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Nr. 71 43.Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Berliner Straßenprojekte.

Die südliche Entlastungsstraße zur Leipziger Straße gesichert.

Die Stadtverordnetenversammlung hat gestern den ersten Teil der Pläne zur Entlastung der Leipziger Straße genehmigt. Durch den Beschluß, vom Part des Prinzen Albrecht einen Teil anzutaufen, wird eine bequeme Berbindung der Rochstraße mit der Schöneberger Straße möglich. Die beschlossene Untertunnelung des breiten Geländes der Pots­damer Bahn fügt zwischen Schöneberger Straße und Kurfürstenstraße eine Berbindung ein, die einen neuen Verkehrsweg vom Osten durch das Stadtinnere nach dem Besten schafft. In der Debatte bot sich unserem Genossen Reuter Gelegenheit, das verantwortungsscheue Berhalten der rechtsstehenden Parteien festzunageln, das sie auch hier wieder gezeigt haben. Nach her gab es eine große Schuldebatte, eine Aussprache über die an den Magistrat gerichtete Mahnung, die in dem laufenden Haushalt stehenden, aber vom Magistrat gesperrten Mittel für Schul­bauten schleunigst freizugeben. Unser Genosse Reimann ent­warf von den Berliner Schulhäusern ein Bild, das für den Magistrat wirtlich nicht schmeichelhaft war. Er forderte, daß diesen an Oft elbien erinnernden Zuständen ein Ende gemacht wird. Der Käm­merer ergriff mehrere Male das Wort zu Abwehrerklärungen, aber der kommunistische Antrag, der die Mittelfreigabe verlangt, wurde angenommen. Heffentlich hat nun auch der Magistrat ein Einsehen und beherzigt die Mahnung. Die Sigung brachte unter anderem noch die Annahme der Auto steuer.

In der gestern abgehaltenen Sigung der Stadtverordneten wurde zunächst über die Ausführung eines Straßentunnels unter dem Potsdamer Außenbahnhof hindurch und den Anlauf eines mehrere tausend Quadratmeter großen Teiles des Barts beim ehemaligen Palais des Prinzen Albrecht in der Wilhelm­straße beraten. Es handelt sich hierbei um das bekannte Projekt,

eine

nördliche und eine füdliche Entlastungsstraße

dem Ausschußbeschluß, beschlossen. Angenommen wurde ferner ein fommunistischer Antrag, die Rauffumme nicht den hohen 30llern auszuzahlen, sondern das Geld bis zur Erledigung des Voltsentscheides über die Fürstenabfindung beim preußischen Staat sicherzustellen. Beide Male stimmten nur Sozialdemo traten und kommunisten dafür.

bedürftiger Lehrlinge setzte sich Genoffe Urich für die Annahme der Bei der Beratung der Borlage, betreffend Unterstühung hilfs Magiftratsvorlage ein, die auch mit großer Mehrheit beschlossen wurde. Dann wurde die am vorigen Donnerstag ausgesetzte Abstimmung über die Autofteuer

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Der

vorgenommen. Fassung, die ihr der Ausschuß gegeben hat, mit 111 Stimmen der Sie ergab die Annahme der Vorlage in der Linten gegen 88 Stimmen der bürgerlichen Parteien. Ueber die zu gründende Ribbedshorst G. m. 6. H." gab Genoffin Fahrenwald den Ausschußbericht. Sie bat um die Annahme der Vorlage und der Sagungen. Die Stadt will auf dem Gut Ribbedshorst im Havelland Unterkunft, Berpflegung und Arbeitsgelegenheit für Obdachlose fchaffen. Für unsere Frattion gab Genoffin Todenhagen eine zu deutschnationale Stadtv. 3emte hatte den Magistrat um Zuschüsse stimmende Erklärung ab. Die Vorlage wurde angenommen. für sein Privatlyzeum in der Fruchtstraße gebeten. Der vor­beratende Ausschuß beantragte Ablehnung der dahingehenden Ma­giftratsvorlage: ach eingehender Aussprache lehnte die Bersamm lung den Antrag 3emte ab. In einem Dringlichkeitsantrag ersuchten die Kommunisten den Magistrat, sofort die im Etat 1925 stehenden, vom Kämmerer gesperrten 3 Millionen Mart für Schul­bauten freizugeben. Für Schulbauten im Etatsjahr 1926 sollen fofort 4 Millionen als erste Baurate freigegeben werden. Rämmerer Karding betonte, daß sperren nicht streichen heißt. Der Der Magistrat müsse fich allerdings das Recht vorbehalten, bei einer vorauszusehenden Verschlechterung der Wirtschaftslage und einer damit verbundenen stärkeren Beanspruchung der städtischen Etats­mittel Ausgaben sperren zu können. In jedem Winter erfordert die öffentliche Wohlfahrtspflege besonders erhebliche Mittel; der Ma­gistrat müsse darauf gerüftet sein. Obwohl der Magiftrat für die Notwendigkeit der Schulneubauten volles Berständnis hat, dürfte er feinen Standpunkt faum ändern. Stadtv. Hildebrandt( Dem.) er­flärte namens seiner Fraktion, daß sie dem tommunistischen Antrage zustimmen werden. Für die sozialdemokratische Fraktion fondern eine Kulturfrage Berlin hat einen fühlbaren Mangel an Schulen, und wir haben alle Veranlassung, das während des Krieges und später Bersäumte nachzuholen. Wir So­zialdemokraten halten die Politik des Magistrats in diefer Angelegen­heit für falf. Die Schulverhältnisse und die Ber. fassung der einzelnen Schulgebäude sind einer Stadt wie Berlin unwürdig, deshalb begreifen wir nicht, daß der Magistrat hier nicht schon längst von sich heraus eingegriffen hat. In den Angelegenheiten der Schule hat der Magiftrat pieles nach zuholen. Nach weiterer ausgiebiger Debatte wurde schließlich ein Antrag der Deutschen Volkspartei angenommen, der den Kämmerer ersucht, die Veränderungen des Haushaltsplanes nach­zuweisen. Dem Antrag der KPD. wurde mit großer Mehrheit zugestimmt.

für die Leipziger Straße zu schaffen. Der Haushaltsaus. schuß will die für beide Straßen etwa 40 millionen Mart be­tragenden Kosten etwa 10 Jahre lang auf den Etat verteilen; die Borarbeiten sollen sofort finanziert werden. Den Ankauf des erforderlichen Barkstückes ersuchte der Ausschuß abzusprach Genosse Reimann: Die ganze Angelegenheit ist feine Schul-, lehnen; man wollte die Entlastungsstraße durch die Anhaltstraße führen. Nach einer Rede des Kommunisten Wisnewski, dessen An griffe gegen die Hohenzollern von der Rechten mit Lärm begleitet wurden, betonte Genoffe Reuter, daß niemand daran gedacht habe, den Hohenzollern besondere Borteile zuzuschanzen. Ueber die Notwendigkeit des Projeftes gebe es teine Dis tusfion. Bei dieser Gelegenheit verlohne es fich, ein offenes Wort über die Haltung der bürgerlichen Parteien zu sprechen. Ob. wohl diese Parteien selbst die Berbefferung und die Ablentung des Berkehrs im Innern der Stadt als notwendig anerkennen, wie ein demokratischer Antrag beweise, scheut man sich, im Plenum und in der Deffentlichkeit die Berantwortung für die finanzielle Sicher ſtellung zu übernehmen. In internen Kreisen der Wirtschaft geht man auf diesbezügliche Bünsche gern ein, man diskutiert und för dert sie. Wenn es aber ans Geldbewilligen geht, überläßt man es gern ber Linten im Roten Hause, sich unpopulär zu machen. Die interessierten Wirtschaftskreise und die sie stüzenden Parteien in der Stadtverordnetenversammlung wiffen sehr gut, daß die Entwicklung des Berliner Wirtschaftslebens von der

Ausgestaltung der Berliner City

abhängt, aber man ist herzlich froh, daß die Unpopularität des Geld und Steuerbewilligens Sozialdemokraten und Kommunisten auf sich nehmen. Das scheint die neue Taktik der bürgerlichen Parteien im Rathaus zu sein. Es ist an der Zeit, diese Haltung der Rechten endlich einmal anzuprangern. Stadtv. Merten( Dem.) versuchte die Vorwürfe des Borredners zu entfräften. Genoffe Reuler er innerte in seiner Erwiderung daran, wie fonfterniert die bürgerlichen Parteien im Rathaus gewesen waren, als die Linksmehrheit für die Annahme des Projekts einen Augenblid zweifelhaft schien. Bei der Abstimmung wurde der Antauf des Bartstudes, entgegen

8]

Onkel Moses.

Roman von Schalom Usch.

Die Gruppen in der alten Schule wurden schütterer, ganze Familien verschwanden. Der Dajan , welcher am Sabbat nach dem Abendgebet die Bibel erklärte, hatte immer weniger Zuhörer. Und bald jah man im Städtchen mehr Frauen als Männer, und es gab schließlich nur noch Greise und fleine Kinder, aber feine erwachsenen Leute mehr. Alle waren zum ,, Amerikaner" gefahren. Sogar der alte Grießmüller schloß feinen Laden das Weinen der Mühlsteine auf dem Alten Markt zur Nachtzeit hörte auf und fuhr nach Amerita, um feine Kinder noch vor seinem Sterben zu sehen. So fuhr das ganze Städtchen dem" Amerikaner" nach, als zöge er sie mit einem Zauber hin- und das dauert bis auf den heutigen Lag.

..

In Amerifa fanden die Bewohner des Städtchens ein­ander wieder. Auf der Bovery stand ein drei Stock hohes Haus, staubig und schmutzig vom Ruß der Hochbahn und vom Straßenstaub. In seinem obersten Stockwert faß die ganze Stadt Rusmin... und nähte Kleider beim Amerikaner". Alle faßen sie auf der Bovery! Die Gelehrten des Städtchens, die Leute von vornehmer Ankunft zusammen mit den Hand­werfern und den anderen unteren Schichten und unwissenden Leuten der Heimat- alle faßen fie im obersten Stockwerf des Hauses in der Bovery und nähten, nähten, nähten. Die, welche einmal hinfamen, blieben dort ihr Leben lang. Sie fannten nur einen Weg: des Morgens auf die Bovery, des Abends von der Bovery nach Hause. Und am Tore des Hauses auf der Bovern war ein fleines verstaubtes Schild angebracht, welches den Namen des Amerikaners trug: Moses Melnit.

6. Die Amerikaner in Amerita Im Kleidermagazin stand der Amerikaner, Onfel Moses, ohne Rod, und schnitt mit einer großen Schneider­schere seine Fingernägel. Das ganze Lokal entlang standen lange, breite Tische, auf denen bis zur halben Höhe des Raumes Haufen von Kleidern aller Art lagen: Röde, Blusen, Hosen, Westen.

Zwischen den Tischen liefen geschäftig fräftige junge Leute umber, groß gewachsen, breitschulterig, mit fteifgewölbter Hemdbruft. Sie arbeiteten lautlos, aus Furcht vor dem Ontel", Nur von Zeit zu Zeit gab einer dem anderen einen

Grundvermögensstener und gefeßliche Miete.

Gemäß Beschluß der städtischen Körperschaften ist, wie das Städtische Zentralamt für Wohnungswesen mitteilt, der Gemeinde zuschlag zur staatlichen Grundvermögenssteuer für das Rechnungs jahr 1925 von 100 auf 112% Broz erhöht worden. Da dieser Beschluß erst im Januar dieses Jahres die Genehmigung der Aufsichtsbehörde gefunden hat, fann die Erhebung des erhöhten Ge meindezuschlages für das gesamte Rechnungsjahr von insgesamt 150 Proz. nur in den Monaten Februar und März erfolgen. Der Magistrat hat die Zahlungsverpflichtung auf diese beiden Monate in der Weise. verteilt, daß im Februar der Gemeindezuschlag in Höhe von 100 Broz. und im März der Gemeindezuschlag in Höhe von 50 Broz. fällig wird. Auf Grund der Verordnung des Preu­Bischen Ministers für Bolkswohlfahrt über die Regelung der gefeßze lichen Miete in Preußen vom 25. Juni 1924, die sich auf§ 27 Absatz 1 der dritten Reichssteuernotverordnung ftüßt, find die Ber.

gesetz­

Wink mit den Augen. Es war noch sehr früh am Morgen, die Schneider tamen erst allmählich zur Arbeit.

Rusmin tommt gefrochen, schau nur, wie Rusmin friecht." Ontel Mofes deutete mit der großen Schere auf die Juden, die eintraten; ein Teil von ihnen trug noch den Bart, ein anderer war bereits rafiert, viele waren alt und gefrümmt, zum Teil waren es jüngere Leute und solche in mittleren Jahren, welche mit einer gewiffen Faulheit eintraten und die Treppen zum obersten Stodwert emporflommen, wo die Arbeitsstühle standen.

" Sieh mur, sieh, wie Kusmin dahertriecht- he, du grüner Nute! Wie hat er doch daheim geheißen? Nute Buttermilch." Onkel Moses hielt mit diesem Ruf einen von den Arbeitern an, einen Mann in mittleren Jahren, in dessen Augen noch der Schlaf lag und dessen Schläfenlocken naß vom Waschen waren; er ging faul vorwärts.

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Warum friechst du so? Wir sind nicht in Rusmin! -In Rusmin wird gefrochen, in Amerita wird gelaufen. Berstanden? Heb nur beffer die Füße, du grüne Gurte!" Die Juden an den Kleidertischen lachten laut auf, es schien ihnen daran zu liegen, dadurch des Onfels Zufriedenheit zu erwerben aber voll wagte sich ihr Lachen nicht hervor. Der Onfel hob feine Augen, die schütteren gelben Brauen versteckten sich in den Fettwülften des Gesichtes; als die Leute des Onkels nackte Augen" sahen, die in seinem breiten, fetten Gesicht saßen, da brach ihr Lachen jäh ab. Gesicht faßen, da brach ihr Lachen jäh ab.

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" He, junger Mann, fomm mur her." Der Onkel minkte einem jungen Menschen zu, dessen rundlicher, gestutzter Bart 3eugnis dafür ablegte, daß sein Befizer fromm war; er fam piel später als alle anderen. Das erlaubte er sich zunächst deshalb, weil er ein Better des Onfels war, und zweitens, weil er erst vor furgem geheiratet hatte; auf seinen weichen Wangen , die der Schlaf geformt hatte, war noch der Duft der Rüffe zu spüren, die der junge Ehemann nachts genossen hatte....

Junger Mann, das erledigt man am Sabbat, da fostet es kein Geld nicht an Wochentagen; denn mitten in der Woche, da tostet es mein Geld verstanden?"

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Der junge Mann, welcher sich eine Fefondere Stellung unter den Arbeitern zuschrieb, weil er ein Beiter des Onkels war, sah diesen verständnislos an. Dann erlaubte er sich zu fragen: Was meint der Onkel?" Das Schlafen mit der Frau."

Freitag, 12. Februar 1926

mieter berechtigt, den Gemeindezuschtag zur staatlichen Grund­vermögenssteuer, soweit er 100 Proz. des staatlichen Satzes über fteigt, auf die selbständigen Wohnungen und die selbständigen Räume anderer Art nach dem Verhältnisse der reinen Friedensmieten um­zulegen. Die gesetzliche Miete erhöht sich daher für die Monate Februar und März nicht um einen bestimmten Hundertsaz, sondern um den Betrag, der sich aus der Berechnung der Umlage des er­höhten Gemeindezuschlages zur Grundvermögenssteuer ergibt. Die Umlage ergibt für Februar etwa vier Proz., für März etwa zwei Proz der reinen Friedensmiete.

Die Tat eines Trunkenen. Schwere Zuchthausstrafe.

Berbrechen, für das ganz einfach jedes menschliche. Verständnis Gewiß eine scheußliche Tat, die zur Berhandlung steht. Ein fehlen muß. Sich an einem Säugling von 5 Monaten geschlechtlich zu vergehen, fann niemals die Handlungsweise eines auch nur einigermaßen normalen Menschen sein. Und dennoch mußte die Wedding unter dem Vorsiz des jetzt an eine Ziviltammer ver­Strafe von acht Jahren Zuchthaus, die das Schöffengericht legten Landgerichtsdirettors Friedmann deswegen über den Arbeiter Raguse verhängt hatte, fast ebenso be fremben. Der Berurteilte hatte dagegen Berufung eingelegt, die jetzt vor der Großen Straffammer des Landgerichts III verhandelt wurde.

Die Eltern des fleinen Rindes waren mit dem Angeklagten, der als Die Beweisaufnahme ergab ein erschreckend trauriges Bild. Stneiperet baten sie Raguse, ihnen eine Beforgung in ihrer Woh­Freund des Hauses galt, in einem Restaurant. Im Laufe der mung abzunehmen, da sie noch fitzen bleiben wollten. Der nicht mehr nüchterne tat ihnen den Gefallen, fand das 5 Monate alte Töchterchen vor und verging sich an ihm. Zum Glück entstand für das arme Kind fein dauernder Schaden an seiner Gesundheit. Nach sechswöchentlicher Behandlung im Krankenhaus fonnte es den direktor Siegert, der den Vorsitz dieser Verhandlung führte, Eltern unversehrt zurüdgegeben werden. Landgerichtss fuchte zunächst einen Ueberblick über das Leben dieses Angeklagten zu gewinnen. R., der erst Anfang der 20er Jahre steht, hatte von Jugend auf jede Erziehung entbehren müssen. Als der Krieg ausbrach, meldete er sich sofort als Freiwilliger und feiner an und für sich etwas rohen Natur ward hier die beste Nah­rung gegeben. Beherrschung und Bekämpfung seiner Leidenschaften waren ihm fremd. Hatte er dazu noch getrunken, fehlte ihm jede Besinnung. Das Gericht tam nach Würdigung dieser Umstände zu der Ueberzeugung, daß die Tat an und für sich zwar roh und bestialisch, das Urteil der Borinstanz aber doch auch als barbarisch anzusprechen sei. Es hob den ersten Spruch auf und verurteilte den Angeklagten zu einer 3ucht­hausstrafe von 5 Jahren. Auch diese Strafe würde aus­reichen, dem Berurteilten genügend vor Augen zu halten, was er eigentlich begangen habe. Es soll nicht verfannt werden, daß die Art dieses Verbrechens vielleicht einzig dastehen mag, es muß aber auch auf der anderen Seite berücksichtigt werden, was ein act­jähriger Aufenthalt hinter Suchthausmauern für ein Menschenleben zu bedeuten hat. Ob aber die 5 Jahre, die R. sofort annahm, imstande sein werden, diesen Menschen von seinen widernatürlichen Veranlagungen zu heilen? Wann endlich wird unser Bolt in seiner Gesamtheit sich zu der Erkenntnis durch ringen, daß der Altohol teineswegs ein Freuden bringer ist, sondern immer nur ein Leidbringer? Niemand gibt fich Mühe, zu überlegen, daß, wie auch in diesem Fall, so in tausend anderen Fällen Altoholgenuß jene Hemmungen fittlicher Art beiseite räumt, die bei dem nüchternen Menschen start genug find, um ihn von einem Verbrechen abzuhalten.

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Erwerbslosendemonftrafionen. Die fommunistischen Er merbslosenausschüsse hatten zu Donnerstag mittag in ver schiedenen Teilen der Stadt zu Rundgebungen aufgefordert. Im Anschluß tam es zu Straßendemonstrationen vor dem Rathaus in der Königstraße und auf dem Neuen Markt". Hier wurden Ansprachen gehalten und Erhöhung der Erwerbslosensätze verlangt. Auch vor dem Landesarbeitsamt in der Nieder­wellstraße fam es zu Rundgebungen. Vor dem Gebäude des ADGB. in der Inselstraße zogen Trupps unter den Rufen Wir wollen Brot und Arbeit vorüber. Eine Delegation von 30 Mann wurde im ADGB. empfangen, dem fie ihre Wünsche vortrug. Wie die Polizei in den Abendstunden mitteilt, sind die Kundgebungen ohne Zwischenfälle verlaufen.

Eine Blutwelle schoß in das Antlitz des jungen Mannes, er mußte nicht, wohin er feine Augen wenden sollte. Die jungen Leute bei den Tischen platten mit einem Gelächter los, welches der Ontel wieder mit einem Blick seiner Augen und dem Emporziehen seiner dünnen Brauen dämpfte.

" Harry, nimm ihn in die Arbeit," rief ein Bursche von draußen herein und schob einen riesenhaften Italiener und seine Frau in die Tür des Ladens.

" Don't be afraid, don't be afraid, J'll sell you the best suit."( Nur nicht ängstlich, ich will Ihnen den besten Anzug verkaufen.)

hatten ihr schon zwei Burschen gefaßt, ihm die Hoje abgezogen Und ehe der Italiener noch Zeit hatte, sich umzusehen, und eine andere angezogen, die ihm zu furz und so eng war, daß die Nähte trachten. Dann zwängten sie ihn in einen zu ftreďte, von denen er gar nicht wußte, woher fie auf einmal furzen Rod, aus welchem der Riese zwei lange Hände hervor u ihm gekommen waren ein Bursche zog an dem Rock von rückwärts, der andere von vorne, sie richteten ihm den Brustlag, flopften ihm fräftig auf die Schultern, und sofort sprang ein britter mit einem Spiegel hinzu und ließ den Staliener sein Spiegelbild sehen:

Doesn't he look like a gentleman?( Sieht er nicht wie ein Herr aus?) Sam, fieh nur her, schau dir den Goj an," rief der Bursche, welcher dem Italiener den Anzug anprobiert hatte, einem anderen zu:

Doesn't he look like a gentleman?" " Natürlich, so foll er leben." Sam strich mit seiner großen Hand über die Schultern des Italieners, um den Anzug zu glätten. He is allright."

Ein Mädchen trat ein. Ihre zwei schwarzen Zöpfe waren frisch gefämmt und gestrählt und hingen, mit roten Maschen verbunden, über ihre Schultern. Die braune Jacke, die sie trug, hatte sie wohl schon ausgewachsen, und sie war abgerieben, aber rein. Ein scharfer Essiggeruch strömte von ter Kleidung aus, da das Mädchen die Flecken mit Essig ausgepugt hatte. Ueber den Rock war eine weiße Schürze gebunden, die den Eindrud machte, als ginge das Mädchen zum Eramen in die Schule

" Ich will den Onkel Moses sehen. Kann ich ihn sehen?" fragte das Mädchen den erstbesten Burschen, den sie bei der Türe traf. Der sah sie an.

( Fortsetzung folgt.)