Mittwoch 2Z. dezember I92S
Unterhaltung unö ÄVissen
öeilage öes vorwärts
Liliencrons erste drucke. Von Heinrich Strobel. drt den Liliencron-Erinnerungen, die der„Vorwärts� am 37. Dezember veröffentlichte, hieß es. daß nach dem neueren literarischen Forschungsergebnis die 1883 erschienene Gedichtsammlung „Adji tantenritte* entgegen der früheren Annahme keineswegs als das erste Buch des Dichters bezeichnet werden könne. Ich kann das bestätigen, denn ich besitze seit einigen dreißig Iahren eine gedruckte Sammlung Liliencronscher Prosaskizzen und Gedichte, die vor den „Adfutantcnritten" erschienen und offenbar mit den„gelieferten Drucksachen" identisch ist. die dem Dichter 188Z den Zahlungsbefehl der Eckern förder Buchdruckerei zugezogen hat. Freilich handelt es sich bei diesem vor mir Negenden Band nicht nur um ein der Oeffentlichkeit. e'wa im Selbstverlag, unter- breitctes Werk, sondern um eine ganz private Sammlung loser Blätter, die einzeln gedruckt und später von einem Eckernförder Buchbinder in wenigen Exemplaren primitiv zusammengeheftet und gebunden zu sein scheinen. Daß nur Einzeldrucke im Umfang von meist nur einem Viertel, höchstens einem ganzen Bogen vorliegen, ergibt sich daraus, daß jeder einzelne Abschnitt Dawm und Namen des Dichters trägt, beispielsweise: Borby bei Eckernförde , im Ottober 1873. Detlev Freiherr v. Liliencron . Der Zeit nach verteilen sich die unchronologisch zusammengestellten Blätter aus die Jahre 1879, 1880 und 1881. Das in meinem Besitz befindliche Exemplar enthält von Lilien- rrons Hand eine Widmung an eine Dame. Auch im Text befinden sich einige handschristliche Korrekturen des Dichters. Dies und das ganze Aussehen des Biichelchens, in dem Bogen größeren und kleineren Formats kunstlos zusammengeheftet sind, beweift, daß Liliencron diese Sammlung seiner vereinzelt gedruckten Verse nicht einem größeren Publikum, sondern nur einem kleinen Kreise von Intimen zugänglich machen wollte. Diese als Manuskript gedruckte Sammlung gibt interessanten Slufschluß über die Entstehungszeit zahlreicher Gedichte. Sie b«° weist, daß der Dichter, der am 3. Juni 1844 geboren wurde, eine ganze Anzahl seiner stimmungsvollsten und formenschönsten Gedichte iin Alter von 36 bis 38 Iahren geschaffen hat. Es liegt nahe, daß viele der in den.Adjutantenritten" un Jahre 1883 veröffentlichten Dichtungen bereits in dieser ersten Sammlung enthalten sind. Aber auch manches Gedicht, dem wir erst in späteren Sammlungen be- gegnen, also dem älteren Liliencron zuzuschreiben geneigt wären. stammt nachweislich aus den Iahreu 1879 bis 1881. Sogar einzelne Gedichte, die erst in dem um 1833 erschienenen Gedichtband.Bunte Beute" breiteren Kreisen bekannt wurde, stehen schon in der privaten Erftlingssammlung von 1882, für deren nichtbezahlte Herstellungs- kosten der Dichter noch ein Jahrzehnt später gepfändet werden sollte. Daß für den Gerichtsvollzieher bei Liliencron wirklich nichts zu holen war. weiß jeder, der seine damalige Hamburger Behausung in der Pallmaille kennen lernte.. Den sinzigen bescheideneu Wert- gegenständ seines Mobiliars bildete damals ein mächtiger Tisch, den Liliencron, wenn ich mich seiner Worte richtig entsinne, ein« ..schlesische Dichterschule" gestiftet hatte, vorsichtiger Weise unter Vor- behalt des Eigentumsrechts. Auf diesen Tisch schüttete an einem Nachmittag der neunziger Jahr«, als ich gerade in diesem Poeten. heim weilte, der unverhofft auftauchende Peter Hille eine solch« Fülle damals noch ungedruckter Manuskripte aus, daß die gewaltige Platte kaum ausreichte. Es war Liliencron , wie er mir später sagte, eine besondere Freude gewesen, mich mit diesem.geistreichsten Deutschen " bekannt machen zu können. Große Genugtuung be- reitet« es ihm auch, seine von ihm sehr geschätzten lyrischen Kon- kurrenten Arno Holz und Richard Dehme! in ein freundschaftliches Verhältnis zueinander gebracht zu haben. Liliencron » ewiger Dalles kling in manchen seiner Strophen wieder Bielleicht am deullichsten in einem Sonett, das ich unter den Gedichten finde, die.November 1879" datiert sind. Da ich es trotz meiner drei Dezennien überdauernden feurigen Verehrung für den großen Lyriker noch nicht zum Besitz einer Gesamtausgabe
Holstein.
Schon Bismarck hatte sowas im Gefühl: „Da, ist der mann mit den hyänenangen!" Kaltsinniq spekulierte da, Reptil, Au, Bölkerzwietracht Kapital zu saugen. Korrupte Bestie, Schleicher und Spion t— Doch keiner wagte, ihn ius Loch zu stecke«, Sei» Kanzler und kein Kaiser auf dem Thron. Er schlich herum als allgemeiner Schrecken. Und schliff man auch für ihn zuweileu Dolche. Seiu Potentat vergriff sich au dem Strolche. Aus welchem Grund? Man scheute deu Skandal. Der Bursche hatte zuviel material. Und feig verkrochen sich in ihrer Hürde Die Generalvertreter deutscher würde!
seiner Werke gebracht habe, weiß ich nicht, ob es bereit» verösfent. licht worden ist. Es ist. wenn es«auch poetisch nicht besonders schwer wiegt, doch lebensecht und ein aufrichtiger Stoßseufzer des bis in das Greisenalter von Lebenssorgen Geplagten. Im Leben. Rasllo» von Land zu Land, von Stadt zu Städten, Im Lebenskampfe Unterkunft zu finden, Im Regen heute, morgen in den Winden, Ohn' Unterlaß, mit Fluchen oder Beten. Auf großen Meeren bis in Abendspäten Weit Umschau hallend nach den Heimatlinden, Nach stillen Inseln, die,«nttaucht— verschwinden... Die Wellen schlugen und die Wimpel wehten. Umsonst... Schon wollen sich die Haare färben, Der Gang wird schwerer und die Freund« sterben— Noch immer will sich nicht die Hütte zeigen. Di« kleine Hütte: blaue Wölkchen steigen Um Millogszeit— der Fried« träumt im Garten, Wo Weib und Kind mit Sehnen mich erwarten.
Da, lurmlelestop der Cinsteia-Sttslung. Bei der Prüfung der Einsteinschen Relativitätslehr«, der das neue Institut im Astro- physikalischen Observatorium zu Potsdam gewidmet ist, genügen die gewöhnlich benutzten Fernrohre nicht, um die notwendige Genauig» keit der Messungen zu erhallen, sondern man hat diese Fernrohre durch ein Turmteleskop ersetzt, über dessen Einrichtung Dr. K. L. Wolf in der„Umschau" berichtet. Ein solches Turmteleskop stellt ein System von Spiegeln und Lmsen dar. das in einem Turm festmontiert ist und durch geeignete Einstellung das Licht des Sterns senkrecht nach unten wirft, wobei die tägliche Bewegung der Sterne durch Bewegung der einzelnen Spiegel kompensiert wird. Im Millelpunkt der Potsdamer Anlage steht der Spektralraum, der unterirdisch angelegt ist, um jede Temperaturschwankung und Erschütterung zu ver- meiden. Dieser Raum ist mtt einen« physikalischen Laboratorium und mit dem Teleskop so verbunden, daß das Licht irdischer und kos- Mischer Lichtquellen gleichzellig untersucht werden kann. Das Turm- telcskop besteht im wesentlichen aus einem 20 Meter hohen Holz- turn«, der, durch Decke und Fußboden des Laboratoriums isoliert durchgeführt, auf besonders angelegten Pfeilern erschüllerungsfrei aufgestellt und zum Schutze vor Wind und Wetter von einem Zwesten Turm umgeben ist. Ein Spiegelsystem von zwei 90-ZerUiineter-Plan- spiegeln wirst den Strahl lotrecht nach unten auf eine Glasllnse von 60 Zentimeter Durchmesser und 14.5 Bieter Brennweite. Da der Brennpunkt dieser Linse etwa 4 Meter unter dem Laboratorium liegen würde, fängt ein unter 4-5 Grad geneigter kleinerer Plan- spiegel das Strahlenbündel vorher ab und entwirft so ein reales Bild des Sterns auf die in vier Meter Abstand befindliche Labors- toriumswand, die Spalt- und Kassetteneinrichtung des Spektralraumes trägt. Von hier aus werden dann mittels elektrischer Schaltungen und Ablesefernrohre das Spiegel- und Linsensystem des Turmes sowie die physikalischen Apparate des Spektralraumes bedient, so daß dieser wochenlang nicht betreten zu werden braucht. Das ist für die Temperaturkonstanz wichtig. Die ersten Arbeiten mst diesem neuen Turmteleskop sind bereits in Angriff genommen. Amerikanische Schnellzüge. Die Durchschnsttsgeschwindigkeit amerikanischer Schnellzüge ist im allgemeinen die gleiche wie in Deutschland , im Westen der Dereinigten Staaten ist sie sogar be- deutend geringer. Jeder Schnellzug hat seinen besonderen Namen wie z. B.:„The Empire",„The Chicago Expreß" usw. Es gibt Schnellzüge, die nur aus Pullman-Waggons bestehen, für die dann ein Aufschlag zu entrichten ist. der etwa dem O-Zugzuschlag in Deutschland entspricht, aber ganz erheblich höher ist. Der Typ der Personenwogen ist aber bei allen Zügen, ob Personen- oder Schnell- zug, gleich. Es gibt nur lange Durchgangswagen mit einein Gang in der Mllte. Die Pullman-Waggons sind ober noch mit beson- deren Bequemlichkeiten und größerem Komsort ausgestattet: außer- dem können sie in Schlafwagen umgewandell wenden. Der berühmteste und schnellste Expreßzug Amerikas ist noch immer der sogenannte„Iwentieth Century Limited"—„Zwanzigste Jahrhundert-Schnellzug"— der New Park ZeMral-Eisen- bahngesellschaft, der zwischen New Park und Chicago verkehrt und die Strecke von etwas mehr als 1000 Meilen(über 1800 Kilometer) in 18 Stunden mst einer Durchschnittsgefchwindigkest von etwa 100 Kilometer in der Stunde zurücklegt. Bis vor einigen Monaten fuhr er noch bedeutend schneller. Eine Anzahl schwerer Unfälle ließ es aber angezeigt erscheinen, die Schnelligkeit herabzusetzen. was verständlich ist, wenn man bedenkt, daß man bei amerikanischen Eisenbahnen keine Schranken an den Bahnübergängen kennt. Dieser Schnellzug wird so stark benutzt, daß er stets in zwei Tellen fahren� muß. Jeder der beiden Züge hat 32 Zügangestellte, darunter einen Zugführer, einen Pullman-Kondukteur, je einen Lokomotivführer und Heizer auf jeder der fünf Maschinen, die zwischen Chicago und New Park gewechselt werden, mehrere Gepäckl eiste in den Pack- «vagen, zwei Bremser. 10 Portters, ein Dienstmädchen, einen Bar- bier, ein« Stenographin, einen Oberkellner, sieben Kellner und vier Köche. Jeder Teil der beiden Züge einschließlich der fünfmal ge- wechselten Maschinen stellt einen Wert von 981 000 Dollars dar. Die längste Strecke, die ohne Maschinenwechsel zurückgelegt wird, ist die zwischen Buffalo und Toledo mit nahezu 300 Meilen. Zum Betrieb jodes Teils dieses Zugpaares sind 38 Tonnen Kohlen er» forderlich. Im ganzen sind täglich vier Züge dieses schnellsten amerikanischen Zuges unterwegs." 12 000 Ehemänner zu wenigi Die Londoner Behörden befinden sich auf der Suche nach 12 000 Ehemännern. Es handelt sich dabei um keine geheimnisvollen Verbrechen, sondern nur um eine Merk- Würdigkeit der Statistik, die man jetzt herausbekommen hat. Nach der neuesten Zählung gibt es in London 877 298 verheiratete Frauen, aber nur 865 300 verheiratete Männer. Es fehlen also 11 998 Ehe- männer, und man weiß nicht, wo sie hingekommen sind.
ÄerWeihnachtstag des kleinenTobias � Von Ignat Herrmann . Tobias verkroch sich zur Wand. Dort lagen eine Anzahl leerer Säcke, er legte sich auf ihnen nieder. Er gedockte der Heimat, und die Tränen versiegten mst einemmal, das schluchzen verstummte und nur das Zischen der Gasflammen war in dem mit inannig- saltigen Gerüchen erfüllten Gewölbe vernehmbar. Diese Düfte be- täubten den Knaben angenehm. So roch es fast daheim, wenn die Mutter das Abendmahl am Christabend vorberestete. Und auch so warm pflegte es daheim zu sein. Wenn sich aber draußen schon längst die tiefe Nacht über dem Städtchen herabgelassen hatte, da saßen sie alle beisainmen um den runden Tisch, vor jedem Teller flimmerte eine dreifüßige Wachskerze und aus den Tellern stieg der Rauch der Fischsuppe in die Höhe. Tobias glaubte bei seinen Lieben und Teuren zu sein, die um den Tisch herum versammelt stehen, sie setzen sich nieder, und die Mutter trägt die aroße Suppenschüssel auf. Und Tobias schlummert ein. Nur die Gasslammen zischen durch das lange niedrige Gewölbe. Endlich neigt es sich gegen die sechste Stunde. Der Laden leerte sich— und es sah darinnen aus, als ob eine feindliche Requi- sitioi, stattgefunden hätte. Die Säcke mit den Nüssen und Haselnüssen, mit Mehl und mit den sonstigen Eßwaren in der Früh' voll und oben schön eingeschlagen, als ob sie Kragen tragen wurden, sie� Iahen wie ausgeweitet aus; das Spalier aus größeren und kleineren Bouteillen am Rande des obere» Regals— angefüllt mit Rum und Punsch. Persito und Karsbader Bitter. Mogador, Oliven- öl, Essig und Wein— die gelichteten Reihen gaben einen kläglichen Anblick, in Wirklichkeit hatte aber Herr Karas seine Freude daran. Aus den Fächern im Regale, in denen früher Ein- und Zweipfund- päckchen aus Papier mit Mehl, Salz und Zucker, Kerzen- und Seifcnpakete und andere„kurrante" Ware eingeschichtet lagen, starrten große schwarze Lücken entgegen: die breiten Glasflaschen mit den Messingsturzen beherbergten nur ein paar kleine Uebcr- bleibsel von Bonbons, Gurken, gebranntem Kaffee und Rosinen— wer aber mit dem Gelenke aus die Schubladen im großen Regale binter dem Pulte geklopft hätte, würde daraus nur einen hohlen Schall vernommen haben. Es war wieder einmal ein guter, wohl- geratener Weihnachtstag gewesen Herr Karas überflog den Laden und alle Kennzeichen des heu- tigen reichlichen Absatzes mit einem Blick sichllicher Zufriedenheit. aber auch schon ungeduldig, wenn auf der Schwelle Schritte ver- nehmbar wnrden, und irgend so ein verspäteter Ankömmling ein kleines Schälchen voll Rum oder um einen Kreuzer Zündhölzer verlangte. Endlich sah er auf die Uhr und s->gf»?
.Also, Burschen, schlagt die Säcke um! Räumt ein wenia zusammen! Es wird geschloffen! Dieses Herumfackeln möchte noch lange dauern!" Und selbst zog er die große Schublade im Pull heraus und begann.Kassa zu machen". Mst jener Geschicklichkeit, durch welche sich alle alten Prinzipale auszuzeichnen pflegen, zähste er zunächst die Banknoten, daß sie ihm in den Händen mir so hinflogen. Er rechnete sie zusammen und steckte sie in das große Portefeuille, welches er in der tiefen Tasche' seines Kalmuckrockes barg. Die kleinen Silber- und Kupfermünzen schüttete er in ein Ledersäckchen. Dieses Geld wird er oben, zu Hause überzählen, doch erst morgen vormittag. Es schlug eben sechs Uhr, als er die gelben Haftel seiner graue» Ladenschürze ausmachte, diese aufs Pult legte und dem Personal lommandierte: „Also, also! Alles herunterziehen! Gasometer schließen und vorwärts!" Die Burschen entsprachen gerne diesem letzten Befehle. Auch sie hatten die heutige.Hetz" bis zum Halse satt und freuten sich schon auf oben, aus die warme Stube. Einer der Lehrjungen stand bereits mit einer vorbereiteten Lateme da, die übrigen trugen alles, was zur Feier des Weih- nachtsabends gehört. Dieser eine Schachtel Tee und zwei Flaschen Rum. jener einen großen Sack mit Nüssen, Zwieback, Aepfeln, ge- trockneien Pflaumen, irgendwelcher Pomeranzen— die eigene Häuslichkeit versorgte Herr Karas ganz zuletzt. Das Geschäft ging vor. Endlich schlugen also die Burschen die Eintrittstür zu. das Schloß knirschte, auch der große Eisenriegel schnappte ein, wurde in der Mitte durch eine Schraube oersichert und die kleine Karawane pilgerte durch eine Seitentür ins Vorhaus hinaus, dann auf den weiten Hof, zum Sticgenhaus und hinauf ins Stockwerk. Der Prinzipal begab sich direkt in seine Wohnung, das Per- sonal schritt im Gang weiter zu den Lagerstätten, die aus zwei Stuben mit kleinen Fenstern und Ausblick auf den Hof bestanden. Hier lassen sie ihre Schürzen, waschen sich ein wenig ab und kleiden sich um, um rein und ordentlich beim gemeinschaftlichen Abendmahl erscheinen zu können. Noch aus der«schwelle wandte sich Herr Karas um: „Braucht mir nicht zu lange, ihr Burschen! Daß ihr mir in einer halben Stunde mit allem fertig seid! Damit die gnädige Flau nicht allzu lange warten muß! Flink! Flink!"_ Eine allzu große Ermahnung war eigenttich überflüssig. Alle wußten, daß es nicht gut ablaufen würde, wenn man sich verspäten möchte. Der Prinzipal selbst war präzise wie eine Uhr; jede Un- pünktlichtest hätte seinen Zorn herausgefordert. Binnen einer halben Stunde war das ganze.Haue" de« Herrn tan* im großen Zimmer versammelt, du» an Smw- und Feter»
tagen als Speisezimmer benutzt wurde. Am oberen Ende des langen Tisches saß die alte Frau, die Mutter von Frau Karas, die beim Schwiegersohn lebte, neben ihr stand der Herr Prinzipal hinter seinem Sessel und sah mst hungrigen Blicken den Borberestungen zum Abendessen zu. Ein wenig weiter, bei der Türe und beim Ofen, standen die Kommis und Lehrjungen zusammengedrängt. alle ein wenig geniert. Sie aßen zwar für gewöhnlich alle Sonn- und Feiertage hier zu Msttag, dennoch pflegte es ihnen an dieser gemeinschaftlichen Tasel mit dem Prinzipal und seiner Familie stets unbehaglich und bedrückt zumute zu fein. Jetzt betrat Frau Karas. das wahre Gegenteil ihres strengen Gatten, das Zimmer. Sic war eine liebe, feine Frau, ungefähr 30 Jahre alt, blauäugig und schlicht gekleidet Sie nahm sich neben ihrem Gatten, der mit finsterem Gesichte und durchbohrenden Blicken dreinschaute, die stets jemanden zu verdächtigen schienen. wie ein Engel aus. Für die Frau wären alle Untergebenen durchs Feuer gegangen. Frau Christine milderte viele Schroffheiten ihres Gatten, viele Ungerechtigkeiten machte sie wieder gut, und wenn mitunter einer der Lehrjungen oder Burschen erkrankte, so pflegte sie ihn wie eine barmherzige Schwester Im selben Augenblicke, als sie hereinkam, traten die Kommis und Lehrjungen ihrem Alter nach an sie heran, küßten ihr die Hand urck wünschten ihr ehrerbietig glückliche und fröhliche Feiertage. Doch noch ein Gast war anwesend. Der Insormawr der beiden Karasschen Kinder, ein junger Lehramtskandidat, vom Lande ge» bürtig. und an den Feiertagen gewöhnlich zu Tisch geladen. Der Frau Karas folgte die Köchin, die eine Schüssel mit Fisch« suppe hereinbrachte. Es war ein? große Schüssel, aber die Köchin mußte sie zweimal nachfüllen, damit alle beteist werden konnten. Die alte Frau erhob sich, bekreuzigte sich, faltete die Hände und betete. Herr Karas schlug nachlässig ein großes Kreuz, aber auch seine Lippen bewegten sich. Und alle übrigen folgten dem Beispiele der alten Frau. Nach dem Gebete Lärm, Sesselrücken, alles setzte sich, und nur das hastige, vielfache Herunlerschlürfen der Suppe war im Räume vernehmbar. Bei Herrn Karas wurde bei Beginn stets eilig und schweigend gegessen, wie auf ein Kommando, wie am Bahnhof vor der Abfahrt des Zuges. Nach der Suppe wurde einer alten Gewohnheit zufolge ein« längere Pause gemacht. Jetzt öffnete sich die Türe der angrenzenden Stube, in der ein Christbäumchen mit darunter befindlichen Ge- schenken erglänzte. Für jeden lag hier etwas bereit, diese alt« Gewohnheit pflog Herr Karos w lobenswerter Weise. Die beiden Karasschen Kinder, ein Bub und ein Mädel, brannten geradezu vor Ungeduld und Neugierde, und so erhob sich der Herr Informator: um sie zu dem Bäumchen zu führe«. (Fortsetzung folgt.)