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Nr. 588 42.Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Shilt Inize5
Sonntag, 13. Dezember 1925
tommenden Mütter bereits mit derjenigen Stelle und mit denjenigen Fürsorgerinnen in persönliche Fühlung treten, die auch späterhin für sie bei der Pflege und Ernährung des Kindes zuständig find. Die ärztliche Schwangerenfürforge findet im Wöchnerinnenheim am Urban statt. Die anwesende Fürsorgerin nimmt ftets einen Fragebogen auf, in dem auf die Angaben über die wirtschaftliche Lage und die häuslichen Verhältnisse besonderes Ge micht gelegt wird, außerdem wird ein Journal über den ärztlichen Befund geführt. Auf Grund des Untersuchungsergebnisses wird der Zeitpunkt der Geburt geschäßt, und wenn der allgemeine Zustand der Schwangeren oder die häuslichen Verhältnisse es als wünschenswert erscheinen laffen, wird für Aufnahme in ein Entbindungsheim
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DAS GESUNDHEITSHAUS
Der fast nierhunderttausend Einwohner umfassende Bermal tungsbezir?& reuzberg gehört mit zu den am engsten bebauten Gegenden der Stadt Berlin . Infolgedessen beherbergt er eine gefundheitlich besonders start gefährdete Bevölkerung. Roch dringender als anderswo erscheint daher die Pflicht, das Menschen mögliche in der Gesundheitspflege zu tun, zumal die alten Stadt rermaltungen hier im Gegensatz zu den Bororten sehr viel versäumt haben. Aber es genügt nicht, nur Fürsorgestellen zu unterhalten, fondern die Arbeit des Gesundheitsamtes muß die Durchdringung der cona Resälterung mit hnaienischer Aufklärung zum Riele haben. Der Bezirk Kreuzberg fand furz nach der Inflation eine 3entrale fur alle Furforgeeinrichtungen der sozialen Hygiene und für hygienische Aufflärung in dem städtischen Gebäude am Urban, das Jahrzehnte früher nach den Bestimmungen des Allge meinen Landrechts als 3mangs- oder Straferziehungsheim ge gründet worden war, und später noch verschiedenen anderen Sweden dienen mußte. Der nicht überschöne Bau aus märkischem Badftein liegt in der Mitte des Verwaltungsubezirks, ist also selbst von dessen äußerstem Ende aus in fünfzehn Minuten erreichbar. Durch Zentralisation wird erfahrungsgemäß praktischer und billiger ge arbeitet
Für Mutter und Kind.
Aller Kinderschuß fängt bei der Mutter an! Oft wurde es er. lebt, daß Mütter. Die bis in die leßten Tage der Schwangerschaft hinein arbeiten müssen, Kinder weit unter dem normalen Gewidt gebären. Auch die Feststellungen, daß Früh- und Totgeburten bei Frauen, die fich nicht schonen fönnen, weit häufiger find als bei Frauen, die vor der Niederkunft genügende Zeit ruhen, lehren die Notwendigkeit, die Kinder schon vor der Geburt durch vernünftige
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Die Passion.
Roman von Clara Biebig.
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Aber Eva schlich sich fort von Lilli, schlich sich zurück vors Haus, wo die vielen Blumen waren, fniete nieder vor einem Beet und fah einer bunten Blüte tief in das lachende Herz. Wie schön, wie heiter! Sie drückte ihr Gesicht ganz nah heran, fie mußte dicht dabei sein, sonst sah sie nicht genug, sah all die Schönheiten nur wie durch einen Flor. Sie war wie trunten Dor Sonnenglanz ja, und auch vor Glüd. Es war das erstemal in ihrem Leben, daß Eva ganz glücklich war. Sie hatte erst gemeint, sie würde ihren Flid sehr vermissen, der durfte nicht mit hier sein, denn er würde die Beete zerfragen, aber die Mutter schrieb ja, es ginge ihm gut, und der Bater nähme ihn immer mit, menn er ausginge, und dann bellte Flid vor Bergnügen. Das hatte Eva erst einen Stich ge geben: o, das treulose Tier, so rasch hatte er sie vergessen?! Aber dann vergaß sie ihn über den Blumen. Ich liebe diesen Garten," flüsterte sie in die laue Luft.
Und sie liebte Frau Lessel Gab es etwas Schöneres als diese schlanke Gestalt, als dieses weiche Gesicht, das Grübchen in den Wangen hatte, wenn es lächelte? Und es lächelte oft; es war so ganz anders als das Geficht der Mutter, das immer abgespannt war und oft verstimmt. Ich liebe dieses Gesicht," fagte Eva bei sich. Laut wagte sie es ja nicht zu sagen, sie blin elte nur von der Seite und fenkte die langen Wimpern, fomie die Dame fie ansah. Aber wenn sie sie nicht ansah, dann hingen ihre Blide mit einer bemundernden Inbrunst an dem schönen Gesicht. D diese Dame, diese liebe Dame, ihre Dame! Und sie zitterte por Glüd, wenn Frau Leffel fie mitnahm auf einen Spaziergang. Wenn dann Lilli vor auflief, bald in diesen Garten nidie, bald an jenem schwagte, und, waren sie erst ganz draußen im richtigen Wald, fauchzend Doraufrannte, dann recte Eva sich und hing sich der Dame an den Arm, so wie sie sich immer bei ihrer Mutter einzuhängen pflegte.
Es war Frau Leffel nicht immer angenehm, dieses Einhängen, besonders nicht, wenn ihr Bekannte begegneten. Aber fie fonnte diesen dünnen fleinen Arm doch nicht abschütteln. Das hieße, diefes verschüchterte arme Ding noch gänzlich einschüchtern.
Und nun war auf einmal all das Schöne zu Ende. Auch das Träumen davon. Du hast dich sehr erholt, Gott sei Dant,"
Pflege der Schwangeren zu schüßen. Immer mehr ist erfreulicher. weise die Ansicht burchbrungen, daß für Mütter in ungünstiger sozialer Lage die Entbindung in einer gutgeleiteten Anstalt der häuslichen Entbindung vorzuziehen ist. Sterben doch in allen Anstalten nur eine von tausend Schwangeren an Kindbettfieber, außer halb der Anstalt drei bis fünf dagegen. Alle Frauen, die zu Hause nicht die nötige Sorgfalt bei der Entbindung finden können, follten auf Anstaltspflege bedacht sein. Der jungen Mutter wird in diesem Falle Schwangerenschuß, Fürsorge für die Entbindung, Für forge für das Wochenbett und Sicherung des Stillens gewährt. Die erfolgte Angliederung der Schwangeren an die Wöchnerinnenfür forge hat sich sehr bewährt. Es ist von großer Bedeutung, daß bie
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fagte Olga, als Eva nach Hause fam. Aber sie selber sah abgespannter und verstimmter aus denn je, und Eva fühlte es gleich, es war jegt noch weniger gut mit Hans Blechhammer als sonst fo, als ob es nie mehr recht gut würde. Er bum melte zu viel herum im beschäftigungslosen Sommer; in den Biergärten mitzuspielen zum Tanz, dazu war er sich auf ein Biergärten mitzuspielen zum Tanz, dazu war er sich auf ein mal zu gut. Er hätte auch wieder ein Engagement haben fönnen an die See, aber auch das stand ihm nicht an; er war zu bequem geworden. Faul," sagte Olga hart. Und als er agte:„ Na, na," und sie umfassen wollte, entwand sie sich ihm hastig und sagte herb:„ Geh mur!"
Dwie traurig war es doch hier zu Hause! Eva hatte es bis jetzt nie gewußt, daß ihre Wohnung- niedriges Barterre nannte sie sich terre nannte fie fich eigentlich eine Kellerwohnung war. Es war erst Ende August, und doch dunkelten die Übende schon so früh in dieser Wohnung. Alle Sonne war draußen im Grunewald geblieben, hier war feine. Auch Flid war nicht mehr. Sie hatten es ihr nicht geschrieben, nun mußten sie es ihr aber doch sagen: Flick, der liebe, fleine, gelbe Flick mar ausgegangen mit seinem Herrn, lustig bellend, und war überfahren worden am Lügomplag.
Daran bist du nur schuld," schluchzte Eva. Sie fehrte dem Stiefvater den Rücken.
Er entschuldigte sich, es tat ihm ja auch furchtbar leid, er hatte das Tierchen wirklich liebgewonnen, er hatte es noch zurüdreißen wollen im letzten Augenblid, wäre beinahe selber mit überfahren worden vom Auto.
Wärst du nur!" schrie sie mild. ,, Aber Eva!" mahnte die Mutter.
Du triegst ein neues Hündchen von mir," tröstete er, ihre Ungezogenheit nicht beachtend; er suchte sie zu sich herum zuwenden, ihre zitternde Gestalt an sich zu ziehen.
Aber da gellte es durch die Stube mit einer Ueberzeugungsfraft, die die Frau, den Mann so erschütterten, daß fie nichts mehr zu fagen wagten, fein leises Bort: Du, du bift schuld, daß die Mutter unglücklich ist sie hat sich alles ganz anders gedacht du. du bist schuld! hättest du uns lieber allein gelassen, wie schön wäre das jest o mein armer Flid, o meine arme Mutter! Du, du bist schuld!"
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Das Mädchen schluchzte fassungslos, die Frau schluchzte, der Mann schlich sich stumm aus der Tür.
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Wer würde für Eva forgen, wenn sie nicht mehr war? Olga fühlte fich plöglich frant. Es hatte sie angeflogen; frant tam fie abends aus dem Geschäft, sie hatte sich faum noch
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Sorge getragen. Nach erfolgter Entbindung bekommt die Säug. lingsfürsorgestelte zu tun. Ihre Tätigkeit erftredte fich früher mir auf freiwillig" sich einstellende Mütter und ihre Kinder, wurde allmählich aber immer weiter ausgedehnt. Natürlich find reichliche Wünsche für Verbesserungen vorhanden, vor allem fehlen noch städtische Kindergärten und Krippen.
Schulgesundheitspflege.
Der größte Borteil der Schulgesundheitspflege ist, daß sie eine wirkliche Gesundheitskontrolle eines bestimmten Bevölkerungsteils in einer Bollständigkeit ermöglicht, wie sie sonst nirgends zustande tommt; sie erfaßt ohne Ausnahme die gesamte Jugend vom jedhiten bis zum vierzehnten Lebensjahr. Der Bezirk Kreuzberg hat über dreißigtcausend schulpflichtige Kinder. Ihre schulärztliche Betreuung erfolgt durch den Stadtschularzt des Bezirks und durch acht nebenamtliche Schulärzte, die von vier Schulfürsorgerinnen unterſtützt werden. Die Tätigkeit in der ärztlichen Sprechstunde ist nur eine beratende, die Durchführung der erteilten Ratschläge, auch wenn sie eine Behandlung erfordern, wird aber genau überwacht. Eine Besonderheit des Kreuzberg - Bezirks ist nun die Schulzahnpflege, weil sie im Gegensatz zu den entsprechenden Einrichtungen anderer Stadtbezirke selbständig ist. Dem Kinde muß die Zahnpflege so selbstverständlich sein wie die Reinlichkeit im all. gemeinen. Die planmäßige Untersuchung und Behandlung erfolgt jährlich einmal unter flaffenweifer Zuführung in die Zahlflinik des Gefundheitshauses; fie beginnt mit der jeweiligen Klasse 7. Es wirbni eine Behandlungskarte für jedes Kind ausgestellt, die einen Be standteil des allgemeinen Schulgesundheitsbogens barstellt und bed das Kind während der ganzen Schulzeit begleitet Alle Kinder werden untersucht, alle Zahnfrankheiten fostenfrei behandelt, außer dem wird Eltern und Kindern ausgiebig Belehrung erteilt. In zweckmäßiger Weise. unterhält die Klinik Beziehungen zu allen fozialhygienischen Einrichtungen des Bezirksamts. Auch hier fann nur durch Zusammenarbeit das Letzte erreicht werden.
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Kampf aller Krankheit!
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Es ist die vornehmste Aufgabe eines Gesundheitshauses, gefunde Menschen gefund zu erhalten aber möglichst auch die halbgefunden also das Gros der Menschen. vor dem Krankenbeit zu bewahren. Ebenso wichtig wie die medizinische Behandlung ist hierbei häufig die seelische Beeinflussung, die Warnung und die Raterteilung. Besonders notwendig ist die Anwendung solcher
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nach Haus schleppen können. Sie wollte noch einen Brief an Frau Lefsel schreiben die gute Dame, die war ihre einzige Hoffnung und dann an Lenchen, die mußte sie noch um Berzeihung bitten, daß sie so hochmütig gewesen war Lenchen, Frau Leffelbeider Gestalten vermischten sich ihr plöglich plößlich und Stefan, ja an Stefan auch, der mußte audy benachrichtigt werden, der mar verpflichtet, der Onkel. Es ging ihr alles durcheinander. Sie schrieb nicht mehr. Das Fieber stieg. Der Arzt ließ sie ins Krankenhaus schaffen.
Eva wehrte fich verzweifelt dagegen: fie, sie wollte die Mutter pflegen! Aber Diphteritis" sagte der Arzt. Die ist in diesem Alter besonders gefährlich."
Am dritten Tag schon starb Frau Olga Blechhammer, geborene Wilforoski. Sie war nicht mehr oft zum Bewußt ein gekommen, das Fieber war zu hoch. Ihr letter flarer Gedante war: Eva. Meine kleine Eva," lispelte sie unruhig. und die pflegende Schwester, die bei der Sterbenden wachte, nichte mit einem Seufzer dazu. Sie hatte schon viele in Herzensunruhe sterben sehen.
Epa trug das schwarze Trauerkleid, das Frau Ella ihr hatte zurechtmachen lassen aus einem Kleid der Mutter. Es war aber noch immer viel zu lang und zu weit, die spärliche Mädchenfigur steckte darin wie in einem Sad. Die Leute drehten sich um nach Eva, wenn sie über die Straße schlich; die ganze Nachbarschaft hatte teilgenommen an diesem trau rigen Fall. Im Kaufladen hielten sich die Frauen länger auf als sonst: daß diese brave, tüchtige Person, die so außerordentlich geschickt war in ihrem Fach, daß die hatte so plöglich dahinmüffen! Und viel zu früh; nur zwei Jahre war sie ver heiratet gewesen. Das arme Kind und der arme Mann! Der Witwer wurde fast noch mehr bedauert als die zurückgebliebene Tochter.
Hans Blechhammer war ganz außer sich. Am Grabe feiner Frau hatte er so geschlucht, daß ihn sein Freund Tändeler unter den Arm nehmen mußte, und dann auch den Troftlosen fortführte, der. das Taschentuch sich vors Gesicht brüdend, wie ein halb Ohnmächtiger schwankte. Die ganze Familie Wilkowski war erschienen, Frau Bullmann und die Mädchen der Arbeitsstube, sowohl die aus dem alten Geschäft, wie diejenigen von Olgas neuem Wirkungstreis. Sie hatten zufammengeschossen; die aus der früheren Arbeitsstube legten einen Lorbeerfranz nieder mit bedruckter Schleife:„ Der um= vergessenen Kollegin" die aus dem Kaufhaus begnügten fich mit einem schönen Gewinde von Aſtern und den letzten Rosen des Herbstes. ( Fortsetzung folgt.)
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