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Donnerstag

2901

21. Januar 1926

Unterhaltung und Wissen

Bootsmann Uhl.

Bon Hans Blund Oldemaren.

( Schluß.)

Wer weiß nicht von den Stürmen am Kap Horn , die wie Werwölfe find, als müßten Meer und Himmel vergehen vor ihrem brausenden Atem? Die die schweren Wolfenleiber jagen, daß sie sich zerrissen und freischend über den Himmel wälzen und in die Fluten fallen, daß die Bogen wie scheue Rudel Wild über die Fläche springen, alles niederwerfen in ihrer Todesangst und Menschen und Menschenwert erdrücken auf ihrer Flucht.

Als Kapitän Breckwolds Schiff, das die zwölfte Reise um Feuerland machte, im fiebenten Tag gegen den Sturm stand, brach der Besan; es war die erste Havarie, die das Schiff machte, aber sie mar unglücklich, weil das Holz gegen den Großmast geschlagen mar und sein Segel zerriß, weil das Gestänge in den Tauen mit jeder Bewegung des Schiffes über das Deck schlingerte.

Einer der Jungen murde vom niedergehenden Baum getroffen und von einer Welle über Bord getragen. Ein Mann, der ihm zu Hilfe eilen wollte, wurde von den schlagenden Rahen aufgehoben und dreimal hoch durch die Luft geschleudert.

Die Leute lagen in Großmaft, versuchten, ihn freizubekommen und arbeiteten mit Messern und Beilen wohl eine halbe Stunde. Der Kapitän stand auf der Brücke, gab ruhig einen Befehl nach dem anderen und versuchte, das schlingernde Schiff gegen den Sturm zu halten. Jan Uhl hatte das Steuerruder, starrte mit festverbissenem Mund über die graue dämmernde Dünung und dachte an den Jung, den der Sturm über Bord gerissen hatte. War ein frischer, starter Bursche gewesen, den er gern gehabt hatte, war wohl ähnlich so ge­wesen, mie er selbst vor langer, langer Zeit. Jan Uhl wußte nicht mehr, wie lange es her war.

Hätte der Jung das Wort gehabt, das hätte wohl geholfen, dann hätte er nicht sterben brauchen.

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Der alte Seemann richtete sich plötzlich hoch auf. Irgendwoher war ein Schrei gefommen, ein verzweifelter, schwirrender Schrei. Einen Augenblic wandte er den Kopf, da sah er die junge Frau des Kapitäns hinten am Eingang des Decaufbaues. Sie mar mohl ängstlich geworden, allein in der Kajüte zu sein, stand in der Lufe und mußte sich nicht zu halten gegen das eindringende Baffer. Der Bootsmann starrte sinnlos hinüber. Zurüd, dachte er, mein Gott, geh zurüd. Deern! Der nächste Brecher fonnte sie niederreißen oder ein unglücklicher Schlag der in den Tauen hängenden Rahen. Er taumelte plötzlich; irgendetwas stieg in der Gurgel auf, als müßte er erstiden.

Der Steuermann, der neben ihm stand, sprang hinzu, griff fluchend ins Rad und schrie ihn an. Der Kapitän pacte Jan Uhl Don hinten und riß ihn zurüd. Da mertte der Bootsmann, daß er bas Ruder hatte fahren lassen, brüllte wie ein Tier und sprang plöglich in großen Säßen über die Reeling der Brüde an Ded, quer durch das überströmende Wasser. Der Kapitän blidte ihm nach, sah jäh sein Weib, begriff, mas Jan Uhl vor hatte, und stöhnte leise vor fich hin, als betete er. Der Steuermann, der sich nicht umfah, glaubte, daß beide irrfinnig geworden seien in der Not, schob seinen Kapitän beiseite und führte an seiner statt das Schiff.

Jan Uhl war zu dem gebrochenen Mast gekommen. Eine See marf ihn nieder, aber er flammerte sich an, und als das Wasser ver­lief, stand er auf wie aus einem Grab. Dann lief er mitten durch schlagendes Gestänge und Trümmer, als berührten sie ihn nicht, wurde zweimal niedergeworfen und stand doch wieder auf wie ein Kind, das fällt. Dann war er vor dem Kajüteneingang, hob die Frau auf und wollte sie in die Lute tragen. Aber die war wohl vollgelaufen. Er wandte sich plößlich und begann noch einmal den furchtbaren Weg mitten durch die schlagenden, fegenden Trümmer.

Der Kapitän fühlte, wie sein Herz still stehen wollte. Einmal fan er deutlich, daß eine Rahe hart gegen Jan Uhr schlug, als müßte feyt zerreißen, aber der ging ungebeugt vorwärts, wie in einem Wunder. Da fiel ihm ein, wie die anderen von dem Aften fagten: daß Jan Uhl nicht sterben könnte. Er sah mit sinnlosen Augen über die fagenden Wasser und fühlte, daß er in diesem Augenblick so fest an des Bootsmanns Wort glaubte, wie an das Evangelium.

Dann stand der Alte vor ihm. Das Blut rann ihm aus Brust und Leib, die junge Frau sprang von seinen Armen, totenbleich, aber unverletzt.

Der Kapitän vergaß, fich nach thr umzusehen. Er starrte den Jan Uhl an wie einen, der von den Toten kommt, sah, daß sein Leib von Bunden starrte und fühlte, wie ihn ein unsinniges Gefühl frost­falt in die nie troch.

Du fannst nicht sterben, Jan Uht?"

emu

Die letzte Runde.

STALL LUTHER- STRESEMANN

Der tote Punkt ist überwunden. Man liegt schon in den letzten Runden. Die Post geht ab. Herr Luther führt. Herr Stresemann wird schon massiert, Der hier, nach altem Sportsprinzip Nach dunklen Punkten Sieger blieb. Auch Geßler weiß den Platz zu halten.

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Seamtes

Kabinc

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Vor der Mutationshypothese galt es als ausgemacht, daß die verschiedenen Arten im Tierreich wie in der Pflanzenwelt dadurch entstanden sind, daß aus einer Urform einem einzeiligen Wesen nacheinander durch unmerkliche Uebergänge alle höheren Formen entstanden sind. Gegen diese Anschauung sind vielerlei Einwände erhoben worden. Der bedeutende englische Naturforscher Bateson mies darauf hin, daß ja die verschiedenen Arten selbst eine dis­tontinuierliche Rette bilden, teine fontinuierliche; daß daher zu ver­muten sei, daß die Aenderungen selbst, die Arten erzeugen, nicht stetig, sondern spranghaft seien. Der als Vererbungstheoretiter berühmt gewordene Galton bringt das schöne Bild vom rollenden Bolyeder im Bergleich mit der rollenden Kugel: die letztere ist ein Bild für Würfel oder ein Oktaeder) auf einer Ebene torfeit, die diskontinuier­stetige Entwicklung, während die Art wie ein Polyeder( z. B. ein liche Entwicklung wiedergibt.

Nee, Keppen!" Jan Uhl lehnte sich plötzlich an die Reeling, als stehenden Pflanzen, von jeder Art ein Beet voll, ist sehr interessant.

taumelte er.

,, 3 bin man'n beten möd, Keppen!"

Er fant plötzlich im Gestänge nieder. Das Blut brach aus allen Wunden, als hätte es verhalten müssen bis dahin. Dann kam es noch einmal mit heifereer, sterbender Stimme:

It will slapen, Keppen, man'n Ogenblick flapen!"

Ein Doppeljubiläum

wissenschaftlicher Revolutionstheorien.

Bon Dr. Rudolf Lämmel

Die Jahrhundertwende hat die Entstehung zweier merkwürdiger und weittragender Theorien gezeitigt, deren universelle Bedeutung wir erst heute, ein Bierteljahrhundert nachher, würdigen fönnen. Der holländische Botaniter Hugo de Bries stellte die Mutations. theorie auf, und der deutsche Physiker Mar Bland erfann die Quantentheorie. Beide Anschauungen liefen der damals und vicl fach noch heute herrschenden Schulmeinung einer langfamen Entwick lung, die aus lauter unendlich fleinen Aenderungen aufgebaut iſt, zuwider.

Hugo de Bries tam nach jahrelangen Versuchen an Pflanzen dazu, die Entstehung der Arten durch sprungweise Aenderung der Eigenschaften, z. B der Größe und des Gewichts, anzunehmen. Er ging bebei feineswegs von philosophischen Erwägungen aus, sondern ftügte sich auf Beobachtungen und richtige Auslegung der Erfahrun gen anderer Züchter. Der erste Forscher, der den Gedanken der bistontinuierlichen Entwicklung" flar formuliert hat, war der Belgier Dollo( 1893). Er sprach den Sazz aus: L'évolution est dis­continué", d. h. ,, bie Entwicklung ist fprunghaft". De Bries ichuf aus diesem Gedanten eine neue Lehre, die er durch zahlreiche Ber­fuche in feinen großen Gartenanlagen zu Amsterdam ausbaute. Der Mutationsgebante ist ein sehr fehrreicher Standpunkt, der nicht nur für die Entwicklung von Bilanzen und Tieren gilt, sondern offenbar auch für die Geistesgeschichte und für die persönliche Entwicklung eines Individuums seine Bedeutung hat.

Neue Arten entstehen plötzlich, ohne Uebergänge." Dies ist in wenig Worten der Inhalt der Mutationstheorie von de Vries. Als ich den Gelehrten 1910 in Amsterdam aufsuchte, zeigte er mir die von ihm gefundenen verschiedenen Sorten der Oenothera( Nadit­terze). Diese Pflanzen unterscheiden sich vor allem durch ihre ver­schiedene Größe. Wir haben heute noch feinen Einblick in die Ur­fachen der Mutationsbildung. Aber der Anblick der nebeneinander­Man hat das Gefühl, daß die unscheinbaren Amsterdamer Blumen­beete ein neues Zeitalter der Forschung eröffnen. De Vries meint. daß es nur gelegentlich wirksame Ursachen seien, die Mutationen her­vorbringen. Aus seiner Bemerfung die meisten Arten unserer Gegend befinden sich jetzt in einer immutablen Periode" kann man entnehmen, daß der Altmeister der Botanik wohl hauptsächlich an solche Kräfte als arrbildenden Mächten denkt, die mit der Zeit und mit dem Ort wechseln, wie Klima, magnetische Einflüsse, elektrische Kräfte. Aber auch die immanenten", d. h. eingeprägten Kräfte, die dem eigenen Gefeß der Pflanze entsprechen, drücken sich, wie de Bries meint, pertodisch durch Entstehung von Mutationen aus.

Ueberträgt man den Mutationsgedanken auf die Geschichte, so findet man: nicht langsame, stetige Entwicklung, sondern sprung haftes, unftetiges Fortschreiten ist der Lebewelt eigen. Freilich sind die Sprünge" hierbei nicht notwendig als große Umwälzungen zu deuten, denn nicht die absolute Größe macht das Wesen der Mu tation aus, sondern nur die Tatsache, daß es sich nicht um unendlich viele unendlich fleine Aenderungen handelt, vielmehr um endlich piele Umwälzungen von endlicher Größe. Es tommt also nur auf den Maßstab an, mit dem man betrachtet und mißt, ob man einen Borgang schließlich als Evolution( lanciame Entwicklung) oder als Revolution deutet. Das ist wichtig zu wiffen, fonft entstehen hierbei betrübliche Irrtümer.

Die Lehren der jüngsten Vergangen

heit sind danach angetan, diese Anschauung vollauf zu bestätigen. Ebenso läßt sich der Gedante cuf die Entwidlung eines Ginzelwesens ausdehnen, deffen Werdegang ebenicus im Baffieren vieler aufein anderfolgender Zustände besieht. Auch hier sind die mehr oder minder großen Sprünge" zu beobachten, jolange noch Enimidiung stattfindet, also namentlich im Kindesalter.

я

Die philosophische Verwertung des Gedankens führt zu elgen. artigen Ueberlegungen. Nimmt man zunächst an, daß die Kräfte, die zu Mutotionen führen, an sich it et g veränderlich feien, fo fann folgendes Bild den Busammenhang Ursache Wirkung" be fchreiben: aus einem Wasserhahn flest ständig Waffer in ein darunter befindliches Gefäß. Dieses tippt bei bestimmter Füllung um und entleert seinen Inhalt in ein zweites darunter befindliches Gefäß. das beispielsweise bei zweimaliger folcher Füllung wieder tippt und Jeinen Inhalt in ein drittes darunter befindliches Gefäß entleert. Go

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Deutsche

Volkspartei

Beilage des Vorwärts

Bayrische

Velk's parizi

Wirtschafts Partei

DEUTSCH. NATIONAL

Es stürzen noch ein paar Gestalten, Herr Koch ging kurz vorm Ziel in Trümmer. Sonst liegt das Feld noch so wie immer. Ganz hinten bleibt man bloß in Uebung. Und wartet auf die nächste Schiebung. Was sonst von allem übrig blieb: Ein oberfauler Sportsbetrieb!

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fann man einen Teil des Geschehens als distontinuierlich, eined anderen aber als stetig auffassen. Fragt man aber nach der wahren Natur der Ursachen oder Kräfte, so fann ihr Wejen schließlich in nichts anderem gesucht werden als ebenfalls in Veränderungen: die Ursachen fönnen nichts Wesensverschiedenes sein von den Folgen! Daher ist der Gedanke der Unsiefigkeit als allgemeingültig anzus sehen. Auch das Anschwellen der Urlachen, das Wachsen der Kräfte ist ebenso unftetig wie die hervorgebrachten Wenderungen es find.

Dos

Im Jahre 1901 fand Mar Bland, daß sich die Strahlungs erfcheinungen am besten erklären ließen, wenn man annimmt, daß die Energie stoßweise abgegeben mird. Während bis dahin Energie als ftetig veränderliche Größe galt, wurde sie duté, fühne Annahme ihres metaphysischen Cho afters entfleidet. bedeutet, daß man die Energie" genau jo mie die Materie" als etwas auffaßte, das aus zahlreichen, zwar sehr fleinen, aber doch endlichen Teilen, Quanten", aufgebaut ist. Alle Veränderungen fönnen vom rein phyfitalischen Standpunkt aus cis Energie- Bande­rungen betrachtet werden. Benn mun diese Wanderungen. Sprünge" find, so tritt an die Stelle des uralten Sages: Alles fließt die Erfemminis: Alles springt".

Hugo de Vries und Mar Pland leben beide noch, hochbelagt und hoch in Ehren stehend. Die Mutationstheorie und die Quanten­theorie gehören zu den wichtigsten Geistesfchöpfungen des modernen Menschen und sie find bestimmend für die Forschung der nächsten Jahrzehnte. Ein Bierteljahrhundert ist wenig für eine Theorie des Werdens beide Anschauungen sind noch in stürmischer Entwid­lung und voll dunkler Fragen.

uns

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Unser Temperaturjinn. Die Empfindungen, die bei der Reizung der Haut durch Wärme oder Kälte hervorgerufen werden, vermittelt der Temperaturfinn, über den S. Kupfer in Leipziger Jilustrierten Seitung" interessante Angaben macht. Wir haben ftreng genommen zwei Temperaturfinne, denn die Kälte- und die Wärmeempfindung sind von einander zu unterscheiden. Wir fönnen nicht mit jeder Hautstelle Kälte und Wärme mahrnehmen, sondern auf der Haut befinden sich gewisse Kältepunkte", deren Reizung nur Kälte bemirft, und Wärmepunkte", von denen die Wärme­empfindung ausgeht. Wärme- und Rältepunkte fallen niemals zu­fammen; ihre Berteilung auf der Haut ift sehr ungleichmäßig; fie liegen meist in Gruppen zusammen, zwischen denen größere Lüden find. Durch neuere genaue Untersuchungen hat man festgestellt, daß unsere Haut mehr Kälte als Bärmepunfte befizt. Im Quadrat zentimeter Haut befinden sich durchschnittlich 13 Kältepunkte, aber nur 1 bis 2 Wärmepunkte. Die Gesamtzahl der Kältepunkte wird für die gesamte Körperoberfläche mit 250000 angegeben, die der Wärmepunfte nur mit 30000. Berben diese Bunkte auf andere Weise gereizt, z. B. durch elektrische oder mechanische Reize, so antworten fie ftets mur mit Kälte und Wärmeempfin­dungen. Die Kältepunkte reagieren auch auf Temperaturen von 45 Grad Wärme und darüber, vermitteln dann aber auch eine Kält empfindung, die paradore Kälteenpfindung" genannt wird. Wirken Temperaturen von mehr als 45 Grad Wärme auf eine größere Hautfläche ein, so werden Bärme- und Kältepunkte gleichzeitig ge­reist, und es entsteht die gesteigerte Empfindung, die wir als heiß" bezeichnen. Unsere jeweilige Imperaturempfindung ist in sehr hohem Maße von der vorhergehenden abhängig. Taucht man z. B. die Fingerspigen der rechten Hand in Wasser von 25 Grad, die der infen in Woffer von 35 Grad und dann beide Hände in 30 Grad warmes Waffer, so verspürt zulegt die rechte Hand die Empfindung warm", die linte dagegen die Empfindung falt"