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Max von Baden   gegen die Admirale.

Die Reichsleitung war nicht unterrichtet.

Gestern wurde im Untersuchungsausschuß des Reichs tages eine Darstellung des früheren Reichstanzlers Prinzen Mag von Baden über die Vorgänge bei der Flotte im No­Dember 1918 verlesen.

Nach dieser Darstellung steht feft: Der Reichstanzler war von der geplanten Entscheidungsschlacht der Flotte nicht unterrichtet Er wurde selbst dann nicht unterrichtet, als die Nachricht von der Weigerung der Mannschaften nach Berlin   fam. Es steht feft, daß Prinz Mag von Baden jenes Flugblatt, das die Mannschaften beruhigen sollte, im guten Glauben unterzeichnet hat. Mag von Baden erhebt gegen die Leitung der Marine die schwersten Vorwürfe. Er beschuldigt sie, der Reichsleitung teine präzise Meldung von ihrem Borhaben gemacht zu haben, so daß die eidliche Aussage der Herren von der Marine vor dem Gericht in München  , er sei von dem geplanten Vor­stoß der Flotte vorher in Kenntnis gesetzt worden, nicht richtig fein tann.

Er beschuldigt bie Flottenleitung, daß sie aus Mißtrauen gegen ihn der Reichsleitung feine Mitteilung gemacht habe. Er verweist weiter darauf hin, daß ein solcher Flotten­Dorstoß während der Waffenstillstandsver handlungen nicht hätte erfolgen dürfen. Er erflärt es für seine Meinung, daß der Vorstoß der Flotte nach dem Bekanntwerden der harten Baffenstillstandsbebin gungen hätte unternommen werden müffen, und er glaubt, daß dann die Waffenstillstandsbedingungen und der Friedens vertrag leichter ausgefallen wären.

Die Erklärung des Prinzen Max von Baden   ist der schwerste Borwurf, der gegen die Flottenleitung erhoben worden ist. Er bestreitet ausdrücklich ben Admiralen von damals das Recht, die Anklage gegen die Flotten­mannschaften zu erheben, sie hätten der nationalen Berteidi­gung das Rüdgrat gebrochen.

Was Mag von Baben über die Möglichkeit eines weiteren Widerstandes fagt, ist teine Entschuldigung für die Admirale. Es liegt in diesem Teil seiner Darstellungen eine merkwürdige Halbheit: er flagt einerseits die Admirale an, daß sie die Beigerung der Flottenmannschaften während der Berhand­lungen über den Waffenstillstand provoziert haben, anderer feits brandmarkt er die Mannschaften als Meuterer. Seine Tatsachenfeststellungen aber find tiar, eindeutig, vernichtend für die Admirale. Die Schuld an den Borgängen auf der Flotte tragen sie. Sie waren die Meuterer. Sie haben noch im Augenblid der Ratastrophe die Reichsleitung gemissenlos im Unflaren gelassen.

In ber nicht öffentlichen Sigung des vierten Unterausfchuffes des Untersuchungsausschusses über die Kriegsfragen wurden gestern folgende Darlegungen aus dem im Drud befindlichen Buche des Brinzen Mag von Baden als Arbeitsmaterial für den Aus. fuß belanntgegeben, die des Bringen in den legten Tagen mieder halt erörterte Stellungnahme zur Frage des beabsichtigten legten Flottenvorstoßes im Diteber 1918 enthalten.

Auszug aus dem Manuskript meines Buches, gez. Mar, Prinz von Baden:

3. 11. 18.... Bon der Marine lagen alarmierende Meldungen ver: Gehorsamsverweigerung auf mehreren Schiffen vor Wilhelmshaven  . Roch maren die Mitteilungen nicht durch­fichtig: War die Manneszucht wieder hergestellt worden? Lagen bolichemistische Umtriebe zugrunde oder nur lotale Unzufriedenheiten? Ritter v. Mann sei mit einem sehr ernſten Geficht in der Kabinetts­fizung vom 2. 11. erschienen und habe folgendes berichtet: Die Mannschaften mehrerer großen Schiffe hätten fich geweigert, den Befehl zum Auslaufen( am 29. und 30. 10.) Folge zu leisten, Sie hätten offen gemeutert und sich verbarrikadiert, so daß Admiral n. Hipper sie von Torpedobooten umzingeln, ja, die Torpedos auf sie richten ließ. Alsdann seien die Gehorsamsverweigerer ver­haftet worden. Die Meuterer gäben als Bemeggrund an:

Die Offiziere und das Floftenfommando wolfen den Frieden nicht. Sie hätten die Flotte in einer großen Schlacht opfern wollen.

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Staatssekretär v. Mann erbat einen Aufruf der Regierung, der eine Ermahnung zur Disziplin, aber fein Amnestieversprechen enthalten follte. 4. 11. 18. Am Morgen bes 4. Nevember fand zwischen dem General v. Winterfeld und Staatssekretär Scheide. mann ein bezeichnenter Bortwechsel statt. General v. Winterfeld:" Wir rechnen mit schweren Bedingungen. Sollten diese zu schwer sein, so würden wir fie ablehnen unter Borlegung der Bedingungen, die wir für erträglich hielten. Die Entente rechne selbst damit, daß wir ihre Bedingungen nicht sofort annehmen würden.

Schwere Beschuldigungen gegen Admiral Scheer.

Auch die Herren von der Marine fahen in diefem Augenblid nicht flar, aber sie verfügten über eine sichere Kenntnis von ent­scheidender Bedeutung. Warum wurde sie mir noch an diesem Tage vorenthalten? Tatsächlich follte am 28. Oktober die Flotte zur Entscheidungsschlacht ausfahren.

Tatsächlich wurde am 31. Ottober der Befehl zurüdgezogen unter dem Eindruck der Meuterei und mir wurden am 4. No. Dember aufgefordert, die Legende DON ber Tobesfahrt burg   Flugblätter zu zerstreuen. Gewiß, bie Marine erwartete nicht ben Untergang der deutschen  Flotte, sondern ihren Sieg. Das Dementi war daher formal richtig, wurde aber allgemein dahin verstanden und sollte dahin mißverstanden werden, daß die Ausfahrt teineswegs einem Kampf mit England gelten, sondern nur eine der üblichen Fahrten sein sollte, die man in letzter Zeit schon öfters machte, um die Mann schaften zu beschäftigen".( Bitat aus dem Bericht des Gesandten eines Bundesstaates, den dieser auf Grund der ihm erteilten amtlichen Informationen am 6. November absandte.)

Bor Gericht in München   haben die Herren von der Flotte vorher in kenntnis gefeht worden, ehe diese Marine ausgefagt: Jd wäre von dem geplanten Vorstoß der eidlichen Henßerungen vorlagen, hätte ich es auf meinen Eid ge­nommen, daß ich durch keine Silbe im voraus informiert worden war. Heute fleht für mich fest, daß Admiral Scheer in Gegenwart des Konteradmirals v. Levehow mir am 20. Oftober dem Sinne nach gejagt hat: Daß der Hochjeeflotte nach Einstellung des U- Boot- Krieges die volle Freiheit des Handelns zurückgegeben werden würde.( 2dmiral Scheer:" Dom Segelschiff zum U- Boot".)

Aber nie und nimmer fann ich diese allgemeine Wendung, die nicht einmal sehr afzentuiert gewesen sein fann, als eine genügend erleuchtende Ankündigung betrachten: Die deutsche Flotte wird innerhalb der nächsten zehn Tage den Kampf auf Leben und Tod mit der englischen Flotte fuchen. In jedem Falle hätte die Reichsleitung vor der endgültigen Befehlsausgabe präzise Meldung erhalten müffen.

3d fann die Erklärung nicht gelten lajien, daß mir aus Gründen der Geheimhaltung Zeitpunkt und Ziel der Unternehmung verfchwiegen werden mußten. Dem Reichstanzler durften militärische Angelegenheiten von jo weiftragender politischer Bedeutung teine Geheimniffe bleiben. Aber ich bin überzeugt, daß ein misfrauen anderer Art der lehte Beweggrund ge­wesen ist. Rüdfichten der militärischen Berschwiegenheit fonnten nicht mehr wirksam sein, nachdem Hipper den Vorstoß aufgegeben hatte; und auch dann wurde ich nicht aufgeflärt Die Marine- das ist heute meine Ueberzeugung- besorgte, die Reichsleitung würde nicht genügend Berständnis und Glauben aufbringen, um die gewaltige Unternehmung gut­zuheißen. Richtig ist, daß ich den Optimismus nicht durchaus geteilt haben würde. Wenn reale Grundlagen für eine solche Zuversicht gegeben waren, warum hatte dann der Admiral Scheer alle Hebel in Bewegung gefeßt, um die Einstellung des U- Boot- Krieges zu ver­hindern? Er hätte sie vielmehr fordern müssen: Denn erfiens fonnte der U- Boot- Brieg nicht raich genug wirken, um das Schickjal des Krieges noch zu wenden; zweitens war fein Aufhören Borbedingung für die Entscheidungsschlacht: er band einen guten Tell der Hochfee­flotte, und die 2- Boote wurden bei dem geplanten Borstoß gebraucht. Ich gebe aber zu, menn die Entscheidungsschlacht einmal be­Schloffene Sache war, jo mar es Pflicht der Flottenleitung, fich zum ficheren Glauben an den Sieg hinauf zu stimmen. Wenn ich nun auch dieser Hochftimmung gegenüber nüchtern geblieben wäre, so hätte ich doch dem Grundgedanken des Marineunternehmens zuge ftimmt, und zwar aus den folgenden Erwägungen heraus:

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Wenn der Sieg erfochten wurde und das war nicht unmöglich bei unserer Führung, der Schulung der Mannschaft und der lleber legenheit unseres Materials dann wäre dem bedrängten Heere und der mit täglich steigender Ungeduld leidenden Heimat ein ge­waltiger Auftrieb zum Durchhalten gegeben. Nach einem deutschen  Flottensiege wären Revolution und Kapitulation am 9. und 11. Ro­vember nahezu eine seelische Unmöglichkeit geworden; obgleich mir uns hätten sagen müssen, daß die Engländer durch ihre Niederlage fefter denn je an unseren Todfeind Frankreich   geschmiedet worden Wenn aber unsere Flotte eine ruhmreiche Niederlage erleiden, ja menn wirklich ihre legte Fahrt die Todesfahrt sein würde, so mar dennoch die militärisch- politische Zweckmäßigkeit unbedingt zu bejahen. Bon der Opfertat mürde eine beschämende Kraft aus gegangen sein, der sich auch viele Treulose und Berzagende nicht bätten entziehen tönnen. Man hat mit Recht an die Thermopylen erinnert... Ich stelle feft: Das Mißtrauen der Marine war nicht gerechtfertigt

wären.

Allerdings: Wenn Admiral Scheer mir vertraut und mich in den gewaltigen Plan eingeweiht hätte, fo glaube ich, daß ich meine Pflicht als Kanzler getan und iha befchworen haben würde, nicht auf eigene Faust nationale Berteidigung zu machen, sondern erst zu schlagen, nachdem wir fiber die Waffenftillstandsbedingungen öffentliche Klarheit hätten. Denn erst damit wäre das Vertrauen zu Wilson als grau­fame Täuschung nachgewiesen worden, vor dem ganzen Bolfe, ins­besondere aber vor den Matrofen, die schon seit 1917 als infiziert gellen mußten und die nun ihre fühnste und gefährlichste Unter­nehmung des ganzen Krieges durchführen sollten.

Wenn heute die Marine die Verräter und Meuterer in ihren Reihen brandmarkt, so sage ich: fie hat Recht. Die Aufrührer auf der Flotte haben der nationalen Verteidigung das Rückgrat ge brochen.

Seidemann: Die DHL. muß genau orientiert werden über die Lage im Innern. Bir werben feinen Wider ftand mehr leisten tönnen. Die Lage hat sich sehr ver schärft. Seine Worte erhielten einen unheimlichen Nachdruck durch den Bericht, den gleich darauf Staatssetietär v. Mann ers stattete, dem Kabinett und mir persönlich. Das dritte Geschwader war in Kiel   eingetroffen, hatte sich sehr aufrührerisch benommen. " Forderungen revolutionärer Natur geftellt und mit dem Er. fchlagen von Offizieren gedroht. Zwischen Mannschaften des dritten Geschwaders und einer marschierenden Truppe jei es zu einem bluti­gen Busammenstoß gekommen. Es habe Lete und Bermuntete ge- Che der Feldherr die Entscheidungsschlacht fucht, hat er der Zuver geben, der Führer der zuverläffigen Truppe fel schwer verlegt woräffigfelt seines Instrumentes ficher zu sein, der Moral der ben. Die Lage sei sehr ernst. Man hätte militärische Hilfe von Menschen nicht minder, als der materiellen Machtmittel. Der Feldherr so fordert Clausewißmuß bet längerer Kriegsbauer Razeburg und Lübed erbeten. die fubversiven Tendenzen in feine Rechnung einstellen.

Die Nachrichten tlangen noch verworren, aber in dem einen Bunft waren sie deutlich genug.

Die Marineleitung war nicht mehr Herr der Lage. Die Sozial­demokratie wurde zu Hilfe gerufen; der Staatssekretär des Reichsmarineamts bat, auch im Namen der lokalen Behörden, das jozialdemokratische Abgeordnete nach kiel   gefchickt würden, um beruhigend zu wirken.

In der Redaktion des Bormärts, jo teilte er mit, werde foeben ein auftlärendes Flugblatt bergeftellt: es folle von der Regierung und den militärischen Stellen unterzeichnet werben. Die Kommandoftellen wünschten sofortige Verbreitung. Bei den Marinemannschaften müsse der 3rrtum beseitigt mer. den, daß die Offiziere die Absicht hätten, die Flotte au vernichten, um fie nicht ausliefern zu brauchen. Das Flugblatt murde von mir, tem Staatssekretär Scheidemann   und dent Staats fetretär Ritter D. Mann unterzeichnet. Es hatte folgen. den Wortlaut( folgt der Wortlaut, den wir bereits wiedergegeben haben).

Wir entfandten noch an demselben Tage ben Abg. Roste, der als Marinereferent der sozialdemokratischen Bartei bei den Ma­trofen große Achtung genoß. Staatsjetretär außmann begleitete ihn als Vertreter der Regierung.

5. 11. 18. Ueber Riel trafen noch im Laufe des Tages wider spruchsvolle Nachrichten ein. Offenbar funktionierte die Verbindung fchlecht. Wir warteten mit großer Spannung auf Nostes und Hauß manns erste Mebung.

Aber die Admirale von damals dürfen diefe Anklage nicht erheben.

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Der Borstoß der Flotte, unternommen während der schweben­den, mit 100 falschen Hoffnungen begleiteten Berhandlungen mußte an dem Gefühl der Mannschaften scheitern: Morgen ift Frieden. Was hat es für einen Sinn, noch heute zu sterben?" Anders, wenn nach dem Eintreffen der Bedingungen die Flotte ausgefahren wäre, um eine Schmach abzuwenden, die sie am schwersten treffen sollte. Dann hätte das große Unternehmen ge­lingen und die nationale Erhebung einleiten und beflügeln tönnen. Bei einer rechtzeitigen Aussprache zwischen den leitenden Instanzen wäre es mohl jo gekommen, daß ich entweder den Udmiral Scheer bazu vermocht hätte, au warten, oder aber ich hätte eingesehen, daß aus technischen Grünben ein Aufschub unmöglich war; dann mußten wir versuchen, durch eine dirette Anfrage bei och die Bedingungen beschleunigt herauszu holen in der Hoffnung, daß die Flottenattion biefe Demütigung wieder gutmachte

Noch heute stehe ich vor einem Rätsel:

Warum hat fich die Marine mir nicht anvertraut? Ich fann nur die eine nieberbrüdende Erklärung geben:

Wohl hat Bismard die Sonderbündelei der deutschen   Staaten aufs Haupt geschlagen, und zwar so entscheidend, daß sie sich auch nach der Revolution nur schüchtern zu erheben wagte; aber der Partitularismus fist wie ein eingeborener Fluch in der deutschen   Ratur, und hat sich vor dem Kriege, vor allem aber

während des Krieges, in die Ressorts, in die Behörden geflüchtet; in die Marine, in den Generalstab, in das Auswärtige Amt; sie haben sich gegenseitig nicht ver traut und felten in bundesgenössischem Handeln so zusammen. gewirkt, wie das Wohl der Nation es erforderte.

tulation am 11. November." Ohne Kiel   feine Revolution, ohne die Revolution feine Rapi­

Dieser schweren Anflage gegenüber wird immer geltend ge

macht: die nationale Berteidigung wäre in jedem Falle finnlos und

aussichtslos gewesen.

die materiellen Machtmittel, sondern den Willen der feindlichen Darauf habe ich zu sagen: Es handelt sich darum, nicht mir Böller abzuschäßen. Wenn es gegolten hätte, Elsaß- Lothringen   zu erobern, dann wären die allierten Machthaber in der Lage gemefen, ihren Völkern noch einen jahrelangen Krieg zuzumuten.

Am 11. November aber war eine andere Situation denkbar. Die Wilson- Bedingungen wären angenommen; die Räumung Bel­ giens   und Nordfrankreichs zugestanden, ja, die Räumung Elsaß­Lothringens gegen die Forderung aber, uns zu entwaffnen, stünde das Nein einer zum äußersten entschlossenen Nation. Dann ist es meine Ueberzeugung, daß fich unser Bille zum Berzweiflungstampfe nur wenige Wochen hätte zu bewähren brauchen, um den Feinden das Ziel unserer Bernichtung zu ver­leiden. Aus ihren Bölfern wäre ein übermächtiger Schrei auf­geftiegen.

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Wir müssen noch Hunderttausende opfern, bis wir über den Rhein   sind. Der Preis ist zu hoch, nur um Fochs Waffenstillstands. bedingungen zu erzwingen. Von ihren Heimatfronten wäre die Stimmung auf die allierten Heere übergesprungen, die mit der schlimmsten Jahreszeit und ungeheuren Transportschwierigkeiten zu fämpfen gehabt hätten. Und schließlich wäre der notwendige Offen­fivwille erloschen.

Neue Berhandlungen wären dann wohl eingeleitet worden. Die Waffenstillstandsbedingungen, die wir dann hätten annehmen müffen, mären sehr hart gewesen; aber fie hätten, das ist mein Glaube, Deutschland   dem Bersailler Diftat nicht mehrlos ausgeliefert.

Eine Erklärung Friedrich Payers. Sachverständiger Dr. Ludwig Herh verlas einen Brief, den ihm der frühere Bizetangler Friedrich Bayer   in Erwiderung auf eine Anfrage hatte zugehen lassen.

Auf die Anfrage, ob eine Absicht der Marineleitung, im Herbst 1918 die Engländer zu einer großen Seeschlacht herauszufordern. mit dem Kriegstabinett beraten worden sei, ja, ob dem Kriegs fabinett überhaupt eine Mitteilung von einer solchen Abficht gemacht worden sei, bechre ich mich zu antworten, daß mir von einer Absicht, die Engländer um jene Zeit zu einer großen Seefchlacht herauszu fordern, überhaupt erft durch die Berhandlungen im Münchener  Dolchftoß- Brozeß etwas befannt gemorden ist.

Dem Kriegsfabinett ist von einer solchen Abficht niemals Mit­feilung gemacht worden.

Auch in der längeren Besprechung, die ich als Stellvertreter des er tranften Reichstanzlers am 25. Oftober 1918 mit der Obersten Heeresleitung, mit Admiral Scheer und dem Kriegs. minister Scheuch hatte, war von einer folchen Absicht mit einem Bort die Rede. Es hätte übrigens ja auch mir evil. über einen solchen Plan gesprochen werden fönnen. Denn solange die anfangs Detober auf Berlangen der Obersten Heeresleitung ein of geleiteten Waffenstillstandsverhandlungen mit dep

literten nicht von einer der beiden Seiten durch Kündigung des Waffenstillstands abgebrochen wurden, war selbstverständlich auch die Marineleitung daran gebunden, auch wenn das Kriegs­fabinett eine ihr nicht genehme Entscheidung über die Fortsetzung des unbeschränkten U- Boot- Krieges getroffen hatte. Ein Abbrechen der nun einmal aufgenommenen Waffenstillstandsverhandlungen hatte ich aber wenigstens für die Lage am 25. Oftober bei dieser Be Sprechung für meine Berfon abgelehnt und auch ein solches durch das Kriegsfabinett nicht in Aussicht stellen können. Das Kabinett hat sich am 25. Oftober vormittags ausdrücklich und einmütig zu derselben Auffaffung bekannt.( Meine Erinnerungen D. Bethmann Hollweg bis Ebert Seite 141 bis 145). Der Waffenstillstand wurde ja aud bekanntlich von feiner Seite gefündigt, so daß die ganze Frage nie unmittelbar praktische Bedeutung gewann.

Ob dem damaligen Reichskanzler, dem Prinzen Mag von Baben, der in jenen Tagen frant war, vielleicht von einer solchen Absicht der Marineleitung etwas mitgeteilt wurde, entzieht sich meiner

Kenntnis. Mir ist auch nichts bekannt."

Korreferat Bergsträßer.

Auf der Tagesordnung ftand die Entgegennahme eines Rorre ferates des Abg. Bergstraßer zu dem früher erstatteten Referat des Abg. Rosenberg über das Problem und die Be handlungsweise der Dolch stoßfrage. Der Rorreferent betonte in Uebereinstimmung mit dem Referenten die Wichtigkeit, die USP. von den linksradikalen Gruppen zu unterscheiden und ging dann hauptsächlich auf die psychologischen Boraussetzungen des allmählichen Schwindens des Bertrauens auf ein gutes Kriegsende sowohl in der Heimat wie im Heer ein. Er arbeitete den Gedanken heraus, daß das entscheidende Erlebnis aller Menschen im Kriege das von der Unge­rechtigkeit der Welt gewesen sei. Obwohl diese Ungerechtigteit auch im Frieden bestehe, werde sie im Kriege weit schärfer empfunden und begünstige schließlich eine Art von chiliaftischer Stimmung. Bemer tenswert war die scharfe Abrechnung, die der Redner mit den Aus­führungen des Majors Röder mm Münchener   Dolchstoß- Prozeß hielt. Die Beratungen werden am nächsten Donnerstag fortgesetzt.

Revision im Perlacher Prozeß.

München  , 28. Januar.  ( WIB.) Jm Perlacher Prozeß, bei dem Leutnant pölying und Bizewachtmeister Prüfert wegen Erschießung von 12 Perlacher Arbeitern angeklagt und freige­sprochen waren, hat der Staatsanwalt gegen das frei­fprechende Urteil Revision eingelegt.

Jm füdwestdeutschen Kommunistenprozeß wurde nach dreitägiger Berhandlung folgendes Urteil gefällt: Die Angeflagten werden wegen Vorbereitung zum Hochberrat, Bergeben nach§ 7 bes Spreng­ftoffgefeges und§7 des Republitschußgefeßes und unbefugten Baffenbefizes berurteilt, und zwar: Köd, Haafe und Gronen zu fe 8 Jabren Gefängnis und 300 M. Geldstrafe. Langer und Sobeifel zu je 2 Jahren 3 Monaten Gefängnis und je 200 M. Geldstrafe und Bappert au 1 Jahr 2 Monaten Gefängnis und 200 m. Geldstrafe. Gegen Klüber und Schüßler wird das Verfahren auf Grund des Amnestiegefeges eingestellt.

Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Jm babiichen Landtag haben Sozialdemokraten und Bentrum einen Antrag eingebracht, aur Bekämpfung der infolge der großen Arbeitslosigkeit in Baden entstandenen schweren Notlage solle die Badische Regie. rung fofort Mittel in Höhe bis zu brei Millionen Mart bereitstellen.

Bräfidentenbüffen im Reichstag. Der Ausiamüdungsausschus des Reichstags hat heute befchlofien, durch Aufstellung von Scha blonen in den Nischen der Kuppelhalle die Aufstellung von Büsten der Reichspräsidenten   praktisch auszuproben..