale Sozialismus!" In der sozialistischen Arbeiterbewegung aller Länder wird der Name Pablo Iglesias' als der eines aufrechten Bor - kämpfe rs des Sozialismus und der Internationale im treuen Gedächtnis bleiben. Srientpolitit im Völkerbünde. TaS Ringen um Mosiul: die Türkei bleibt heut« fern. Genf . 10. Dezember. (WTB) Auf der Tagesordnung der heutigen öffentlichen Dormittagssitzung des Böllerbundsrates stehen an erster Stelle die Beschwerden wegen der Grenzverletzung der Türtei im Irak . Ge- ne-cu Leidener berichtete dem Rat über da» Ergebnis seiner Unter- suchungen, die er in den letzten Monaten an der Brüsseler Linie anstellte. Vor Eintritt in die Tagesordnung oerlas der Dolmetscher«inen von dem türkischen Außenminister Tewfik Ruchdi B e y unterzeichneten Brief, worin dieser unter Aufrecht- erhaltung der türkischen Auffassung, daß der Rat keine endgültige Entscheidung fällen könne, und unter A n- fechtung der Abstimmung des Dölkerbundsrotes bei der Annahme des Haager Gutachtens, das entsprechend Artikel 3 des Bölterbundspaktes einstimmig hätte angenommen werden müsten. fein Bedauern ausspricht, der gestern abend an die türkische Delegation ergangenen Einladung zur Teilnahm« an der heutigen Bormittagssitzung nicht folgen zu können. Der Vorsitzende Seialoja erklärte darauf, daß der Völkerbunds- rat trotzdem den Bericht des Generals Leidener entgegen- nehmen könne, worauf Leidener sofort mit der Verlesung seine« Berichts begann, der im wesenllicheii die Beschwerden der englischen Regierung wegen der Grenzverletzung durch die Türkei und wegen Vertreibung der dortigen Bevölkerung b e- st ä t i g t. Der Rat nahm d« b a t t« l o s von dem Bericht Kennt- n i s und trat dann in den Rest der Tagesordnung der heutigen Vor- mittagssitzung ein Vis jetzt keine Abrüsiungseinladung a» Teutschland. Eine Einladung an Deutschland , an den vorarbeiten der Ab- rüftungskonfcrenz teilzunehmen, ist noch nicht erfolgt. Es ist zwar richtig, daß die vorbereitende Kommission dem Völlerbundsrat vorschlug, die NichtMitglieder des Völlerbunde» — Deutschland , Ruhland und die Vereinigten Staaten — in der Änkunft hinzuzuziehen. Bis jetzt aber hat der Rat weder iiber diesen noch über andere Vorschläge der Dorbereitungs- kommission verhandelt. Erst wenn der Rat sich über sie schlüsiig geworden ist, kann die Einladung an Deutschland erfolgen.
Wege zur Steuerermäßigung. Sparpolitik als Deckmantel reaktionärer'Absichten. Es gibt keine volkstümlichere Forderung als die nach der Ermäßigung der Steuern. Von allen Kreisen des Volkes wird die gegenwärtige Steuerlast als überaus drückend empfunden. Bei allen ist deshalb der Wunsch vorhanden, die Steuerlast zu senken. Eine besondere Rolle bei diesen Forde- rungen spiest die Tatsache, daß das Reich im Jahre 1924 einen eichärtichen Ueberschuß erzielte, daß im«rstsn Halbjahr 1925 die Steuern wiederum höhere Erträge brachten als ange- nommen wurde, und daß angeblich in den Ländern und Gemeinden immer noch verschwenderisch gewirtschostet lverde. Die große Parole des Tages lautet deshalb: Sparen! Dieses Ziel hat sogar zur Bildung besonderer Körper- schaften geführt, die Weg« zur Sparpolitit weisen wollen und die Hindernisie zu beseitigen trachten, die dabei von der Bureaukratie und dem Parlament drohen. Eine solche Körper- schaft ist das„KuratoriumfürSpar-undBerein- fochungsmaßnahmen", dem neben führenden bürger- lichen Politikern und Wirtscha'tlern auch höhere Beamte an- gehören. Man hätte keine Veranlassung, sich mit diesem Kuratorium zu beschäftigen, dessen Tendenzen durch seinen Leiter, den Führer des Reichsblocks, Herrn L ö b e l l, deutlich angezeigt werden, wenn nicht seine erste Veröffentlichung zwingende Veranlassung gebe. Zumal diese Veröffentlichung mit Mitteln, deren Herkunft öffentlich nicht bekannt ist, in allen Kreisen stark verbreitet wird. „Wege zur Steuerermäßigung", so betitelt der Privat- dozent Dr. Friedrich Raab diese erste Schrift, zu der der Staatsminister a. D. S a e m i s ch ein Vorwort geschrieben hat. Die hohen Erwartungen, die der Titel der Schrift erweckt, wer- den in keiner Weise erfüllt. Ihr sachlicher InHall ist überaus dürstig, die tatsächlichen Angaben zum größten Teil falsch oder abwegig. Das Ganze erscheint daher als ein V e r s u ch d« r Unternehmer, unter dem Schlagwort der Sparpolitik nicht nur eine nochmalige Ermäßigung der Besitz- st e u e r n durchzusetzen, sondern auch noch weiteren Einfluß auf die Gestaltung der Staatstätigkeit zu erlangen. Um ia kennzeichnender istdieInhaltslosigkeitderSchrist. Denn der Verfasser, der sich meistens auf andere Schriften be- zieht, weiß zur eigentlichen Sparpolitik nichts anderes vor- zuschlagen als eine Erwesterung der Befugnisse des Spar- tommissars! Es ist daher wenig rühmlich für Herrn Saemisch, daß er für diese einseitige und oberflächliche Ar- beit ein Vorwort geschrieben hat, in dem er den„unpartei- sschen Boden objektiver Würdigung und Schlußfolgerung" des Berfassers rühmt. Wie wenig objektiv und unparteiisch die Darstellung ist, sei an einigen Beispielen kurz erläutert. Der Verfasser unter- sucht zunächst die Frag«, warum gespart werden muß. Die Notwendigkeit sparsamen Wirtschaftens der öffent- lichen Körverschaften wird zweifellos von allen Politikern und Wirtschaftleni unbedingt anerkannt. Jedermann weiß, daß Deutschland in seiner gegenwärtigen Lage keinerlei Ausgaben machen darf, die volkswirtschaftlich unberechtgt oder unzweckmäßig sind. Meinungsverschiedenheiten aber wird es jedoch Sets darüber geben. anwelcherStelle und i n w e l ch e in m fa n g man sparen kann und m u ß. Für die Unternehmer freilich ist das kein Problem. Sie erklären einfach, man dürfe keine höheren Steuern erhaben als im Frieden, denn die deutsche Wirtschaft könne sie nicht tragen. Deshalb müßten die sozialen Aufwendungen abgebaut werden und auch die übrigen Ausgaben des Reickis, d«r Länder und der Gemeinden so gekürzt werden, daß sie nicht über den Friedensstond hinausragen. Daß das zwar leicht gesagt, aber schwer getan ist, scheint aber selbst unser hervor- ragender Privatdozent zu erkennen. Ebenso eifrig wie ein Unternchmersyndikus alias Meissinger betont er Mar'in- entwegt: Abbau der Ausgaben. Aber wie dos in dem Mil- liardenausmaß geschehen soll, das seine hohen Austraggeber verlangen, bleibt sein Busengeheimnis. Aber auch sonst hat sich Raab alle abgegriffenen Unter- nehinerargumente kritiklos zu«igen gemacht. Als p r i v o r wirtschaftlichen Grund für das Sparen-acht er geltend, die Wirtschast könne ohne Minderung her Steuerlasten nicht mehr bestehen. Prüfen wir dieses Argument, so ist zu- nächst sestzustellen. daß Herr Raab überhaupt nicht erwähnt, daß die Steuerlosten des Großbesitzes von 1324 auf 1925 um mindestens ein Drittel, teilweise sogar darüber hinaus bereits
ermäßigt sind. Bei Erwähnung des Steuerüberschusses des Jahres 1324 wird ferner verschwiegen, dag er zum allergrößten Teil aus den Massen st euer n erzielt wurde, mährend die Besitzsteuern nur geringe Mehrbeträge lieferten. Schließlich wird erwähnt, daß eine Umstoge bei Aktiengesellschaften er- geben habe,„daß die Belastung der einzelnen Unternehmungen mst Steuern vielfach selbst die ungünstigste Vermutung noch übersteigt". Zahle n m äßige Beweise werden ober für diese Behauptung n i ch t geliefert, können wohl auch kaum geliefert werden, da überall zwar die abgewälzte Umsatzsteuer mitgerechnet wurde, die Höhe des Umsatzes und des Gesamt- gewinns aber verschwiegen wird. Und das nennt man„Ob- jettivität". Den volkswirtschaftlichen Grund für eine Sparpolitit sieht Raab in der Verwendung eines ,zu erheb- lichen Anteils des Ertrages des Volkseinkommens für öffent- liche Zwecke. Cr behauptet, daß die Belastung der Wirtschaft für öffentliche Zwecke auf das B i e r f a ch e gestiegen sei, und zwar von 11 Proz. auf 43 Proz. Das ist natürlich blanker Unsinn. Ernsthafte Menschen hüten sich vor solchen gewissen-