Abendausgabe
Nr. 52 43. Jahrgang Ausgabe B Nr. 26
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1. Februar 1926
Vorwärts=
Berliner Volksblatt
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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands
Der Fememordprozeß in der Dunkelkammer
Ausschluß der Oeffentlichkeit während der Ganzdauer der Verhandlungen.
Die unberechtigte Einwirtung Stresemanns und Luthers auf das Berliner Schwurgericht ist nicht ohne Erfolg geblieben. Das Gericht hat, was man trog allem nicht für möglich gehalten, heute für die ganze Dauer des Berfahrens gegen die Fe memörber die Deffent. lich feit ausgeschlossen!
Dem deutschen Volke soll dadurch die Möglichkeit verfperrt werden, die Wahrheit über die Schwarze Reichs wehr " und ihre Mordbuben zu erfahren.
Das Gericht erflärt, im Intereffe der Staatssicher. heit sei der Ausschluß der Oeffentlichkeit notwendig. Das heißt mit anderen und klareren Worten: Wenn das, was hier verhandelt wird, bekannt wird und besonders dem AusIand bekannt wird, dann bedeutet das eine Gefahr für das Deutsche Reich! Die Geheimnisse der Fememörder find Geheimnisse des Deutschen Reichs !
Die Schlußfolgerungen, die das Ausland aus diesem Gerichtsbeschluß ziehen wird, liegen auf der Hand. Der Reich s außenminister mußte, wenn er wirklich dem Deutschen Reiche nach außen dienen wollte, diese Schlußfolge. rungen vorhersehen und deshalb mit allen Mitteln uf die Durchführung der vollsten Oeffentlichkeit des Berjahrens dringen. Schon um zu zeigen, daß der„ Geist von ocarno" wirklich und wahrhaftig den schwarzen Geist der " Schwarzen Reichswehr " verdrängt habe und heute nichts mehr von dem Sput vorhanden sei, der einst Deutschland und die Welt beunruhigte.
Statt deffen hat Stresemann augenscheinlich unter bem Ein luß gewiffer Reichswehrstellen sich dafür start ge mecht, daß der Eindrud erwedt wird, als ob noch heute Schwarze Reichswehr besteht, als ob ihr Bestehen auch heute noch vertuscht wird.
Die außenpolitischen" Gründe, die diesen Drud auf das Gericht herbeiführten, bedeuten feine Entlastung, fondern eine schwere Belastung des heutigen Deutschland . Schon die Begründung, die der deutschnotionale Rechtsanwalt Sad feinem Antrag auf Geheim fizung auf den öffentlichen Weg gab, zeigt, daß das Interesse der Reichswehr bie Geheimfizung erfordere!
Es foll verborgen bleiben, was längst alle Spaßen von den Dächern pfeifen, was die Entente beffer weiß, als die Deutigen, was schließlich auch in den deutschen Parlamenten längst öffentlich ausgesprochen wurde: daß die Schwarze Reichswehr " zumindest von gewiffen Stellen der offiziellen Reichswehr geduldet und geradezu groß gezogen worden ist!
Der Ausschluß der Deffentlichkeit bedeutet ein Eingeständnis der Schuld dieser Regierungsstellen. Er bedeutet, darüber hinaus das Geständnis, daß die politischen Zustände, die die Zeit der Fememorde tennzeichnen, derartige waren, daß ihr Geruch noch heute verpestend in Deutschland wirken würde.
6. der Volontärinspektor Hauptmann a. D. Mag Gut fn echt aus Nienburg ,
7. der landwirtschaftliche Volontär und Oberleutnant a. D. Eber hardt Freiherr v. Senden aus Zehden ( Oder),
8. der Angestellte beim Deutschnationalen Handlungsgehilfenverband Gerhard Steelba ch aus Berlin ,
9. der Elfenbeinbildhauer Franz Meder aus Berlin , 10. der Kandidat der Bolkswirtschaft Rolf Zeitler aus
Neukölln,
11. der ehemalige Gefreite und jetzige Beamtenanwärter Ostar Snethlage. Die Verteidigung der Angeklagten haben die Anwälte Justizrat Hahn, Rechtsanwalt Bloch, Rechtsanwalt Dr. Sad, Red towsti und Grünwald übernommen. Die Anklage wird von Oberstaatsanwalt Sethe und Ersten Staatsanwalt Jäger vertreten. Wie erinnerlich, war in Döberih unter dem Kommando des Hauptmanns Gutknecht eine Formation der Schwarzen Reichswehr aufgestellt worden, deren eine Kompagnie unter dem Kommando des Leutnants Benn stand. In dieser Kompagnie war der Ermordete, der Schüße Panier, eingereiht. Eines Tages geriet Banier in den Berdacht, ein kommunistischer Spiel
zu sein. Er merkte aus fleinen Anzeichen, daß er, beseitigt' werden follte und entfloh nach Berlin zu seinen Eltern, wurde
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| ftellen?- Oberstaatsanwalt: 3ch habe keinen Anlaß, derartige Anträge zu stellen. R.-A. Bloch: Ich schließe mich dem an, da Freiherr v. Senden von der linksstehenden Presse derart angegriffen murde, daß er Anspruch darauf hat, öffentlich sich zu rechtfertigen. Es wird auch feine Senfafionen
hier geben, da der Sozialdemokrat Saenger und der kommunistische Rechtsanwalt Obuch im Parlament die Dinge derart behandelt haben, daß die Oeffentlichkeit nichts Neues mehr erfahren wird. R.-A. Dr. Sad: Ich bitte aus§ 172 des Gerichtsverfassungsgesetzes die Deffentlichkeit auszuschließen und sogar während meiner nun folgenden Begründung die Oeffentlichkeit auszuschließen. Die Presse hat zum Teil mit offensichtlichen Unrichtigkeiten vor diesem Prozeß gearbeitet. Aber die Rücksicht auf außenpolitische Fragen und die Rücksicht auf das Reffort des Reichswehrministers wingt mich, den Antrag auf Ausschluß zu stellen. Justizrat Hahn schloß sich dem an.
Das Gericht beschloß daraufhin, während der Begründung des fchließen, und zwar wurde dieser Beschluß nach einer noch Antrages durch Dr. Sad die Deffentlichteit auszu maligen furzen Beratung auch auf die anwesenden Presse
vertreter ausgedehnt.
Nach längerer unter Ausschluß der Deffentlichkeit geführter BerBeschluß:
jedoch von dem Angeklagten, Feldwebel Schirmann, zurüd- handlung verkündete Landgerichtsdirektor Bombe folgenden geholt. An diesem Tage gab der Angeklagte, Leutnant a. D. Benn, dem Angeklagten Afschenkampff zu verstehen. daß Panier beseitigt werden müsse.
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nach einigem Zögern willigte Afchenfampff ein, und am nächsten Tage wurde der Mord in einem Gehölz bei Döberitz von den Angeflagten Schirmann, Stein und Aschentampff gemeinfam ausgeführt, die Panier durch Bellhiebe töteten, wobei der An
geflagte Schmidt Beihilfe leistete.
„ Das Gericht hat beschlossen, die Deffentlichkeit auszufchließen, da fie eine Gefährdung der Staatsficherheit bedeutet; nur den Bertretern des Minifteriums des Innern und des Polizeipräsidiums wird die Anwesenheit gestattet."
Hierauf wurde der Saal geräumt.
Der Beschluß des Gerichts, die Deffentlichkeit während des ganzen Brozelfes auszuschließen, löfte überall großes Aufsehen und beträchtliche Erregung aus.
Bor der Verhandlung liefen bereits Gerüchte um, daß die Berhandlung vertagt werden würde. Es wurde behauptet, daß das Justizministerium die Anweisung gegeben habe, sämtliche schwebenden Am Schluß der Mitteilung des Borsigenden sprang Rechtsanwalt Verfahren zu verhindern, da alle Fäden dieser Straftaten zusammen- Dr. Sa d auf und fiel dem Vorfizenden mit der Frage ins Bort: laufen bei dem in Untersuchungshaft befindlichen Oberleutnanthält der Herr Oberstaatsanwalt feinen Antrag aufrecht?" Dieser Schulz. Offenbar ist man zu der Ansicht gekommen, daß man ein Antrag des Oberstaatsanwaltes ist wahrscheinlich der gewesen, den Hauptverfahren gegen Schulz eröffnen und alle Fälle in diesem ganzen Prozeß zu vertagen, wie zu Eingang des Beweitgespannten Rahmen verhandeln soll. richtes angedeutet worden ist.
Die Angeflagten find fast alle noch jüngere Leute, die bei der Bernehmung über ihre Personalien die Haden zusammennehmen und in militärischer Haltung die Hände an die Hosennaht legen. Lediglich der Angeklagte Stegelberg, ein Mann mit weißgrauem Haar und Bart, macht den Eindruck eines älteren kleinen Bureau
beamten.
Borf.: Sind Anträge wegen Ausschluß der Deffentlichkeit zu
Das Gericht war übrigens sehr streng darauf bedacht, die Deffentlichkeit restlos auszuschließen, denn als der Reichstagsabge. ordnete Dr. Kurt Rosenfeld um die Erlaubnis bat, den Verhandlungen als Barlamentarier beiwohnen zu dürfen, wurde ihm vom Gericht dieser Wunsch stritt abgelehnt mit der Begründung, daß nur den Vertretern von Behörden Zutritt zur Geheimerhandlung gewährt werden könne.
Die Kölner Befreiungsfeier.
Gleichzeitig aber bedeutet der Ausschluß der Deffentlich feit jogar einem Reichstagsabgeordneten wurde der Zutritt verweigert eine Kampfansage an die deutschen Vor dem Dom um Mitternacht.
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Republikaner . Die Morbbuben werden vor der öffentlichen Belichtung geschütt. Ihnen wird ein„ nationales" Mäntelchen umgehängt, um ihnen mildernde Umstände zu verschaffen. Inzwischen aber find in ganz Deutsch land Hunderte von Arbeitern nicht nur fommunistischezu langjährigen 3uchthausstrafen verurteilt worden, weil sie sich zur Abwehr der Schwarzen Reichswehr Banden organisiert hatten!
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Die Mörderorganisation hat jahrelang unter dem Schuß gewiffer Reichsstellen gestanden. Es ist nicht das Verdienst Dieser Reichsstellen, wenn der Sumpf schließlich doch ausgedeckt und eine Gerichtsverhandlung ermöglicht wurde. Aber ihr Bestreben ist, den Sumpf wieder zuzu decken und das deutsche Bolt im Dunkel über die reaktionären„ nationalfommunistischen Haufen" zu laffen, über die man es jahrelang angeschwindelt hat.
Aber selbst der Beschluß der Bombe- Kammer fann nicht verhindern, daß die Mörderkumpanei vom ftaat. lichen Schießplag Döberig und ihre Hintermänner vollkommen ins Licht der Deffentlichkeit gerückt werden!
Vor dem Schwurgericht des Landgerichtes III begann heute vormittag unter Borsiz des Landgerichtsdirektors Bombe der erfte Berliner Fememordprozeß wegen Ermordung des Schüßen Banier, bzw. wegen Beihilfe, Mittäterschaft und Mitwisserschaft haben sich folgende Angeklagte zu verantworten: 1. Der Fahrstuhlführer Fritz Schirmann,
2. der Polizeiwachtmeister Johann Stein aus Steglit, 3. der Feldschutzbeamte Alfred Aschentam pff aus Kranzien,
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regierung an alle reise der Bevölferung! Um diesen Dant persönlich in der jetzigen mitternächtlichen Rundgebung auszusprechen, bin ich hier nach Köln gecilt.
Ansprachen des Oberbürgermeisters und des Ministerpräsidenten von Preußen. Köln , 1. Februar.( Eigener Drahtbericht.) Punkt 12 Uhr nachts begann vor dem Kölner Dom die mitternächtliche Befreiungsfeier, die durch das Geläute der neuen großen Domglocke eingeleitet wurde. Eine ungeheure Menschenmenge hatte sich auf dem Domplatz und in den anschließenden Straßen zusammengedrängt. Als erster ergriff Oberbürgermeister Dr. Adenauer das Wort, der der Hoffnung Ausdruck gab, daß mit der Räumung der ersten Besatzungszone auch ein neuer Geist in die Völker Europas einziehe. Die Grundfäße des Rechts und der Moral, die jeden Menschen als frei und gleichberechtigt erflären, müßten auch in Wahrheit nicht nur in Worten Geltung erhalten für die Gesellschaft der Völker. Die Ansprache, in der der Oberbürgermeister anerkannte, daß der abgezogene Gegner auf politischem Gebiet rechtes Spiel habe walten laffen, flang aus in dem Schwur zur Einigkeit, zur Treue dem Volte, zur Liebe dem Vaterland. leberraschenderweise hatte sich zu der nächtlichen Feier der
preußische
Heißesten Dank zollen wir und werden wir immer zollen dafür, daß Rheinlands Männer und Frauen im Bewußtsein ihrer nationalen und wirtschaftlichen Verbundenheit mit dem unbelegten Baterland in den vergangenen sieben Jahren eine unerhörte Fülle feelischen Leides und herben unge. machs, wirtschaftlicher Not und harter Prüfungen erbuldet haben! nicht oft und nachdrücklich genug betont werden fann, von der BeDie Drangfale und Entbehrungen der Besazungsjahre sind, was bölferung des Rheinlandes für uns alle im unbefeßten Deutschland getragen worden! Diese Erkenntnis ist heute Ge meingut aller Deutschen geworden! geie bewußt und ehrlich troß aller Gorgen
Ministerpräsident Gen. Braun eingefunden, der von der Menge mit stürmischen Hochrufen empfangen wurde, als sie von seiner Anwesenheit Renntnis erhielt. Der Ministerpräsident führte aus:
Sieben schwere Jahre der Fremdherrschaft hat die Bevölkerung der nunmehr geräumten ersten Rheinlandzone ertragen müssen. Wenn die militärische Besatzung eines Gebietes stets und überall eine starke Belastung der Bevölkerung bedeutet, jo mußte das fremde Joch für die rheinische Bevölkerung um so schwerer und drückender sein, als das rheinische Bolt immer ein Volt von einer ganz ausgeprägten Freiheitsliebe gewesen ist.
An der berechtigten Freude, welche die Bevölkerung des ge4. Der Gärtner und Schüße beim Reichswehrinfanräumten Gebietes in der gegenwärtigen Stunde über die langterieregiment 6, Arnold ch midt in Schwerin , erfehnte und jetzt wiedererhaltene Freiheit empfindet, nimmt die 5. der Ungestellte im Reichslandbund, Leutnant a. D. Theodor preußische Staatsregierung den herzlichsten Anteil. Mit dieser Freude Benn aus Schwerin , verbindet sich der un auslöschliche Dank der Staats.
das Verantwortungsgefühl des rheinischen Volkes und die Liebe dieses Volkes zu der Bevölkerung Gesamtdeutsch lands gewesen ist, das tam in erhebender Weise zu fraftvollem Ausdruck in der denkwürdigen Rede, die der Kölner Oberbürger meister Dr. Adenauer bei der rheinischen Jahrtausendfeier am Abend des 19. Juli des vorigen Jahres im historischen Gürzenich faal in Köln gehalten hat. Damals lebten wir in einer Stunde außenpolitischer Spannung. Die Kölner 3one hätte nach dem Friedensvertrag schon geräumt fein müffen. Die Konferenz non Locarno war faum in Sicht. In diesem Zeitpunkt außenpolitischer Schwierigkeiten bat der Kölner Oberbürgermeister in seiner Gürzenich Rede die anwesenden Bertreter der Regierung und der Volksvertretung, man möge freiwillig in feine neuen Lasten und Ketten für Deutschland einwilligen, lieber wolle die rheinische Be völkerung Rot und Qual weiter tragen, bis Recht und Gerechtigkeit, auf deren Sieg das Rheinland fest vertraue, dem rheinischen Bolf die Freiheit zurückgebe. Diese Bitte Adenauers fand in den folgen. ben Tagen allüberall im Rheinland ein lautes und uneingeschränktes Echo. Jm unbefeßten Deutschland löste sie das Gefühl wärmsten Dantes und aufrichtigster Bewunderung aus!