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Eine unruhige Silvesternacht.

457 polizeiliche Feststellungen.

Steinwürfe auf Eisenbahnzüge.

Bier Täter ermittelt.

Der grobe Unfug, Eisenbahnzüge zu beschießen oder mit Steinen Kriminalpolizei   ist es nach tagelangen Beobachtungen gelungen, vier zu bewerfen, nimmt fein Ende. Der Streifbeamtenschaft I der Unfugftifter, die an der Schwedter   Brücke zwischen den Bahn­höfen Gesundbrunnen   und Schönhauser Allee   ihr Unwesen trieben, zu ermitteln. Die Beobachtungen ergaben, daß hier Kinder aus der Häusergruppe Kopenhagener Straße 36-40 in Betracht tommen mußten. Durch Ermittelungen wurde dann auch fest­gestellt, daß sich vier Schüler aus dem Hause Kopenhagener aufgehalten hatten, besonders auf einem eingezäunten Plaz an der Etraße 40 viel an der Stelle, von der aus der Unfug verübt wurde, Ehmedter Brüde. Die vier wurden zur Rede gestellt und scharf ins Gebet genommen und gaben endlich auch zu, wieder­holt auf vorüberfahrende Güter und Personen­züge mit Steinen geworfen und in einigen Fällen Scheiben zertrümmert zu haben. Die Kriminalpolizei machte nicht an den beiben legten Abenden sind wieder zwei Fälle vorgekommen. nur ihren Eltern, sondern auch der Schulleitung davon Mitteilung. Dem Bugbegleiter Karl Bredheim wurde in dem Bremser häuschen des vorletzten Wagens eines Zuges furz hinter der Station Wedding   durch einen Steinwurf, der nur von einem erwachsenen Menschen ausgegangen sein kann, das Rafenbein zertrüm mert. Von der Marstraße in Schöneberg   her wurde ein Bots damer Vorortzug beschossen, wahrscheinlich mit einem Tesching. Die Geschosse drangen in die Bandung eines Wagens ein, ohne sie ganz zu durchschlagen.

Der Berliner   ist wetterfest. Das hat er auch in der Silvester­nacht bewiesen. Schon gegen 9 Uhr abends ging der wilde Trubel los, allerdings etwas zu gewaltsam emporgepeitscht, um als Fröhlich feit zu wirfen. Es war wohl die stürmischste Silvesternacht, die Berlin   feit Jahrzehnten erlebt hat. Trotz des sehr schlechten Wetters tobte in den Straßen und in den überfüllten Lokalen ein Leben, als cb die Hölle losgelassen sei. Mit Papierschlangen, Raketen, Ronfetti, Knallbonbons und immer erneutem 3uprosten war es allerdings leider nicht getan, es wurde auch mit Revolvern und Meffern ge arbeitet. Bielleicht war dieses disharmonische Silvester ein Symbol unserer verzweifelten wirtschaftlichen Lage. Ein Fest der Galgen scherze, nicht des Humors. Die schweren Schlägereien, die in allen Teilen Berlins  , in der Nacht vom 31. zum 1., stattfanden, gaben eine Charakteristik der aufgewühlten Seele des Volkes. Einige Zahlen mögen das eindringlich beweisen. In der Silvesternacht wurden von der Polizei insgesamt 457 Siftierungen vorge nommen, 355 Personen erhielten auf den Rettungs­stellen Groß- Berlins bei ihren mehr oder weniger schweren Ber­legungen die erste Hilfe. Siebzigmal mußte die Feuerwehr alarmiert werden, um bei groben Unfug, Wohnungsbränden, aber auch Sturmschäden, helfend einzugreifen. 36 Männer und eine Frau wurden zum Präsidium gebracht, die Giftierung genügte nicht. Die schweren Zusammenstöße angeheiterter Personen, die oft vor den Schantlofalen mit Messern und Fäusten erbitterte Händel   anfingen, Die Stichflamme aus dem Hochofen. Der bei der Firma Hütten: haben drei Todesopfer gefordert. Außerordentlich bezeichnend für wert A. Mener, Tempelhof  , Germaniaftr. 141, beschäftigte die Perspektive, unter der dies Silvester der Not gefeiert wurde, 65 Jahre alte Arbeiter Valentin Schmidt aus der Emjer ist die große Zahl der Selbstmorde. Die Selbstmordchronik ver­Straße 28 in Neukölln   wurde heute vormittag das Opfer eines zeichnet mehrere Lebensmüde an der Schwelle des neuen Jahres. Ichweren Unfalles. Aus dem Hochofen, an dem Sch. be­Nach den letzten Feststellungen registrierte die Silvesternacht 6 Tote schäftigt ist, schlugen aus bisher noch unbekannter Ursache mehrere mehrere Schwerverlegte und 11 Selbstmordvergewaltige Stichflammen heraus, die den Verunglückten erfaßten. schweren Brandwunden wurde Sch. in bedenklichem Zustande in das Budower Krantenhaus überführt. Eine polizeiliche Unter­fuchung des Vorfalles ist eingeleitet worden.

fuche. Kein erfreulicher Anfang.

werden.

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Berbrechen und Selbstmorde.

Das Hochwasser fällt.

Die neueffen Mitteilungen über die Hochwasserkatastrophe be. ftätigen allgemein die Erwartung, daß die Waffermengen faft aller aus den Ufern getretenen Flüffe langsam zu fallen beginnen. Der Rhein   dürfte 3. B. mit dem am Freitag abend festgestellten Degel von 9,80 Metern in Köln   nicht nur feit 1784 den Höchststand, fondern auch für dieses Jahr die höchste Steigerung endgültig erreicht haben. haben. Katastrophal scheinen die Auswirkungen feiner Fluten geradezu in Neuwied   zu sein. Bon dort wird gemeldet, daß der Fluß auf einer Breite von 1,6 kilometern in das Stadtgebiet ein­gedrungen ist und die Wasserhöhe in der Mitte der Stadt am Freitag morgen mit 2,38 metern gemessen wurde. Selbst in der Stadt foll die Strömung teilweise noch am Freitag abend fo start gewesen sein, daß verschiedene Straßen nur mit motorbooten befahren werden konnten. Insgesamt sind nach einer Meldung der Stadtverwaltung 1000 Wohnungen ge. räumt worden, von denen für die Zukunft wahrscheinlich ein großer Teil nicht mehr bezugsfähig fein dürfte. Das Wirtschaftsleben in Neuwied   ist völlig ftillgelegt. Immerhin wird auch von dort be­richtet, daß der Rhein   in den vorgerückten Abendstunden am Freitag um einige Zentimeter gefallen ist.

Aus der großen Reihe der Delifte und Unfälle in der Silvester­nacht seien die folgenden herausgehoben: Aus noch unbekannten Gründen gerieten gegen 10 Uhr vor dem Hause Reichenberger Etraße 110 mehrere junge Leute in Streit, in dessen Berlauf auch die Meffer gezogen wurden. Hierbei erhielt der 26 Jahre alte Arbeiter Franz Paschte aus der Liegnizer Straße 25 einen Stich in den Rücken, der ihn so schwer verlegte, daß er auf dem Transport in das Krankenhaus verstarb. Sein Bruder Arthur, ein junger Mensch von 21 Jahren, wurde durch mehrere Bauchstiche verlegt, fonnte aber in der Wohnung verbleiben. Wer von den Streitenden zuerst zum Messer gegriffen hat, steht noch nicht fest. Ein Arbeiter Karl Kaczmaret, der auch daran beteiligt war, wird als Täter bezeichnet. Er selbst fonnte noch nicht verhört Mit einem Brustschuß auf dem Bürgersteig liegend aufgefunden, wurde gegen 1 Uhr der Fahrradhändler und Klempner Robert Blauel aus der Bülowstraße 59. Man brachte den Mann sofort in das Elisabeth- Krantenhaus, wo er noch vernehmungsun fähig barniederliegt. Kurze Zeit darauf riefen Hausbewohner die Bolizei nach der Wohnung Blaues  , aus der sie ein Stöhnen gehört hatten. Die Beamten fanden die Ehefrau des B. mit einem Schuß in der linken Brustseite blutüberströmt im Bett liegen. Bie Frau B. angibt, geriet fie in der Silvesternacht mit ihrem Manne in Streit. Sie ergriff einen Revolver und feuerte auf ihn einen Schuß ab, der ihn in die Brust traf. Der Schwerverletzte schleppte fich auf die Straße, wo er besinnungslos zusammenbrach. Nachdem der Mann die Wohnung verlassen hatte, schoß die Frau auf sich felbft. Sie wurde in das Staatsfrankenhaus eingeliefert. Nach all­zureichlichem Genuß von Alkohol fehrte am frühen Morgen des Neujahrtages der 38 Jahre alte Schuhmacher Eduard Grau in leine Wohnung in der Herderstraße zurüd. Hier nahm er ein Rasiermesser und schnitt sich die Kehle durch. Als man ihn auffand, war er bereits tot In etwas an geheitertem 3ust an de mollte der 70 Jahre alte Schuhmacher August Strahlte aus der Borsigstraße 4 mit seinem Untermieter, dem 45 Jahre alten Kaufmann Vittor Goriup, furz vor Jahreswende feine Wohnung aufsuchen. Beide hatten sich irrtümlicherweise nach dem Hause Borsigstraße 3 begeben, wo fie in der Dunkelheit die Treppe hinabstürzten. Als man die Verunglückten auffand, war Strahlte an den Folgen eines Schädelbruches gestorben, während fein Begleiter nach der Rettungswache gebracht werden mußte. Im ganzen wurden in der Nacht zum 1. Januar, wie oben mitgeteilt, 457 polizeiliche Feststellungen vorgenommen wegen Abbrennens von Feuerwerkskörpern, unbefugten Waffen- Mosel gehen zurück. In Trier   sinkt die Mosel   bereits 6 Zentimeter tragens, Bechprellerei, Nichtbefolgung von Anordnungen und Wider standes gegen Bolizeibeamte, Hausfriedensbruchs, Sachbeschädigung, Schlägereien, Rörperverlegung, groben Unfugs und Trunkenheit. In das Polizeigefängnis wurden 37 Personen einge. liefert.

Bootsunglück auf dem Müggelsee. Zwei Ruderer ein Opfer der Eierfahrt".

Auf dem Müggelsee tenterte gestern vormittag infolge des hohen Wellenganges ein Boot der Berliner   Ruder gesellschaft von 1884. Die beiden Insassen, der 20 Jahre alte Student Boßmann aus Berlin- Wilmersdorf, Augustastraße 19, und der 27 Jahre alte Kaufmann Kurt Pallok at aus der Schlüter straße 74 find vermutlich ertrunten. Der Bootswart Willi Marquardt, der den Unfall beobachtete, fonnte mangels eines Bootes teine Hilfe bringen. Er alarmierte den Wasserschutz, der auch herbeifam, dessen Bemühungen aber bisher ohne Erfolg ge blieben sind.

Köln  , 2. Januar.  ( Eigener Drahtbericht.) Das Hochwasser des Rheines, das seit der Eisgangkatastrophe von 1784 das gewaltigste Hochwasser ist, hat in der Nacht vom 1. zum 2. Januar feinen Höchst and mit 9,69 meter am Kölner   Begel erreicht. Die Fluten blieben auf diesem Begelstand bis 3 Uhr morgens, um dann langsam zu fallen. Am Sonnabend vormittag wird ein Stündlicher Rüdgang um 1 3entimeter festgestellt. Um 10 Uhr morgens zeigte der Begelstand noch immer 9,63 Meter. Die Hochwasserverheerun­gen in Köln   haben am Neujahrstag auch die Lichtversorgung ge­fährdet. Der rechtsrheinische Vorort Deuz  , die Kölner   Hängebrüde und ein großer Teil des linksrheinischen Köln   sind ohne Licht. In allen tiefgelegenen Stadtteilen find Bumpen aufgestellt, um der eindringenden Wassermassen Herr zu werden. In Deutz   und unter­halb von Köln   ist mit Dammarbeiten begonnen worden, da die Gefahr eines Dammbruches sehr groß ist. Die Kölner Stadtver maltung hat vorläufig eine Summe von 75 000 Mart für die im Stadtbezirk mohnenden Hochwassergeschädigten zur Verfügung ge stellt. Roblenz meldet ein stündliches Sinten des Rheines um 2 bis 3 Zentimeter, auch Main  , Neckar  , Lahn   und stündlich. In einer der überschwemmten Straßen des linksrheinischen Köln   explodierte am Sonnabend morgen furz vor 8 Uhr aus unaufgeflärter Ursache ein Benzintant eines verbotenen Benzinlagers. Bier Personen wurden schwer, vier leicht verlegt.

Aus dem mitteldeutschen Hochgebiet wird ebenfalls eine allgemeine Verminderung der Wasserfluten ge­meltet. Langsam gehen die Ueberschwemmungen in der Ebene nördlich des Harzes zurüd, nachdem große Verwüstungen angerichtet worden sind. Auf der Strecke Wegeleben- Aschersleben ist z. B. am Freitag infolge des Hochwassers die Selche- Brüde unter einem Güterzug zusammengebrochen. Bersonen wurden dabei glücklicher­weise nicht verlegt. Auch sonst fann in dem vom Hochwasser be­troffenen mitteldeutschen Gebiet der Eisenbahnverkehr noch nicht sich in das Hochwassergebiet begeben, um auf Grund persönlicher überall durchgeführt werden. Oberpräsident Genoffe Hörsing hat Eindrücke zunächst die erforderlichen Hilfsmaßnahmen zu treffen und an Hand seiner Feststellungen der preußischen Regierung Bericht zu erstatten. Auch aus dem Hochwassergebiet in Thüringen   wird allgemein eine Senfung der Wassermengen von den überfluteten Flüssen gemeldet, so daß im großen und ganzen anzunehmen ist, daß in ganz Deutschland   der Höchststand der Statastrophe mit dem ersten Neujahrstag erreicht war und sämtliche Flüsse jeẞt langsam in ihren normalen Lauf zurüdtehren.

Schwere Explosionskatastrophe in Macao  . Bierzig Todesopfer.

Die alte Ruderunfitte Die Eierfahrt", das heißt, das erste Ruberboot, das in einem Lotale im neuen Jahre anlegt, um dort vom Birte namentlich mit frischen Eiern bewirtet zu werden, hat ihr erstes Opfer in diesem Jahre gefordert. Während man früher diese Eierfahrten erst nach der Eisschmelze antrat, laufen fich die bürgerlichen Rudervereine heute gegenseitig den Rang ab, um als erste ihren Namen über die Tür des Wirtes prangen zu sehen. Dieser Ehrgeiz hat den beiden Sportsleuten das Leben ge- Nach einer Meldung aus Beting hat sich in den Feuerwert toftet. Der Sturm, der gestern tobte, ließ es ihnen als sicherstätten von Macao  , der portugiesischen Hafentolonie scheinen, daß sie die ersten sein würden, wenn ihnen die Fahrt an der chinesischen Küste, eine Explosion ereignet, deren Ursache bis­gelang. Wer den Müggelsee kennt, wird in diesem Falle den Bagemut" wenig zu schäßen wissen und nur den Leichtsinn ver­her noch nicht festgestellt werden konnte. Mehrere Häuser sind in die urteilen fönnen, der zwei Familien zu Beginn des neuen Jahres Luft geflogen. Aus den Trümmern sind bisher 40 Tote und in tieffte Trauer verfekt hat. 50 Berlegte geborgen worden, weitere 200 Bersonen werden noch permißt, man glaubt jedoch nicht, fie noch lebend bergen zu können. Die Berunglückten sind zum größten Teil chine­fische Arbeiterinnen.

Geflügelausstellung.

Der Neuköllner   Geflügelzüchterverein veran stattet augenblicklich in der Turnhalle Herzbergplaz seine 22. Allge­meine Geflügel- Ausstellung. Ungefähr 700 Büchter aus Berlin  und Umgebung haben ihre wertvollsten Tiere ausgestellt. Diese Ber anstaltung ist von großem voltswirtschaftlichem Interesse. Vor allem tommt es darauf an, die Produktion zu heben. Auf dem Hof eines Geflügelzüchters darf heute kein Huhn mehr sein, das nicht min destens 160 Eier im Jahre legt, dagegen find Erträge von 200 Eiern feine Seltenheit. Gegenüber diesen Resultaten wirken die gewöhn­lichen Ergebnisse, d. h. durchschnittlich 60 Eier im Jahr, fläglich. Da die ländliche Bevölkerung den Wert der Geflügelzucht noch immer nicht genügend erkannt hat, bleibt ihre Hebung allein den Zucht­nereinen in den Städten überlassen. Die 22. Allgemeine Geflügel­Ausstellung zeigt Tiere, die sich am besten zu einer Steigerung der Gierprobuftion eignen, ein Besuch der Ausstellung, die unter demn Schuße der Landwirtschaftskammer für die Proving Brandenburg und für Berlin   steht und die nur noch bis Sonntag, den 3. Januar, abends 7 Uhr, dauert, ist zu empfehlen.

3weiundvierzig Tote bei dem merikanischen Grubenunglüd. Ein Grubenunglüd im Staate Coahuila   in merito hat bisher 42 Todesopfer gefordert.

Die schwarzen Boden in England. In dem englischen Rohlen bezirt Durham find, wie uns ein eigener Drahtbericht meldet, unter den Arbeitern die schwarzen Boden ausgebrochen. 700 Berfonen find bisher erfrantt, sämtliche Kranken­häuser sind überfüllt.

Groß- Berliner Parteinachrichten.

5. Kreis Friedrichshain  . Die Abteilungstaffierer übergeben morgen, Connbag, den 3. Januar, bem Kreistaffjerer, Genoffen Baul Ben, Benmestr. 25, 5 Broz. ber Einnahmen vom Juli bis September 1925. Da die Ab­rednung fertiggestellt werden muß, bitte evt. Bertreter bestimmt au fchiden.

Gewerkschaftsbewegung

Streiken ist verboten.

Eine einstweilige Verfügung des Amtsgerichts Lichtenberg  . Bei Ludwig Labischin, Röhrenzieherei in Lichtenberg  , Herzbergstraße 50, und Hohenschönhausen. bestand bisher ein Lohn­vertrag, der die Löhne auf Grund der im Röhrenhandel giltigen Löhne regelte. Der Tariflohn betrug demnach 93 Pfennig die Stunde. Im Dezember stellte der Inheber an die Arbeiter das b. h. mit einem Lohn von 64 Pfennig die Stunde zu bescheiden. Als die Ansinnen, sich mit einer 2ohnherabfehung von 29 Pfennig, Arbeiter sich ablehnend verhielten, wurden sie acht Tage vor Beihnachten gefündigt.

Bei Ablauf der Kündigung wurde den Arbeitern eröffnet, daß sie wieder eingestellt werden könnten, wenn sie sich mit einem Lohn harrten in dem ihnen vom Unternehmer aufgezwungenen Kampf. von 64 Pf. zufrieden geben. Das lehnten die Arbeiter ab und be­

Um die Arbeiter zu zwingen, die Arbeit zu den von ihm vor­geschriebenen Bedingungen wieder aufzunehmen, wandte sich der erfindungsreiche Unternehmer an das Amtsgericht von Lich­ tenberg  . Hier fand er verständnisvolles Eingehen auf seine Bünsche. Das Amtsgericht Lichtenberg  , Abt. IV, gez. Carl, Amts­gerichtsrat, erließ gegen den beklagten Deutschen   Verkehrsbund, Ortsverwaltung Berlin  , eine einstweilige Verfügung, wo­nach der Deutsche   Berkehrsbund gehalten wird, die Erklärung zurüd­zuziehen, daß bei der Firma Ludwig Labischin ein Abwehr­streit bestehe. Zweitens wird der Verkehrsbund gehalten, die Streitposten zurückzuziehen. Drittens wird ihm ver­boten, wahrheitswidrig" zu erklären, daß die beiden Betriebe mit Streit bedroht seien, und zwar unter Androhung einer Strafe von 500 Reichsmart für jeden Fall.

Man ist von unserer Justiz ja allerlei gewöhnt. Aber daß sich ein Richter findet, der einer Organisation den Abwehrkampf gegen eine Lchnherabjegung und eine vom Unter­nehmer vorgenommene Aussperrung verbietet, ist immerhin eine Neuerung. Es ist überflüssig, hinzuzufügen, daß weder der Deutsche   Berkehrsbund noch das Personal der Firma Ludwig Labi­schin fich irgendwie von dieser richterlichen Entscheidung beeinflussen lassen werden. Der Kampf gegen die versuchte Lohn= türzung geht weiter.

Entscheidungen fällen, nicht auf ihrem Blaze sind. Bielleicht prüft Im übrigen find wir der Ansicht, daß Richter, die derartige man im preußischen Justizminifterium nach, ob der Amtsgerichts­rat Carl vom Amtsgericht Lichtenberg sich nicht besser für eine andere Tätigkeit eignet. Es ist einfach unerträglich, wenn jetzt Richter, wie das immer häufiger geschieht, durch einstweilige Verfügungen den Verfuch machen, den Unternehmern zu Hilfe zu kommen und die Arbeiterschaft in ihrem Rampf gegen die Berelendung wehrlos zu machen.

Die Politik der Unternehmerfyndizi.

Auch die Unternehmerorganisationen mußten, wie die Arbeiter organisationen, dazu übergehen, die Organisationsangelegenheiten durch besoldete Angestellte erledigen zu lassen. Während die Ar­beiterorganisationen jedoch nur solche Bersonen mit der Verwaltung der Organisationsangelegen abgesehen von den Hilfskräften heiten betrauen, die aus der Arbeiterschaft hervorgegangen sind und außer der persönlichen Eignung auch die genauen Kenntnisse des Berufs besigen, beirauen die Unternehmer mit ihrer Bertretung Leute, die weber Unternehmer find oder waren, noch irgendwelche Kenntnisse der Berufsverhältnisse haben.

So ein Unternehmerinnditus hat gewöhnlich irgendein Doftor­examen gemacht, weil es mit der Offizierskarriere nichts mehr ist. Ein Verständnis für das Berhältnis zwischen Unternehmer und Arbeiter fehlt 90 von 100 unter ihnen. Sie sind auf den toten Buchstaben eingeschworen und sehen die wirtschaftlichen Fragen Dom Prozeßstandpunkt des Rechtsanwalts. Es handelt sich für sie nicht um die Beilegung irgendwelcher Differenzen, sondern um die hineinlegung eines Prozeßgegners. Nicht die Frage, wie die Unternehmer ihre Produktion steigern fönnen, interessiert sie, sondern wie fie die Lohnforderungen der Arbeiter möglichst drüden fönnen.

Eine besonders charakteristische Erscheinung dieser Art scheint der Dr. Feldgen zu sein, Syndikus der Berliner   Drisgruppe des Arbeitgeberverbandes der Deutschen   Buchhändler. Die himmel­schreienden Hungergehälter der Buchhandlungsgehilfen, die eine Schande für die Buchhändler sind, sprechen an sich eine genügend laute Sprache. Die herzlose, auf den Buchstaben bestehende Ab­weisung des Gesuches um Aufbesserung dieser Gehälter vor Ablauf des Tarifs ist noch in Erinnerung. Nun schickt uns ein empörter Buchhändler ein Rundschreiben, das besagter Feldgen im Namen des Arbeitgeberverbandes der Deutschen   Buchhändler, Ortsgruppe Berlin  , am 28. Dezember verschickt hat und das für die Organisation, in deren Namen es verschickt wurde, im tiefften Grade beschämend ist.

Es handelt sich um die Entlaffung eines Angestellten, der von dem Prokuristen als Laufejunge tituliert wurde und vor dem Kauf­mannsgericht flagte. Wir haben über den Fall im Morgenblatt zu einer zweiten Klage wegen Ausstellung eines Beugnisses. Dabei Dom 9. Dezember berichtet. Der Kläger   wurde abgewiesen. Es tam mußte die beklagte Firma dem entlaffenen Angestellten wahrheits­gemäß bezugen, daß gegen seine Führung nichts einzuwenden sei und seine Leistungen zufriedenstellerd waren.

heit damit erledigt sein. Nicht so für besagten Unternehmersyndikus. Für jeden normal veranlagten Menschen mußte die Angelegen Es fönnte ja passieren, daß der mit Lausejunge titulierte Entlassene Arbeit befäme.

" Berfluchter Sozialdemokrat, äh! Mitglied im 3dA. äh! Kerl muß verreden, äh!"

Also diftiert der Unternehmersyndikus ein Rundschreiben von breieinhalb Folioseiten, bas an alle Mitglieder verschickt wurde. Der Name des Angestellten wird wiederholt unter­ft rich en angeführt. Es wird weiter auf die Veröffentlichung im Borwärts" hingewiefen, von der behauptet wird, daß sie Dom ZdA. veranlaßt worden sei( was übrigens nicht zutrifft). Zum Schluß des langen Elaborats, dessen 3wed ist, alle Mitglieder gegen die etwaige Einstellung des Entlassenen scharf zu machen, heißt es wörtlich, ein und zweimal unterstrichen:

Es ist verständlich, wenn heutzutage vorsichtige Arbeit­geber nur noch Angestellte einstellen, über deren Führung und Leistung fie sich vorher durch persönliche Nachfrage er­fundigt haben

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Bir unterlassen es, den Fall juristisch zu untersuchen, obwohl nach unserer Meinung hier der typische Fall der Berrufs­erklärung vorliegt. Der Einzelfall an fich interessiert nur wenig. Es ist die charakteristische Art, mit der hier Unternehmer­politit getrieben wird, die hier interessiert. Wir wissen, daß unsere Unternehmer in der Berteidigung ihrer Interessen nicht gerade zimperlich sind. Aber welcher Unternehmer, wenn er selbst Organi­fationsleiter wäre, hätte über die fristlose Entlassung hinaus fich noch bemüht, dem materiell schwer Geschädigten jede weitere Er­werbsmöglichkeit in seinem Berufe abzuschneiden?

Es handelt fich nur um einen Menschen. Immerhin um einen Menschen. Für den Unternehmersyndifus Dr. Feldgen handelt es fich um einen Prozeß Deshalb wird der Angestellte mit dem Uriasbrief eines einwandfreien Beugnisses in die Wüste der Arbeits­losigkeit geschickt, ohne zu wissen, daß er vom Syndikus des Arbeit­geberverbandes gebrandmarkt ist. So wird in Deutschland   U- tera nehmerpolitit gemacht!