Sonntag

3. Jannar 1926

Aus der Film- Welt

„ Die Frau, die die Männer bezaubert!"

PI

( Mozart- Saal.)

-

Die Liebe, das heißt in diesem Falle die wahre Liebe, der Halb­weltdame ist ein schier unausschöpfbares Roman- und Filmthema. Die Amerikaner bemächtigen sich seiner in ihrer zimperlichen Art. Sie, die in Frage kommende Dame, nimmt von den Männern alles, Blankoschecks und Geschmeide, und gibt selbst nichts. In frühester Jugend hatte sie schon Sehnsucht nach dem Kloster und sie wurde schließlich Halbweltdame, weil alle Männer fie mit Liebe verfolgten und sie selbst nicht für die Liebe ist. Das steht in ihrem Tagebuch, das fie in einem Wutanfall aus dem Fenster wirft. Denn sie liebt einen nebenan wohnenden Arzt, der nichts von ihr wissen will, was man ihm gerade nicht übel neben fann. Sie verschwindet im Kloster, und da die Sensation das Zuderbrot für ein braves Filmpublikum ist, verunglückt sie schwer, während sie ein Kind vor dem Ueberfahren werden rettet. Ein schlecht apportierender Hund bringt das bereits erwähnte Tagebuch zum Vorschein. So findet der Arzt die Spur der Berschollenen, und sie, die durch den Unfall Gelähmte, geht ihm entgegen, als er Geliebte jagt. Der Inhalt veranlaßte manches nachsichtige Lächeln. Der Regiffeur Robert 3. Leonhard ringt nicht mit Problemen, er macht sich selbst teine Schwierigkeiten, aber er weiß jeden Augenblid, was das Publitum liebt. Bor allen Dingen weiß er, was gut herausgebrachte Tanzszenen noch immer für den Film bedeuten. Und Mae Murray   ist nicht nur eine hervorragende Darstellerin, sie ist auch eine fabelhafte Tänzerin und fand als solche Beifall auf offener Szene. Als Schauspielerin ist fie gewollt erzen trisch, einfallstoll aus innerer Beranlagung heraus, überzeugend in der Wandlung durch die Liebe und die innere Befriedigung, die ihr das Leben im Klofter bietet. Man sieht ihren blonden Buscheltopf in weichen, verschwommenen Großaufnahmen, es tommt dem, natür­lich wieder ungenannt gebliebenen, Photographen nichts Hartes, Grelles in ein solches Bild. Ueberdies erfreut man sich noch an wunderbar herausgearbeiteten Typen, ganz gleich, ob man sie in der Tafelgesellschaft findet oder unter zuhörenden Kindern. James Kirkwood ist ein guter Darsteller des Arztes, weil er in seiner Ruhe und seiner Berhaltenheit stets den wertvollen Menschen ahnen läßt. Seine Großaufnahmen bringt man immer in einer flaren Photographie heraus, das ist filmisch ein sehr feiner, bezeichnender Gegensatz und eine vortreffliche Unterstreichung der fühlen- refer vierten Haltung. Die Uraufführung trug ganz den Stempel eines großen Tages. Ernö Rappee dirigierte: Als Mae Murray   per fönlich auf der Bühne erschien, geriet das Publikum in einen Bei­fallsrausch. e. b.

Die Kleine vom Bummel."

( T. Kurfürstendamm.)

Helmut Ortmanns Manuftript ist voller Charakterzeich mmgen, aber geleitet von dem festen Borsay, einen heiteren Film zu schaffen. Die Kleine vom Bummel ist die Tochter eines ehrbaren Gerichtsvollziehers. Sie lernt einen Herrenreiter fennen. Die Freundin der Kleinen, die an der Bar ist, sich jedoch als Nacht­telephonistin ausgibt, weiß diese Bekanntschaft zu verwerten. Es wird sogar eine Badereise gemacht. Die direkt amerikanisch un­schuldig anmutende Kleine bleibt anständig, sie erfährt nur zu ihrem größten Herzeleid, daß der Herrenreiter verheiratet ist. Aber das ift für ihn ja weiter fein Hindernis, er wird sich eben scheiden laffen. Und die Kleine macht, davon wird der Film ein gläubiges Bublifum überzeugen, ihr Glüd, denn sie verlobt sich mit dem Herrenreiter, der allerdings mehr Schulden hat als Haare auf dem Kopf. Doch

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dieser Herrenreiter ist ein Adeliger, sag', Liebchen, was willst du noch mehr. Die erfahrene Freundin bekommt auch noch einen Mann ab, einen Schneider, der freilich zwischendurch unbefugt einen Baron mimte. Der Onfel des Herrenreiters wollte Vorsehung spielen, das heißt, er wollte die Pärchen auseinander bringen und brachte sie zusammen. Das ist sehr vergnüglich, denn dieser Onkel ist Hans Juntermann, der es versteht, diesen alten Trottel unüber trefflich darzustellen. Die Großaufnahmen von seinem erstaunten und dummen Gesicht sind Glanznummern für sich. Willi Ha­meister lieferte auch sonst gute Photographien. Wie fast alle Spielfilmregisseure hält Richard Eichberg   an der Ueberlieferung fest, daß das Filmpublikum das Varieté liebt. Darum wurde mit den Tanzeinlagen nicht gespart. Er bewies überhaupt in allem Geschickt und erreichte sein Ziel, einen vergnüglich stimmenden Film. Eine treffliche Unterstützung lieh ihm der frische und natürliche Hans Brause wetter, der sogar noch sympathisch bleibt, menn er gelegentlich Hochstapeleien und Schurkenstreiche verübt. Dina Gralla   ist ein erfahrenes Mädchen, dem man nicht gram wird. Lilian Harvey  , die Hauptdarstellerin, hat viel Liebretz und Anmut, es fällt ihr nicht schwer, die Herzen zu gewinnen.-g.

Abentener im Nachtexpreß."

( Marmorhaus.)

Beim Abenteurerfilm stellt man für gewöhnlich an die Logit feinerlei Ansprüche, dennoch möchte man den guten Geschmack nicht ganz entbehren. Den hat Harry Biel in manchen seiner früheren Filme auch nicht ausgeschaltet. Diesmal sieht aber alles( selbst wenn man der persönlichen Note des Hauptdarstellers ein bereitwilliges Entgegenkommen zeigt) zu sehr nach Selbstbeweihräucherung aus. Es ist zu viel Anstrengung aufgebracht, um diese Abenteuer zu er amingen, weniger, um sie zu bestehen. Glänzend war Albert Glänzend war Albert Baulig mit seinen rollenden fugelrunden Augen und der Wichtig­feit in jeder Bewegung, wenn er als Detektiv Reinfall über Reinfall erlitt. Dary Holm   war lichtblond und schmachtend, der Geschmack der Zuschauer, die den sacharingefüßten Filmtyp lieben. Technisch ist manche ganz großartige Wirkung herausgeholt. Der durch die Dunkelheit rasende Zug, die fauchende Lokomotive, die Lichter auf den Schienensträngen, die Signale und die Schlußlichter waren die gegebenen Filmmöglichkeiten, welche die Photographen Georg Muschner   und Gotth. Wolf zu einer fein ausgestalteten Arbeit reizten. Sonst wurde noch, besonders in den Varietészenen, mancher bewußte Effett benutzt. Trozzalledem ist der Film nicht in irgend­einer Hinsicht als Fortschritt zu buchen.

Der Frauenbändiger."

( Alhambra, Kurfürstendamm  .)

-g.

Er hat mal aus Indien   zwei Tiger mitgebracht unb fte gezähmt. Das rechnet man ihm hoch an und nennt ihn dieserhalb den Tiger prinzen. Man zieht tertlich Vergleiche zwischen Tigern und Frauen, zumal der russische   Prinz in Aegypten   eine stolze, reiche Engländerin sieht und sie auf den ersten Blick liebt. Das Paar trifft sich dann fpäter in Rußland   wieder. Der Prinz ist ein wüstling und sie ist eine herbe Schöne. Das gibt Anlässe zu allerhand Berwickelungen, als da sind ein Duell im Spiegelsaal, mit recht gewollten und gut gelungenen photographischen Effekten, eine tumultuarische Silvester feier und ein beinahe heifel werdender Aufenthalt in einer Jagd­hütte. Aber der amerikanische Film will ein gutes Ende und das Bublifum ein Liebespaar. Sie friegen sich, trop der sehr absonder lichen Manieren der Hoheit. Regisseur King Bidor ist ganz Film

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mensch, weshalb er das Publikum zum Mitgehen zwingt. Brächtig arbeitet er Schneelandschaften heraus, in der er Schlitten, flein, wie einer Spielzeugschachtel entnommen, erscheinen läßt. Zudem sind Aileen Pringle  , John Gilbert   und Emily Fizroy die ge­gebenen Darsteller, mit denen man einen solchen Film wirklich gut herausbringen kann. Wie immer, so hat auch die Alhambra diesmal wieder ein vorzügliches Beiprogramm. bg.

Mandrin." ( Richard- Oswald  - Lichtspiele.)

Ein französischer Abenteurerfilm nach erprobten Rezepten ge focht, voll Dagewesenheiten, Rachefäuften, edlem Räubertroz und aristokratischen Kostümen. Mandrin ist ein großherziger Freibeuter, der mit den Verhältnissen unter Ludwig XV.   unzufrieden ist und deshalb mit schöner Geste in den Bergen ein Räuberleben inszeniert. Nachher wird er beinahe hingerichtet, aber die Marquise von Pompadour läßt ihn noch im legten Moment retten. Außerdem erlebt man Liebesgeschichten, Voltaire, Ludwig XV.   und andere historische Persönlichkeiten. Das Ganze ist spannend gearbeitet, hat Tempo und Steigerung, bleibt aber trotzdem im Kindlichen und Harmlosen stecken und ist mit Aufrichtigkeit Kolportage, Rinaldo­Rinaldini- Romantik. Alles erscheint überbetont in Haltung, Maske und Mimik. Ein Polizeiagent geistert durch den Film, der nur Intri gantenblicke werfen tann, bleich, mit höhnischer Mundfalte und mit Augen, die tief mit schwarz untermalt sind, ein Aristokrat ist dagegen nur Mannequin für Rofofofracks, und der edle Räuber Mandrin bleibt im Tenorhaften stecken, man denkt etwa an Majaniello aus der„ Stummen von Portici". Die Darsteller spielen Theater, aber nicht Film. Und so ist auch die Regie. Sie stellt manchmal ausge= zeichnete Bilder: ein Ballett im Hause des Regenten, Interieur aufnahmen und Aehnliches, aber die Schauspieler stellen dazwischen nur bildhafte Pose, ein Liebespaar umarmt sich ungefähr wie Elsa und Lohengrin   im Brautgemach, es achtet vor allem darauf, daß die Beine nach der Anordnung der klassischen Theaterschule schöne Linien ergeben.

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Die Dame aus Berlin  ." ( Richard- Oswald  - Lichtspiele.)

F.S.

Eine Ehefrau, die ihren Mann verläßt, weil er trintt und ein Schürzenjäger ist, und gleich in der ersten Stadt, wo sie haltmacht, den Zukünftigen findet, fann im Leben und im Film vorkommen. Filmisch kommt es nur auf das Herausbringen einer Sache an. Der Regisseur Lorand von Kabdek hat zuviel Anschmachterei ver arbeitet, penn auch sonst gute Schauspieler gute Leistungen boten. Die Autokatastrophe ist ganz verunglückt, denn sie geht ohne Auf­regung vor sich, sie ist bloß ein gestelltes Bild. Dem Photographen Schlesinger von Günz ist manches mißlungen, die Bilder find oft verschwommen, sie sehen zuweilen aus, als ob sie nur zur Hälfte belichtet wären. Namentlich sind die Porträtaufnahmen viel zu hart, Lia Eibenschütz   ist sogar einmal derartig ungünstig ins Bild gekommen, daß man meint, fie habe eine geschwollene Wange. Wilhelm Dieterle   wirft als Liebhaber zu flobig, er hat seine Rolle zu schwer angelegt. Werner Krauß   ist interessant wie immer und Jakob Tie dite schafft als Wirt einen fein durchdachten Typ. Beifall gebührt auch Eugen Reg, der den Stolperjochen von Kunst­maler gar zu föstlich verkörperte. Als Neuheit muß man die Massen­szenen ansprechen, die wie durch einen Ruck angehaltene Zeitlupen aufnahmen wirfen. So fann das Erstaunen einer flatschlüsternen Gesellschaft recht drollig angezeigt werden.

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