Der Todesritt der deutschen Flotte. Ein englischer Fachmann über deutsche Admiralsmärchen. Der Admiral v. Trotha tat als Zeuge vor dem DittmannAusschuß seinen felsenfesten Glauben daran fund, daß ein Ausfall der deutschen Flotte Deutschlands Sieg in legter Stunde heraufgeführt hätte. Nun stellt sich jedoch heraus, daß die Todesfahrt der deutschen Kriegsflotte von englischen Fach freifen ganz erheblich anders beurteilt wird als von Herrn von Trotha und seinen deutschen Kollegen.
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Ein englischer Marinefachmann, namens Maurice Prendergast , von 1916 bis 1921 Herausgeber des Flottenbandbuches Fighting Ships( Kampffchiffe") beweist in einer Buschrift an die Daily News" nämlich, daß der deutsche Angriffsplan ein er einfall für die Deutfchen selbst gewesen wäre. Einmal ist der briti fchen Admiralität der deutsche Plan durch ihren Spionage dienst bekannt gewesen. Dann veröffentlichte im Spätherbst 1918 eine holländische Zeitung eine durchaus wahrscheinlich flingende Darstellung des deutschen Angriffsplanes. Ferner hatte man in London den deutschen Angriffsplan als eine vermutliche Idee der deutschen Seeleitung selber ausgearbeitet und viertensund das ist die Hauptsache erzählt Prendergast folgendes:
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Seit dem April 1918 begann die deutsche Marine in der Höhe des Firth of Tay ein großes Minenfeld zu legen. Das erregte nun gleich das ganz besondere Interesse der Engländer. Alle frü heren deutschen Minenfelder befanden sich dicht an der Küste, bezweckten die Störung der Handelsschiffahrt und hatten einen zu leinen Umfang. Das neue Minenfeld dagegen war viel größer und lag in offener See. Die Auslegung der Minenfalle wurde in größtem Maßstab unternommen. Nach der Aussage eines deutschen Marineoffiziers arbeiteten nicht weniger als fünfzig Unterfeeboot Minenleger an der Auslegung des großen Minenfeldes. Das fiel den Engländern auf, fie trafen Gegenmaß nahmen und wahrten dabei das Geheimnis in porbildlicher Weise. Wenn eine neue Portion Minen verfentt war, so wurde fie fofort von den britischen Minensuchern beseitigt. Nicht weniger als 69 Minensucher widmeten sich Ende Oftober 1918 der Aufgabe, bas
Minenfeld am Belle Rod zu fäubern.
Ende Oktober hörte das Minenlegen auf. Offenbar betrachtete die deutsche Marine den Bau der Kolossalfalle als beendet. Nun begannen sich deutsche Unterseeboote am Ostende des von ihnen gelegten und von den Engländern ohne ihr Wissen beseitigten Minenfeldes als Torpedonester" zu versammeln Der Tag" follte nun folgendermaßen verlaufen: die deutsche Hochfeeflotte sollte in ihrer gesamten Stärfe ihre Operationsbasis verlassen und einen schweren Angriff auf die englische Südküste und den Kanal ausführen. Die britische Kampfflotte würde zum Gegenangriff aus ihren schottischen Operationsbasen herauskommen und mitten auf das Minenfeld ven Belle Rod oder in den Bereich der Torpedonester" stoßen. Die Reste, die der Zerstörung in der Riesenfalle entgingen, würden dann von der deutschen Hochseeflotte bei Terschelling abge fangen und vernichtet werden.
Der ganze Plan beruhte darauf, daß er geheim blieb. Aber dies Geheimnis war von uns völlig gelüftet worden. Am Abend des 8. November lag die deutsche Hochfeeflotte fertig zur Ausfahrt. Hätte fie die Ausfahrt gemacht, so wäre sie völlig zugrunde gegangen. Der Reichtagsausschuß follte, so schließt Prendergast ironisch seine Mitteilungen, ben beutschen Matrofen, die durch Meuterei die letzte Ausfahrt der Hochseeflotte verhinderten, wirklich dankbar sein. Denn wenn die Mannschaften nicht gemeutert, wenn die deutsche Flotte ihren Angriffsplan durchgeführt hätte, so würde fidh der Unterfuchungsausschuß die nächsten zwanzig Jahre bem Berfuch widmen müffen, herauszubekommen, warum die deutsche Flotte im November 1918 eine der verheerendsten Ratastrophen erlitt, von denen die Seefriegsgeschichte berichtet".
War das Minenfeld aber befelfigt, dann war ber Angriffsplant der deutschen Seekriegsleitung zerstört. Die schottische Flotte batte freien Weg nach dem Süden. Wäre die deutsche Flotte ausgefahren, dann wäre sie von Norden in die Zange genommen worden und aller Boraussicht nach höchstens knapp davongekommen, wenn nicht fläglich von überlegenen Streitkräften vernichtet.
Man wird mit Spannung die Erwiderung der deutschen Marine. treise auf die sensationellen Feststellungen des Engländers abwarten. Um die Unermeßlichkeit des Frevels der meuternden Matrosen zu
Gegen die Reichsbahnverwaltung.
Einmütigkeit des Reichstags.
Die Sigung des Reichstags wird um 34 Uhr vom Präsidenten Lobe eröffnet. Am Miniftertisch hat neben dem Reichsverkehrs minifter Krohne Reichsaußenminister Stresemann Blag ge
nommen.
Bor Eintritt in die Tagesordnung nimmt Reichsaußenminister Htalienischen Rammer feten über das Verhältnis 3taliens zu Dr. Stresemann das Bort, um zu erklären: In der Sigung der Deutschland Ausführungen gemacht worden, die die deutsche Re gierung zwingen, baldigit Stellung dazu zu nehmen. Er bitte, bie bazu eingebrachte Interpellation auf die Tagesordnung der mor. gigen Sigung zu sehen. Am Schluß der heutigen Sigung soll darüber Beschluß gefaßt werden. Abg. Schulz( Komm.) stellt den Antrag, daß auf die heutige Tagesordnung ein von den Kommunisten eingebrachter Gefeßentwurf über Kurzarbeiterunterſtügung gestellt wird.
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Abg. Aufhäuser( Soz.):
Der Reichstag tann sich nicht länger der Pflicht entziehen, die Frage der Erhöhung der Erwerbslofenunterstügung felbft in die Hand zu nehmen. Durch die Bassivität der Regierung ist der Ausschuß in seinen Beratungen bisher lahmgelegt worden. Heute morgen hat die Regierung im Ausschuß endlich ihre Maß nahmen gegen die Erwerbslosennot angekündigt. Es befindet sich nicht darunter die Erhöhung der Unterstüßung( hört, hört), die Karenzzeit soll bleiben, die Kurzarbeiterfrage soll in Zag mehr zu verlieren, um das wieder einzuholen, was durch die neuer Weise geregelt werden, die ganz unzulänglich ist. Jest ist kein Baffivität der Regierung bisher versäumt worden ist. Wir werden heute noch unsere Anträge dazu formulieren und sie morgen dem Ausschuß einreichen. Es ist deshalb awedmäßig, jezt feine Debatte darüber zu führen.
verstanden erklärt, wird der kommunistische Antrag ohne Nachdem sich Abg. Schulz( Komm.) mit diesem Borschlag ein Aussprache dem sozialpolitischen Ausschuß überwiesen. Drei deutsch nationale Anträge auf Aenderung bes Reichsfnapnschaftsgesetzes und der Reichsversicherungsordnung, fowie zu Maßnahmen gegen die Stellenlosigkeit von älteren Angestellten werden debattenlos dem Ausschuß überwiesen.
über die
Es folgt die Beratung des ersten Teilberichts des Ausschusses Rechtsverhältnisse der Reichsbahn.
höheren Beamten in diese Stellung hineinzubringen. Die Reichs bahnverwaltung ist mit vollem Bewußtsein auf die Entwicklung, wie wir sie jest jehen, hingesteuert. Wenn Stinnes, wie es feine Absicht gewefen ist, die Reichsbahn in seine Hand bekommen hätte, dann hätte es auch nicht schlimmer fommen fönnen.( Sehr wahr! Beamten im Sinne der Reichsverfassung find. Die Meinungen und b. d. Saz.) Die grundlegende Frage ist, ob die Reichsbahnbeamien Urteile gehen darüber auseinander. Wir erwarten von der Regierung eine Zusammenstellung dieser Urteile, damit wir eine Klar stellung der Frage erzielen fönnen. Daß nicht schon längst eine solche Klarstellung erfolgt ist, fällt jenen höheren Beamten zur Last, die damals die Abmachungen getroffen haben. In der Begründung des Reichsbahngefeßes ist ausdrücklich gesagt worden, daß die Reichsbahnbeamten Beamte im Sinne der Reichsverfaffung sind. Nun frage ich: Wie verhält sich diese Zusicherung mit dem, was den Reichsbahnbeamten bisher widerfahren ist?( Sehr richtig! b. d. Soz.)
Es ist den Beamten nichts anderes als die Pflichten übrig. geblieben, die Rechte hat man ihnen genommen. Man unter stellt sie dem Disziplinargericht der Reichsbahn, man erläßt für sie besondere Geseze, aber man verweigert ihnen die Rechte der an deren Beamten. Wenn man aber den Beamten die Pflichten gibt, dann muß man ihnen auch die Rechte der Reichsbeamten laffen. Sogar die Möglichkeit, ihr wahlrecht bei den kommu nalen Bertretungen auszuüben, wird ihnen genommen. Man hat den Eisenbahnbeamten versprochen, daß ihnen die wohlerworbenen Rechte gesichert werden. Dieses Versprechen muß auch gehalten werden. Sie können sich auch nicht damit einverstanden erklären, daß sie ohne Warte geld abgebaut werden. Aber gerade bei der Eisenbahn ist ein Abbau vorgenommen worden, wie bei feiner anderen Behörde des Reiches. Besonders schlimm ist man gegen die technischen Angestellten vorgegangen. Der Reichstag hat Schreiben eines Maschinenpugers aus Dresden erhalten, dem nach perlangt, daß mit dem Abbau ein Ende gemacht werde, doch die Reichsbahn hat sich danach nicht gerichtet. Heute erst habe ich ein jahrzehntelanger Diensterfüllung jezt gekündigt worden ist. Wie aber geht der Abbau bei der Reichsbahn vor sich? Die ständigen Kräfte werden entlaffen; dafür werden nicht ständige Kräfte eingestellt.( hört! hört!) Bei der Ueberführung der Angestellten in das Beamtenverhältnis ist ihnen alles mögliche versprochen worden, nichts davon wurde gehalten. Hie und da haben wir Milderungen erreicht, aber eine generelle Aufräumung dieser Mißstände ist nicht durchgesetzt worden. Die Beamten werden in Arbeitervera
lleber die Ausschußverhandlungen berichtet Abg. Groß( 3.). Der hältniffe übergeführt, trotzdem sie weiter BeamtenAusschuß legt folgenden Antrag vor:
I.
Die derzeitige Berfonalpolitit der Deutschen Reichs. babnoesellschaft findet nicht die Billigung des Reichstags. Ins besondere, weil die bei Beratung des Reichsbahn- und Reichsbahn
personalgefeßes im Reichstag abgegebenen Erklärungen und Zufiche rungen nicht eingehalten werden.
II.
Die Reichsregierung soll ersucht werden, ihren Einfluß auf die Deutsche Reichsbahngesellschaft geltend zu machen, bamit 1. die Rüdüberführung von planmäßigen fündbaren Be amten in das Arbeiterverhältnis endgültig aufhört, 2. der weitere Massenabbau von Beamten und Arbeitern eingestellt und etwa noch nötige Bersonalvermin. derungen durch natürlichen Abgang erledigt werden, entstandene Rechts ungleichheit und materiellen Benachteili3. die durch den nachträglichen Abbau in bestimmten Bezirken gungen beseitigt werden,
4. die in das Arbeitsverhältnis überführten ehemaligen plan mäkioen Beamten in erster Linie wieder in das Beamtenverhältnis zurücküberführt werden,
5. Die rechtlichen und geldlichen Folgen der unter unzulässigem Drud( Drohungen mit Kündigung und Berlust des Wartegeldes) er. folgten Rüdverfeßung ins Arbeiterverhältnis wieder gutgemacht werden.
Ferner:
III.
b) dafür Sorge zu tragen, daß Personalvertreter in den Verwaltungsrat berufen werden,
a) einen Gefeßentwurf vorzulegen, nach dem geeignete beweisen, ſtellten sie bisher ben Sieg in der Todesfahrt als sicher hin. Wartestandsbeamte der früheren Reichsbahn unter Wahrung der Be Mollen sie sich jetzt nicht selbst Lügen strafen, dann müßten sie zustimmungen des Reichsbeamtengefeßes zum Dienst bei der Reichs. geben, von den englischen Gegenmaßnahmen nichts bahngesellschaft herangezogen werben fönnen, geahnt und nichts gegen sie vorbereitet zu haben. Mit blinden Augen wollten die deutschen Admiräle in die Grube stürzen, die sie den Engländern gegraben hatten. Die Matrosen haben die Hochfec flotte vor dem friegerischen Untergange gerettet, in ben sie die See friegsleitung hineinführen wollte. Wieder ist eine Doldstoßlegende zerstört.
Die Preußische Städteordnung. Zurückziehung des Entwurfs?
Nuf der kommunalpolitischen Tagung der Demokraten ist am Sonntag ein Antrag auf 3urudziehung der Breuß schen Städteordnung einstimmig angenommen worden. Dazu schreibt der ,, Demofratische Pressedienst":
Die demokratische Landtagsfraktion hat schon vor dem ab. lehnenden Beschluß des Kommunalpolitischen Ausschusses der deut fchen Demokratischen Partei zu der Frage der Preußischen Städte ordnung Stellung genommen und ist im Hinblid auf dieses Gefeß ebenfalls zu einer Ablehnung gelangt. Bei der Ablehnung des vorliegenden Gefeßentwurfs war für die Demokraten entscheidend, daß bei einer Annahme eine Reihe notwendiger fom munaler Reformgefeße für die nächsten Jahre unmöglich würden. Ebenso entscheidend war die Tatsache, daß der vorliegende Gefeß. entwurf dem demokratischen Gebanten der Selbst perwaltung nicht entspricht. Dazu fam, daß bas große Bert der Berwaltungsreform empfindlich dadurch geschädigt werden würde, wenn diesem Bert durch die jetzige Art und Weise ein Teil Dorweg genommen würde. Die demokratische Fraktion hat den Sonntagsbeschluß daher feineswegs als eine Unfreundlichkeit auf gefaßt, fondern dieser Beschluß be dtlich durchaus mit ihrer eigenen Stellungnahme. Nach zuverlässigen Mitteilungen bestehen auch bei anderen Parteien ernste Bedenten gegen die Ge. fegesvorlage, so daß damit zu rechnen ist, daß die Preußische Städte ordnung nach ihrer jehigen Geftalt nicht Gefen werden wird."
Es wird feinen für die Idee der Selbstverwaltung eintretenden Politifer geben, der der neuen Breußischen Städteordnung in ihrer jeßigen Fassung eine Träne nachweinen wird. Sie bedeutet in wichtigen, entscheidenden Bunkten einen so starten Rüschritt, daß man den jezigen Zustand einer beflagenswerten Bersplitterung des Rommunalrechts einer Reform vorziehen wird, die von allen Anhängern der freien Gemeindearbeit verworfen wird.
Politische Inflationsfolge in Frankreich . Das Linksfartell hat gestern bei einer Bezirkswahl in Paris - Boiffy eine Niederlage er fitten. Obwohl die Kommunisten auf eine Kandidatur verzichtet hatten, erhielt der Kandidat des Kartells nur 2161, der Kandidat der Rechtsparteien 2227 Stimmen.
Der deutsche Gesandte in Budapest , Graf Befcaet, ift ab. berufen und hat sich von Horthy und Genoffen bereits verabschiedet. Sein Nachfolger ist noch nicht ernannt. Der Geschäftsträger leitet die Gesandtschaft.
Ban Hamel, bisher Leiter der Rechtsabteilung des Böllerbunds felretariats, wird bereits in den näbsten Tagen Genf verlassen, um sein neues Amt als Dberfommissar bon Danzig anzutreten.
c) Verhandlungen zur Aenderung des Reichsbahngefehes, ins befondere des§ 24 einzuleiten und dem Reichstag möglichst bald einen entsprechenden Gefeßentwurf vorzulegen.
Abg. Steinkopf( S03.):
In die Erörterung der Berhältnisse bei der Reichsbahn spielt auch der Konflikt zwischen der Reichsbahn und dem Reichsarbeitsminifterium hinein. Bielleicht trägt das reinigende Gewitter, das heute über die Reichsbahngesellschaft niedergehen soll, dazu bei, um auch diesen Konfliktsstoff zwischen der Reichsbahn und dem deut. schen Bolte zu beseitigen. Der Teilbericht des Ausschusses. berührt mur Personalfragen, es fommen aber auch noch andere Fragen, so der Tarif und der finanziellen Berhältnisse in Betracht. Durch den Bericht wird der Martyrerweg gezeichnet, den die Beamten der Reichsbahn bisher gegangen find. Auf diesem Wege liegt der Berluft von Rechten und der Aufzwingung von Maßnahmen bis zur Verpflichtung, Streitbrecherbiente zu leiften. Ich fühle mich verpflichtet, allen beteiligten Beamten den Dant für ihre freue Pflichterfüllung auszusprechen. Troß der Be handlung, die sie erfahren haben, erfüllten sie ihre Pflicht im volfen Maße. Um so mehr ist es notwendig, jegt volle Klarheit über die Rechtsverhältnisse bei der Reichsbahn zu schaffen. Heute glauben ia verschiedene Parteien Triumphe feiern zu tönnen, fie behaupten, alles vorausgefagt zu haben, wie es gelommen ist. Aber der Weg vem August 1924 war der einzig mögliche, um überhaupt zu geordneten politischen Verhältnissen zu tommen. Ein anderer Weg war damals nicht möglich.( Sehr richtig! bei den Soz.) Was wir beflagen ist, daß die Entwidlung der inneren Zustände ber Reichsbahn
einen Gang genommen hat, der mit dem Reichsbahngefeh nichts mehr zu tun hat. Es wäre vielleicht nicht soweit gekommen, wenn man fich damals entschlossen hätte, auch das Personal in den Berwaltungsrat hin einzunehmen. Manche Mitglieder des Verwaltungsrats wiffen nichts davon, wie es unter dem Bersonal zugeht. Wenn ein Vorwurf er. hoben werben tann, so ist es der, daß wir den deutschen höheren Beamten zu sehr vertraut haben. Es waren deutsche höhere Beamte, die tie Berhandlungen geführt, die im August 1925 Berfprechungen gemacht haben, auf die wir uns ftügten. In diesem Vertrauen find wir außerordentlich schmer getäuscht worden. Einer dieser höheren Beamten hat einmal gesagt, fie fühlten sich als Treuhänder des Deutschen Reiches, aber zur Reichsbahn gehören nicht nur die Maschinen, die Schienen. mege usw., sondern in erster Linie die Beamten. Von einer pfleg. lichen Behandlung der Beamtenschaft bei der Eisenbahn haben wir aber nichts gefpürt; es sei denn, wie sich die höheren Beamten behandelt haben. Es ist mir ganz unerklärlich, daß die böheren Beamten, die doch in dem alten Eisenbahnbetriebe auf gemachsen sind, jest so in dem großen fapitalistischen Betrieb auf. gehen und ihre ganze Bergangenheit vergessen fonnten. Man hat den Anschein, daß hier nicht mehr Wirtschafter", fondern wild geworbene Bureautraten am Berte find.( Sehr wahrt bei den G03.) Unter den unteren Beamten herrscht das Empfinden, daß die hohen Bezüge bazu beigetragen haben, bie
dienste leisten müssen.( Sört! hört! bei den Soz.) Die Reichsbahn erklärt, sie habe kein Geld, um größere Laften zu tragen. Die Reparationsverpflichtungen wären aber nicht gefährdet gewesen, wenn die Reichsbahngesellschaft ihre beamtenfeindlichen Maßnahmen unterlassen hätte. Hat sie denn sparsam gewirtschaftet, wo es not wendig war? Es wurden Leiſtungszulagen bezahlt, die das Berfonal torrumpieren sollen, die höheren Beamten haben hohe Zulagen erhalten, den Direktoren werden ungeheure Gehälter gezahlt. Hier ist Geld vorhanden, nur nicht für das Personal. Für ein folches Berfahren haben wir fein Berständnis. Besonders schlimm treibt fie es im Konflift mit den Arbeitern. Der Plan der Reichsbahngesellschaft ging dahin, erst das Streitrecht illusorisch zu machen; jezt aber will sie die Arbeiter in den Streit hetzen. Den Dorliegenden Anträgen werden wir zustimmen, trotzdem wir der Ueberzeugung find, daß es nicht eher zur Ruhe bei der Reichsbahn fommt, bis die Verhältnisse gründlich bereinigt find. Die Reichsder Bevölkerung Rücksicht zu nehmen. Wir müssen ihr jetzt zeigen, bahnverwaltung hat bisher nichts geton, um auf die Stimmung daß nicht die Reichsbahn das Relch, jondern das Reich die Reichs bahn regiert.( Lebh. Beifall bei den Soz.).
Reichsverkehrsminister Dr. Krohne:
Bir stehen hier vor einer recht unangenehmen Situation. Nach mehr etwas für die Reichsbahngesellschaft übrig.( Sehr wahr!) Um einem Jahre ihrer Wirksamkeit hat fein Mensch im Reichstag objettip zu sein, muß man anerkennen, daß die Gesellschaft ge. zwungen war, mehr Personal zu übernehmen, als bei ihren Reparationslasten verträglich war. Andererseits aber hat auch die Beitung der Gesellschaft zu wenig in ihren Maßnahmen der Stim gesichts der iminer wachsenden Notlage herrscht.( Sehr wahr!) De mung Rechnung getragen, die in dem verarmten deutschen Bolle anausländischen Herren in der Leitung hatten als Vorbild ja ganz andere Eisenbahnunternehmungen als die alte Staatliche Eisenbahn. Es muß jedoch anerkannt werden, daß die beutichen Unterhändler feinerzeit piel erreicht haben, vor allem bie aufrechterhaltung des Reichsbeamtencharakters der Reichsbahn.
beamten. Wir werden uns meiter mit aller Gewalt gegen jeben Bersuch sträuben, diesen Beamtencharatter zu beseitigen. Da bei sind uns leider Grenzen gesezt durch die einschränkenden Be ftimmungen des§ 24 des Reichsbahngefeges. Auch auf dem gegebenen Rechtsboden wird sich aber manches zur Abstellung der Bechwerden des Berfonals erreichen lassen. Gegen das jetzt bei ber Reichsbahn geltende System der Leistungszulagen habe ich schon früher Bedenken geltend gemacht.
bahngesellschaft steht oft im Widerspruch mit dem allgemeinen RechtsAbg. Dr. Koch- Düsseldorf( Dem.): Das Berhalten der Reichsempfinden, aber auch mit den früheren Buficherungen der Herren, die heute noch die Berantwortung für die Berwaltung der Reichs bahngesellschaft tragen. Im Gegensaß zu dejen Zusicherungen habe die neue Personalordnung wesentliche Verschlechterungen für das Berfonal gebracht. Im besetzten und ehemals besetzten Gebiet habe die Reichsbahngesellschaft im Gegensatz zum unbefeßten Gebiet den Abbau ohne Entschädigung und Wartegeld porge. nommen. Diesen Dant des Baterlandes hätten die Eisenbahner nicht verbient
Abg. Groß( 3tr.) bezeichnet bie Personalpolitit der Reichs. bahngesellschaft als einen Bruch der 3ufagen, die bei der Errichtung der Gesellschaft vom Generaldirettor Defer und von anderen leitenden Bersönlichkeiten gemacht wurden. Die Masse des Personals merde in ihren Lohn- und Arbeitsbedingungen dau. ernd verschlechtert, während einer Gruppe leitender Be amten verfchwenderisch zuwendungen gemacht würden. Abg. Schütz( Komm.) meint, bei der Beratung der Dawesgefete hätten die Redner der Mehrheitsparteien ganz anders gespro. chen als heute. Die Kommunisten hätten damals schon die ungün ftigen Wirtungen der Errichtung ber neuen Reichsbahngesellschaft vorausgefagt. Ihre Boraussagen hätten sich durchaus bewahrheitet. Abg. Schuldt- Steglitz ( Dem.) führt aus, die Entwicklung ber Reichsbahngesellschaft habe bewiefen, daß die Entstaatlichung ftaatlicher Betriebe ben von manchen Wirtschaftsgruppen und Par teien davon erwarteten Segen nicht bringt. Der Redner ver urteilt das Berhalten der Leitung der Reichsbahngesellschaft, vor 3u allein ihre Berjonalpolitit, bie allen früher gegebenen Jufagen widerspreche. Besonders aufreizend wirte die nichtdurch führung des vom Reichsarbeitsminister verbindlich erklärten Schiedsforuchs. Die dafür gegebene Begründung, daß die dazu erforder. lichen 20 Millionen nicht vorhanden sind, fei offensichtlich falsch. Es müsse in diesem Falle einmal festgestellt werden, daß die Reichsbahngesellschaft nicht erterritorial, sondern der deutschen Gesetzgebung unterworfen ist.
Abg. Dr. Gildemeisler( D. Bp.) weist darauf hin, daß nach der Gesellschaftsfagung nicht der Verwaltungsrat, sondern der Generaldirektor die Verantwortung für die Reichsbahn trägt. Die übermäßig bohen Bezüge der leitenden Beamten feien bedenklich, weniger wegen ihrer finanziellen als wegen ihrer pin. hologischen Wirtung auf die übrige Beamtenschaft
Um 7% Uhr wird die Beratung abgebrochen. Das Haus vertagt sich auf Dienstag 2 Uhr. Auf der Tagesordnung stehen die Mussolini - Interpellationen.