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fr. 1943. Jahes. Ausgabe A r. 10

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands

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Mittwoch, den 13. Januar 1926

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Es bleibt beim Nein!

Beschluß der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion.

Die fozialdemokratische Reichstagsfraftion faßte gestern abend nach längerer Aussprache folgenden Beschluß:

Die fozialdemokratische Reichstagsfraktion hat in den Berhand­fungen über die Bildung einer Großen Koalition Forderungen aufgestellt, deren Durchführung durch die Zunahme der Not nur noch dringen der geworden ist. Sie hat durch ihren Be­fchluß vom 16. Dezember feststellen müffen, daß infolge mangelnden Entgegenkommens der Deutschen Boltspartei in fojial- und wirtschaftspolitischen Fragen den Bemühungen des Abg. och fein Erfolg befchieden war. Sie hat daher in den Formulierungen, die ihr als Ergebnis der geführten Verhandlungen vorgelegt wurden, cine geeignete Grundlage für die Bildung einer Regierung der Großen Roalition nicht erbliden fönnen.

Die fozialdemokratische Fraffion muß feststellen, daß Gründe für eine Uenderung ihrer Haltung nicht vorliegen. Es besteht tein Anzeichen dafür, daß die Deutsche Boltspartei ihren bis­herigen Rechtsturs aufzugeben gewillt ist. Die Bolkspartei hat daher auch in den bisherigen Verhandlungen über die Bildung einer Großen Koalition einen ernsten Willen zur Zusammenarbeil nicht erfennen laffen. Es war insbesondere die Deutsche Bollspartel, die der sozialdemokratischen Forderung über den Achtstundentag die Zuflimmung versagte, die sich im sozialpolitischen Ausschuß gegen die sozialdemokratischen Anträge zur Erwerbslofenfürforge erklärte and die in der Frage der jetzt zum öffentlichen Standal gewordenen Fürftenabfindung die fozial­demokratischen Forderungen zurüdwies.

Deshalb erklärt die sozialdemokratische Fraffion, daß für die Bildung einer Regierung der Großen Koalition teine Grundlage besteht.

Bürgerliche Blätter hatten vorausgefagt, die fozialdemo­fratische Reichstagsfraktion werde ihren Beschluß vom 16. De zember aufheben oder es werde sich zum mindesten doch in ihr eine starte Kräfteverschiebung zugunsten der Großen Koalition bemerkbar machen. Weder das eine noch das andere ist eingetroffen: die Fraktion hat ihren Beschluß vom 16. Dezember aufrechterhalten, und sie hat das mit derselben übergroßen Mehrheit getan, mit der sie ihn seiner eit getayı hatte.

Die Stimmen von Barteigenoffen, die neuerlich in der Bresse für die Große Koalition laut wurden, waren schon zuvor in der Frattion gehört worden, und man hat auch dies­mal das Gewicht ihrer Gründe sorgfältig abgewogen. Da aber tatsächlich seit dem 16. Dezember feine Aenderang der Lage zum Guten, viel eher eine zum Schlechten ein getreten ist, fonnte der neue Beschluß logischerweise nur den olten bestätigen.

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Der Beschluß spricht aus, daß für die Sozialdemokratie zurzeit angesichts der gesamten politischen Verhältnisse und besonders des Verhaltens der Boltspartei eine Große Koalition nicht in Betracht kommt. Er bedeutet durchaus feiner Bruch mit der Politit, die die Partei bisher getrieben hat. Aendern sich die Berhältnisse, ändert sich das Berhalten ber Parteien, so ändert sich auch die Haltung der Sozial­demokratischen Partei. Es wird diesmal auch darin wer den sich die Propheten täuschen nicht das letztemal sein, daß die Sozialdemokratie von bürgerlichen Parteien dringend zum Eintritt in die Regierung aufgefordert wird. Und stets wird die Fraktion in solchen Fällen nüchtern und fachlich zu prüfen haben, ob sie den Interessen des arbeitenden Boltes beffer durch Zusage oder durch Ablehnung dienen tann. Da es sich dabei um die Abwägung unsicherer Zukunftsfattoren handelt, wird Einstimmigkeit felten zu erzielen fein: stets aber wird nach Entscheidung solcher tattischer Fragen die ganze Partei für das einstehen müssen, was die mehr heit beschlossen hat.

Streit um Dinge, die entschieden find, ist zwecklos. Das sei vor allem auch jenen bürgerlichen Politikern gesagt, die über den Beschluß unserer Fraktion enttäuscht sind. Auch sie werden sich eingeftehen müffen, daß das Verhalten der Bolks partei, daß überhaupt alle Erfahrungen, die wir seit 1923 gemacht hatten, nicht geeignet waren, in uns den Glauben zu stärken, wir fönnten mit der Volkspartei gemeinsam frucht bare Arbeit leiften. Die Not breiter Boltsmaffen ift gewaltig, beherzte Maßnahmen sind notwendig, um ihr einigermaßen zu steuern und in jenen Massen selbst das Bertrauen zu wecken, daß wirklich die Abficht besteht, ihnen zu helfen. Wir glauben nicht, daß dieses Vertrauen erworben werden fann von einer Regierung, in der eine so ausge sprochene Partei des Unternehmertums und der befizenden Klaffen wie die Volfsportei das Bünglein an der Wage bildet es sei denn, diese Regierung hätte durch Taten be wiesen, daß man sie falsch eingeschäßt hatte. Solche Taten er­

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wartete die fozialdemokratische Reichstagsfraktion nicht, ba-, ble fie stürzt. Rann dann diese Mehrhelt teine Regierung rum lehnte fie den Eintritt in die Große Koalition ab.

Daß die Anhänger der Großen Roalition bisher die Dinge so darstellten, als ob der Himmel einstürzen müßte, wenn diese Koalition nicht zustande täme, begreift man aus ihren propagandistischen Abfichten. Jetzt hindert auch sie nichts mehr, die Dinge ruhiger und nüchterner anzusehen. Die tommende Regierung wird feine feste Mehrheit haben. Das bedeutet noch lange teine Negation des parla mentarischen Prinzips. Auch im Mutterland des Barla­mentarismus, in England, hat es vor nicht zu langer Zeit eine Regierung gegeben, die feine feste Mehrheit hatte: das war die Regierung der Arbeiterpartei. Eine Minderheits­regierung bleibt im Amte, solange sich feine Mehrheit findet,

bilben, so bleibt der Ausweg des Appells an das Bolf. Die sozialdemokratische Reichstagsfrattion wird die tommende Regierung nach ihren Taten beurteilen. Ein 3wang für fie, unter allen Umständen Anschluß nach rechts zu nehmen, besteht nicht. Sie tann umgefehrt, wenn sie banach angetan ist, sich Unterſtüßung von links moralisch er­zwingen durch die Politit, die sie treibt. Die Sozial­demokratie hat ihr gegenüber die Hände frei, aber ihr Handeln ist durch ihre Grundsäße beſtimmt. Eine Re gierung, die kraftvoll die Republik schüßt, für die sozialen Forderungen notleidender Massen Verständnis zeigt und den unverschämten Bereicherungsabsichten der abgehalfterten Fürsten energisch entgegentritt, fann sich in den Arbeiter­

Unter der Lupe.

Die Rechtstitel der Fürsten ".

Die Deutschnationalen, die die Sparer und Rentner| fennung des ftaatlichen Eigentums an der Herrschaft; indessen nicht enteignet haben, und, um sie zu trösten, unter Führung des Fürstenanwalts Everling den ehemaligen deutschen Fürsten auf Rosten des verarmten deutschen Bolles Unfummen zu schanzen wollen, werden nicht müde, sich auf das Recht zu berufen und den Volksvertretern, die sich schützend vor die durch die Habgier der Fürsten bedrohten Vollsmassen stellen, den Borwurf des Raubes an fürstlichem Eigentum" zu machen. Es ist inter effant, einige der Rechistitel unter bie Lupe zu nehmen. durch die den Fürstenhäusern Ansprüche erwachsen sein sollen, die sie mit der ihnen in Geldsachen von jeher eigen gewesenen Zähigkeit verfechten.

Friedrich Wilhelm III. von Preußen hatte die Herrschaft Flatow- Krojante in Westpreußen erworben. Nach dem Breußischen Allgemeinen Landrecht fielen unbewegliche Sachen, die der Landesherr erworben und über die er meder unter Lebenden noch von Todes wegen verfügt hatte, nach seinem Ableben dem Staate zu. Der König hatte legwillig anordnen wollen, daß aus der Herrschaft Flatow- Krojante ein Fideitommiß für seine nachgeborenen Söhne zu errichten sei, er hatte indessen diesen seinen Willen in einem rechtsgültigen Testamente nicht zum Ausdrud gebracht. Am 14. Januar 1842 erließ sein Sohn und Nachfolger Friedrich Wilhelm IV. eine Rabinettsorber, durch die er die Herrschaft zum Familienfideikommiß für seine Brüder machte. Da jebe Rabinettsorder eines abfoluten Monarchen ein Gefeß war, ist

dem Staat in dieser Weise auf gefehlichem Wege" ein Eigen­tumsobjekt entzogen worden, das einen Wert von etwa 26 Millionen Mark hat.

bei dem ordentlichen Gerichte, sondern bei dem Geheimen Justizrat bes Rammergerichts. Der Geheime Justizrat war nur zur Entscheidung von persönlichen Ansprüchen gegen Mit glieder des Königlichen Hauses eingefeßt, während es sich hier um ein dingliches Recht handelte. Das angerufene Gericht war also unzuständig. Dieses unzuständige Gericht erkannte troh­dem das Eigentum des Hauses Hohenzollern an der Herrschaft an, obwohl das Königshaus selbst im Prozeß lediglich geltend gemacht hatte, daß die Herrschaft ein mit der Krone verbundenes, zur dauernden Ausstattung der töniglichen Familie bestimmtes Fibeikommis, nicht aber, daß sie ihr Eigentum sei. Solche Fideifommißgüter waren aber nach dem Allgemeinen Landrecht den Domänen gleichgestellt, also Staats­eigentum. Das Königshaus hatte mithin nur den Nieß. brauch an der Herrschaft in Anspruch genomen, das gefällige Ge­richt sprach ihm das Eigentumsrecht zu. Das Urteil wurde zwar rom preußischen Obertribunal bestätigt, aber selbst der Minister des töniglichen Haufes bezeichnete es als falsch. Wilhelm II. trägt gleichwohl kein Bedenten, dieses Urteil zur Grundlage seines Eigen­tumsrechts an der Herrschaft zu machen, deren Wert nahezu 19 Mil­lionen Mark beträgt.

Die Rechtstitel der Ansprüche der übrigen deutschen Fürsten­häuser sind zum Teil von der gleichen sittlichen Reinheit, wie die eben besprochenen der Hohenzollern . Im Jahre 1866 schloß sich z. B. der Herzog Ernst von Sachsen- Koburg- Gotha, der sich wenige Jahre vorher durch seinen Privatsekretär Tempelten der preußischen Fortschrittspartei für den Fall einer Revolu. tien als Leiter der provisorischen Regierung emp­fohlen hatte, an Preußen an, und ließ die Gothaischen Soldaten an der Seite der preußischen Truppen bei Langensalza fämpften. Als Belohnung schenkte ihm Wilhelm I. von Preußen die Schmal­faldener Forsten, die einen wertvollen Bestandteil des so­eben von Preußen eroberten Kurhessens bildeten. Der Gothaer Herzog hielt es für den Anstand unvereinbar, diese Forsten zum Man hat es hier mit einem Seitenstück zu dem kostbaren Porzellan­geschirr zu tun, daß der Kurfürst von Hessen aus den Geldern erworben hat, die er für den Berkauf seiner Seldaten an Der englische Brinz, der als England erhalten hatte. Rechtsnachfolger des Herzogs Ernst den Gothaischen Thron bestiegen hat, ist bekanntlich ein eifriges Mitglied der Deutschnationa len Bartei. Er nimmt die wertvollen Forsten als persönliches Eigentum in Anspruch. Die Geltendmachung dieses Rechtes an Liegenschaften, die als Prämie für Blutopfer der gothaischen Sol­daten gewährt sind, zeigt, daß er sich in die Ideenwelt der Deutsch­nationalen völlig eingelebt hat.

Die Herrschaft Busterhausen gehörte felt 1786 a den Domänen des preußischen Staates und unterstand der staatlichen Domänenverwaltung Als im Jahre 1818 Friedrich Wilhelm III. für den Brinzen August von Preußen auf den zur Herrschaft Wusterhausen gehörenden Grundbesitz eine Rente ein tragen laffen wollte, vertrat der Justizminifter von Kirchfideikommissarischen Eigentum seines Hauses zu machen. eisen die Auffassung, daß die Rentenbewilligung un zulässig sei, da die Herrschaft wie alle Domänen ohne Zweifel im alleinigen Eigentum des Staates ſtehe. Auf die Vorstellungen des Prinzen August entschied indessen der Staatstangler Fürft Hardenberg, daß im Grundbuch als Eigentümer der Herrschaft Wusterhausen Seine Majestät der König von Preußen einzutragen fei. Go geschah es.

Auf diese Weise erwarb" das Haus Hohenzollern ffaatliches Eigentum, das gegenwärtig einen Wert von über 47 Millionen Mart befitt.

Die Herrschaft Schwedt , Bierraben und Bilben. bruch war vom Landrecht für Staatsdomäne erklärt mor­den. Im Jahre 1847 eröffnete König Friedrich Wilhelm IV. , ber sich den auffässigen preußischen Ständen gegenüber in eine möglichst günftige materielle Lage bringen wollte, dem Juftizminister, er glaube, daß diese Herrschaft widerrechtlich von seinem Hausgut ab getrennt fei. Im Verlaufe der darauf eingeleiteten Berhandlungen vertraten der Finanzminister von Rabe und fein Amts­nachfolger von Bobelschwingh den Standpunkt, daß das

Eigentum des Staates an der Herrschaft nicht zu bezweifeln fel. Der König entzog nunmehr dem Finanzminister die Bollmacht zur Verwaltung der Herrschaft, die bis dahin der Staat geführt hatte. Der preußische Fistus erhob Klage aus Aner­

Se sehen viele der Rechte aus, um die die deutschen Fürsten­bäufer nach deutschnationaler Auffassung durch die Sozialdemokratie beraubt" werden sollen. Würdig schließt sich allen diesen Fällen das Berhalten des ehemaligen Streliger Großherzegshauses an, das allerdings weniger Entrüftung als befreiende Seiterteit her. vorzurufen imftande ist, nämlich die Geltendmachung von Auf­wertungsansprüchen für namhafte Forderungen der Mä­treffen früherer Großherzöge, die den abgelegten Herzogslieb. chen aus Echuldverschreibungen ihrer dankbaren Galane erwachsen find. Es fehlt nur noch, daß die Aufwertung auch für die Forde rungen eines jener Jünglinge gefordert wird, die dem letzten Großherzog von Mecklenburg- Streliß in warmer Freundschaft" er geben waren....