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Nr. 584 42.�ahrgaag

1. Heilage ües Vorwärts

§reitag, 11. dezember 1�55

Die Notstandsvorlage vor sen Stadtverordneten. Politik in den Fachschulen. Die Unfälle in Badeanstalten«

Die Berliner Stadtverordnetenversammlung hatte gestern die erste Beratung der Magistratsvorlage über die �ilssaktion für Erwerbslose und Notleidende. Alle Parteien verzichteten darauf, in eine Debatte einzutreten. Ucber die Notwendigkeit einer Hilfsaktion ist ja kein Wort mehr zu ver- lieren, nur über das Maß der zu leistenden Hilfe kann noch geredet werden. Das wird in dem Haushaltsausfchuß geschehen, dem die Vorlage überwiesen wurde. Im weiteren Verlaufe ver Sitzung kam es zu einer Debatte über die in Fachschulen betrie- bene Agitation für rechts st ehende Angestelltem- verbände. Die gegen diesen Unfug sich richtende Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion wurde vom Genossen Flalau begrün- dct, dessen Ausführungen Stadtrat B e n e ck e vergeblich zu entkräften versuchte. Nachher gab es eine lange Debatte über die Unfälle in Badeanft alten. Daß die Wiederholung solcher traurigen Vorkommnlsie verhütet werden muh, darüber waren alle Parteien einig. Genosse Elajus forderte nicht nur Beseitigung der Mängel, sondern empsahl zugleich auch eine bessere Zusamnienfasiung des gesamten Bodewesens. « Die gestrige StadKerordnetcnsitzung wurde vom Borsteher Ge- nassen Höh gegen%6 Uhr eröffnet. Ohne Debatte wurde der An. trag der sozialdemokratischen Fraktion angenommen, der verlangt, dah Arbeiten der Feuerwehrleute, die nicht zu ihrem Beruf gehören, von Berufshandwerkern(Erwerbs. losen) ausgeführt werden sollen. Der Dringlichkeitsantrag der SPD . zu der Frage der hohenzollernabfindung (Vorwärb' vom Mittwoch früh) fand den Widerspruch der Rechten, so daß erst in der nächsten Sitzung über ihn verhandelt werden kann. Ebenso erging es einem Dringlichkeitsantrag der Wirtschaftspartei. Er verlangte schnellere Beseitigung der Schneemassen in den Straßen. Unsere Genossen hatten dazu den Zusatz beantragt, die Schneeabsuhr sofort wieder aufzunehmen und in erster Linie unteiftutzungsberechtigte und aus­gesteuerte Erwerbslose zu Tariflöhnen heranzuziehen. Der Magistrat hatte, dem srüheren Beichluß der Bersammlung folgend, eine grvße Vorlage betreffend Tlofslaadsmahnahmen zur Linderung der Tlot der Erwerbslosen eingebracht. Ohne Widerspruch und Aussprache wurde die Vorlage, deren Inhalt im.Vorwärts" bereits mitgeteilt ist. an den Haus- haltsausschuh verwiesen. Der die Brückensperre in Char- lottenburg betreffende Antrag der Kommunisten und unserer Genossen kann wegen Widerspruch der Nechtsparteicn noch nicht ver- handelt werden. Eine Anfrage unserer Genossen, be- treffend die durch Lehrpersonen in den Berufsschulen betriebene Propaganda für gewisse Angestelltenverbände, begründete Genosie Flalau. Er stellte fest, daß zur Zeil des Stodtschulrats Genossen Paulsen die unberechtigte Agitation der Lehrpersonen untersagt wer- den war. Jetzt ist diese Propaganda wieder aufgelebt, ja in K ö p e- nick ist Agitationsrnoteriol des D e u tf ch n a t i on a- len Handlungsgehilfenverbandees sogar offiziell von der Schul Verwaltung verteilt worden. Stadtrat Bcnscke erklärte, daß das beanstandete Material nur als.A n s ch a u- u n g s m a t e r i a l"(!) gedient habe. Er gab aber im übrigen die Unzulässigkest der Propaganda zu. In Köpenick sind Agitations- ichriston.bürgerlicher" Angestelltenverbände von Privatpersonen in die Schule gebracht worden, der verteilende Lehrer habe aber die Schüler auch auf die anderen Verbände aufmerksam gemacht und die Entscheidung den Schülern überlassen. Ein kommunistischer Redner kündigte für die Zukunft eine umfangreiche Agitation.für den Gedanken des Klassenkampfes" in den Berussschulen an. Der völkische Professor Denicke und Obermeister Paeth(Dnat.) poleini. sierten gegen Lange und Flatou. Nach weiteren Ausführungen der Stadtv.(Boß(Komm.) und Merten(Dem.) bestritt Genosse Flalau, dah in der betreffenden Schule auch auf aizdere Organisationen auf- merksam gemacht wurde. Eine Vorlage, die die Einschrän» kung der Wiederbesetzung f r« i w e rd e n d e r Plan-

stellen verlangt, wurde dem Beamtenaussch' überwiesen. An den Sreuerausschuß ging der 6. Nachtrag zur Bier- und Branntweinsteuer. Die Gültigkeit der Stadtverordnete, r- und Bezirksverordnetenwahlen wurde bestätigt. Für die E r r i ch- tung einer Arbeiterkolonie auf dem städtischen Ribbckshorst wurden als 1. Bauratc löst 000 M. bewilligt. Mit'großer Mehrheit beschloß die Versammlung die E r r i ch. tung einer Gemeinnützigen Gesellschaft m. b. H. zur Uebernahmevon Betrieb und Verwaltung' des Schwimmbades im Volkspark Zungfern Heide. Sellheim von den Kommunisten witterte hinter der vorlag«, daß die Badeanlagen der großen Masse der Bevölkerung durch zu hohe Ein- trillspreise, eine nicht volkstümliche Verwaltung usw. entfremdet werden sollen. Die Erhaltung dieser und ähnlicher städtischer An- lagenin städtischem Besitz" sei im Interesse der Bevölkerung drin- gend nötig. Genosse kawerau erwiderte dem Vorredner, daß von einer Entfremdung städtischen Eigentums gar keine Rede sein könne, da der allergrößte Teil der Anteile der Gesellschaft in Händen der Stadt verbleiben solle. Im übrigen solle Sellheim nicht bei so einfachen Angelegenheiten seine agita. torischen Bedürfnisse befriedigen. Die Sozialdemo traten seien für die Vorlage. Der streit um die Neuköllner Groß Handelsgesellschaft wurde gestern dadurch beendet, daß die Versammlung dem Ausschußantrage zustimmte, durch den in- zwischen erfolgten Verkauf der Anteile der Gesellschaft die Ange- legcnheit als erledigt zu betrachten. Die Unfälle in den städtischen Badeanstalten hatten eine ganze Reihe von Fragen verschiedener Fraktionen, auch der sozialdemokratischen, veranlaßt. Der Ausschuß sprach sich sür eine Reihe Sicherungsmaßnahmen aus, die schon im»vor- wärts" veröffentlicht wurden. 2n der Besprechung forderte der Kommunist Sellheim. über die Ausschußsitzung hinausgehend, eine tägliche Erneuerung des Wassers und eine damit verbundene Des- infeftion der Becken. Stadtmedizinalrat Dr. von Drigalski betonte, daß mit absoluter Sicherheit keine Gewähr sür eine Verblltung von Badeunsällen geboten werden könne. Es lei aber jetzt scyon alles geschehen, um die Unfälle möglichst zu vermeiden. Das Personal solle im Rettungsschwimmen ausgebildet werden. Im übrigen sei Sparsamkeit dringend geboten, wenn man neue Badeanstalten bauen wolle. Die Chlorung des Badewassers sei sogar im reichen Amerika eingeführt worden, habe sich dort bewährt und ist hier übernommen worden. Stadtv. Dr. klinckhardt ver- langte namens der Volkspartei und der Demokraten, daß die Becken wie vor dem Kriege mit frischem'Wasser gefüllt werden sollen. keine genügende Kontrolle ausgeübt werden könne. Unsere Bade- ningsbedllrftig in den Badeanstalten. Auffällig bei einigen Unfällen sei, daß sie nicht bemerkt wurden. Man müsse den S p o r m a ß- nahmen des Magistrats viel Schuld beimessen und ver- langen, dah die Sicherheit der Badenden in erster Linie maßgebend sei. Unzweifelhaft sei das Personal ü b e r l a st e t, so daß Für unsere Fraktion sprach Genosse Clajus: Es fei vieles verbesse- anstalten sind zum größten Teil verbaut, Luft und Licht fehlen. Im Hallenbad des Bezirks Friedrichs Hain werde das Wasser schon jetzt wieder täglich erneuert: was dort durchgeführt ist. müsse auch in den anderen Bädern möglich sein. Der Redner ver- warf die Reinigung de» Badewossers mittel» Chlor und schloß sich den Forderungen Sellheims und Klinckhardts an. Die ver- waltung des Badewesens müsse zentralisiert werden, um zu verhüten, dah verschiedene Verwaltungsstellen gegensätzliche Anordnungen treffen. In der Abstimmung wurden die Ausschußontröge gutgeheißen und dazu die Anträge Sellheim und Klinckhardt mit Mehrheit angenommen.

Mederbestellungen auf amerikanische Zeifnngen bei der Post. Die Postanstalten nehmen fortan erstmalig für da» 1. Vierteljahr 192« Wiederbe st ellun gen auf amerikanische Zeitungen entgegen. Die Vermittlung de» Bezug» durch die Post beschränkt sich einstweilen auf die in den Vereinigten Staaten vonRordamerika erscheinenden Zeitungen.

Das post-Nlonopo!. Eine klage gegen den Berliner Magistrat. Oberbürgermeister B ö ß und Stadtrat Wege hatten sich vor einer Abteilung des Erweiterten Schöffengerichts Mitte unter Vorsitz des Landgerichtsdirektors Dr. Jasper als Angeklagte wegen Verstoßes gegen das Postregal zu verantworten. Schon im Sommer hatte Hauptverhandlung in dieser Sache angestanden, es war aber damals zu einer Vertagung gekommen, weil das Gericht beschloß, Ermittelungen über den inneren Dienstbetrieb beim Berliner Magistrat und bei den in Frage kommenden Verwaltungs- stellen anzustellen. Es handest sich um eine prinzipielle Entscheidung. Die Postbehörde, die als Nebenklägerin austritt, hat die Einrichtung der chauptverteilungsstelle der Generalbureaus bemängelt, weil diese Bri ef s ch a f t en' d u rch eigene Aktenwagen. Boten und Radfahrer im Verkehr mit den Bezirksämtern, Deputationen und Verwaltungsstellen befördert. Sie hält einen derartigen Verkehr für unziilässig, weil es sich um selbständige Behörden, und bei den Bezirksämtern um selbständige Städte handele. Eine Entscheidung des Reichsgerichts gegen die Stadt Mainz die einen eigenen Briefverkehr zwischen dem Magistrat und dem Polizeiamt unterhält, hatte in dem Polizeiamt eine selb- ständige Verwaltung erblickt. Das will die Postbehörde nun auch auf die verschiedenen Einrichtungen innerhalb der Gemeinde Groß- Berlin anwenden. Oberbürgermeister B ö ß war vom persönlichen Erscheinen wegen Amtsüberhäusung entbunden. Stadtrat Wege bestritt die Richtigkeit des Standpunktes der Postbehörde und der Staatsanwaltschaft. Di« Bezirksämter, Deputationen und Ver- waltungsstellen seien TeilederEinheitsgemeindeGroß- Berlin . Stadtoberinspckwr Herbst bekundete, gemischtwirtschaft­liche Betriebe seien von der Briefbesörderung im inneren Verkehr ausgeschlossen, da es sich hier um Gesellschaften m. b. H. handele. Sladtsyndikus Lange erklärte, die Deputationen seien gebunden an die Richtlinien des Magistrats und feien nicht in der Lage, eigene Staatsrechte auszuüben. Der rechtliche Charakter der Bezirks- ä m t e r gehe aus Z 85 des Gemeindegesetzes hervor, wonach sie materielle Organe des Magistrats seien. Auch die Bezirks» ämter seien Behörden, aber keine selbständigen Be- Hörden. Das ergebe sich schon daraus, dah sie keine Finanzhoheit haben und ihr Haushalt von den Beschlüssen des Magistrats ab- hängig sei.- Aehnliche Auskünfte geben Stadtrat Wege über die Eeuersozietät, Stadttat Dr. Richter über das Hauptwahlamt und bermagistratsrat C o l l a tz über das Versicherungsamt. Nachdem noch Stadtsyndikus Lange den Standvunkt vertreten hatte, daß es sich bei den in Betracht kommenden Stellen nicht um selbständige Verwaltungsbehörden handele, erklärte Staatsanwalt- schaftsrat N u t h m a n n, daß die B e-z I r k s S m t e r. das Kauf- manns- und Gewerbegericht, das Versicherungs- amt, die Betriebskrankenkasse und das Landes- arbeitsam! doch als selbständige Aemter'zu betrachten seien. Alle anderen Dienststellen seien dagegen verwaltungstechnische Einrichtungen der Stadtgemeinde. Das treffe auch bei dem städtischen Besitz Buch zu. An sich wäre es zulässig, innerhalb eines Ortes durch Expreßboten Sammelbriefe zu befördern. Dos Gesetz mache aber eine Ausnahme, wenn es durch eine besondere Beförde- rungsanstast geschehe. D i e D e r t e i l u n g s st e l l e der Stadt, die schon dem äußeren Eindruck nach wie ein großes Postamt wirke, sei als eine Beförderungsanstalt zu betrachten. Eine Gewerbs- Mäßigkeit werde nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht vorausgesetzt, sondern nur die Beförderung durch Erpreßboten gelte al» verboten. Bei der Festsetzung des Strafmaßes lasse sich nicht ermitteln, wieviel Postsachen hinterzogen worden seien. Es handele sich für die Postbehörde auch nur darum, prinzipiell die Gesetzwidrigkeit des Vorgehens der Stadt Berlin sestzuftellen. Der Prozeß kling« ja auch mehr an ein Verwaltungs st reit- verfahren, als an ein Strafverfahren an. Deshalb wollte der Staatsanwalt nur die niedrigste Strafe, und zwar, da zwei selb- ständige fortgesetzte Handlungen in Frage kommen, für jeden Fall eine Strafe von S M. festgesetzt sehen. Er beantragte daher gegen Oberbürgermeister Böß und Stadtrat Wege eine Gesamtstrafe von je 6 M. zu verhängen. Nachdem Rechtsanwalt Dr. Fabian den Ausführungen des Staatsanwaltes entgegengetreten war, beraumte Landgerichtsdirektor Jasper den Termin für die' Verkündung de» Urteils auf nächsten Montag 12 Uhr mittags an.

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Die Passion. Roman von Clara Biebig.

Erinnerst du dich noch du warst noch bei Wil- kowskis, wie wir eines Sonntags, als es fo regnete, und wir nicht wußten, wohin, dem Fräulein mit dem rotseidenen Unterrock begegneten? fragte sie Eva. Bei der wir nachher Kaffee tranken, o ja,* sagte Eva. Sie hatte ein gutes Gedächtnis, es bedurfte nur dieses An- stoßcs, und sie erinnerte sich.ganz genau.Ich kriegte viel Kuchen Und sie zog mir die Schuhe aus und rieb mir die Füße warm. Sie war so lieb zu mir. Wer war das eigentlich?" Eine Freundin von mir. Eine.Freundin von früher her." Aber eine sehr gute Freundin, nicht wahr? Ja" sagte Olga. Weiter nichts. Wer würde so gut zu Eva sein, wie Lenchen es damals zu dem verregneten Kinde gewesen war, wenn sie plötzlich fort müßte?! Olga beschloff, sich dem Bruder wieder mehr zu nähern. Sie war lange nicht bei den Wilkowskis gewesen, es war nur noch ein ganz stzckerer Zusammenhalt; in den zwei Jahren seit ihrer Hochzeit hatte man sich kaum gesehen. ging Olga an einem der nächsten Abende hin, gleich vom Geschäft aus. Sic traf den Bruder allein zu Hause, das war ihr gerade erwünscht. Sie war erstaunt, als sie ihn sah: der stattliche Mann hatte recht abgenommen. Und er war ebenso erstaunt: jetzt sah man es der Olga aber gut an, daß sie auf die Vierzig lossteuerte, bei ihrer Hochzeit hätte ihr kein Mensch mehr alz knapp Dreißig gegeben. Stefan suchte im Blick der Schwester: war sie nicht glück- lich geworden? Das sollte ihm leid sein, wenn seine Frau wieder einmal recht behielte. Die hatte diesem ungleichen Paar kein besonderes Glück prophezeit. Gerade im Gegensatz zu Grete, die. jung und hübsch, den jungen hübschen Mann heiratete, nicht. Aber da war ja nun auch nuyl alles so schön, wie es sich angelassen hatte. Wo ist Ella denn?" fragte Olga.....,., Bei ihrer Tochter, bei Grete. Da ist sie sehr viel, fast tägllch. Du mußt nämlich wissen" er dämpfte die Stimme. damit Irma, die, genau wie früher Gretchen. im Nebenzimmer am Klavier klimperte, nichts hören sollte.Grete hat schon einmal Melheur gehabt. Nun ist sie wieder so weit, dah sie erwartet aber wer weiß!" Er zog'die Achseln.Der Arzt sagt: es liegt nicht an ihr."

Oh!" machte Olga. Sie fragte nicht weiter. Aber Plötz» { Ich stand Frau Lehmanns muffige» Hinterzimmer vor ihr, , sie hörte Lenchens ringende Seufzer sollte es denn überall dasselbe geben, hier wie dort? In diesen Kreisen wie in jenen? Das Blut schoß ihr zu Kopf wie kam sie nur immer wieder auf solch dumme, verdächtigende Gedanken? War denn die ganze Welt dieses großen Unheils voll? Stefan," jagte sie und faßte nach seiner Hand,.chu . hast Kinder, die du liebst, ich habe Eva. Ich mache mir oft so viele Gedanken, sie quälen mich nicht wahr, du �wirst dich um Eva kümmern, wenn ich das nicht mehr könnte?" «Wieso, weswegen?" Er sah sie groß an, er verstand sie gar nicht. Was war denn, hatte sie sich mit ihrem Mann entzweit, wollten sie wieder auseinander? Das wäre aber! Aergerlich runzelte er die Stirn. Aber wenn sie nichts davon sagte, würde er sich wohl hüten, daran zu rühren. Was ging ihn das eigentlich an? Hatte er nicht genug zu tun mit eige- nen Kümmernissen? Seine Frau wurde immer unaussteh- sicher: seit Grete kränkelte, und sie da wohl tlarör sah als die junge Frau selber, war es mit Ella kaum mehr auszu- kommen. Irma hatte auch keine guten Tage, wenn die fertig war mit der Handelsschule, wollte sie am liebsten ganz fort aus dem Hause; zu verdenken war es ihr nicht. Der Albert konnte lachen: der war schon seine eigenen Wege gegangen. war gut angekommen als Buchhandlungsgehilfe in einer großen Firma, wohnte schon seit vorigem Jahr für sich. Der hatte es gut! Stefan Wilkowski seufzte. Das Leben ist so schwer," sagte Olga leise.Mancher ist ihm besser gewachsen als mancher Eva ist so zart!" Nun waren sie allein, sie und der Bruder, nun hätte sie mit ihm, der ihr blutsverwandt war, der schon der Mutter wegen, deren Schoß sie beide getragen, verpflichtet war, sich um das, was sie anging, auch zu bekümmern, frei sprechen können, alles offenbaren, ihre Aengste vor ihm ausschütten wie Wasser, das sich angesammelt hat von trüben Regengüssen. Aber sie konnte es nicht. Wenn er sie doch von selber fragen mochte, sie aushorchen! Sie wartete sehnsüchtig. Aber er fragte nichts. Eva ist so zart," Hub sie noch einmal an. So. Ja. Das war sie ja immer." Es verwunderte ihn gar nicht: von einem Kind, das unter so kläglichen Umständen geboren war, war ja auch nichts besonders Kräftiges zu er- warten.Solche Kinder wären am bellen gleich aufgehoben beim lieben Gott," sagte Ella.Was willst du sie denn werden lassen'? Wie alt ist sie doch gleich?" Sie wird vierzehn." antwortete sie tonlos. Es war ihr schmerzlich: nicht einmal wie alt Eva war, wußte er!

�Hat sie besondere Talente?" «Nein." «Zu besonders was Lust?" Nein." Da weiß ich wahrhaftig auch nicht, was du mit ihr machen sollst. Aber laß sie doch den Haushalt führen!" Wil- kowski fand das einen sehr guten Gedanken, er versteifte sich darauf.Du bist den ganzen Tag weg, sie kann kochen, sauber machen, alles für deinen Mann in Ordnung halten, da ist trefflich für sie ausgesorgt." ,La," sagte sie kurz: der Mund war ihr wie zugehalten. Na, siehst du wohl!" Er lachte erfreut. Und dann nahmen sie. bald Abschied voneinander. Er rief Irma noch herein, daß sie die Tante einmal begrüßte. Olga staunte: ein hübsches Mädchen, so groß und kräftig, drei Evas hätte man aus ihr machen können! Mit einem Seufzer ging Olga. Sie hatte so das Bedürfnis gehabt, sich einmal alles von der Seele zu reden: nun lächelt? fn bitter: wie hatte sie nur denken können, hier ein Ohr und ein Herz zu finden! Aber, schon unten an der Treppe, kehrte sie doch noch einmal um, ging nicht, nein, lief die vielen Stufen aber- mals hinauf und läutete nochmals an. Wilkowski öffnete spallbreit: da streckte sie ihre ganz kalt gewordene Hand durch die Spalte:Stefan, versprich es mir, du sorgst für Eva, wenn ich nicht mehr bin!" Natürlich," stotterte er. Cr war ganz erschrocken: wie komisch von Olga! Ehe er noch weiter etwas sagen konnte, war sie schon wieder hinuntergelaufen. Eva sah der Mutter nach den Augen.'Sie merkte es sehr wohl, daß nicht alles so war, wie es sein sollte und wie die Mutter es erträumt hatte. Das war für sie keine Usber- raschung. Nun hätte sie ja triumphieren können, daß sie recht behalten hatte, aber von Rechthaberei war dieses Mal nichts in ihr. nur von Zorn gegen den Mang, zu dem sie nie- mals Bater sagen würde. Sie verstand in der Mutter Gesicht zu lesen: mit einer merkwürdigen Schärfe, mit einer l'r kenntnis, die sie alt machte ttotz ihrer vierzehn Jahre, sah' sie stumm in diese Ehe hinein, die nicht gut war und nul,t schlecht, die gar nichts war. Mutter," sagte Eva nur,ich will nie heiraten, ich will immer bei dir bleiben!" Dann umschlang Olga ihre Eva mit beiden Armen, legte ihr Gesicht, um die aussteigenden Tränen zu verbergen, an die noch flache Mädchenbrust und atmete tief und bang. (Fortsetzung folgt.),