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Sonntag

3. Januar 1926

Unterhaltung und Wissen

Harte Zeit.

Die Armut weiß nicht Hilfe mehr. Und meinen auch die Kinder,

Für Steuern sind die Taschen leer, Der Hund gehört dem Schinder. Die harte Zeit macht Herzen schwer.

Manch einer, der nicht zahlen fann, Der Mann aus Arbeitsreihen, Der schleppt das arme Bieh heran Und bettelt um Verzeihen

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Was gingst du nicht zum reichen Mann?

Die Sorge irrt nach dunkler Rast,

Bom hellen Tag betrogen.

In Nacht und Schlaf, du müde Last!

Und wen das legte Leid erfaßt,

Der bettets tief in Bogen.

Das ist von herber Winterpein

Ein Wort für arme Leute:

Wer helfen will, muß Kämpfer sein,

Das Morgen macht es nicht allein, Wir brauchen auch das heute.

Franz Rothenfelder.

Die Revolte im Zuchthaus.

Von Hardy Worm .

Das Zuchthaus lag auf einer Anhöhe, unweit des Bahnhofes. Die Reisenden, die vorüberfuhren, blidten teilnahmslos auf das graue, pieredige Gebäude, das einer drohenden Festung glich. Ab und zu deutete wohl einer der Fahrgäste auf die Anstalt und mur­melte: Die sind gut aufgehoben." Das glich dem Rülpfer eines Satten, der sichtlich interessiert zusah, wie sich zwei Hungrige um ein Stückchen Brot balgten.

An einem Wintertage, Schnee fiel vom Himmel, murden drei männliche Personen in einen vor dem Bahnhof haltenden Wagen geladen. Sie zogen ihre abgetragenen Sommerpaletots fest an ble Blieder und rückten dicht aneinander, denn falter Wind fegte durch die Kalesche. Der Aufseher, das Gewehr zwischen den Knien, blätterte in den Atten. Behn Jahre Suchthaus wegen Totschlags"," Fünf Jahre Zuchthaus wegen versuchten Raubmordes"," Drei Jahre Zuchthaus wegen Aufruhrs". Der Beamte murmelte die Zahlen gleichgültig vor sich hin. Dann stampfte er ungeduldig mit den Füßen auf.

Der Bagen hielt. Als der Rutscher mit der Beitsche fnafte, öffneten sich die schweren eisernen Türen, und knirschend fuhr die Kalesche durch den Torweg.

Die Gefangenen wurden in den Aufnahmeraum geführt. Ihre froststarren Züge löften sich. Dumpfige, aber warme Luft schlug ihnen entgegen. Ein langer Beamter trat auf sie zu. Berlas ihre Namen. Als er den fleinen podennarbigen Gefangenen fah, kniff er ein Auge zusammen. Na, auch wieder hier? Haft es draußen nicht lange ausgehalten." Der Kleine grinste. Ach, Herr Inspeetta, de anständin Leite tommen alle widda sfurücd!" Der Beamte tat, cls hätte er die Antwort überhört. Er ließ die Gefangenen abführen. Um die Mittagsstunde schlug die Glocke auf dem Gang. Die Auffeher raffelten mit den Schlüffeln. Der Ralfaftor schleppte mit einem anderen Gefangenen den Egfübel herbei. Der Aufseher öffnete die in den Zellentüren befindlichen Klappen, ein Arm mit einem Napf, in den die dünne Suppe geschüttet wurde, tam zuin Vorschein. Sie gingen weiter. Bon Belle zu Zelle, Manchmal ein Fluch über das schlechte Effen. Ein Fluch, der durch den Knall der zufchlagenden Klappe erwürgt wurde.

Am Nachmittag wurden die Gefangenen in den Hof geführt. Es war jeden Tag dasselbe trostlose Bild: In der Mitte die Auf jeher mit den Schußwaffen. Um sie herum die Zuchthäusler in den gestreiften Ritteln. Sie hielten die fahlgeschorenen Röpfe geneigt. Trotteten wie die Tiere einher. Der helle Schnee schmerzte ihren Augen. Ueber ihnen stand der Himmel in durchsichtigem Blau. Die Sonne schien grell.

Als einer der Aufseher einen Zuchthäusler anschrie, ging eine Welle des Unwillens über den Hof. Flüche wurden zerbissen, in den Schnee gefpien. Die Beamten schrien nach Ruhe. Aber die die Gefangenen verlangsamten ihren Gang. Feindliche Blicke flogen den Aufsehern ins Gesicht. Blicke, die stachen und so seltsam be­unruhigten, daß einige Uniformierte die Waffen hoben und schuß bereit hielten. Da ging ein Gelächter über den Hof. Ein verächt­liches Gelächter, das die Mauern emporfletterte, durch die Gitter stäbe froch und die anderen Gefangenen an die Fenster rief. Die Freistunde wurde vorzeitig abgebrochen, der Vorfall dem Anstalts­direktor gemeldet. Der fuhr sich nervös über die Glaze. Da ist etwas nicht in Ordnung. Tja, da müssen Sie genau aufpassen. Die Rädelsführer aussuchen. Tja."

Die Leute beflagen fich seit einigen Tagen über das Essen, Herr Direttor!" ,, Ach was, das Effen ist vorzüglich. Wir können doch den Kerls feinen Gänsebraten vorfeßen, hähä. Dann gingen fie überhaupt nicht mehr raus. Tja, was ich noch sagen wollte forgen Sie doch dafür, daß morgen alle zum Kirchgang antreten. Da muß Da muß den Kerls' n bißchen ins Gewissen geredet werden." Jawohl, Herr Direktor!"

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Am Abend wurden die Gefangenen aus ihren Arbeitsräumen in die Zellen geführt. Sie schlangen gierig ihre Suppen herunter. Als sie auf den Matratzen lagen, bohrten sich ihre Blicke durch die Mauern des Zuchthauses. Sie sahen schneebedeckte Felder. Rote und grüne Lichter auf der Bahnstrede. Sie blidten in durchwärmte Wohnräume, wo Menschen friedlich nebeneinander faßen. Sie sahen Ballfäle, in denen junge Mädchen tanzten. Ach, wie lange hatten fie fein Mädchen in den Armen gehalten. Waren nicht auch sie einmal jung? Hatten eine Mutter, die sich um sie sorgte? Da lag mancher Gefangene tränenüberströmt. Da biß mancher Zucht. häusler in die Decke. Biele aber fonnten nicht mehr weinen. Als die zwölfte Stunde vorüber war, löfte sich im Flügel A ein Sträfling aus einer Nische. Er schlich an die Bellen, schob leise Die Riegel zurück, öffnete die Schlösser. Die Gefangenen schnellten von den Bagerstätten hoch. Blieben lauschend an den nur ange­lehnten Türen stehen. Ihre Pulse flogen. Ihr Mund war troden. Als der Aufseher wieder die Galerie betrat, flog eine Gestalt auf ihn zu, ein würgender Griff legte sich um seine Rehle, langsam fiel er zusammen. Die Leiche des Wärters wurde in eine Belle

Bellage des Vorwärts

Wann treffen wir wieder zusammen....?

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Die Erste:

Saugt euch aus gewandten Pfoten Lüge, Klatsch und Schwindelnoten! Macht aus Nichts die kolosale Gipfelleistung der Skandale!

Die Zweite:

Schiebung sagt und Korruption! Braut daraus die Sensation! Was ihr selber denkt und tut, Unterstellt der roten Brut!

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geworfen. Langsam, wie die Razen schlichen die Sträflinge den Gang entlang. Langsam... langfam... hinlegen... ist schon vorbei. Du nimmst den Ober du Telephon still", und dann flogen sie vorwärts, würgten den Oberauffeher, der auf der Brücke des Mittelganges saß, drangen in die Wachtstube ein, schlugen die schlafenden Beamten nieder, zerschnitten sämtliche Telephon­leitungen und bemädytigten sich der Schlüffel und Waffen.

In allen Flügeln des Zuchthauses brach der Aufruhr aus. Einige noch im Gebäude befindliche Aufseher wurden zertreten. Einigen gelang es, zu entfliehen. Ueber die Treppen rasten die Befreiten. Alle schrien wild durcheinander. Die Kleiderkammer wurde erbrochen. Einige rannten in die Küche und stürzten sich auf die Vorräte. Sie schlugen aufeinander ein. Es war, als ftände das Zuchthaus in Flammen.

Als die ersten Sträflinge vor den Toren des Zuchthauses standen, blieben sie einen Augenblick verwirrt stehen. Dicht fiel der Schnee. Sie standen im Taumel der Flocken und wußten nicht, wohin sie sich wenden sollten. Viele rannten in die nahe gelegene Baldung. Gestrüpp legte sich um ihre Füße. Sie schlugen hin, rafften sich auf und rannten weiter.

Gegen Morgen traf ein Militärtommando ein. Als die Sol. daten in das Zuchthaus einbrangen, fanden sie viele Sträflinge, die wieder zurücgefehrt waren. Und viele, die gar nicht die Belle verlassen hatten. Als fie gefragt wurden, warum sie nicht mit den andern geflohen feien, machten sie eine hilflose Gebärde. Rein, sie wollten nicht fliehen. Sie hätten Angst vor dem Leben da braußen. Sie paßten nicht mehr unter die Menschen. Und einer draußen. Sie.paßten nicht mehr unter die Menschen. Und einer sagte, die erloschenen Augen gegen den Direktor mendend: Die Menschen sind zu gemein!"...

Der Direktor aber fuhr sich mit zitternder Hand an den Kragen und sagte zu dem Kommandoführer:" Seh'n Sie, die Kerls hams. hier viel zu gut. Die woll'n gar nicht wieder raus. Das muß nun anders werden. Ich werde ein Erempel statuieren." Als er über die Leiche eines Aufsehers stolperte, verfor er den Zwider.

Aus der Urgeschichte des Postillions.

Die letzten Postillione Berlins haben am ersten Weihnachts feiertag in einer feierlichen Parade von ihrer altgewohnten Tätig Beit Abschied genommen, und damit ist wieder ein Stüd jener spär­lichen Romantik ins Grab gesunken, die aus der Bergangenheit noch in unsere Zeit der Maschine hineinragt. Wie faum ein anderer Stand ist der des Postillions jahrhundertelang von Poesie und Sage verklärt worden, und in der Entwicklung des Handels und Verkehrs hat er eine große Rolle gespielt. Besonders das deutsche Gemüt hot dem Postillion eine große Liebe entgegengebracht, und als er zuerst in der deutschen Geschichte auftaucht, hilft er eine neue Beriode heraufführen.

( Shakespeare: Macbeth .)

Die Dritte: Munkelt, dunkelt Ausgeftuntnes! Schwindelt, bündelt Lugverfunknes! Briefe, die kein Mensch geschrieben, Laßt sie durch die Spalten stieben!

Alle:

Täglich wird es Rundgeschwindelt, Was Lokal wir Angezündelt, Deutsch und Allgemeiner Zimt Kommt dazu und wirkt bestimmt!!

tommen.

Die Bedeutung der Entwicklung des Postwesens für Handel und Bandel hebt gebührend Erwin Boldmann in seinem umfangreichen Wert Germanischer Handel und Verkehr" hervor, das joeben bei Gebrüder Memminger in Würzburg erschienen ist und eine Syn­optische Handelsgeschichte der germanischen Bölker" von der Urzeit bis germanischen Handels dargestellt und belebt durch anschauliche um 1600 bietet. Zum erstenmal ist hier die Entwicklung des gesamten Schilderungen aus dem Kaufmannsleben, aus den Anfängen der Geldwirtschaft und Börje. Das Nachrichten- und Postwesen spielt natürlich für den Kaufmann eine große Rolle; es war aber bis ins 15. Jahrhundert hinein langsam und unsicher und beinahe gang dem blinden Zufall anheimgegeben. Eine Nachricht brauchte in ienen Beiten 39 bis 73 Tage, um von Riga nach Brügge zu ge langen, 10 bis 33 Tage und mehr, um von Danzig nach Brügge zu Die Reise von Lübeck nach Nürnberg dauerte 9 bis 11 Tage und auf der näheren Strecke von Lübeck nach Frankfurt am Main jogar 16 Tage. An eine schnellere und sichere Nachrichten­beförderung war erst zu denken, als man dazu überging, fest­geregelte Stationen für die Reiter anzulegen, und dies geschah zum erstenmal in den sogenannten Briefichweiten des Deutschen Ordens . Um die Mitte des 14. Jahrhunderts wurde von dem Staatsflugen Hochmeister Winrich von Kniprode über das ganze Ordensland und das baltische Land hin eine Organisation geschaffen, nechte bereitstanden, um jederzeit wichtigere Nachrichten schnellstens durch die in den Ställen der Ordensburgen Bosipferde und reitende zu befördern. Es ist dies die frühefte Einrichtung einer geregelten reitenden Post"; sie bestand zunächst nur für die Ordens. länder; aber bei ihren vielen diplomatischen Beziehungen haben die Hochmeister solche Schweiten- Berbindungen auch nach Deutschland und ins Ausland unterhalten. Sie gaben wahrscheinlich das Vorbild für die im Mailändischen von den Sforza geschaffenen Relais­linien, die bereits 1425 bestanden; auch in Frankreich erscheinen im nahme fremder Briefschaften bei Todesstrafe untersagt wurde. Das 15. Jahrhundert ähnliche Einrichtungen, denen jedoch 1464 die Mit­Bedürfnis der Privatleute zur Benutzung dieser Bosten war aber so groß, das 1495 das Berbot zurückgezogen wurde.

Mit dieser Einrichtung von bestimmten Routen, auf denen Schweifen- oder Stafettenreiter neben den Briefen ihrer Herren auch die anderer Personen beförderten, war die Bost im heutigen Sinne geschaffen. Als dann die Relaispferde auch anderen Ber fonen gegen entsprechende Gebühr überlassen wurden, entstand eine reitende Personenpost", der sich dann die Fahrpost anschloß. Der Vorfahr der Boftfutsche ist der Rollwagen, auf dem so lange die ersten Boftillione durch deutsche Lande gefahren sind. Diese Roll­wagen des 15. und 16. Jahrhunderts waren zunächst einfache Bauernwagen, später leichte Leiterwagen, von denen zur Zeit größerer Messen mehrere eine bestimmte Strecke zurücklegten. Bald entwickelte sich der Rollwagen in verkehrsreicheren Gegenden zu einem an bestimmten Tagen fahrenden Verbindungsmittel, das von brei zu drei Meilen neuen Borspann erhielt und von den Fahrgästen mit einem vereinbarten, später behördlich festgesetzten Meilengelde entlohnt wurde. Es fand sich da eine ziemlich gemischte und nicht immer sehr feine Gesellschaft zusammen, die eifrig flatschte, so daß die Redensart Jemanden auf den Rollwagen friegen" soviel be