einen bestimmten Lohn eine Dienststellung bei derselben Personoder Unternehmung gehabt haben, oder eine Pension in gleicherHöhe erhalten.Auch die Sparenden hat man nicht vergessen. Derjenige,der S0 bis 100 Gulden erspart und in Etaaisschuldpapierenoder beim Reichspostamte angelegt hat, wird auch wahlberechtigtund schließlich werden auch diejenigen zur Wahlurne zugelassen,die gewissen Forderungen der Fähigkeit(Bildungszensus) ent-sprechen. Der Entwurj wird voraussichtlich schon im nächstenMonat zur Berathung kommen.Angesichts der bevorstehenden Wahlrechtsausdehnung ist dieHaltung der liberalen Partei ergötzlich. Man sieht, wieviel sievon uns Sozialdemokraten gelernt hat. Sie beweist uns, daßwir vorwärts schreiten. In ihrer vor einigen Tagen abgehaltenenallgemeinen Versammlung hat die liberale Partei es in einer Re-solution ausgesprochen,„daß namentlich die soziale Frage Beachtungerheische, damit auch in der Gesetzgebung die Interessen derArbeil und der Arbeiter voll zur Geltung kommen, jede B e-vorzugung des Kapitals aufhöre und, soweit dieGesetzgebung darauf Einfluß ausübe, die Bertheilung der gesell-schaftlichen Güter gerechter stattfinde." Dieser Gedanke wird ineinem Programm ausführlicher ausgearbeitet werden. Es wurdeausdrücklich vom Vorsitzenden betont, daß die liberale Parteidurch Annahme dieser Resolution den Standpunkt der Manchester-schule, des laisser faire, laisser passer, verlassen habe und sichan die große Bewegung unserer Zeil, die den ökonomisch Schwachen,entgegenkomme, anschließen wolle.Es ist bemerkenswer'h, daß das Gewissen des liberalenGeldprotzenthums, das so lange geschlafen hat, gerade jetzt plötzlichzu sprechen anfängt.—Das englische Kabinet ist nun gebildet, es ist einKoalitionskabinet unter konservativer Führung, dem ehe-malige Radikale und gemäßigte Liberale angehören.—Die bimetalllstischen Bestrebungen haben nicht blos inDeutschland Abwehrmaßregeln der an der Erhaltung der Gold-Währung interessirten Kreise hervorgerufen. Auch in Englandhat sich ein Verein zur Bertheidigung der Gold-Währung gebildet.—Ostasiatisches. Die„Vereinigten Staaten von Europa"sind in die Brüche gegangen— das steht jetzt fest. Das„russisch-chinesische" Anlehen ist so täppisch in Szene gesetzt worden, daßweder die deutsche noch die französische Regierung länger mitRußland Hand in Hand gehen kann. Und der inzwischen erfolgteSturz des Ministeriums Rosebery hat die verworrene Situationmit einem Mal geklärt. Tie Japaner werden die HalbinselLiautung nicht räumen, ehe die chinesische Kriegsentschädigungbezahlt ist, und da das russisch-chinestsche Anlehen nun nicht zustände kommen kann, so bedeutet das ein Hinausziehen aus un-bestimmte Zeit. Ob, wie gemeldet wird, die deutsche Regierungsich jetzt der englischen angeschlossen hat, wissen wir nicht—möglich ist's— beim Zickzackkurs kann ja keine Zickzack-bewegung verwundern. Leider ist der Schade, derdurch den Eintritt in den asiatischen Dreibund demdeutschen Handel zugefügt worden ist, nicht durch eine Plötz-liche Schwenkung im Handumdrehen wieder gut zu machen. TieErbitterung über das Vorgehen der deutschen Regierung istebenso tief wie allgemein und wenn auch die englische Regierungder unscrigen gnädig die Hand reicht, um ihr ans der ärgstenPatsche zu helfen, so wird sie doch sicherlich nicht so— deutschfein, ihr die Kastanien aus dem Feuer zu holen und demenglischen Handel entreißen, was er auf Kosten des deutschen ge-Wonnen hat. Solcher Rnivetät ist John Bull unfähig.Der Friede in Ostasien gilt keineswegs als gesichert. Ganzabgesehen von den Schwierigkeiten der Japaner in Formosa,bebalten sie ihre Truppen auf Kriegsfuß, ja sie setzen ihreRüstungen fort und zwar augenscheinlich mit Rücksicht auf einenAngriff Rußlands.—Gevtlüks-�ettnitg.„Ter Militarismus" lautet der Leitartikel in Nr. 61 des„Vorwärts" vom 13. März 189S. In ihm sollen nach Ansicht derStaatsanwaltschaft Beleidigungen des Kriegsministers und derOffiziere der Armee enthalten, auch dadurch gegen§ 131des Strafgesetzbuches verstoßen sein, daß in ihm wissentlich falscheoder entstellte Thatsachen enthalten seien, um eine Staats-einrichtung, nämlich das Heer verächtlich zu machen. Wegendieser Anklage hatte unser Genosse, der verantwortliche RedakteurRoland, sich gestern vor der zweiten Strafkammerdes Landgerichts I zu verantworten. Ten Vorsitzführte Landgerichts- Direktor Brause weiter, Beisitzerwaren die Herren Grandtke, v. Kirchbach, Stuben-rauch und Hertzog. Die auf 11 Uhr anberaumte Verhand-lung wurde uni 2 Uhr begonnen. Roland beantragte Vertagung,da der Vertheidiger nicht geladen war. Der Gerichtshof lehnte dieVertagung ab, da der Vertheidiger nicht zu den Akten genieldet warund beschloß sodann: Ausschluß der Oeffentlichkeit.Der inzwischen telephonisch über die Anberaumung des Terminsbenachrichtigte Vertheidiger, Rechtsanwalt Heine, erschien nochrechtzeitig genug.um in dieVerhandlungeingreifcnzukönnen. Sobaldnunmehr der Vertheidiger Beweisantrnge dafür stellte, daß alle imArtikel behaupteten Thatsachen erweislich wahr sind, wurde dieVerhandlung, in deren Vertagung vorher nicht gewilligt war,ausgesetzt. Sodann wurden erst zwei andereSachen von dem Gericht verhandelt und endlich gegen2/sS Uhr abend? die einfache Verhandlung, in der keineinziger Zeuge vernommen wurde, gegen den fast völlig erschöpftenGenossen Roland zu Ende geführt. Ans der Verhandlungselbst erfahren wir, daß der Gerichtshof sämmtlicheVeweisanträge ablehnte und daß der Staatsanwaltein Jahr Gesängniß unter voller Ausrechterhaltung der An-klage beantragte. Das Gericht erkannte auf sechs MonateGesängniß wegen Verstoßes gegen§ 131 Str.> G.» B. DasDelikt der Beleidigung wurde nicht für vorliegend erachtet unddieserhalb erfolgte Freisprechung. In den Urtheilsgründen wird aus-gesührt:„Thalsachen" im Sinne des Z 131 R.-St.-G. seien auchBehauptungen über Motive, Ziele und Absichten und innereVorgänge. Der Artikel enthalte demnach nicht nur Urtheile, wiedie Verlheidigung ausgeführt habe, sondern Thatsachen.„Es ist", wurde weiter' wörtlich ausgeführt,„ja eine offen-kundige Thatsache, daß den Sozialdemokraten unsere stehenden Heere, so lange sie treu sind und ihre Pflicht erfüllen, ge-wifsermaßen verhaßt sind, weil der Vollendung ihrerBestrebungen, die Welt und alles. was besteht.umzukehren entgegen steht. Deshalb wollen die An-geklagten— dies Wort entschlüpfte Herrn Brausewctter statt„Sozialdemokraten"— nicht die stehenden Heere, wie wir siehaben, sondern wollen Milizheere, weil man glaubt, daßdarauf das Publikum mehr Einfluß hat und daßsie dann möglicherweise ein Werkzeug der„anderenPartei" werden. Aus diesem Gedanken allein war es dem An-geklagten zu thun: aufzuhetzen die Leute, die Militärsind und es waren, und sie mit den Hecrescinrichlungen un-zufrieden zu machen. In der Urtheilsbegründung werden dannsämmtliche Stellen des Artikels, die eine Verachllichmackiungenthalten sollen, wörtlich angeführt.— weshalbwar denn eigentlich während der Verhandlung dieOeffentlichkeit ausgeschlossen?— und der Vorsitzende, der be-kanntlich ein Soldat war, versucht auszuführen, daß die treffen-den Urtheile jenes Artikels„wissentlich unrichtig aufgestellte That-fachen" seien. Auf Geldstrafe sei nicht erkannt, weil dasZiel des Artikels sei, unser Militär herabzusetzen undden Leuten den Militärstand zu verleiden, und weil zeder stolz sei,Soldat zu sein. Wegen Beleidigung hat nicht bestraft weiden können,weil eine Beziehung aus bestimmte Personen fehle. Durch dies Urlheilist abermals festgestellt, daß schon heute ohne Umsturzgesetz jedeDarlegung grundsätzlich verschiedener Anschauungen als strafbarerachtet und mit enormen Strafen belegt werden kann. Auf dasUrtheil werden wir nach seiner Zustellung vielleicht noch ein-gehend zurückkommen.Prozeß Erpel und Genossen. Obgleich eS wegen derlucht eines der Hanptangeklagten, des Schiffers Richardrpel, höchst fraglich schien, ob eine Verhandlung gegen dieübrigen Angeklagten würde stattfinden können, machte sich gesterndoch ein außergewöhnlicher Zudrang zu den Tribünen desSchwurgerichtssaales beim Landgericht II bemerkbar. Der größteTheil der Einlaß Begehrenden mußte sich wieder entfernen, dadie Karten bereits vergriffen waren. Kurz vor 10 Uhr wurdendie fünf Angeklagten unter starker Begleitung vorgeführt. Eswaren 1. Schiffer Robert Hermann Erpel, geb. 1672zu Kalkberge-Rüdersdorf, vorbestraft wegen schweren Diebstahlsmit einem Jahre Zuchthaus und wegen schwerer Körper-Verletzung mit drei Monaten Gesängniß; 2. der Schiffer OttoReinhold Erpel, geb. 1864 zu Kalkberge-Rüdersdorf, vor-bestraft wegen schweren Diebstahls mit vier Jahren Zuchthaus;3. der Schiffer Franz Albert Möser, geb. 1873 zu Rüders-dorf, bestraft wegen schweren Diebstahls mit sechs Monaten Ge-fängniß; 4. der Schlächtermeister Karl Paul Schumannaus Plötzensee und S. der Schlächtermeister Reinhold PaulSchumann aus Plötzensee, beide unbestraft. Robert Erpel ist mittelseiner Eisenstange an beiden Händen gefesselt, erst nachdem er aufder Anklagebank Platz genommen, wird er von den Fesseln be-freit. Er gilt als der gefährlichste der Angeschuldigten. Erfcheint stolz daraus zu sein, daß er das Hauptinteresse in Anspruchnimmt, mit dreistem Blick und lächelnder Miene blickt er nachdem gefüllten Zuhörerraum, während er seine Hände emporhältum sie entfesseln zu lasten. Den Vorsitz führt LandgerichtsrathMeier, die Anklagebehörde vertritt Staatsanwalt Rohde, dieVerlheidigung führen die Rechtsanwälte Dr. Richard Wolsf,Carstens, Lewin II, Schoenborn und Marcus. Essind nur wenige Zeugen geladen. Nach Ausloosung der Geschworenenstellt der Vertheidiger des Angeklagten Robert Erpel, Rechts-anwalt Wolff. den Antrag auf Vertagung, da er eine VerHand-lung ohne den flüchtigen Richard Erpel nicht für durchführbarhält. Staatsanwalt Rohde widerspricht diesem Antrage. Es seifehr fraglich, ob man des flüchtigen Richard Erpel wieder Hab-hast werde, obgleich seine Photographie an alle Behörden desIn- und Auslandes geschickt worden fei. Er sei zuletzt in derGegend von Lübeck gesehen worden. Da er Schiffer sei und da-durch leichter Gelegenheit zum Entkommen finden könne,fei es nicht rathsam, mit der Verhandlung gegen die übrigenAngeklagten zu warten, bis man vielleicht des Richard Erpelhabhaft geworden sei. Der Gerichtshof schloß sich diefer Ansichtan und beschloß, zunächst in die Verhandlung einzutreten. DerAnklagebeschluß lautet gegen die beiden Gebrüder Erpel undMöfer auf schweren Diebstahl, räuberischen Ueberfall und vor-sätzlicher Tödtung, um sich der Ergreifung zu entziehen. Derältere Schumann wird der Anstiftung zu den beiden ersterenStrasthaten, der jüngere Schumann der Anstiftung zumRaub beschuldigt. Die drei Gebrüder Erpel und Möserhaben im vorigen Sommer eine Menge schwerer Diebstählean der Oberspree und in Rüdersdorf und Umgegend begangen.Diese Strasthaten werden Gegenstand einer besonderen Verhand-lung sein. Zunächst wird der räuberische Ueberfall gegen denfrüheren Oberinspektor Homuth verhandelt. Hoinuth besaß inPlötzensee ein mit drei Häusern bebautes Grundstück. Zu seinenMielhern gehörte der Postfislus, der Restaurateur Häßlein undder Angeklagte Schlächtermeister Schumann. Am zweiten,oder wenn dieser auf einen Sonntag fiel, am dritteneines jeden Monats begab Homuth sich von seinerin der Langenbcckstraße in Berlin gelegeneu Wohnungnach Plötzensee, um die Miethen einzuziehe». Ilm3. Dezember v. I. wurde Homuth das Opfer eines frechen Ueber-falls. Die Angeklagten Robert und Otto Erpel, sowie Mösersind geständig, diesen Ueberfall in Geineinschaft mit dem flüchtigenRichard Erpel ausgeführt zu haben. Sie geben übereinstimmendan, daß sie von den beiden Schumanns angestiftet seien. Siehätten häufig bei Schumann verkehrt und demselben auch manch-mal beim Schlachten geholfen. Der ältere Schumann, derihnen häufig die Beute aus den früheren Diebstählen abgenommenhabe, habe wiederholt darauf hingewiesen, daß mandem alten Herrn leicht das Geld abnehmen könne. Der Plansei dann häufig besprochen und am Abende des 3. Dezember zurAusführung gebracht worden. Vorher habe Reinhold Schumannibnen die Stelle am Uebergange des Königsdamms, etwa dieMitte zwischen dem Zörner'schen Lokal und der Beusselstraße. alsdie geeignetste bezeichnet, wo der Raub begangen werden könne.Karl Schumann habe gesagt, daß er sich persönlich an dem Ueber-fall betheiligen würde, wenn er nicht befürchten müsse, daß ervon Homuth erkannt werden würde. Am Abende des 3. De-zembcr mußte Otto Erpel sich in der neben dem Schumann'schenLaden befindlichen Stube aufhalten. Gegen halb sechs Uhr er-schien Homuth im Laden. Erpel sah, daß Schumann ihm dieMiethe aufzählte, Homuth es einstrich und sich wieder entfernte.Nun kam Schumann in die Nebenftube und sagte zu Erpel:„Jetzt geht er zur Post und holt Geld und dann geht er nachHause. Otto Erpel habe sich nun auch entfernt, er sei draußenmit seinen Brüdern und Möser zusammengetroffen undgemeinsam seien sie dem Homuth gefolgt, als diesersich aus den Heimweg begab. Ter Ueberfall desalten Mnnnes sei sehr leicht und schnell zu be-werkstelligen gewesen. Richard Erpel habe dem am BodenLiegenden den Geldbeutel ans der Tasche gezogen, während diedrei übrigen ihn festhielten. Sic müßten aber von RichardErpel betrogen worden sein, denn dieser habe ihnen nur je 7 M.als ihren Beuteantheil ausgehändigt. Am Tage darausseien die vier Augeklagten wieder bei Schumann er-fchienen. Der letztere habe geschimpft, daß sie sich mitfo wenig Geld begnügt hätten, Homuth hätte weitmehr bei sich gehabt. Sie seien zu dumm, ein ander Malwerde er selbst es besser machen. Ter so bezichtigte Schumannerklärte:„Das sind alles Lügen, sie sage» es nur aus Rache."Reinhold Schumann giebt dagegen zu, daß er von dem Ueber-fall gewußt habe. In betreff des schweren Diebstahls bei demRestaurateur Häßlein wird Schumann von den beiden Erpelund Möser ebenfalls der Anstifung bezichtigt. Als sie ihmeinig« goldene Uhren brachten, die von einem Diebstahle herrührten,habe Schumann sie auf die gute Gelegenheit bei seinem Nachbarntäßlein aufmerksam gemacht. Derselbe verwahre in seinemeller größere Vorräthe von Schinken. Speck und Wurst. Amülbend des 20. Dezember sei der Einbruch von Otto, Robert undRichard Erpel und Möfer in der Weise ausgeführt worden, daßeiner ein Fenster des Kellers eindrückte, durch die Oeffnung krochund die Thür von innen öffnete. Vier Säcke wurden vollgestopftund von den vier Dieben fortgetragen. Schumann habe an-geordnet, daß sie am Rande des Plötzenseer Kanalswarten sollten, bis er mit seinem Fuhrwerke dorteintreffe, er würde die gestohlene Maare dann weitertransportiren, welche nach dem Erpet'schen Kahn ge-bracht werden sollte, der am Halle'schen Ufer lag. Schumannwollte die Waare durch Anschneiden und Räuchern unkenntlichmachen und sie dann in seinem Geschäft verwerthcn.— Vors.:Nun, Schumann, was sagen Sie bazu? Ist das auch alles er-funden?— Angekl. Schumann: Ja gewiß. Ich will meinebeiden Augen verlieren, wenn es nicht erfunden ist.— Vors.:Lassen Sie derartige Redensarten.— Ter sich an diesen Diebstahl schließende traurige Vorgang bei dem der Wächter Zieglerdas Leben einbüßte, wird von dem Angeklagten Otto Erpel infolgender Weise geschildert: Um unentdeckr die Beusselstraßezu gewinnen, seien sie, je mit einem Sack beladen, umdie Gefangenenanstalt herum durch die Haide gegangen. BeimAustritt aus dem Gehölz seien die beiden Vorangehenden, RobertErpel und Möser von den ihnen entgegentretenden Beamten,dem Nachtwächter Ziegler und dem Gemeindediener Nitier ge-stellt worden. Die beiden in einer Entfernung von etwa 10 Schrittfolgenden Otto und Richard Erpel hatten zuerst nicht gewußt,was sich vor ihnen ereignete. Sie seien wieder nach der Haidezurückgelaufen, nach wenigen Schritten habe RichardErpel aber zu seinem Bruder Otto gesagt:„Duda vorne hauen sie sich, da müssen wir hin." Als sie gleichdarauf mehrere Schüsse fallen hörten, seien sie hinzugeeilt. Siehätten den Wächter Ziegler im Kampfe mit Robert Erpel ge»funden, beide hätten an der Erde gelegen. Robert habe denSäbel des Wächters festgcpackt gehabt, während der letztere seinenGegner am Halse gepackt hielt. Ziegler sei bei der Annäherungder hinzukommenden Personen aufgesprungen, er, Otto Erpel,habe sein Messer gezogen und dem Wächter mehrere, vielleichtvier Stiche verfetzt. Robert Erpel habe nicht gestochen- es hattesich schon früher herausgestellt, daß er sein Messer vergessen hatte.Robert Erpel bestritt, daß diese Darstellung richtig sei. Es seigarnicht zwischen ihm und dem Wächter z» Thätlichkeitengekommen. Otto und Robert Erpel bewegen sich in betreff desZusammenstoßes mit den Beamten in so vielen Widersprüchen,daß eine Klarheit darüber, wie sich die einzelnen Vorgänge ab-gespielt haben, nicht zu erzielen ist. Der Angeklagte Möser giebtan, daß er und Robert Erpel, die vorangegangen waren, vonden Beamten ergriffen worden seien, als sie den Königsdammbetreten wollten. Er sei mittelst eines Lederriemens anRobert Erpel angekettet und von Ritter davon-geführt worden. Als die Schüsse fielen, habe RobertErpel sich losgerissen, Ritter habe ihn dann losgelassenund sie seien beide nach der Stelle gelaufen, wo sie Ziegler imKampfe mit Otto Erpel fanden. Möser will gar nicht mit thät-lich eingegriffen haben, wogegen Otto Erpel lächelnd erklärt:„Gewiß hat er mit gestochen, er hat ja dickt neben mir gestanden."Damit wird die Beweisaufnahme geschlossen.Zeuge Oberinspektor Homuth bekundet: Ich bin 71 Jahrealt. Wie gewöhnlich hatte ich mich am 3. Dezember nach Plötzen-see begeben, um die Miethen aus meinen Häusern einzuziehen.Es mochte gegen G1/» Uhr sein, als ich mich auf den Heimwegbegab, nachdem ich noch im Zörner'schen Restaurant ein GlaSBier getrunken hatte. In der Nähe der Schule in der See-straße holte ich zwei langsam vor mir gehende junge Leute ein.Nach etwa 1S0 Schritt begegneten mir zwei andere junge Leute.Ich achtete nicht aus diese Umstände. Gleich darauf legten sichvon hinten zwei Arme fest um meinen Hals, der Mund wurde mirzugehalten und der Oberkörper nach hinten gebogen. Gleichzeitigwurden meine Beine umschlungen und ich wurde verhältnißmäßigsanft zu Boden geworfen. Ich fühlte eine Hand an der rechtenTasche meines Beinkleids, ich versuchte sie zu entfernen und er-reichte dadurch meine Absicht, daß ich die Räuber auf die Ver-muthung brachte, ich berge mein Geld in dieser Tasche. Nach-dem sie niir den Geldbeutel aus der Tasche gezogen, liefen dieRäuber davon. Ich hatte meinen Zweck erreicht, die Diebehatten in dem Geldbeutel nur etwa 120 M. erbeutet, währendich etwa 700 M. in meiner Brusttasche verwahrte.In betreff des Kampfes zwischen den Beamten und den An-geklagten wird der Gemeindediener Ritter vernommen, welcherden Sachverhalt in folgender Weise schilderte: Er habe gegenMitternacht auf einem Rundgang den Nachtwächter Ziegler amUebergange des Königsdamms getroffen. Während sie eine kurzeUnterhaltung gepflogen, halten sie vier Männer mit je einemSacke beladen aus der Haide herauskommen sehen. Die An-nähme, daß sie Diebe vor sich hatten, habe nahe gelegen. Siehätten zwei derselben, Robert Erpel und Möfer, angehalten,während die beiden anderen Personen davongelaufen seien. DerZeuge hat die beiden Ergriffenen mittels eines Lederriemensan der reckten und linken Hand zusamniengebunden undauf den Wunsch des Ziegler nach der Militärwache imGefängnisse bringen wollen, während Ziegler erklärte, die beidenflüchtigen Personen mit Hilfe seines Hundes verfolgen zu wollen.Der Zeuge sei mit seinen beiden Gefangenen etwa 100 Schrittentfernt gewesen, als er Revolverschüsse und gleich darauf Hilfe-rufe des Ziegler hörte. Jetzt riß Robert Erpel sich mit einemkräftigen Ruck los und lief nach der Richtung zu, woher dieHilferufe kamen. Ter Zeuge hielt Möser am Arme fest und zogihn hinter sich her, um seinem Kollegen zur Hilfe eilen zukönnen. Auf dem Wege dahin mußte er den Möser loslassen, umschneller vorwärts zu kommen. Als er Ziegler erreichte, lag dieferam Boden, Otto und Richard Erpel hätten auf ihm gelegenund fortwährend mit einem Messer auf ihn eingestochen. AuchRobert Erpel, der den Kampfplatz etwas früher erreicht hatte.als der Zeuge, habe sich am Einschlagen aus den am Bodenliegende» Ziegler betheiligt, der Zeuge kann aber nicht mit Be-stimmtheit angeben, ob Robert Erpel ebenfalls ein Messer ge-braucht hat. Möser sei dicht hinter dem Zeugen gefolgt undhabe auch auf ihn eingeschlagen, als er seinen Säbel zog, umseinen Kollegen von den drei Angreifern zu befreien. RobertErpel ist von einem der Schüsse, die von dem am Boden liegendenZiegler abgefeuert wurden, am rechten Oberarm getroffen worden.Während der Zeuge Ritter mit einigen Wunden davongekommenist, die bald heilten, war Ziegler furchtbar zugerichtetworden. Er war mit Wunden übersät, Kreisphpsikus Dr. Philippsbegutachtete, daß der Tod nach wenigen Minuten infolge Ver-blulung eingetreten sei, da die Halsschlagader getroffen wordenwar. Tie Menge der Wunden spreche dafür, daß mehrere Per-sonen gestochen hätten, bei der Größe des Verstorbenen sei auchanzunehmen, daß derselbe die Messerstiche von den viel kleinerenAngeklagten in knieender oder liegender Stellung erhalten habe.— Als Oberinspektor Jüngel dem Zeugen Ritter auftrug,einen Wagen zu beschaffen, um die Leiche des Ziegler fort-bringen zu können, wollte es der Zufall, daß Nitter sich anden Angeklagten Schumann wandte, der nun das Opfer, desscnTod er indirekt mit verschuldet hatte, aus seinem Wagen de»fördern mußte.Tie Geschworenen hatten 24 Hauptfragen zu beantworten.wozu auf Anregung der Vertheidiger noch einige Nebcnfragenhinzukommen. Es fand hierauf eine einstündige Pause statt.Nach Wiederaufnahme der Verhandlung stellt der Vertheidigerdes Angeklagten Schumann einen neuen Beweisautrag. Derletztere besitze einen Brief von Robert Erpel, worin der letzterevon ihm eine Summe von 400 M. verlange unter der An-drohung, daß sie sich sonst vor Gericht sprechen würden. Essolle hieraus bewiesen werden, daß die Gebrüder Erpel denSchumann aus Rache belasteten. Nachdem beide An-geklagte Erpel bestritten haben, von einem solchen Briefeetwas zu wissen, und Schumann erklärt, den Brief nichtmehr zu besitzen und nachdem der Vorsitzende den Vertheidigerauf das Aussichtslose dieses Beweisautrages hingewiesen, wirdder Antrag zurückgezogen.Der Staatsanwalt begirnü sein Plaidoyer mit dem Be-merken, daß man in den Angeklagten eine Verbrecherbandevor sich habe, wie sie gefährlicher kaum je die Berliner Gerichtebeschäftigt habe. Nach Beleuchtung der zur Anklage stehendenStrasthaten schließt der Staatsanwalt seine Rede indem er derHoffnung Ausdruck giebt, daß die Beredsamkeit sämmtlichcr fünfVertheidiger nicht binreichen würde, den Angcllagten milderndeUmstände zu erwirken.«••Um T'/e Uhr kehrten die Geschworenen aus dem BerathungS-zimmer zurück. Tcr Wahrspruch lautete für Robert und OitoErpel, sowie für Möser auf schuldig des Straßenraubes undBandendiebstahls ini Falle Homuth, gegen dieselben An-geklagten auf Bandendiebstahl im Falle Häßlein unter Mit»sührung von Massen, gegen die beiden Schumann'sauf Anstiftung zu diesem Verbrechen, doch wurde beiReinh. Sch. die Erkenniuiß der Slrafbarkcit der Handlung verneint.Robert Erpel und M ös er wurden der k ör perl ich cn M ißhand-lung unter Ausjchluß der Anwendung eines Messers, drchiutder