Freitag
11. Dezember 1925
Unterhaltung und Wissen
Der andere Noah.
Bon Wilhelm Schäfer.
Manchmal gefällt es dem Schicksal, den Tag zu erschüttern, der mit dem Stundenschlag seiner allgütigen Ordnung über dem Menschenvolt steht; dann kommt der Unrat zutage, der sonst in Berborgenheit bliebe. So mar es damals in Brandenburg , als der Sterndeuter Stöffler die Absicht des Himmels erkannt hatte, im Februar des Jahres eintausendfünfhundertvierundzwanzig das Menschenvolt mit einer Sintflut zum andernmal zu vertilgen. Der rote Mars, der gelbe Saturn und der weiße Jupiter famen im Zeichen der Fische zusammen: da mußten die Brunnen der Liefe aufbrechen und alle Schleusen des Himmels ihr Wasser ablassen, die fündige Erde mit ihrer Kreatur, Menschen und Vieh und die Tiere des Waldes, Bäume und Felderfrucht zum andernmal zu erfäufen.
Als die böse Kunde vom Turm des Sternbeuters herab in die Bürgerschaft tam und war fein schlechtes Gerücht, sondern die 23 ssenschaft hatte das Jahr und den Monat, ja den Tag und die Stunde mit ihren geheimen Künften errechnet, ging der Schrecken durch alle Türen hinein, alle Treppen hinauf und vergaß teine Rammer. Und medte die Furcht des jüngsten Gerichts in den Herzen; aber feiner mußte, daß es schon da war in seiner Scheidung: Die Gottlosen dachten, mas hilft den Gerechten nun ihre Tugend? Sie müssen erfaufen wie wir! Und fingen in Eile an, das ihre zu tun: Die Schelme standen am Markt, die Dummen zu prellen, und die Räuber fielen die Kaufleute an; die Roßdlebe hatten schon lange nicht mehr so scharf nach den Ställen gesehen, und die in Unfeusch heit lebten, fühlten die Wolluft der legten Umschlingung in jeder Frau, die sie fanden; die Geiz gen liehen ihr Geld nicht mehr aus, und die noch Gläubiger hatten, schrieben die Schuld in die Sintflut; die ein Haus bauten, ließen dem Regen das leere Gebält stehn, und die in der Lehre waren, liefen davon in dem Müßiggang ihrer Meister.
Das Bauernvolf aber, als das Gerücht aus den Stadttoren über fie tam, mollte den Fronherren nicht länger das faure Tag, mert tun: Was sollen wir actern und säen, was sollen wir mit dem Karst im nassen Feld stehen, da feiner mehr da ist. die Ernte von uns zu verlangen, und niemand uns stäupen fann, wenn sie alle mit uns ersäuft werden, die uns jetzt quälen, die Junker und Bürger und Mönche? Wir wollen auch einmal mie sie den faulen Tag haben!
Nur die Frommen dachten mit Buße und Fasten, mit Meßopfern und Bittgängen der Sintflut noch zu entgehen. Tag und Nacht brannten die Kerzen, und die vergessensten Heiligen hielten Erntezeit ab; auch zogen die Fahnen der Prozessionen durchs Land, als ob noch einmal die schwarze Peft und Geißlerzeit wäre.
Die Reichen jedoch, die Ratsherren und Junter und mancher Abt auch, fie dachten: was hilft uns der Wahn, wenn wir uns felber nicht helfen? Hat nicht Noah flüger getan? Und suchten heimliche Orte, da ihre Arche zu bauen, so daß der seltsamen Rähne bald mehr auf dem Land standen, als Schiffe auf den Flüssen.
Als bann aber der böse Februar fam, trafen sich Jupiter, Mars und Saturn wohl im Zeichen der Fische, aber der Himmel blieb frosttlar jeden Tag, die Sterne funkeln zu lassen, und der Schnee über den Schollen welfte dahin. Bis endlich das Eis in den Seen barst und ein Regen zu rinnen begann; aber er medie mur das Grün in den Wiesen, fieß die Schlüsselblumen am Bach und die Anemonen im Wald blühen; und wurde ein Frühling in Brandenburg wie feiner feit langem, als ob der Himmel mit gna. digem Blau und selig segelnden Wolfen die Furcht und Torheit der Menschen gütig deden wollte.
Da mochten der Frommen manche wähnen, daß ihre Bittgänge und Meßopfer doch nicht vergebens gewesen wären. Die aber vor. gesorgt hatten, die Räuber, Roßdiebe und Schelme, hatten das ihre Gleichwohl dahin. Nur die Lehrlinge mußten zurüd in die Zucht ihrer Meister, und die ihre Schulden verpraßt hatten, fingen mit Seufzen an, von neuem die Groschen zu sparen; auch wurden die Häuser fertig gebaut: aber die Archen standen im Land und harrten vergebens der Sintflut. Wo die Furcht übel geherrscht hatte, fing die Täglichkeit an, Spott in die Torheit zu blasen, und wurde die lumpigste Fastnacht; denn nur wenige waren, die sich vor dem leuchtenden Himmel der Ewigkeit schämten.
Allein im furfürstlichen Hof zu Berlin hatte der Schrecken sich dauernd vern stet; denn der Kurfürst Joachim war der Sterndeuterei allerhöchft tundig und hatte dem Hofaſtrologen Carion in seinem Schloß an der Spree einen Turm eingebaut, wo er aus Fernrohren, Segmenten und Sternfarten weissagen konnte, wie sich der Himmel dem Hof gnädig erwies oder wie das Schicksal hohläugig gegen ihn aufstand. Der hatte das Horoskop anders gestellt, und feine Konftellation zeigte den fünfzehnten Juli an als den Tag, da sich die Eintflut ergöffe; auch würde sie nicht die ganze Menschheit ersäufen, nur das römische Reich deutscher Nationen; und das flache Land an der Spree müsse zuerst den 3orn des Himmels erfahren. Eine helle Märznacht lag über Kölln und Berlin und das Waffer der braunen Spree gleißte bläulich den Sternenhimmel wider, als der Sterndeuter dem dicen Kurfürsten das böse Horoftop stellte, und die Kurfürstin allein war dabei. Der Kurfürst Joachim hatte mit fünfzehn Jahren den Kurhui bekommen und wollte nicht fünfundzwanzig Jahre lang efgenmächtig regtert haben, daß ihm sein eigener Hofastrolog mit einer Sintflut die Herrlichkeit auswischte. Er spähte selber hinauf durch das Rohr, sah den roten Mars, den gelben Saturn und den weißen Jupiter und zählte die Sternzeichen ab; er ließ seinen Zeigefinger zornig über die Ziffern fahren, nahm den Birke! und maß die Sternenbahnen ab: doch fand er alles fo, wie der Astrolog fagte. Weil er ein hitziger Herr war und als die höchste Gewalt bei jedem Widerspruch braufte, nahm er zuerst sein Pistol; aber der schwarzbärt ge Sterndeuter hatte ein Bentagramm auf den Boden gemalt und stand flüglich darauf: als der Blg den Knall gegen die Wände geworfen hatte und die Nachtluft den Rauch feitwärts abwehte, war nur ein Loch in das Messingblatt des Kalenders geschossen, das an der Wand hing. Aber die Kugel hatte genau den fünfzehnten Juli getroffen. Darüber wurde der Kurfürst so blaß, daß ihm die Kurfürstin mit einem Tüchlein den Schweiß von der Stirn wischen und das Koller auffnöpfen mußte, damit teine Ohnmacht über ihn fäme.
Seit dieser Märznacht konnte den Kurfürst kein Koch und fein Mundschent mehr fröhlich machen. Er spie das schäum gfte Bier aus und warf das gebräunteste Fleisch vor die Hunde. Zu dem Sternbeuter hinauf wagte er nicht mehr zu steigen, wohl aber fam ein geheimer Befehl in den Turm, bei Strafe der Bierteilung weder den Tag des drohenden Unheils noch dieses selbst zu verraten, so daß allein die Kurfürstin Elisabeth wußte, was in dem Horoftop
DELICATESSE
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Er:
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Die gute Zelf, mohin ist sie geschwunden? Nur eine einz'ge Flaide Selt pro Tag! Den Kaviar tauft man nur in Diertelpfunden; Das reicht nicht hin und her als Brolbelag. Wovon bezahl' ich meine Koniubine, Wenn ich heut nur fünftausend Em verdiene? Der Proletarier weiß ja nicht Bescheid,
Wie sehr die Not bei uns zum Himmel schreit.
stand; die aber war eine herzhafte Frau, und ihr Wahlspruch blieb, in der Luft keine Fische zu fangen
So ging das Frühjahr dem Hof an der Spree in Bedrängnis tahin, meil jeder ben bösen Geist spürte, der über dem Kurfürsten war. Indessen draußen im Land die steigende Sonne vergessen machte, daß über dem Winter so törichte Furcht lag, indessen die Ohren der Menschen wieder den Kududsruf und Lerchengesang hörten und die Bürgerschaft Sonntags hinaus ging zu den Zelten, lag das turfürstliche Schloß düster und mit verschlossenen Toren: die allerhöchste Gewalt wollte nicht wahrhaben, daß ein höherer Wille über ihr wäre. ( Schluß folgt.)
Der Schuß ins All.
( Phantasie und Wirklichkeit.)
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Es ist immer fo gemefen, daß ein großer weltwendender Gedanke sich nicht auf eine Person beschränkte, sondern gleichzeitig in vielen Gehirnen auftauchte, die in feiner Verbindung mit einander standen. Und das ist kein Zufall. Eine Idee infarniert sich, wenn fie möglich, wenn sie reif geworden ist. Und dann drängt sie zum Licht, wo sie tann wo sie ein Gehirn findet, das sie zu formen Es überrascht daher nicht, daß heute eine Reihe von Forschern verschiebener Länder sich gleichzeitig mit einem Broblem beschäftigen, das auf den ersten Blid so ungeheuerlich erscheint, daß man unwillkürlich zurückschredt Um nichts Geringeres handelt es sich, als um die Bezwingung der Erdschwere um den Borstoß in ben Weltenraum.
Dermag.
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Daß die Reise zum Mond lediglich eine Frage der Geschwindig, felt und damit eine Energiefrage ist, hat schon Jules Berne erkannt. Doch erst mußten die furchtbaren Riesengeschütze des Weltkrieges, die mit millionenpferdigen Energien ihre eisernen Grüße donnerten, den Weg bahnen zu den Maschinen, die imstande find, ebenso gewaltige zu entwickeln. Und diese Maschine ist heute erfunden in Gestalt der Riesenrafete. Der amerikanische Profeffor R. H. Goddard vom Clark College in Worcester hat seine erste mit Sprengpulver angetriebene Versuchsratete gebaut und ihre Ablaffung schon für Dezember d. 3. angekündigt. Gleichzeitig legte der deutsche Brofeffor H. Oberth in Mediasch , Siebenbürgen , die fertigen Pläne für den Bau einer großen Knallgasrafete vor, die nach den Berechnungen des Erfinders dereinst wohl auch Menschen wird in die Debe des Alls tragen und unbeschadet zurückbringen fönnen. Und wiederum furze Zeit darauf gab der Ingenieur B. Hohmann in Essen ein Bert heraus, in dem er sich in streng wissenschaftlicher Weise mit den Bahnwegen von Rafeten im Weltall auseinanderfekt. Ganz gewiß- die Reise zum Mond ist heute aus dem Fabelreiche herausgerüdt und balb werden wir das gewaltige Ereignis erleben, daß die fortgesetzte Steigerung aller Gefchwindigkeiten den um uns gezogenen Banzer der Erbschwere von selbst aerfprengt. Welches Schicksal wird des Torpedos im Raume harren, das Prof. will? Und was wird die Folge sein, wenn der fühne Verfuch gelingt? Diese Fragen sind bereits beantwortet in einem tosmischen, vor einem Jahre von dem Münchener Schriftsteller Otto Billi Gail unter dem Titel„ Der Schuß ins All" geschaffenen und im Bergstadtverlag in Breslau erschienenen Roman. Es ist verwegen, fich aus einem Roman, aus einem Phantasiegebilde Antwort zu holen auf eine weltbewegende Tagesfrage. Aber es handelt sich holen auf eine weltbewegende Tagesfrage. Aber es handelt sich hier nicht um eine der zahlreichen Zukunftsutopien, sondern um einen wirklichen Roman von morgen", der sich in allen Einzelheiten auf das heute stüßt und nichts bringt, was nicht schon technischwiffenschaftlich erweisbar wäre. In jahrelangen Spezialftudien hat fich der Verfasser die theoretischen Grundlagen geschaffen, auf denen er in wissenschaftlich einwandfreier Weise weiterbaut.
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Beilage des Vorwärts
MORES
Sie:
HR
1 11
Ich habe nur noch vierzehn Abendroben! Was zieh' ich an beim nächsten Füniuhrtee? Und viere hab ich nur noch anzuproben. Auch trieg ich dies Jahr fein Brillanffollier. Wovon soll ich die Winterfur bestreiten? Wie übersieh ich diese schlimmen Zeilen? Ja, wenn der fleine Poletarier wüßt', Wie schrer für unsereins das Leben ist!
Ms D. M. Gail ben Schuß ins 20" in feiner ersten Fassung schrieb, mußte er nichts von den Bertretern der Kosmopilotie. Auch in seinem Gehirn faßte ganz unabhängig der Gedante Fuß, der jetzt die Welt aufhorchen läßt, und es scheint, als ob ihm die nachhintende Wirklichkeit recht geben sollte. Auch im Roman steigt zuerst die einfache torpedoähnliche Bulverratete Suchinows auf, während die Bläne der leistungsfähigeren Wasserstoffrafete des deutschen Ers finders Korf aus Geldmangel unausgeführt bleiben müssen. Unte willkürlich sieht man in Suchinow den Amerikaner Goddard, der es nun wagen will, dem Mond einen Raketengruß zu senden, und in Korf den deutschen Professor Oberth , dessen geniale Pläne an der unlösbaren Finanzfrage stehen geblieben sind. Im Roman ver. unglückt die Bulverrafete, und erst der furchtbare Hilferuf aus den Sternen erschüttert das Gewissen der Welt, läßt Korf die Mittel zum Bau feines Raumschiffes zufließen, das zum Siege führt. Gewiß, niemand wünscht, daß Professor Goddard Suchinows Los teilen möge. Doch es haben Fachleute von Ansehen Goddards Mißerfolg prophezeit und die Maschine Oberths als weit überlegen bezeichnet. Sollte D. W. Gail auch hierin zum Seher geworden sein? Wir
werden es bald erfahren.
Auch die rein menschliche Handlung des Romans trifft die Wirklichkeit. Intuitiv verlegt Gail einen Teil der Handlung in die rumänischen Waldfarpaten Siebenbürgen . Und die Schilderungen von dem Ringen Korfs mit Brofeffor Oberth lebt im rumänischen entsprechen sie nicht genau ben verzweifelt
den Geldschwierigkeiten.
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aussichtslosen Bemühungen Oberths, einen Gelbmann zu finden, der seinen Blänen zur Gestaltung verhilft?
vor
In der technischen Entwicklung schlägt Gail einen Beg ein, ber zunächst fast unwahrscheinlich erscheint: Zuerst läßt er bie glatte torpeboähnliche Rakete zum Mond steigen, und dann erst entsteht unter anderem das Raketenschnellflugzeug, das im Verkehr auf dem Erdball alle Entfernungen zusammenschrumpfen läßt. Und bie Wirklichkeit? Goddards Rakete ist fertig und ihr Abschuß steht be während erst jest langsam da und dort noch unflare Pläne für die Rafetenflieger auftauchen. Reiner, der den Schuß ins All" gelesen hat und die tatsächliche drucs erwehren, daß hier ein prophetischer Geist die nähere Zukunft verausgeschaut hat nicht nur im grundlegenden Gedanken, sondern F. R. auch in allen Einzelheiten.
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Entwicklung der Ereignisse aufmerffam verfolgt, fann sich des Ein
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Wie Code das Kartenspiel befämpfte. Der Philofeph Lode war einft bei seinem Freunde Shaftesbury in einer Gesellschaft, in der fich die Herren sofort z: m Kartenspiel niederfesten. Locke sah den Spielern eine Weile ernsthaft zu, dann zog er eine Schreibtafel her. vor und machte darauf Eintragungen. Man fragte ihn, was er schreibe. Ich suche mir Ihre Unterredung fo gut zunuze zu machen als ich fann, meine Lords," erwiderte der Philosoph. Schon längst war es mein Wunsch, öfter an der Unterhaltung der geistreid ften Männer unserer Zeit teilnehmen zu fönnen, und da mir dies letzt vergönnt ist, fo finde ich es der Mühe wert, Ihre Gespräche aufzuzeichnen. Das Wesentlid fte der letzten Stunde habe ich schon beisammen." Man fühlte die Ironie und ließ sich einige Bröbchen gefallen waren. Dadurch erkannte man die Lächerlichkeit dieses ZeitDertreibs und wandte sich einer inhaltsreicheren Unterhaltung zu.
Die Zahl der rofen Blutkörperdhen. Genaue Angaben über die Menge der reten Blutförperchen beim gef nden erwachsenen Men fchen werden nach den neuesten Feststellungen von Alber: Pietsch in der Umschau" gemacht. Danach tommen bei Männern 5½ bis 6 Millionen Stüd auf den Rubikzentimeter Blut, bei Frauen 5 bis 6 Millionen Stück. Der Hömoglobingehalt schwankt bei Männern zwischen 80-87 Broz, bei Frauen zwischen 70-85 Broz. Die Bahlen der Blutplättchen im Kaninchenblut ergeben Werte zwischen 450 000 und 870 000 im Stubitzentimeter. Zwischen der Zahl der Blutplättchen und der weißen Blutkörperchen besteht ein direktes Abhängigkeitsverhältnis
msd