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Tags vorher ereignete sich ein ähnlicher Unglücksfall auf ter Strecke Breslau  » Berlin  , zwischen Neumarkt   und Nimkau. Um 4 Uhr nachmittags begegneten sich der von Breslau   abgelassene Schnellzug Nr. 8 mit dem von Berlin  kommenden Personenzug Nr. 6t. Während des Vorbeifahrens bog sich der 22jährige Heizer des Schnellzuges Alois Ernst heraus und stieß mit dem Kopf gegen die Lokomotive des Per sonenzuges. so daß ihm sofort die Schädeldecke zertrümmert wurde und der Tod auf der Stelle eintrat. Ter Körper des auf so entsetzliche Weise ums Leben Gekommenen blieb in stehender Haltung in der an der Seite der Maschine angebrachten Echntzkette hängen und erst später bemerkte der Lokomotivführer. daß sein Gefährte todt sei. Die Leiche wurde bis Station Neumarkt mitgenommen und in die dortige Friedhofshalle geschafft. Ein neueS Fnhrstnhl-Ungliick. Mit dem Fahrstuhl ist am Montag Abend gegen 7 Uhr in dem Hause Gollnowstr. 39 der 46 jährige Maler Wende abgestürzt, der Weydingerstr. 1 wohnte. Der in dem erwähnten Gebäude befindliche Fahrstuhl befand sich zur Zeil   in Reparatur und außer Benutzung, und sollte frisch gestrichen werden. Allerdings hatte der Maler W. den Austrag erhalten, diese Arbeit erst nach Beendigung der Reparatur vorzunehmen, doch zog er es vor, dieselbe bereits gesteril zu bewerkstelligen. Zu diesem Zweck zog er den Fahr- stuhl in die Höhe und begab sich an die Arbeit; gegen 7 Uhr abends aber stürzte der Fahrstuhl plötzlich in die Tiefe und riß den Maler vom vierten Stockwerk bis in den Keller mit sich, woselbst der Verunglückte mit schweren Verletzungen am ganzen Körper liegen blieb: W. verstarb bereits auf dem Trans- port nach dem Krankenhause am Friedrichshain  . Der Jofmnni- Umzug hat seine frühere Bedeutung als Haupt-Umzugstermin fast völlig verloren. Nur wenige Möbel­wagen sah man am Sonntag und am Montag in den Straßen, und die Hauswirthe bemühten sich, die Kündigungsfristen in den Miethskontrakten so festzusetzen, daß diese nicht mit dem 1. Juli ihr Ende erreichen, weil alsdann die Gelegenheit zum Vermiethen weniger günstig ist. In früheren Jahren war der Johanni- Umzug der wichtigste im Jahre und die große Wohnnngsnoth im Jahre 1872 trat bei diesem Umzüge zu tage, als damals viele t linderte wohnungslos gewordener Familien auf der sogenannten chlächterwiese zwischen Urban und Kottbuser Damm in dürstig hergestellten Baracken Unterkunft suchten. Gesperrt sind für Fuhrwerke und Reiter die Boyenstraße von der Chausseestraße bis zur Scharnhorststraße, sowie der Grüne Weg von der Koppenstraße bis zum Küstriner Platz vom 1. Juli ab, der Kurfürstenplatz vom 3. Juli ab und die Sigismundstraße von der Regentenstraße bis zur Matthäikirchstraße vom 4. Juli ab. In der NntersuchnngSsache wegen Mordes gegen die Eltern des Knaben Karl Hosmann, dessen angeblicher Raub durch Zigeuner seinerzeit die Kriminalpolizei viel beschäftigt hat, nehmen die Ermittelungen ihren Fortgang. Jetzt sind auch die Gebeine des Knaben, deren Ausfinden schließlich zu einem Vorgehen gegen die Eltern führte, auf Anordnung der königlichen Staatsanwalt- schasl wieder ausgegraben worden, nachdem sie im vergangenen Herbste endlich aus dem St. Johanniskirchhose beigesetzt worden waren. Streitigkeiten in der Familie haben den 31 jährigen Kauf- mann Franz Mistelski zum Selbstmord veranlaßt. M. war ver- heirathet und wohnte in der Gneisenausir. 62. Nach einem hef­tigen Auftritt ging er am Montag von Hause weg und kehrte abends gegen 11 Uhr zurück. Bald darauf hörte man auf dem Hausflur einen Schuß fallen. Als man hinzueilte, fand man Mistelski mit einer Schußwunde im Kopfe todt auf. Als Leiche hat der Eigenthümer Karl Thiele aus der Exerzierstr. 18 seinen 43jährigen Sohn Paul, der Schlosser war und in der Ackerstr. 55 wohnte, wiedergefunden, nachdem der Sohn längere Zeit mit seinen Angehörigen nicht mehr in Be- rührung gekonimen war. Am Sonnlag früh um drei Uhr fand nian auf der Straße einen Mann auf, der besinnungslos dalag. Man brachte ihn zunächst nach der Unfallstallion 6 und von da in ein Krankenhaus. Dort starb er bald uaeh der Einlieferung. Aus einem Steuerzettel, der in der Tasche gefunden wurde, erkannte man die Wohnung des Verstorbenen und von da aus wurden die Angehörigen ermittelt, die nun nach längerer Trennung nur die Leiche des Sohnes und Verwandten wieder- sahen. Doppelselbstmord. Zwei Herren, anscheinend aus Berlin  , haben am Sonntag früh in Grünau   gemeinsam den Tod gesucht. Sie niietheten ein Boot, das sie durch Anbohrung unweit der sog. Bammel- Ecke zum Sinken brachten. Ein die Strecke passirendes Boot sah die beiden und brachte sie ans Land; der eine war bereits todt, der andere kam wieder zu sich und wurde ins Gesellschaftshaus zu Grünau   gebracht. In einem unbewachten Augenblick verlor er wieder die Lust am Leben und öffnete sich mittels eines Federmessers die Pulsadern an beiden Armen; zum Ueberfluß erhängte er sich dann noch an einem Handtuch. Der Selbstmörder wurde als ein Kaufmann F. Leonhardt rekognoszirt, die Person des Ertrunkenen konnte nicht festgestellt werden. Wegen Misch nndlnng ihreS Pflegekindes ist von Be- wohnern des Hauses Kottbuserstr. 2 die Arbeiterfrau N o a ck bei der Polizei angezeigt worden. Frau Noack hal ein 8jähriges Töchterchen ihrer Schwester, die nach auswärts verzogen ist, in Pflege und bat das Kind wiederholt derartig geschlagen und ge- stoßen, daß die Hausbewohner schon lange Anstoß daran nahmen. Am Sonntag, den 16. v. M., hatte die Pflegemutter die Kleine wieder einmal so zugerichtet, daß sie es auf die Sanitätswache tragen mußte, wo sie erst dem Arzte vorredete, das Kind sei ge- fallen, später jedoch gestand, daß sie es mißhandelt habe. Kaum waren die Wunden geheilt, so begannen die unmenschlichen Züchtigungen von neuem, bis Mitbewohner des Hauses von dem Treiben die Polizei in Kenntniß setzten. Witterungsübersicht vom S. Juli I8SS. Zunächst sehr warmes, nachher wolkiges Wetter mit Gewitterregen und frischen südwestlichen Winden. Berliner   Wetterbureau. Polizeibericht. In der Nacht zum 1. d. M. wurde ein Handwerker in seiner Werkstatt in der Koppenstraße erhängt vor­gesunden. Am 1. d. M. nachmittags fiel in der Luisenstraße ein Kutscher infolge plötzlichen Anziehens der Pferde vom Wagen, gerieth unter die Räder und erlitt eine erhebliche Quetschung des Fußes.   Ein auf dem Grundstücke Gollnow- straße 39 beschäftrgter Maler stürzte gegen Abend durch eigene Schuld mit dem Lastenaufzuge von dem zweiten Stocke in den Kellerschacht hinab und zog sich sehr schwere Verletzungen am Kopfe und an den Beinen zu. Abends ging in der Müller straße ein Droschkenpferd durch und fuhr mit dem Wagen gegen einen Laternenpfahl. Hierbei wurde der Kutscher vom Bocke geschleudert und an der Schulter bedeutend verletzt. In der Naunynstraße gerieth ein fünfjähriger Knabe beim Spielen unter die Räder eines Möbelwagens und erlitt eine schwere Quetschung des Oberschenkels. Im Laufe des Tages erschossen sich zwei Männer, einer aus dem Flur eines Hauses in der Gneisenaustraße, der zweite in einem Gasthose, in dem er als Fremder eingekehrt war. In der Nacht zum 2. d. M. sprang ein Mädchen am Kottbuser User in der Absicht, sich das Leben zu nehmen, in den Landwehrkanal, wurde jedoch noch lebend aus dem Wasser gezogen und nach dem Krankenhause gebracht. Im Laufe des Tages fanden fünf Brände statt. (Bevilftrs-JJeikung:. Vor dein Schwurgericht des Landgerichts l unter Vorsitz des Landgerichts-Direktors Leonhardt fand gestern die Ver- Handlung einer Anklage wegen Verleitung zum Mein- e i d e gegen die Frau Pastor Dr. Antonie Kipper, geb. Müller statt. Diese Anklage ist der Schlußakt eines ehelichen Dramas, dessen Ausgangspunkt die Ehescheidung der beiden Pastorsleute bildet. Ten Ehescheidungsprozeß hat Pastor Dr. Kipper gegen die Angeklagte wegen ehreukränkeuder Beleidigung angestrengt, die Angeklagte hatte Widerklage erhoben, der Prozeß ist aber endgiltig zu Ungunsten der Angeklagten ent- schieden worden. Die Augeklagte behauptet, daß dies nur da- durch möglich gewesen sei, daß Pastor Dr. Kipper sieben ihm zu- geschobene Eide geleistet habe. Die Angeklagte wird beschuldigt, in diesem Ehescheidungsprozeß versucht zu haben, mehrere Per- sonen zur Abgabe falschen Zeugnisses zu Ungunsten ihres Ehe- mannes zu bewegen. Sie stand bereits am 5. November 1894 vor dem hiesigen Schwurgericht unter der Anklage, eine unver­ehelichte Marx zur Ableistung eines Meineides bestimmt zu haben. Die damalige Verhandlung endete mit der Verurtheilung der Marx zu 3 Jahren Zuchthaus und der Freisprechung der jetzigen iilugeklagten. Letzlere wurde nicht lauge Zeit nach dem Termin aus der Untersuchungshaft entlassen. Aus der damaligen Verhandlung mußte ein Fall ausgeschieden werden, in welchem die Angeklagte eine Frau Christiane Grund- mann geb. Neugebauer zu Jaeobsdorf zu einer falschen Zlussage zu bewegen versucht haben soll. Dieser Fall stand- nun gestern zur Verhandlung. Tie Anklage vertritt Staatsanwalt Stachow I, die Vertheidiguug führt Rechtsanwalt Dr. Schw'indt. Nach der Anklage soll die Angeklagte sich nach Jacobsdorf   begeben und aufj sie eingeredet haben, als Zeugin in dem Ehescheidungsprozeß zu bekunden, daß ihr Mann (der Angeklagte) sie mißhandelt habe. Sie soll der Grundmann Geschenke versprochen, ihr gewisse Punkte ihrer Aussage in die Feder diktirt und sie auch noch schriftlich aufgefordert haben, ihrerseits auf eine andere Zeugin einzuwirken. Die Angeklagte bestreitet mit großer Lebhaftigkeit die Beschuldigungen der An- klage. Sie erklärt, daß sie ein höchst unglückliches Eheleben ge- führt habe und seit der Einleitung des Ehescheidungsprozcsses von ihrem Ehemann und desien Verwandtschaft systematisch ver- folgt worden sei. Sie habe sich im Jahre 1835 als wohlhabende Wittwe mit dem Pastor Dr. Kipper verheirathet. Die Be- lastungszeugin Grundmann sei zwei Jahre hindurch bei ihr Amme gewesen und habe sich mit dem Grundmann in Jacobsdorf  verheirathet. Zum Ankaufe ihres Besitzthums habe sie dem Grundmann'schen Ehepaar Geld gegeben, welches auf das betr. Grundstück hypothekarisch eingetragen wurde. Sie habe dann einmal, als sie in Breslau   war, einen Abstecher nach Jacobs- dorf gemacht. Sie habe nämlich erfahren gehabt, daß der Pastor Kipper schon vor längerer Zeit sich von der Grundmann eine feinen Zwecken dienende eidesstattliche Versicherung verschafft halte und außerdem hatten die Verwandten des Pastors diesem in eidesstattlicher Versicherung bestätigt, daß sie(die An- geklagte) ihre Kinder in Schmutz fast habe umkommen lassen. Diese falsche Behauptung habe sie aufs höchste empört und da durch sie auch die Ehre der Grundmann, die damals Amme bei ihr gewesen sei, aufs empfindlichste berührt wurde, habe sie der Grundmann nahe legen wollen, daß sie diese Schmach entschieden von ihr und von sich selbst nehmen müsse. Es habe sich daran ein Briefwechsel zwischen ihr und der Grundmann geknüpft, der schließlich von ihr abgebrochen worden sei, weil sie gemerkt, daß die Grundmann's daraus bedacht waren, Geld von ihr zu erpressen. So habe namentlich der Ehemann Grundmann ihr ganz naiv den Vor- schlag gemacht: sie solle 6 Quittungen über die Zahlung der Hypolhekenzinsen schreiben und ihm dort lassen, er werde dann alle halbe Jahre eine Quittung abschneiden und behalten und feine Fran werde dann alles aussagen, was sie wünsche. Sie habe ein solches Auerbieten mit Entrüstung zurückgewiesen, und weil sie späterhin die Wünsche des Ehepaares Grundmann nach Geld nicht erfüllte, seien ihr diese Zeugen nun feindlich gesinnt Die Hauptbelastungszeugin Frau G r u n d m a n n aus Jakobs- dorf wiederholte ihre in die Anklage übergegangenen Beschul- digungen. Nach ihrer Behauptung habe die Angeklagte sie auf- gesucht und ihr zugesetzt, bei ihrer Vernehmung in der Ehe- scheidungsklage doch zu ihren Gunsten auszusagen und namentlich zu bestätigen, daß ihr Ehemann sie blutig geschlagen habe. Die Angeklagte habe ihr die Aussage, die sie abgeben solle, diklirt und sie habe sich dns Diktat, welches sünf Seiten füllte, aufgeschrieben. Die Angeklagte habe ihr versprochen, daß sie sich erkenntlich zeigen werde. Die Zeugin gab auch zu, daß schon im Jahre 1891 der Pastor Kipper sie und ein anderes Mädchen eines Tages zu einem befreundeten Arzte geführt und sich ein Schriftstück habe unterschreiben lassen, wo- nach die Frau Pastor Kipper ihren Ehemann schmählich be- chimpft habe. Die Zeugin behauptet aber, daß dns, was sie damals unterschrieben, der Wahrheit entsprochen habe. Um die Glaubwürdigkeil dieser Zeugin zu charakrerisiren, werden auf Antrag der Vertheidiguug mehrere Briefe ver- lesen, welche die Zeugin Grundmann an die Angeklagte geschrieben hat. Diese beginnen fast immer mit der An- rede:Meine liebe gute Frau Pastorin", enthalten Dankes- worte für erwiesene Wohlthalen und suchen die Angeklagte über den Gang des Prozesses zu beruhigen. Die Briesschreibenn bittet die Angeklagte u. a. auch dafür um Verzeihung, daß sie dem Pastor Kipper jene eidesstattliche Versicherung abgegeben habe, sie pocht wiederholt wegen Geld an und als ihr endlich eine Bitte um 30 M. abgelehnt wird, ändert sie plötzlich ihre Gesinnung, ändert ihresAnrede inFrau Kipper" um und deutet an, daß sie nur. wenn sie die 30 M. erhalte, bezeugen könne, daß die Kinder reinlich gehalten worden seien. Die Zeugin Grundmann hatte schon in der vorigen Schwurgerichtsverhandlung nach Ausweis des Proto- kolls und Bekundung des damaligen Präsidenten Dir. Funke und des Protokollführers Sekr. Hasse eidlich bestritten, jemals einen Brief mit der Bitte um 30 M. an die Angeklagte gerichtet zu haben und sie bestritt dies auch jetzt ganz entschieden. Nun sind aber inzwischen die Briefe aufgesunden worden und als auch drei 'einwandssreie Zeuginnen bezüglich der Briefe den Behauptungen der Gruiidmannj�entgegentraten, mußte diese zugeben, solche Briefe geschrieben zu haben. Staatsanwall Stachow I be­antragte das Schuldig. Rechtsanwalt Dr. S ch w i n d t bat um die glatte Freisprechung, da die Glaubwürdigkeit der Grund- mann so gering sei, daß darauf hin eine Verurtheilung einer un­bescholtenen Frau nichr möglich sei. Der Vertheidiger theilte unter anderem auch mir. daß der erste Gatte der Angeklagten der Leibarzt des Kaisers von Brasilien   gewesen sei und ihr zweiter Ehemann nicht stets Doktor und Pastor gewesen, sondern dies wesentlich durch das Geld der Angeklagten geworden sei. Tie Geschworenen verneinten die Schuldfrage, worauf die Freifprechung der Angeklagten erfolgte. Tie Strafsache gegen LouiS Castan ist auch gestern noch nicht zu Ende gekommen. Bei der gestrigen Fortsetzung der Ver­handlung vor der 2. Strafkammer, die in der dritten Nach Mittagsstunde begann, standen dem Angeklagten die Siechtsanwälte Dr. C o ß m a n n und Dr. Zella zur Seite. Es wurden noch mehrere Zeugen über Thatsachen vernommen, durch welche die Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen Helmessen erschüttert werden sollte. Wie immer in solchen Prozessen sind in der Zwischenzeit den Vertheidigern noch eine Reihe von Zu- fchriflen zugegangen, durch welche die Aufmerksamkeit auf ver- schiedeue bisher noch nicht zur Sprache gebrachte Punkie zur Charakteristik des Mädchens und ihres Vaters gelenkt wurde. Das Mädchen blieb auch gestern ohne zu wanken bei ihren letzte» Bekundungen, die dem Angeklagten günstig waren. Ein an die Vertheidiger gerichteter anonymer Brief gab Ver- anlassung, sofort eine Friseurin Fräulein Neuman» zu laden. An diese hat das Mädchen� Helmessen einen Brief geschrieben und darin mitgetheilt, daß Castan unschuldig sei und sie nur zu Modellzwecken benutzt habe. Ihre erste Aus- sage habe sie nur aus Furcht vor ihrem Vater gemacht. Diese Zeugin bekundete ferner, dem Vernehmen nach, daß der Vater Helmessen nach dem neulichen Terinin gesagt habe:Ich bin der Mann, mir wird geglaubt, Castan ist garuichts." In der Ver­handlung kam ferner zur Sprache, daß der Vater Helmessen seine Tochter jetzt in der Zwischenzeit zu den Predigern der Dreifaltigkeitskirche geführt habe und das Mädchen auch den Geistlichen gegenüber dabei geblieben iei, ihre jetzige entlastende Aussage sei die reine Wahrheit. Es wurde beschlossen, die Prediger R ö h r i ch und Schulz von der Dreifaltigkeilskirche als Zeugen zu laden und die Fortfetziing der Verhandlung auf Sonnabend 9 Uhr zu vertagen. Wegen Aufreizung wird sich der Reichstags- Abgeordnete Dr. B ö ck e l nächstens vor de», Strafrichter zu verantworten haben, die Anklageschrift ist demselben bereits zugestellt. In- kriminirt ist ein Gedicht:Brutus, schläfst Du?" das vor einiger Zeit imVolksrechl" veröffentlicht wurde. Eine» groben Vertranensbruch beging der angebliche Arbeiter Max S ch e u f f l e r aus Rixdorf am 1. Juni d. I. gegen de» Arbeiter Lehma  » n aus Berlin  . Letzterer zog am genannten Tage von der Mariannenstraße nach der Grünauerstraße und da er hierzu Hilfe brauchte, wandte er sich an den beschäftigungslos am Maybach- User stehenden, ihin bis dahin gänzlich unbekannten Angeklagten. Scheusfler war auch sofort bereit, gegen einige Mark beim Umzug zu Helsen  . Zunächst sollte er eine Partie Kleidungsstücke nach der neuen Wohnung bringen, doch traf er dort nicht ein nnd ließ sich über- Haupt nicht wieder sehen. Lehmann begab sich daber auf die Suche nach dem unbekannten Helfer und hatte das Glück, den- selben im höchsten Grade betrunken auf den Köllnischen Wiesen schlafend anzutreffen. Ein herbeigeholter Gendarm verhaftete de» Sch. und lieferte ihn in das Rixdorfer Amtsgerichts- Gefängniß ein. Hier gestand Sch., daß er die sämmtlichen Sachen, welche gegen 100 M. werth waren, für 5 M. versetzt, das Geld aber verjubelt habe. Das Rixdorfer Schöffengericht verurlheilte de» zahllos vorbestraften Scheuffler mit Rücksicht darauf, daß der Geschädigte ein armer Arbeiter ist, wegen Unter- schlagung zu neun Monaten Gefängniß. Einer Reihe vou llrknndeufälschitiigen, die aus Räch- sucht begangen sein sollten, war die Frau Auguste Vogel, die Ehefrau eines pensionirten Schutzmannes beschuldigt. Sie stand gestern dieserhalb vor der neunten Straskammer des Land- gerichts I. Am 17. Dezember v. I. erhielt ein im Hause Sorauer- straße 25 wohnender Arbeiter einen Brief folgenden Inhalts: Es ist mir durchaus nichts daran gelegen, wenn Sie kündigen und sich eine andere Wohnung suchen, denn Sie scheinen ein Sozialdemokrat zu sein. Solche Leute dulde ich nicht in meinem Hause, Sie können sich bei Ihren Gesinnungsgenossen eine Wohnung suchen, ich hätte sie sonst um 30 Mark ge- steigert." Unterzeichnet war der Brief mit dem Namen des Eigenthümers Rudolff. Innerhalb einiger Tage erhielten 15 andere Miether desselben Hauses ganz gleichlautende Briefe. Der Eigenthümer hatte den empörten Miethern gegenüber einen schweren Stand. Sie kündigten ihm an, sein Verfahren im Vorwärts" veröffentlichen zu wollen und ließen sich erst durch die Versicherungen des»iudolff, daß er zu den Briefen in gar keiner Beziehung stehe, beruhigen. Der Verdacht der Thäterschafr lenkte sich auf die Angeklagte. Ihr Ehe- mann war Vorbesitzer des Hauses gewesen und hatte mit Rudolff mehrere Prozesse geführt, in denen der letztere gesiegt hatte. Sie bestritt ihre Schuld im Vorverfahren wie im Termine mit großer Entschiedenheit, die Aehnlichkeit ihrer Handschrift spricht aber nach dem Gutachten des Schreibsachverständigen gegen sie. Ter Gerichtshof trat der Aussührung des Ver- theidigers, R.-A. Dr. Coßmann, daß das Gutachten des einen Sachverständigen zur Verurtheilung der Angeklagten nicht aus- reiche, bei und vertagte die Verhandlung, um nach dieser Richtung hin eingehenderen Beweis zu erheben. VerrmmnUrngen. Eine Versammlung der Händler und Händlerinnen. die am 28. Juni tagte, beschäftigte sich abermals mit den Zu- ständen jin der Zentral-Markthalle. Von dem Referenten Saß, sowie von den nachfolgenden Diskussionsrednern wurde nochmals eingehend geschildert, welchen Schädigungen die Zwischenhändler durch die unreellen Geschäslspraktiken der Engrosverkäuser aus- gesetzt sind. In einer Resolution, die ihrem Inhalte nach der- jemgen entspricht, die bereits eine vorausgegangene Versammlung angenommen hat, wird von der Markthallen-Berwaltung ver­langt, die von den Interessenten geforderten Aenderungen ein- zuführen. Tie Zustände in den Werkstätten der Aktieu-Gesell- schaft S. Bergmann n. Co., Fennstr. 21, bildeten das Ver- Handlungsthema einer öffentlichen Metallarbeiter-Versammlung. welche unter ungemein lebhafter Betheiligung von Arbeiterinnen und Arbeitern am 1. d. M. im Meyer'schen Saale, Müllerstr. 7, stattfand. Zu derselben hatten auch der Herr Direktor R u n k, sowie die Herren Meister Bensinger, Necke und Joseph freundliche Einladung erhalte», doch hatten� die Herren der Tapferkeit besseres Tiieil erwählt und die Vorsicht gebraucht, statt selber zu erscheinen, sich vertreten zu lassen. Diesen Vertretern, obgleich man sie kannte, wurde dennoch bereitwilligst Gast- freundschaft gewährt. Referent war der Vertrauensmann der Berliner   Metallarbeiter, Genosse Rüther. Derselbe erblickte in dem großen Juteresse, welches dem zur Tagesordnung stehenden Gegenstande seitens der Arbeiterschaft entgegengebracht werde, den sicheren Beweis dafür, daß mit der öffentlichen Besprechung der Zustände in den Werkstätten der Aktiengesellschaft S. Berg- manu u. Co. einem tiefgefühlten Bedürfnisse entsprochen werde. Vorausgeschickt möge hier gleich werden, daß der Referent unter vollster Zustimmung der Versammlung die Ansicht aussprach,� daß wobl keine zweite Fabrik in Berlin   einen größeren Anspruch auf das PrädikatKnochenmühle" erheben könne, wie die Bergmann'sche. Die Lohnverhältnisse bezeichnete der Referent als geradezu be- jammernswerthe. Durch fortdauernde Abzüge se.en die Löhne der Arbeiter es kommen zum größten Theile Mechaniker in betracht auf das Niveau der Hungerlöhne herabgedrückt und bewegen sich in aufsteigender Skala von 9 M. Wochenlohn an für jugendliche Arbeiter, welche mit Vorliebe beschäftigt würden, bis zur schwindelnden und daher selten erreichten Höhe eines Wochenverdienstes von LI M. Diese Einnahmen ständen im schroffsten Gegensätze zu den Einnahmen des Herrn Direktors und der Herren Meister. Bei dem grenzenlosen Jndiffereutismus und der herrschenden Indolenz der dortigen Arbeiter sei es nicht weiter wunderbar, daß sie alle Abzüge durch ver-