Nr. 71 43. Jahrg. Ausgabe A nr. 36
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Freitag, den 12. Februar 1926
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Bethlen, Hejjas& Co.
Ein glücklicher Zufall eröffnet uns Einblick in das aller-| drei Prätendenten, Otto, Josef, Albrecht, ihren Kandidaten jüngste unterirdische Ungarn . Dieses unterirdische Ungarn durchzudrücken. ist ganz eigener Art. Es ist nicht, wie man erwarten fönnte, gegen die Diktatoren gerichtet, sondern vielmehr von ihnen errichtet.
Aeußerst zahlreich sind jene ,, nationalen Vereinigungen", auf denen fich das heute in Ungarn herrschende Regime aufbaut. Wirft man nun einen Blick in die folgenden Dokumente Ungarns , so sieht man, daß eine jede der offenen nationalen Bereinigungen auch eine geheime Organisation hat, und daß die Mitglieder der Regierung Bethlen sich in der Leitung der geheimen Organisationen brüderlich mit jenen Männern treffen, die vor der Deffentlichfeit, als Führer der nationalen Bereinigungen, als ihre Gegner erscheinen.
Als Verband der gesellschaftlichen Vereine"( ungarisch : ,, Tarsadalmi egyesületek szövetsége" in Abkürzung: Tesz"), dessen Präsident der aus feinem Briefwechsel mit dem Grafen Bethlen bekannte Baron Sigismund Berényi ift, spielt diese Organisation, eine Hauptrolle im politischen Leben Ungarns . Aber noch viel wichtiger ist die Rolle der geheimen Organisationen. Diese sind ganz wie die öffent lichen Vereine in einer Spitenorganisation verbündet, die den Titel„ Brüderlicher Berband" führt.( Der ungarische Titel lautet„ Testvér Szövetség", und in Abkürzung ganz wie der öffentliche Verband Tesz".)
Hier wie dort ist Präsident Baron Berényi, der als lang jähriger Berwaltungsbeamter und als gewesener Innenminister des weißen Terrors Erfahrungen in der Organisation hat.
Ganz eigenartig ist die Leitung und ihre Zusammensetzung. Neben der achtgliedrigen geschäftsführenden Direktion steht die eigentliche politische Direktion, die in Erinnerung an den militärischen Charakter der ganzen Geheimorganisation den Titel ,, a ger" führt. In den beiden Di= reftionen sigen nicht bloß die Führer und Leiter der einzelnen geheimen Organisationen, sondern auch eine große Reihe von hohen Militärs und Beamten, sowie Ministerpräsident Bethlen, so daß danach nicht nur die Regierung, sondern auch fast die gesamte Administration und große Teile der Armee in den Händen der geheimen Organisationen sind. Derart kann denn ohne Uebertreibung gesagt werden, daß recht eigentlich ganz Ungarn in den Händen diefer geheimen Spikenorganisationen ist.
Da aber eine solche geheime Organisation viel Geld verschlingt, ein Einbruch in benachbartes Gebiet noch mehr fosten würde, die Regierung aber wegen der ausländischen Finanzfontrolle ziemlich knapp sein muß, gedachte man, wie so oft schon in den letzten Jahren, mit Hilfe von gefälschten fremden Geldern sich zu helfen. Da es sich aber jetzt um ein viel größeres Unternehmen handelte, wollte man auch das Geld fälschen in viel größerem Stile betreiben. Da alle die Geheimorganisation betreffenden wirtschaftlichen und politischen Fragen vorher in der Direktion besprochen wurden, um dann, menn bezüglich derselben Beschlüsse gefaßt wurden, dieselben als Befehle den Organisationen zu übermitteln, erscheint es als zweifellos, daß auch die Franfenfälschung in der Direttion besprochen und dort beschlossen wurde
Der geistige Urheber des ganzen Planes der Frankenfälschung und ihr eigentlicher Leiter war, verläßlichen Berichten zufolge, der Leiter der Operationsabteilung im Kriegsministerium Oberst L. Fischer. Er unterſteht in dieser Eigenschaft weder dem Kriegsministerium noch dem Armeeoberkommando, sondern bloß dem Regenten als obersten Kriegsherrn. Fischer gilt als ausgezeichneter Offizier von großem Wissen. Während der Orden vom heiligen Georg, deffen Chef Baron Berényi ist, die Hauptrolle bei der Durch führung der Fälschungen und beim Vertriebe spielte. Sehr
bezeichnend ist auch, daß die Polizeibeamten, in deren Händen die Untersuchung der Fälscheraffäre liegt, fast durchgängig Mitglieder der Direktion sind, ganz ebenso wie jener Richter Paulay, der zur Einholung der Aften nach Holland entsendet war.
Horthy versuchte auch, eine ihm treu ergebene Garde, einen neuen Adel zu verschaffen. Für tapferes Berhalten während des Krieges, d. h. für die dem weißen Terror ge= leisteten Dienste, werden noch heute Männer zu„ Helden" ( vitez) geschlagen. Ein solcher Held" bekommt ebenso wie im Mittelalter für seine Verdienste Grund und Boden verliehen. Dies ist die Bedeutung des Wortes„ Held", das in dem angeführten Verzeichnis vor so vielen Namen steht. Die hier mitgeteilte Namensliste wird jedenfalls viel dazu beitragen, Licht zu schaffen in dem wirren Dschungel der ungarischen Frankfälschungen.
Die ungarischen Geheimverbände. Brüderlicher Berband.
Nationalverbandes( Tesz), gew. Minister des Innern
Präsident Baron Sigismund Berényi, Präsident des
Geschäftsführende Direktion.
Arpad Galochy, Ludwig Fischer , Oberst, Chef der Operationsabteilung im Kriegsministerium; Julius Gömbös, Abgeordneter, gem. Hauptmann des Generalstabes; Sigmund Endic, Abgeordneter; Defider Kovacsics, Obergespan, Regierungsfommiffär für
Besitzsteuerabbau und Erwerbslose.
Warnung der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion.
Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion stellte| gestellten. Die Zahl dürfte sich allein dadurch um mindestens nach Entgegennahme des Berichts ihrer dem Sozialen Ausschuß angehörenden Mitglieder einstimmig fest:
Das in den letzten Tagen bekannt gewordene Regie: bleibt hinter den bescheidensten Erwartungen rungsprogramm zur Erwerbslosenfürsorge und auch hinter der Erklärung des Reichskanzlers weit zurück. Im Dezember wurde die ausreichende Erhöhung der Unterstüßungsfäße und der Ausbau der Verordnung über die Erwerbslosenfürsorge mit dem Hinweis auf das Fehlen einer neuen Regierung zurückgestellt. Jezt, nachdem die Regierung gebildet ist, soll, abgesehen von einer beschränkten Kurzarbeiterunterstüßung, überhaupt nichts weiter geschehen.
Nicht unintereffant ist die Gesellschaft zu überblicken, in der fich hier der Ministerpräsident Graf Bethlen befindet. der sich hier der Ministerpräsident Graf Bethlen befindet. Da sind vorerst fnapp neben ihm in der Reihe brei Da sind vorerst knapp neben ihm in der Reihe drei Herren, die schon in der Angelegenheit der Frankfälschung verhaftet sind. Es sind dies: der Landespolizeichef Madoffy, der Bizepräsident des Die von der Sozialdemokratie im Sozialen Ausschuß des öffentlichen Tefz" Josef Szörtsen und der gewesene Kommandant des kartographischen Instituts General a it s. gestellten Anträge auf Erhöhung der Unterſtüßungsfäße, GeDann finden wir dort eine Reihe von Abgeordneten, faft währung von Beihilfen an die Ausgesteuerten und Beseiti lauter Mitglieder der Partei der Rassenschüßler, die im Bar- gung der zeitlichen Beschränkung in der Unterstützungsdauer lauter Mitglieder der Partei der Raffenschühler, die im Bar- find aber das mindest maß der augenblicklich erforderlament Herrn Bethlen„ Opposition" machen. Dann gibt es da Militärs und Militärgeistliche in den allerverschiedensten lichen Notstandsmaßnahmen. Abstufungen bis zu dem bekannten Eideshelfer der Bantnotenfälscher, dem Feldbischof 3 a drapeß. Daß dem Ministerpräsidenten auch noch andere Minister, Staatssekretäre, Ministerialräte, Richter, Staatsanwälte und Polizeibeamte Gefolgschaft leisten, ist nicht zu verwundern. Berwunderlich aber, äußerst verwunderlich ist ein Name: Ivan Hejjas . Er ist der Führer der wilden Mordgesellen, die solange Un garn heimgesucht, den man in der Bresse und im Parlament offen und ohne Widerspruch als Mordbuben gekennzeichnet ein Direktionsgenosse des Ministerpräsidenten? Man würde es für unmöglich halten, wüßte man nicht, daß Hejjas nicht nur das Zentrum der militärischen Verschwörung, der ja die ganze geheime Organisation dient, sondern, daß dieser Mann auch als Oberbefehlshaber der zukünftigen Berschwörerarmee ausersehen ist.
Welcher militärischen Verschwörung? Einmal hat man sie schon an der Arbeit gesehen. Bei dem Einbruch in das Burgenland . Schon damals lehnte die ungarische Regierung jede Verantwortung ab und kennzeichnete diesen Einbruch, der mit ihrer Hilfe vorbereitet war, als spontanen Entrüftungsausbruch der Bevölkerung.
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Die Programmrede des neuen Reichsfinanzministers hat die Bestätigung für die Annahme geliefert, daß dem Reiche Mittel zur ausreichenden Milderung der sich ständig verschärfenden Not der unschuldigen Opfer der Wirt schaftskrise zur Verfügung stehen. Bleibt es bei den Absichten der Reichsregierung, die Steuerlaften, also auch die Besitzsteuern zu fenten, aber nichts zu unternehmen, um die Fürsorge für Erwerbslofe zu verbessern, so bedeutet das, daß die Reichsregierung allen Kreisen des Volkes helfen will, mit Ausnahme der am meisten unter der Wirtschaftsfrise leidenden.
Die Sozialdemokratie warnt vor einer solchen Politik, weil sie nicht zur alsbaldigen Linderung der Wirtschaftskrise beiträgt. Sie hält den Abbau von Besiz= steuern für unmöglich, folange nicht ausreichend für die Opfer einer falschen Wirtschaftspolitik gesorgt ist.
2 Millionen Erwerbslose. Die Arbeitskrise auf dem Höhepunkt. Das Reichsarbeitsministerium gibt die Zahl der unterstüßten Und ein ähnlicher Entrüftungsausbruch" war auch jetzt Erwerbslofen für den Stichtag des 1. Februar mit 2 030 000 gegen mieder geplant. Nur sollte er diesmal gegen den ötüber 1767 000 am 15. Januar 1926 an. Darunter befinden sich lichsten Teil Teil der Tschechoslowakei , gegen Ruszka Krajna gerichtet sein. Daß gelegentlich der durch diesen Einbruch in der Tschechoslowakei hervorgerufenen Verwirrung in Ungarn ein Königsputsch gemacht werden sollte, ist nur selbstverständlich. Nur rechneten die Anhänger aller
1773 000 männliche( am 15. Januar 1 155 000) und 257 000 weibliche ( am 15. Januar 212 000). Die Zahl der 3uschlagsempfänger steigerte sich für die Zeit vom 15. Januar bis zum 1. Februar 1926 von 2090 000 auf 2 359 000.
Die Statistit erfaßt zum erstenmal auch die arbeitslosen An
90 000 bis 110 000 gesteigert haben. Außerdem ist das Endergebnis der statistischen Erhebung dadurch ungünstig beeinflußt worden, daß sich die Unterstützungszeit von 26 auf 39 bzw. 52 Wochen verlängert hat.
Im großen und ganzen ist damit zu rechnen, daß die Verschär
fung auf dem Arbeitsmarkt ungefähr am 1. Februar ihren Höhe= punkt erreicht hat. Damit stimmt überein, daß die einzelnen Landesarbeitsämter für den bisherigen Verlauf des Monats Februar einen, wenn auch geringfügigen Rückgang der Arbeitslosenzahlen melden. Kurzarbeiterfürsorge.
Am Freitag vormittag wird der Verwaltungsrat des Reichsamts für Arbeitsvermittlung zu der Kurzarbeitervorlage der Reichsregierung Stellung nehmen. Die von der Sozialdemokratischen Reichstagsfrattion gegenüber der Regierungsvorlage geltend gemachten Berbesse. rungsvorschläge, die sich der Unterausschuß des Sozialpolitischen Ausschusses des Reichstages zum Teil zu eigen gemacht hat, finden im Reich wie in verschiedenen Ländern Widerstand bei den Finanzämtern. Bei der Annahme der Regierungsvor lage würden sich die aus der Kurzarbeiterunterstützung ergebenden Mehrkosten auf etwa 12 bis 13 Millionen pro Monat beziffern. Bei Annahme der sozialdemokratischen Bor schläge fämen an Mehrkosten etwa 20 millionen heraus. Die Reichsregierung ist der Auffassung, daß eine größere Summe für die Kurzarbeiterunterstützung schon deshalb nur schwer annehmbar ist, weil jetzt bereits der Betrag für die Erwerbslosenunterstützung pro Februar auf 110 bis 115 Millionen geschäßt werden müßte. Da von sollen nur 36 Millionen auf die Beitragsleistung entfallen, während der Rest sich angeblich auf das Reich und die Länder verteile. Das Reich stellt von diesem Betrag allein wieder rund 36 Millionen.
Kein ernsthafter Mensch wird behaupten wollen, daß die finanzielle Unterstützungslast eine Rieinigkeit ist. Man darf aber nicht vergessen, daß der Höhepunkt der Arbeitslosigkeit sicherlich erreicht ist. Gewiß wird der Rückgang der ErwerbsIcfigkeit nur ganz allmählich sich vollziehen, aber der Beginn dieses Rüdgangs steht schon vor der Tür. Andererseits muß immer wieder daran erinnert werden, daß die ungeheure Schädigung der Volksfraft durch Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit in physischer und sittlicher Beziehung so gewaltig ist, daß jeder Pfennig, der zur Abdämmung der mit der Arbeitslosigkeit verbundenen Gefahren aufgewandt wird, dreißig, sechzig- und hundertfältige Frucht bringt. Die 7 oder 8 Millionen Mehrausgaben, die durch) Bewilligung der sozialdemokratischen Forderungen notwendig sind, sind eine Ausgabe, die Zins und Binjeszinsen bringen wird. Das sollten sich auch die Finanzminister der Länder gesagt sein lassen.