mit aller veutkichtstt, daß es die absolut verfehlte eigene Politik der Unternehmer feit zwei Iahren«st, die den exploswen Charakter der Krise erzeugt hat und die nun bestrebt ist, nicht nur die Arbeiterschaft für ihre Fehler mitoerantwort- l i ch zu machen, sondern auch die Krise auf ihrem Rücken durchzuführen.
Kriegsbeschädigte und wirtschastsnot. In einem Erlah bat der Reichsminister der Finanzen an die Präsidenten der LandeSfinanzämter eine bestimmte Regelung für den erhöhten Steuerabzug bei erwerbstätigen Kriegsbeschädigten und Kriegerwitwen getroffen. Wie der Reichsbund der Kriegsbeschädigten mitteilt, wird bei rentenberechtigten Kriegsbeschädigten, die um mindestens LS Proz. erwerbebeschränkt siitd, auf Antrag mit Rücksicht auf ihr« besonderen wirtschaftlichen Verhältnisse und die ihnen erwachsenden höheren Werbungskosten und Sonderleistungen eine Erhöhung des gesetz- lichen steuerfreien Lohnbetroges und dex Pauschsätze für Werbunge- kosten und Sonderleistungen(also des Gesamtbetrages von 100 Reichsmark monatlich ab 1. Januar 1SZS) um den Hundertsatz ihrer Erwerbsbeschränkung zugebilligt. Den Besonderheiten des einzelnen Falles kann durch einen entsprechenden Zuschlag Rechnung getragen werden. Bei Kriegsbeschädigten, welche nach§ 31 des Reichsver» sorgungsgesetzes Pflegezulage erhalten, sind die steuerfreien Beträge mlnbesteus um 200 Proz. zu erhöhen. Bei Krieger- witwen ist zu beachten, daß in§ 56 Absatz 1 des Einkommensteuergesetzes Aufwendungen im Haushalt, die durch die Erwerbs- tätigkeit einer Witwe mit minderjährigen Kindern veran- laßt worden sind, ausdrücklich zu den besonderen wirtschaftlichen Lerhältnisien gerechnet werden, die nach 8 75 Nr. 1 durch Erhöhung des steuerfreien Lohnbetrages im engeren Sinne berücksichtigt werden können. Anträge von Kriegerwitwen sind wohlwollend zu be- handeln. Dom Reichsbund der Kriegsbeschädigten wird darauf hin- gewiesen, beim zuständigen Finanzamt unter Vorlegung des letzten Rentenbescheids und der Steuerkarte umgehend die Erhöhung der Werbungskosten für 1926 zu beantragen. Die üeutstbaationale verleumüerclique. Isidor Kreil und die Seine«. Der Sozialdemokratische Pressedienst meldet: Einer der Kronzeugen gegen Friedrich Eberl im Magdeburger Prozeß war der übel beleumundete Kaufmann Isidor Kreil aus Bayern , der nach dem Scheitern seiner Lügenattacke wegen Mein- eids in Haft genommen wurde. Dieser Ehrenmann wurde vor einigen Monaten aus der Untersuchungshaft entlassen und stüchtete— wie nicht anders zu erwarten war— vor der in Augs- bürg ongesetzlcn Verhandlung ins Ausland. Kreil hat nun, wie wir ersahren, vor einiger Zeit versucht, durch Vermittlung eines völkischen Architekten Thurn in Augsburg das angcb- lich in der Schweiz liegende„Beweismaterial� gegen Friedrich Cbert in klingend« Münze umzusetzen. Nachdem das mißglückt ist, schrieb er an seinen Vertrauensmann:»Sie haben aus meinem Vertrauen nur Kapstal schlagen wollen. Das habe ich schon im Frühjahr gefühlt, als Ihnen R o t h a r d t nicht gleich 1000 Marl in die Tasche warf. Während Sie 300 Mark, 100 von Röthardt. 200 von Herrn von Forstner verdient haben, sitze ich ohne einen Pfennig Geld da. Ich werde jetzt alle meine Dokumente, die ich in Bern habe— cn die Franzosen abgeben, so daß die Sache nie mehr zugunsten Deutschlands aufgeklärt wird. I ch kenne kein Vaterland mehr.� In der Tat, wieder ein- mal ein»zuckersüßes Brüderchen�, dessen sich die Deutschnationalcn bedient haben._ Abgelehntes MeSeraufnahmeverfahren. Im ssall Wandt. Der erst- Strafsenat des Reicksgericht« hat in geheimer Sitzung den Antrag de» Schriftsteller» Heinrich Wandt aus Wieder- ausnahm« seine» Verfahren» und Hostenilassung bi» zur Durch- führung de» neuen Prozesse» abgelehnt. Wandr bleibt also werier in Hast, trotzdem rnzwischen binlänglich festgestellt>st. daß gegen ihn vom Reichsgericht ein Fehlurteil gefällt worden ist. Wandt wurde feinerzeir zu fech» Jahre Zuchthaus verurteilt.
Antisemit unü Iuöenbank. Die Verbindungen eines Vürgerblockministers. Der Außenminister der christlichsozial großdeutschen Bundes- regierung Deutfchösterreichs, Dr. Mataja, ist eine interessante Persönlichkeit. Er hat sich schon im alten Oesterreich als besonders gehässiger Bekämpser der Sozialdemokratischen Partei hervorgetan und ist dadurch in der Ehristlichsozialen Partei immer höher ge- stregcn, so daß er schließlich Außenminister der Republik werden konnte. In dieser Eigenschaft oerfolgt er einen Kurs, der dadurch genügend gekennzeichnet ist. daß Herr Mataja zwar amtlich» Besuche m Rom und Paris , aber noch nie in Berlin gemacht hat, wie denn auch dos Organ des französischen Außenministeriums ihn bei seinem Amtsantritt als einen aufrichtigen Freund Frankreichs begrüßt hat, was natürlich nichts anderes heißen sollte, als daß Mataja ein Gegner der Volksbewegung aus Wiederoereinigung Deutschösterreichs mit dem Deutschen Reich ist. Frenich hat sogar Dr. Seipel noch vor wenigen Monaten in der Schweiz erklärt, daß eine Volksabstimmung über diese Frage in Deutschösterreich Zweifel- los über 90 Proz. Ja ergeben würde. Trotzdem ist Mataja in seinem Amt geblieben und auch der scharfe persönliche Konflikt, in den er vor einiger Zelt durch sein Auftreten im Nationalrat mit den Sozialdemokraten geriet, hat ihm das Amt nicht gekostet. Jetzt aber scheinen Matajas Miniftertage doch gezählt zu sein. Das Bekanntwerden gewisser Beziehungen zwischen dem Außenminister und der B> e d er m a n n- B a n k A.-G. hatte dazu geführt, daß auf Verlangen der Sozicldemokraten ein parlamen- tarischer Untersuchungsausschuß eingesetzt wurde. Die Biedermann- Bank ist jung und klein, hat aber trotzdem sehr große Geschäfte gemacht. Der Staat hat dieser Bank gerade verfügbare Mittel des Salz, und Tabakmonopols und der Bundesbahnen geliehen, und die Bank hat diese Golder der wüstesten Börsenspekulation zur Der- fügung gestellt Die Folge war. daß die Biedermann-Bank in große Schwierigkeiten geriet, von der Ratwnalbant gestützt werden mußte. und die nur kurzfristig gegebenen Staategelder notgedrungen lang. fristige Darlehen geworden sind deren Zurückzahlung überdies noch recht fraglich Der Untersuchungsausschuß batte sich mit der Behauvtung zu beschäftigen, daß Dr. Mataja der Biedermann-Bank staatliche Finanzaufträpe verschafft und dafür Gratisaktien dieser Bank erhalten babe. Talsächlich hat der Ausschuß festgestellt, daß laut Kontobuch der Biedermann-Bank zehntausend Ihrer Aktien von Dr. Mataja bezogen wurden, während ein Vermerk über die Be- Zahlung dieser Aktien fehlt. Jedoch w rde in einem an Radierunaen reichen Notizbuch des Vizepräsidenten der Diedermann-Bank, Dr. K u n w o l d. eine Usberweisung von 9000 Dollar aus der Schweiz im Auftrag« des Dr. Mataja und zur Bezahlung
dieser Aktien vermerkt gefunden. Der ats Sachverständiger herbei- gezogene Genosse Hofrat Stern. Vizepräsident der deutschöster- reichischen Bankenkommission, spürt« ein Konto aus den Namen Marie Schmidt auf und enrlarvte es als Deckkonto Dr. Matajas. Auch auf diesem Konto ist Aktienliefcrung ohne Bezahlung vermerkt. Dr. Mataja verweigert sowohl über die Notwendigkeit der Er- richtung dieses Deckkonlos, das er nicht bestreiten kann, als auch über die 9000 Dollar jede Auskunft. Die bürgerliche Mehrheit des Untersuchungsausschusses hat das Verhalten Matajas nicht zu tadeln gefunden, die sozialdemokratische Minderheit tut das aber nachdrücklich in einem Minderheitsgutachten, das dem Nationalrat gleichzeitig zugegangen ist. Aber selbst der christiichsozlale Abg. Dr. Gürtler(von den stelrischen Christlich - sozialen, die innerhalb der Partei eine Opposition darzustellen scheinen) hat kein Hehl aus seiner Mißstimmung darüber gemacht. daß Dr. Mataja sich»mit diesem Frauenzimmer Marie Schmidt eingelassen" habe. Selbstverständlich ist die D o p p e l e x i st e n z als Dr. Matafa und Marie Schmidt seitdem der Hauptgegenstand der in Wien von jeher recht lebendigen politischen Karikatur. Der Finanzminister Dr. Kienböck, auch ein Christlichsozialer, hat als einzigen Grund dafür, daß der Staat frei« Gelder nicht bei der Nationalbant oder bei einer der alteingeführten Banken anlegt, sondern bei dieser Biedermann-Bank, nur anführen können, daß die Biedermann-Bank die höchsten Zinsen, nämlich 24 Proz., zahle. Das konnte sie freilich, denn sie bekam von der Spekulation noch höhers Zinsen für die Staatsgelder, die sie ihr zur Verfügung stellte. Präfi- dent der Biedermann-Bank war bis vor einiger Zeit der ehemalige Finanzminister Dr. S ch u m p e t« r, der gegenwärtig Professor an der Unwersität Bonn ist; die Seele der Bank jedoch war und ist Dr. Kunwnld, ein Jude, der aber nichtsdestoweniger seit 20 Jahren der beste Freund des großen Antisemiten Dr. Mataja und außerdem seit langem der finanzielle Berater des christlichsozialen Führers Dr. Seipel in allen Sanierungsfragen ist. Ob der Staat das Geld, dos feine Antisemitenregierung der jüdischen Biedermann-Bank zur Verfügung gestellt hat, jemals wiedersehen wird, ist«in« Frage. Die engen Beziehungen der führenden Antisemiten zu dieser Iudenbant stehen aber fest. Weniger fest dürfte nun die Stellung Dr. Matajas als Außenminister fein.
Der Geist von Locarno . Slmtsantritt des NheinlandkommisiarS. Koblenz , 23. Dezember. (WTB.) Der heut« erfolgten Heber- reichung des Beglaubigungsschreibens des Reichstommiffars für die besetzten Gebiete, Freiherrn Langwerth von Sim- mern, wohnten außer dem Präsidenten der Interalliierten Rhein- landkommission T i r a r d die beiden anderen Oberkommissare Lord K i l m a r n o ck und Forthomm« mit ihren Stellvertretern und Hauptmitarbeitern bei. In Begleitung des Reichstommissars befanden sich dessen Stellvertreter Graf Adelmann von Adel- mannsfelden und der Regierungsrat Dr. Vogel, sowie der Gesandtschaftsrat Dr. Heberlein. Der Präsident der Inter - alliierten Rheinlandkommission und die beiden Oberkommissare wid- meten dem Reichskommissar herzliche Begrüßungswort«, auf die der Reichskommiffor erwiderte, indem er für die freundlichen Worte seinen aufrichtigen Dank aussprach und dann fortfuhr:„Der in Locorno geschlossene und in London unterzeichnete Pakt möge zu einem Markstein im Leben unserer Völker werden. Sie wissen, daß meine Berufung auf den hiesigen Posten in engstem Zu- sammenhang mit den genannten Abmachungen steht, und bitte ich Sie, versichert zu sein, daß ich meine ganze Persönlichkeit für die Durchführung der neuen Aufgaben einsetzen werde. Ich weiß, und Ihr« soeben gehörten Worte haben es mir bestätigt, daß ich auf Ihrer aller Mitwirkung rechnen kann. Möchte es uns dem Geist von Locorno entsprechend gelingen, in vertrauensvoller Zusammenarbeit die mit der Besetzung verbünde- nen moralischen und materiellen Lasten der rheinischen Bevölkerung zu erleichtern. Die in Angriff genommenen und weiter zu er- wartenden Milderungen des Bssatzupgsregimes gehören in diesen Rahmen." Der Reichskommissar schloß mit dem Ausdruck der Hoff- nung, daß die im Rheinland zu leistende Arbeit der Befriedung und dem Wiederaufbau Europas förderlich werden möge.
L'tauistbe??nt'öemokratie. Tie beschweren sich über die Polen — und unterdrücke» die Tentfchen. Aus Memel meldet man uns: Di« Regierungskrise im Memelgebiet hat noch immer kein« Lösung gefunden. Der Gouverneur des Memelgebietes hat die Vertreter der deutschen Parteien des Landtages zu sich gebeten, um mit ihnen über die Bildung der Regierung zu verhandeln. Er schlug ihnen jedoch aber- mals nur Bertreter der litauischen nationalistischen Minderheit vor, u. a. den früheren preußisch-tonservativen Landtagsabg. Dr. G a i g a l a t. Die Vertreter der Cinheitefrontparteien lehnten es ab, den genannten Personen das Vertrauen auszusprechen und be- standen darauf, daß der Gouverneur einen neutralen Kandi- daten benenne. Es war nämlich am Vormittag vorher den Per- tretern der Einheitsfront mitgeteilt worden, daß der Gouverneur beabsichtige, wenn es zu einer Einigung nicht kommen sollte, den keiner Partei angehörenden Abg. Z r e i t y s als Präsidenten vor- zuschlagen. Zreitys wäre den Einheitsfrontparteien unter gewissen Bedingungen als Landesprästdent genehm. Wie verlautet, hat jedoch die nationalistische litauische Minderheit es abermals fertig bekommen, diese Ernennung zu verhindern. Die litauische Re- gierung in Kowno steht auf dem Standpunkt, daß drei Mitglieder des fünfgliedrigen Landesdirektoriums Litauer sein müssen. Es ist natürlich ganz ausgeschlossen, daß der Landtag diesen Forderungen entspricht, da sie allen demokratischen Prinzipien ins Gesicht schlagen, zumal die Minderheit der nationalistischen Litauer derart gering ist. daß sie für die Regierungsbildung überhaupt nicht in Frage kommt. So wird das letzte Wort über diese Gewaltpolitik der litauischen Regierung im Memelgebiet der Völkerbund zu sprechen haben, an den bereits ein Beschwerdetelegramm des Landtages abgegangen ist. Der Landtag hat auf Antrag der Sozialdemokraten beschlossen, daß die Arbeitslosen, denen bisher kein« Arbeit nachgewiesen wert>en konnte, eine bare Weihnachtsunter st ützung erhalten sollen, und zwar Arbeitslose mit mehr als drei Kindern 40 LH(vier Dollar). solche mit 1—2 Kindern 30 Lit und Verheiratete ohne Kinder 25 Lit und Ledige, die ihre Eltern unterstützten, 20 Lit. Ferner verlangt der Landlag, daß die Erteilung von Aufenthaltegenehmigungen so- wie die Ausstellung von Pässen den Behörden des Memel gebietes wieder übertragen werde; die litauische Regierung hat sie wider- rechtlich dem Gouverneur übergeben. Auch wurde gegen die hohen Visagebühren protestiert, die die Mcmelländer hindern, nach Deutschland zu reisen und lediglich den Zweck haben, den Berkehr zwischen Deutschland und dem Memelgebiet abzuschnüren. Die Litauer haben im Landtag beantragt, sofort auf sämtlichen Bahn- Höfen den Namen der Station auch in deutscher Sprache anzu- bringen. In einem zweiten Antrag oerlangten die Lstauischnatto-
nalen sofortig« Ausschreibung der Sejmwahlen. damit die sechs Abgeordneten, die das Memelgebiet in den litauischen Sejm nach Kowno zu entsenden Hot. dort sofort gegen die hohen Steuern, die das Wirtschaftsleben im Memelgebiet zerstören, pro- testleren könne. Diese Anträge, die angenommen wurden, sind natürlich nur Agitationsanträge, da die Litauischnationalen im Memelgebiet auf die Auflösung des Landtages hoffen, wovon sie sich einen bedeutenden Mandatszuwachs versprechen, obgleich gerade das Gegenteil zu erwarten ist und dabei wahrscheinlich auch der letzte nationalistische Litauer aus dem Landtag verschwinden würde.
Labour portp unü ZNojsulvotum. Tie Nichttcilnahmc an Beratung und Abstimmung. London , 23. Dezember.(TU.) Die Nicktteilnahme der Arbeiter- Partei an der Mossuldebatte im Unterhaus« hat in der englischen Oeffentlichkeit beträchtliches Aussehen erregt. Jetzt ergreift der Parteiführer Henderson hierzu da» Wort. Kcinekweg» babe sich die Arbeiterpartei wegen Führerlosigleit und innerer Differenzen von der Mossuldcbatre zurückgezogen. Noch vor Macbonald» Ab- reise nach Ceylon habe sich der Parteiausschuß unter besten Vorsitz mit der Mossulabstimmung beschäftigt und eine Deputation zum Ministerpräsidenten mit dem Ersuchen entsandt, die Mossul- frag« nicht so übereilt im Unierhause zu behandeln. Baldwin Hab« sich aber gegen einen Ausschub der Debatte ousgeiprochen. Bei der Kürze der Zeit habe nicht mehr eine Parteikonferenz die Frag« eingebend beraten können, und so sei die Partei zum Auszug gezwungen gewesen. Maedonald in Paris . Pari». 23. Dezember.(MTB.) Heute abend gibt Kammerpräsident H e r r i o t ein Essen zu Ehren des in Paris anwesenden Ramsar , Macdonald. Ihre TeUnahme haben zugesagt, die sozialistischen Abgg. Blum, Paul-Boncour, Vincent. Auriol, Senator «oarraut und der Vorsitzende des Finanzausschusses der Kammer Maloy, sowie führende Mitglieder der Radikalen Partei.
Parlamentsschluß in Lonöon. Turch königliche Botschaft. London , 23. Dezember.(MTB.) In der königlichen Botschaft, die bei der Vertagung des Parlaments in beiden Häusern zur Ver- lesung kam, heißt es u. a.: Es war ein Anlaß zu großer Zufrieden- heit für mich, in London die Bevollmächtigten Deutschlands , Belgiens , Frankreichs , Italiens , Polens und der Tschechoslowakei zu emp- sangen, die am 1. Dezember die in Locarno am 16. Oktober para- phierten Vertragsinstrumente hier unterzeichnet haben. Es ist mein Glaube und meine Hoffnung, daß diese Urkunden, indem sie den un- mittelbar beteiligten Völkern Sicherheit geben, sich nicht nur als Grundloge eines wahren Friedens zwischen ihnen er- weisen werden, sondern auch als Anfang einer freund- schaftlichen Zusammenarbeit» die der ganzen Welt zu- gute kommen muß. Ich freue mich über den Anteil, den meine Re- gierung bei den Verhcndlungen, die zu diesem glücklichen Ereignis führten, zu nehmen in der Lage war. Die Lotschast erwähnt u. a. noch den Abschluß des irischen Grenzvertrags, die Schließung der Weltausstellung in Wembley , die Industrieschutzzollpolitit der Regierung» die Kohlen- krisis, die Einführung einer Witwen-, Waisen- und Altersversicherung, das Wohnungsproblem, die Bei-' Hilfe für die Zuckerindustrie, und schließt mit guten Wünschen für die Mitglieder des Parlaments. Vertrauliche Mossnlbcfprechung. London , 22. Dezember. (WTB.) Der türkische Botschafter hatte die angekündigte Unterredung mit Premierminister Baldwin über die Jrokfrage. Die Unterhaltung war völlig vertraulich.
Keine Klassenjustiz! Prozesse, die zu denken geben. Zu dem unerhörten Urteil gegen Gen. Worch-Langewiesen , das wir seinerzeit veröffentlichten, erhalten wir folgende Zuschrift: Vor wenigen Wochen ist der Stadtgemeindeoorsteher von Langewiesen (Thüringen ), Regierungsrat i. W. W o r ch, vom Schöffengericht in Rudolstadt zu einem Jahr Zuchthaus oerurteilt worden. Ihm wurde zur Last gelegt, in seiner Eigenschaft als Leiter der politischen Polizei während der Hitler -Unruhen bei der Vernehmung von Studenten Aussagen er- preßt zu haben, indem er den Betreffenden mit dem Gummiknüppel vor dem Gesicht herumgefuchtelt hätte und dazu geäußert haben soll, er werde das Bürschchen schon zum Reden bringen. Anwesende Polizeibeamle haben von diesem Vergehen nichts gemerkt, und die Belastungszeugen haben sich in der Verhandlung als wenig glaub- würdig erwiesen. Das Gericht ist zu einer Verurteilung gekommen, wogegen aber Berufung eingelegt ist. Die T h ü r i n g e r R e- g i e r u n g hat Worch seines Amtes als Stadtgemeindevorsteher vorläufig enthoben. Ungefähr zu gleicher Zeit lief ein Prozeß vor dem Schwur- Gericht in Koburg . Das„Koburger Volksblatt" hatte in einem Artikel von dem Wachtmeister Stammberger aus Ro- dach bei Koburg behauptet, er Habs ein 13»sährlges Schulmädchen bei einer polizeilichen Vernehmung „derart verprügelt, daß dem Kind das Blut aus Mund und Rase lief; Taschentuch und Schürze waren über und über mit Blutflecken bedeckt. Nachdem es so verprügest und ihm m i t einem R e v o l o e* vor dem Gesicht herumgefuchtelt war, hat das Mädcken ein„Geständnis" abgelegt. Es ist schon der zweite Fall, daß jugendliche Personen bei Vernehmungen von diesem Wachtmeister verprügelt wurden." Gegen diese Veröffentlichung erhoben der Wachtmeister und die Rodacher Stadtverwaltung Strafantrag wegen össentlicher Be- amtenbeleidigung. Das Ergebnis war ein Freispruch der Zeitung infolge gelungenen Wahrheitsbeweises. Eine De- sirafung des Wachtmeister» wegen Erpressung elnes Geständnisses ist bis jehl nicht erfolgt, auch Ist keine Anklage gegen ihn erhoben. Er befindet sich noch im Amt. So der Tatsachenbestand. Ein Vergleich beider Prozesse ergibt eine völlig verschiedene Behandlung der beiden Beamten durch die Justiz. Während Worch schlimmstenfalls mit der Anwendung von Zwangsmitteln gedroht hat, hat Stammberger solche weit schlimmerer Art wirtlich angewendet. Worch wird vom Staatsanwalt deshalb angeklagt, vom Gericht zu Zuchthaus verurteilt und daraufhin seines Amtes vorläufig enthoben; der Wachtmeister wird in Schutz ge- nommen, nach gelungenem Wahrheitsbeweis nicht angeklagt, nicht bestraft und nicht enthoben. Worch stand gegen erwachsene Stu. deuten, Intelletluelle, für ihre Handlungen verantwortliche Leute � der Wachtmeister verging sich an unverständigen, unmündigen Kindern. Worch hatte die heutige Staatsform zu verteidigen gegen rechtsradikale hochverräterische Umtriebe in einer politisch bewegten Zeit: Stammberger hatte es mit Opfern des Elends, der Armut und der fozial.'n Verhältnisse zu tun. Aber: Worch ist Sozial demokrat, Stammberger Stütze des Königreie Bayern!