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Seilage des vorwärts
Zlorentinischer Karneval. Bs » Max varthel. Da» Albergo J&tont' war ein internationales Haus, llnschein- k�ar lag es in einer dunklen Gaff« hinter der Piazza della Signa m. Den lichte» Schimmer von Michelangelos erzürntem„David* auf jenem Platz nahmen viele Gäste in die Herberge mit. ober nicht feinen unbändigen Stolz, denn sie waren arme Tippelbrüder und kannten das Haupt der Medusa viel besser als Perseus, der Held, der sie besiegte. Bundschuh, der unter den Kameraden als Ballu» bekannt war, kam von Rom und landete in der verste«kten Albergo hinter dem Palazzo Vecchio . Zwei Mädchen begrüßten ihn, Mafalda und Gemma. die Töchter des unsichtbaren Wirtes, der in Amerika Dollar häufeln wollte, um später am Arno ein Stück Land kaufen zu können. Mafalda diente vor Iahren einige Monate in München und kannte einige Brocken Deutsch . Gemma sprach nur ihr ge° liebtes Toskanisch. Sie war das Aschenbrödel im Hause und der Schatten Mafaldas, die in stolzer Massigkeit die Herrin spielte, die Landstreicher bemutterte und den Ballu» ein wenig liebt«. Bundschuh liebte Maskerade und Verkleidung, und so gab er sich in Florenz als Holländer aus und versicherte, Maler zu sein. Ma- ,'alda konnte viele Maler und lächelte nur. Gemma glaubte an Ballus und bat um ein Bild. Mit dem schönen Leichtsinn junger Jahre versprach er ein Bild und vertröstete das Mädchen auf die Zeit nach dem Karneval. Mafalda war für irdische Dinge, und um sie in das rechte Licht zu stellen, hätte man schon Bildhauer sein muffen oder ein rettungslos Verliebter. In der Herberge kam Ballu» mit feinen römischen Bekannten zusammen. Er traf den Buchhändler, einen verkrachten Halbintellek- tuellen mit beinah« wimperlosen Augen, auch der Journalist war da. der schon lange für keine Zeitungen mehr schrieb, ein lunger Kerl, der unter dem Namen„Türke* lies, weil er lange in Konstantinopel gelegen hatte und zuguterletzt tauchten auch zwei Russen auf, schwere Hungens, die sehr oft abends auf Balance gingen, das Messer oder den Schlagring in der Faust, und mit diesen bestehenden und durch« schlagenden Argumenten einsame Leute in einsamen Gassen an- bettelten. In Florenz konnte man schon leben, besonder» die jungen, gut- gewachsenen Leute. Ein Herr Doktor am Arno zeigte sich dann von der liebenswürdigsten Seite. Vor den Toren der Stadt lebte ein englischer Professor, der nicht nur für antike Jünglinge schwärmte. Ballus hotte kein Verständnis für diese Art der Männer- sreundschaften, blieb lieber bei Mafalda oder Gemma sitzen und ue rächt et« auch die anderen Mädchen nicht. „Komm los.* sagt« eines Tages der Buchhändler zu ihm,„komm los, ich habe mit dir zu reden. Wir wollen uns die Stadt ansehen.* „Sett wann interessiert dich die Stadt?* fragte Ballu»,„du bist doch sonst nicht so. Oder willst du in die Uffizien?* „Du bist wahnsinnig,* lachte der Buchhändler,„aber komm los und laß dir erzählen. Mit dem Journalisten habe ich schon ge- svrochen. Uebermorgen beginnt der Carneoale und mein Plan ist, mitten im Jubel und Trubel die Leute anzuinucken. Wir brauchen dich als Staffage. Du haßt das anständigste Gesicht von uns allen. du deutscher Träumer mit die blauen Augen.* „Grane Augen,* lachte Ballus.„und nun erzähle weiter.* Der Buchhändler schwieg, bi» die letzten Häuser der Stadt I i Itter ihm waren. Er begann erst zu reden, als sie auf der Piazza Michelangelo standen und das bergumkränzte Florenz sahen und Ballus in Landschaften zu schwännen begann. „Mann Gottes, sei still mit dem Schmus und warte, bis der Karneval vorbei ist,* sagte der Buchhändler.„Wenn alle» bcne iit, schwärme ich mtt. Aber heute bin ich nicht der schönen Aussicht wegen hieraus geklettert, das kannst du schon glauben. Also der Karneval. Am Palazzo Vecchio beginnt der Humbug. Siehst du. dort. Das ist auch unser Spielplatz. Du stellst dich an der Säulen- balle„Wie heißt sie doch* auf, bei dem Mann, der die Medusa geköpft hat, und machst große Augen und sagst:„Armer Aus- linder, vier Tage nichts gegessen. Helsen Sie, edle Damen und Herren.* Da kommen wir angetürmt, denn die edlen Herren sind wir. Der Journalist ist zuerst etwas verstockt, aber dann hält er eine Rede an das Volk und sammelt für uns. Auch wir schmeißen Geld in den 5iut. Das wird dann verteilt. Schätze, daß fünfzig Lire zusammenkommen. Denselben Humbug spielen wir dann am Gase degli Alighieri und vielleicht noch an der Chiesa di Sante Croce. Hast du mich verstanden, armer Ausländer?* „Sehr gut. aber ich weih immer noch nicht, warum wir auf Ue Berge geklettert sind,* sagte Ballus. „Weil die zwei Russen eine ähnliche Sache schieben wollen, du Kirch,, und weil in der Penne die Wände Ohren haben. Und weil d:r General seinen Rekruten das Schlachtfeld zeigen will. Ver- zcanden?* „Benissimo. Generale.* lachte Ballus. Am übernächsten Tag stellte sich Ballus, als der Karneval begann, auf der Piazza della Signoria an der Säulenhalle„Wie beißt sie doch* auf, unter der Statue des Perseus , der das Haupt !er Medusa weit von sich streckt. Uebcr den Platz wogte schon die crsle Welle des beginnenden Festumzuges. Bunte Wagen rollten vorüber, in greller Verkleidung huschten einige Masken vorbei, der erste Konietti regnete. Ballus sah das alles und freute sich. Do kam der Journalist mit dem Buchhändler und dem Türken. „Mein Herr,* wandte sich Ballus klagend an den Journalisten, ..mein edler Herr, vier Tage habe ich nicht gegessen. Ein armer Ausländer bin ich und möchte gern in meine Heimat zurück.* „Niente!* sogt« der Angesprochene mit so großartiger Verach- i"ng," wie man sie nnr nachmachen, aber nicht selbst erfinden kann. ..Niente Vagabonde.* „Signor,* spielte Ballus weinerlich weiter,„davon werde ich 'acht satt, von dem niente!* �» Einige Masken drängten sich an dieses Zwiege,prach. Der Buchhändler griff in die Tasche und schmiß eine Lire aus die Erde. ..Bravo, bravo!* klatschte ein Mann Beifall. Dieser Mann war der Türk«. „Signori,* wandte sich der Journalist an die Zuschauer des Spieles.„Signori. ich bin gegen jede Bettelei, aber dieser Poverelli scheint wirklich Hunger zu haben.* „Ja. ja. viel Hunger,* stammelte Ballus und erschrak, denn plötzlich hatte er richtigen Hunger.,. Ein« Maske mit papageienhafter grünbemalter Nase gab eine Lire. „Und weil er Hunger hat und weil er nach Hause will, Signori, nrch weil sich seine Mutter um ihn die Augen auswentt, sein Va.er keine Arbett hat und die Schwester im Sterben liegt, nur darum.
»Sie werden sich wohl entschließen müssen, Matth. S,40 einer gründlichen Revision zu unterziehen!'
edle Damen und Herren, sollten wir helfen. Um die Tränen seiner Mutter willen!„Eiiwu Saldo für den Man», der vier Tag« nichts gegessen hat!*, rief er laut über den Platz, riß den Hut voin Kopfe, schüttete vier Solbi hinein und ging unter die Zuschauer sammeln. Ballus stand starr, ein Standbild de» Jammers, unter dein Haupte der Medusa. Innerlich lachte sein Herz, lachte über die Tränen der Mutter, die Not des Vaters und die Sterbepein der Schwester, über die Schatten und Schemen, die der Journalist frech und überzeugend erfunden hatte, um einen schäbigen Hut mit gutem Geld« zu füllen. Viele der Italiener lachten und glaubten an«inen kräftigen Scherz, aber ihr Gelächter schüttelte nicht nur den Bauch, «z schüttelte auch die Börse. Als der Journalist mit seiner Samm- lung fertig war, ging er wie ein Wohltäter aus Ballus zu, stopfte mtt der Würde eines römischett Senatoren das Geld in die offene Bettlerhand. Dann verbeugt« er sich artig vor den Masken und dankte mit einer Neinen Red«.(Schluß folgt.)
politifthe Anmerkungen zu Scheffels 1 00. Geburtstag. Von Pros. Reinhard Strecker- Berlin . Der hundertste Geburtstag Diktor von Scheffels(am 16. Februar) wird erheblich weniger geräuschvoll gefeiert als der fünfzigste. Damals stand Scheffel auf der Höhe seines Ruhmes. Er empfing den Adels- tttel und die Glückwünsche der ersten Mämier Deutschlands . Der „Trompeter von Söckinqen" und der„Ekkehard* waren die meist gelesenen Bücher Deutschlands . Alle lustigen Trinkgesellschaften waren von Scheffels Liedern beherrscht. Heute aber gehört Scheffel im Urteil der modernen Literaturhistoriker zu den Vertretern eines überwundenen Geichinocks. Mit Richard Meyer werden noch viele andere Scheffels Trankpoesie, die„Bummellieder*, wie der Dichter selbst sie nannte, für sein bleibendstes Werk hatten. Ob aber gerade diese Art von Poesie an sich bleibenden Wert hat, darüber bestellen wohl berecht-igte Zweifel. Uebrigens war Viktor von Scheffel selbst trotz aller Feiern bei seinem 86. und HO. Geburtstag schon halb ein toter Mann. Es ist ein trogischer Kontrast: in ganz Deutschland liest man seine Schriften und jubelt ihm zu, aber er selbst ist bereits cit Jahren unfruchtbar und bringt trotz glänzender Anlagen und großer Anläufe nur noch Bruchstücke und Kleinigkeiten hervor. Sein ganzes künstlerisches Schaffen drängt sich in die wenigen Jahre bis in die Mitte der Dreißig zusammen.. � In sein Leben fallen die größten geschichtlichen Ereignisse, die Jahre 1848/49 und 1870/71. Man sieht nicht, daß er innerlich davon besonders tief ergrifsen worden wäre. Allerdings interessiert er sich siir die revolutionäre Bewegung. War er doch auch in dem Lande geboren, wo diese ihren Mittelpunkt hatte, in Karlsruhe in Baden . Er war erst 22 Jahre alt und stand gerade damals im juristischen Examen. Seiner hohen Intelligenz nach wäre Scheffel wohl be- rufen gewesen, auch in der Politik eine führende Rolle zu spiele,,. Man setzte Hofsnungen aus ihn. Karl Theodor Welker, der Heidel- berger Professor und Abgeordnete, nahm vcheffel mit aus seiner diplomatischen Reis« nach Stockholm . Ein« beneidenswerte Gelegen- hett für den jungen Dichter, in die politische Welt einzudringen. Vorübergehend war er auch Redakteur der„Vaterländischen Blätter" in Karlsruhe und machte am 13. Mai die große Ossenbnrger Volks- Versammlung mit. Die revolutionäre Stimninng war auf dem Hohe- puntt. Die Bauern hatten ihre Pferde und Wagen mit roten Bändern und Blumen geschmückt. Aus dem Volke heraus sollte die Rettung kommen, nachdem das Frankfurter Parlament versagt hotte. Biktor von Scheffel wünschte damals, es möchte doch den rückständigen Herren in der Karlsruher Regierung„etwas von der trotz allen blutroten Hasses gesunden Luft dieses Volkstages um di« Nase wehen*. Die Rastatter Kanonier«, die an der Dersammlung teilge-
nommen hotten, gaben am nächsten Tage da» Signal zur Militär- revolution, und der Großherzog mußte flüchten. Aber es war, als hätte Scheffel auch schon etwas von dem tragischen Ausgang vorausgeahnt, denn er schüeßi seine Schilderung mtt dem melancholischen alten Bers:„Wo's schneiet rote Rosen, da regnet's Tränen drein." Als Wilhelm„der Kariätschenprinz" in Baden einmarschiert«, war's mit den politischen Freiheitshofsnungen gründlich vorbei. Im Grunde genommen war Schessei doch mehr neugieriger Zu- schauer als aktiver Teilnehmer der Bewegung gewesen. Deshalb nahm er auch das Ende mit kühler Gelassenhett hin. Anerkannt werden soll, daß seine vornehme Gesinnung es nicht litt, in der Untersuchungskommission gegen die Revolutionäre mitzuwirken. Darüber verlor er sein« Stelle als Sekretär des Zivilkommissars von Orff . Aber dieser Verzicht wurde ihm auch dadurch erleichtert. daß er überhaupt nicht sehr an seinem juristischen Berufe hing. Nach mancherlei Auseinandersetzungen mit seinem Vater hing er die Juri- sterei nach kurzer Verwaltungspraxis in Säckingen endgüllig an den Nagel. Bor der Revolution während des studentischen Verbindungs- lebens waren die Trinklieder entstanden. Nach der Rcvolittuijn als Frucht einer Jtalienreis« und der germanistischen Studien des Dichters, die er neben seinen juristischen berrieben hatte, entstand der „Trompeter* und„Ekkehard*. Besonders letzterer wird immer lesenswert bleiben als historisches Kutturbild, auch wenn die beiden Hauptpersonen mehr Weisheit und Weltschmerz der Scheffel- schen Zeit als Art und Denken des frühen Mittelalters verkörpern. Natur, Humor, Wein, Romantik— das ist Scheffels Flucht aus der Wirklichkeit in die Illusion, aus der hoffnungslosen Gegenwart in eine Bergangenhett, in der sich di« Phantasie ungehindert noch ihrem Geschmack einrichten kann. In diesem Sinne ist Scheffel, seine Zeit und die Verehrung, die er in ihr genoß, typisch. An ungezählten Stammtischen wurden di« politischen Stimmungen und Berstimmungen zwecklos geäußert oder vertrunken, mit denen sich in der Aera der Reaktion sonst nichts anfangen ließ. Di« Romantik lenkte die Sehnsucht nach besseren Zeiten aus di« Bergangenhett ab, wo sie politisch ungefährlicher war, als wenn sie sich aus die Zukunft richtet. So ist Scheffels Schicksal nur zum Teil seine persönliche Schuld. Sein« dichterische Schassenskraft aber erlahmte nicht zuletzt unter der Einwirkung seines gewohnheitsmäßigen Trinkens. Was in Scheffel an politischen Interessen vorhanden war, wurde damit zugleich eingeschläfert. Die ganze Lustigkeit seiner Trinklieder be- ruht vielfach aus der übermütigen Verspottung alles dessen, was sonst im Leben ernst genommen sein will: Wissenschaft, Religion, Baterland. Idealismus. Die Kräfte, die fähig sind, die Well zu ver- jüngen, konnten allerdings aus studentischer Weinseligkeit und romantischer Poetenschwärmerei nicht kommen. Und deshalb ist die Ge- schichte, auch die Literaturgeschichte, über Scheffels Poesie zur Tages- ordnung übergegangen._ Die älteste Dynastie der Well. Die diplomatischen Vertretungen Japans im Ausland hatten dieser Tage anläßlich der Wiederkehr des Jahrestages der Thronbesteigung des Kaisers Iimmu, des ersten Kaisers von Japan , ihre Bureaus geschlossen. Dieser Tag steht als japanischer Nationalfeiertag hoch m Ehren. Kaiser Iimmu bestttg den Thron in Pamato vor rund 3600 Jahren. Er war der Gründer der Dynastie, die vom Jahre 600 v. Chr. an in ununterbrochener Folge die Herrschaft ausübt. Tamato blieb das Verwaltungszentrum Japans während der Regierungszett von über fünfzig Kaisern. Noch heute besteht in dieser Provinz der hölzerne Tempel von 5?oryusi. der vor mehr als 1300 Iahren errichtet worden ist und wertvolle Reliquien enthüll. Er ist wahrscheinlich das älteste hölzerne Bau- werk, dos heute noch in der Welt steht. Während der Regierung»- zeit der Kaisers Genmyo von 706 bis 715 n. Chr. wurde die Haupt- stadt des Landes vorübergehend nach Nora in der gleichen Provinz oerlegt, im Jahre 794 a. Chr. wurde Kyoto der Sitz der Regierung. die dann die Hauptstadt Japans blieb bis zum Beginn der Meist- Periode im Jahre 1868, in dem Tokio Landeshauptstadt wurde.